1.
Ausgangsfall ^
In Spanien1 war Herr Mario Costeja González damit konfrontiert, dass bei der Eingabe seines Namens in die Google-Suchmaschine zwei Links zu zwei Seiten der spanischen Tageszeitung «La Vanguardia» (1998) erschienen, auf denen eine Anzeige mit dem Hinweis auf die Versteigerung seines Grundstücks i.Z.m. einer erfolgten Pfändung wegen Forderungen der Sozialversicherung zu sehen waren. Mit dem Argument, dass die Pfändung lange zurückliegt und im Übrigen erledigt sei, erhob er Beschwerde an die spanische Datenschutzbehörde und stellte den Antrag, neben der Tageszeitung auch Google anzuweisen, die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu löschen. Die Agencia Española de Protección de Datos (AEPD) gab der Beschwerde statt, wogegen Google Spain SL bzw. Google Inc. Klage bei der Audiencia Nacional (dem zentralen Gericht Spaniens) einbrachte; diese wiederum setzte das Verfahren aus und stellte Vorlagefragen an den EuGH.
2.1.
Räumlicher Anwendungsbereich der RL 95/46/EG ^
Google Spain SL übt in Spanien effektiv und tatsächlich eine Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung aus und verfügt sogar über eine eigene Rechtspersönlichkeit. Zu klären war die Frage, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Tätigkeiten der Niederlassung erfolgt ist. Hierzu hat der EuGH ins Treffen geführt, dass die Niederlassung Google Spain SL insbesondere zur Förderung des Verkaufs der angebotenen Werbeflächen der Suchmaschine Google tätig ist; dies mache die Suchmaschine rentabel und die Tätigkeiten von Google und Google Spain SL seien daher untrennbar miteinander verbunden. Daraus ergibt sich für den EuGH der Schluss, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten von Google im Rahmen der Werbetätigkeit der Niederlassung Google Spain SL erfolgt, auch wenn diese nicht unbedingt von der Niederlassung vorgenommen wird. Es handelt sich daher um eine «Niederlassung» i.S.d. Art. 4 Abs. 1 lit a der DS-RL, was dazu führt, dass europäisches bzw. spanisches Datenschutzrecht zur Anwendung kommt.
2.2.
«Verarbeitung personenbezogener Daten» / «für Verarbeitung Verantwortlicher» ^
2.3.
Umfang der Verantwortlichkeit (des Suchmaschinenbetreibers) ^
«…Ausgleich kann … von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information abhängen, das u.a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann»9.
2.4.
Umfang der durch die DS-RL garantierten Rechte ^
3.
Résumé und Schlussfolgerung ^
Aus meiner Sicht lassen sich aus diesem aus datenschutzrechtlicher Sicht richtungsweisenden12 EuGH-Urteil folgende Schlussfolgerungen ziehen13:
- Das Google-Urteil des EuGH ist zunächst eine logische Fortschreibung datenschutzrechtlicher Grundsätze (Definition der Verarbeitung personenbezogener Daten und des für die Verarbeitung Verantwortlichen, Interessenabwägung, Recht des Betroffenen auf Löschung von Daten, wenn schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen überwiegen) und gibt diese auf anschauliche und präzisierende Weise wieder.
- Der EuGH schreibt Google die datenschutzrechtliche Verantwortung als Auftraggeber zu und zieht dies als entscheidende Grundlage für seine Schlussfolgerungen heran, was für die datenschutzrechtliche Praxis eine wichtige Klarstellung ist.
- Die Möglichkeiten der Geltendmachung individueller Ansprüche der Betroffenen, denen auch Google Rechnung zu tragen hat (und mit dem nunmehr zur Verfügung gestellten Online-Formular auf praktischer Ebene auch nachkommt) ist m.E. nicht nur eine Frage der Durchsetzung und des Beweises, die in der Praxis vereinzelt durchaus schwierig zu lösen sein wird, sondern auch eine wichtige Weichenstellung für den Datenschutz.
- In Zeiten, in denen Max Schrems gegenüber Facebook wichtige Pionierarbeit in Sachen Datenschutz leistet, der Weg zu einem «EU-Datenschutz»14 soweit absehbar noch dauern wird und Datenschutz generell (noch) nicht genug Beachtung findet, sollten die Erfahrungen in der Behandlung der an Google gerichteten Anträge abgewartet und daraus die entsprechenden Schlüsse für die Zukunft gezogen werden.
