Jusletter IT

Bundesgerichtshof zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des «Framing»

  • Author: Jurius
  • Category: News
  • Region: Germany
  • Field of law: IP Law
  • Citation: Jurius, Bundesgerichtshof zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des «Framing», in: Jusletter IT 24 September 2015
BGH – The First Civil Chamber, which is responsible for copyright amongst other things, decided on 9 July 2015, that the operator of a web page does not violate copyright law, when he embeds copyrighted contents through «Framing» on his own web page, that are available for all Internet users on another web page with the consent of the right holder. (Judgement I ZR 46/12) (ah)
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Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel «Die Realität» herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war – nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung – auf der Videoplattform «YouTube» abrufbar.
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Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie den Besuchern ihrer Internetseiten, das von der Klägerin in Auftrag gegebene Video im Wege des «Framing» abzurufen. Bei einem Klick auf einen Link wurde der Film vom Server der Videoplattform «YouTube» abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen («Frame») abgespielt.
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Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten das Video damit unberechtigt öffentlich zugänglich gemacht. Sie hat die Beklagten daher auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen.
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Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von je 1'000 € an die Klägerin verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Das Berufungsgericht hat, so der BGH, mit Recht angenommen, dass die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des «Framing» kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) darstellt, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Eine solche Verknüpfung verletzt auch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG grundsätzlich kein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das im vorliegenden Rechtsstreit eingereichte Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs ausgeführt, es liege keine öffentliche Wiedergabe vor, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt würden, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich seien. Das gelte auch dann, wenn das Werk bei Anklicken des bereitgestellten Links in einer Art und Weise erscheine, die den Eindruck vermittele, dass es auf der Seite erscheine, auf der sich dieser Link befinde, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstamme.
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Den Ausführungen des EuGH ist nach Ansicht des BGH allerdings zu entnehmen, dass in solchen Fällen eine öffentliche Wiedergabe erfolgt, wenn keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliegt. Danach hätten die Beklagten das Urheberrecht am Film verletzt, wenn dieser ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei «YouTube» eingestellt war. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Der BGH hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
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Der Bundesgerichtshof hat erwogen, das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in dem vom Hoge Raad der Niederlande am 7. April 2015 eingereichten Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-160/15 – GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a. – auszusetzen. Der Hoge Raad hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen ist, wenn das Werk auf der anderen Internetseite ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist. Der BGH hat gleichwohl von einer Aussetzung des Verfahrens abgesehen. Mit einer Entscheidung des EuGH in dem ihm vom Hoge Raad vorgelegten Verfahren ist frühestens in einem Jahr zu rechnen. Auf die dem EuGH in jenem Verfahren gestellte Frage kommt es im vorliegenden Verfahren nur an, wenn der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei «YouTube» eingestellt war. Es ist daher nicht angebracht, das Verfahren ohne Klärung der Frage auszusetzen, ob der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei «YouTube» eingestellt war.

Urteil des BGH I ZR 46/12 vom 9. Juli 2015

Verfahrensgang:

  • LG München I, 2. Februar 2011 – 37 O 15777/10
  • OLG München, 16. Februar 2012 – 6 U 1092/11
  • BGH, 16. Mai 2013 – I ZR 46/12
  • BGH, 10. April 014 – I ZR 46/12
  • EuGH, 21. Oktober 2014 – C-348/13
  • BGH, 9. Juli 2015 – I ZR 46/12

Quelle: Medienmitteilung des BGH Nr. 114/2015 vom 9. Juli 2015