Das Urteil des EuGH wird vermutlich noch länger diskutiert werden, vor allem im Zusammenhang mit der bevorstehenden Datenschutz-Grundverordnung15. Die inhaltliche Diskussion muss natürlich auch im Hinblick auf die kritischen Stimmen16 weitergehen. Von Zensur oder Einschränkung der Meinungs- bzw. journalistischen Freiheit17 kann m.E. jedoch keine Rede sein, da zum einen die datenschutzrechtliche Verantwortung eben zunächst bei jenem Unternehmen liegt, das personenbezogene Daten verarbeitet – so auch Google – und zum anderen im Datenschutzrecht ein eigener Rechtfertigungsgrund für journalistische Zwecke besteht (Art. 9 DS-RL). Im Gegenteil, das Urteil stärkt die im Einzelfall notwendige Interessenabwägung i.Z.m. der Zulässigkeit von Datenverwendungen, betont den notwendigen Interessenausgleich und stellt aufgrund der dargelegten datenschutzrechtlichen Schlussfolgerungen einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar!
4.
Praxishinweis ^
Schon kurz nach Veröffentlichung dieses bedeutenden EuGH-Urteils hat Google auf seiner Website ein Online-Formular zur Geltendmachung der Betroffenenrechte zur Verfügung gestellt. Dieser «Antrag auf Entfernen von Suchergebnissen nach europäischem Datenschutzrecht» ist unter https://support.google.com/legal/contact/lr_eudpa?product=websearch&hl=de (8. Januar 2015) abrufbar. In der Einleitung wird ausgeführt, dass Voraussetzung für die Beantragung ist, dass die Datenschutzrechte der betreffenden Person schwerer wiegen, als das Interesse an der Verfügbarkeit der betreffenden Suchergebnisse. Da es somit wesentlich auf die Begründung ankommt, empfehle ich dringend, eine vorangehende genaue Prüfung, ob und aus welchem Grund die Löschung beantragt wird. Wir bieten hier anwaltliche Unterstützung an!
Der ebenfalls online abrufbare Google-Transparenzbericht18, der nach Eigenangaben von Google alle Ersuchen seit der Einführung des neuen Verfahrens am 29. Mai 2014 wiedergibt, spricht von 195.808 Ersuchen, die bei Google eingegangen sind, wobei 39,8% URLs entfernt, 60,2% nicht entfernt wurden (Letzte Aktualisierung 7. Januar 2015). Diese Zahlen zeigen, dass wohl nicht davon auszugehen ist, dass Google Indizierungen von Daten im Zweifel löscht19.
Michael M. Pachinger, Rechtsanwalt in Österreich & Abogado inscrito in Spanien mit den Spezialbereichen Datenschutz, IP & IT sowie internationales Vertragsrecht und Beratung in englischer, französischer und spanischer Sprache, SCWP Schindhelm, Österreich, m.pachinger@scwp.com; http://at.schindhelm.com/
- 1 Der Autor ist Vizepräsident der Österreichisch-Spanischen Juristenvereinigung (ÖSJV), die sich für die Zusammen-arbeit und den fachlichen Austausch zwischen Juristen beider Länder einsetzt. Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form auch in den «informaciones», der Zeitschrift für den deutsch-spanischen Rechtsverkehr / Revista jurídica hispano-alemana, herausgegeben von der Deutsch-Spanischen Juristenvereinigung, bei der auch der Autor Mitglied ist, veröffentlicht, INF informaciones III/2014, 163.
- 2 EuGH 13. Mai 2014, C-131/12, Google Spain SL, Google Inc. gegen Agencia Española de Protección de Datos (AEPD), Mario Costeja González. Vgl. dazu die ausführliche Besprechung von Jahnel, Löschungspflicht von Such-maschinenbetreibern – Die «Google Spain und Google»-Entscheidung des EuGH, in jusIT 2014/72, 149.
- 3 Als der Autor dieses Beitrages im Sommer 2014 den «Googleplex» in Mountain View im kalifornischen Silicon Valley besuchte, standen einige Ampeln mit daran angebrachten mit «Google» beschrifteten Straßenschildern auf «Rot», was ihm als ein treffendes, symbolhaftes Bild für den EuGH-Entscheid erschien. Nebst anderen Eindrücken zeigt er dies zur Auflockerung auch in Präsentationen der datenschutzrechtlichen Überlegungen.
- 4 EuGH, 13. Mai 2014, C-131/12 Rz. 28 (Hervorhebung durch Kursivsetzung des Autors).
- 5 EuGH, 13. Mai 2014, C-131/12 Rz. 35.
- 6 EuGH, 13. Mai 2014, C-131/12 Rz. 36.
- 7 EuGH, 13. Mai 2014, C-131/12 Rz. 38, 40.
- 8 Zutreffend weist Jahnel in jusIT 2014/72, 149 (151) darauf hin, dass der EuGH als Zulässigkeitsgrund Art. 7 lit f. DS-RL ins Treffen führt und damit offenbar implizit davon ausgeht, dass bei der Datenverarbeitung von Google keine sensiblen Daten i.S.d. Art. 8 DS-RL verarbeitet werden; damit vermeidet er das Problem, dass mangels der Möglichkeit, eine Interessenabwägung vorzunehmen, keiner der Zulässigkeitsgründe gem. Art. 8 Abs. 2 DS-RL herangezogen werden kann.
- 9 EuGH, 13. Mai 2014, C-131/12 Rz. 81.
- 10 EuGH, 13. Mai 2014, C-131/12 Rz. 87.
- 11 EuGH, 13. Mai 2014, C-131/12 Rz. 96.
- 12 Vgl. sinngemäß Jahnel, jusIT 2014/72, 149 (153). Knyrim spricht in seinem Datenschutz-Newsletter vom 12. Juni 2014 von einem «bahnbrechenden Urteil» und «einem der bedeutendsten Urteile des EuGH überhaupt».
- 13 Diese hat der Autor auch im Rahmen einer Diskussion unter IT-Rechtsexperten für die Tageszeitung OÖNachrichten vorgebracht, online unter http://www.nachrichten.at/nachrichten/web/Google-Urteil-Ein-richtiger-Schritt-oder-Angriff-auf-die-Meinungsfreiheit;art122,1461566 (8. Januar 2015) abrufbar, Printversion 5. August 2014.
- 14 Siehe Pachinger, Auf dem schwierigen Weg zum «EU-Datenschutz», jusIT 2013/87, 181.
- 15 So auch König, JUDIKATUR DATENSCHUTZRECHT in ZIR 2014/3, 218. Siehe auch Stolz, Löschung personenbezogener Daten im Internet, in: Jusletter IT 11. Dezember 2014, S. 9 f., die darauf hinweist, dass die vom EuGH in der Google-Entscheidung geforderte Interessenabwägung künftig auch in der Datenschutz-Grundverordnung verankert wird. Sie spricht treffend von verantwortungsvollen Interessenabwägungen, die Unternehmen in Zukunft vorzunehmen haben werden, weist jedoch auch darauf hin, dass offen ist, wie Unternehmen mit dieser Auslegungsfrage zu Recht kommen werden.
- 16 Siehe z.B. Kettemann, Vergessen Sie das Recht auf Vergessen, in Die Presse, Rechtspanorama, 19. Mai 2014, online unter http://diepresse.com/home/politik/eu/3807321/Google_Vergessen-Sie-das-Recht-auf-Vergessen (8. Januar 2015) mit Hinweis auf den sog «Streisand-Effekt». OÖNachrichten, Trotz Google-Urteil: Das Internet vergisst uns nicht, 31. Mai 2014, online abrufbar unter http://www.nachrichten.at/nachrichten/web/Trotz-Google-Urteil-Das-Internet-vergisst-uns-nicht;art122,1401115 (8. Januar 2015).
- 17 Vgl. Burgstaller, EDITORIAL in ZIR 2014/4, 261 und 262. Instruktiv dazu Weber/Heinrich, Verletzt das Recht auf Vergessen(werden) des EuGH die Meinungsäußerungsfreiheit?, in: Jusletter IT 11. Dezember 2014, die in ihrer Würdigung darauf hinweisen, dass die Information selbst nach wie vor auf der Quellenseite abrufbar bleibt und daher die Preisgabe der Meinung des Verfassers/Bereitstellers der fraglichen Information nicht direkt beeinträchtigt wird, und mit Recht in Frage stellen, ob der schnelle und leichte Informationszugang überhaupt von der Meinungsäußerungsfreiheit abgedeckt ist.
- 18 Online unter http://www.google.com/transparencyreport/removals/europeprivacy/?hl=de (8. Januar 2015).
- 19 So aber Burgstaller, ZIR 2014/4 EDITORIAL, 261 und 262, der vermutet, dass Google die Auffindbarkeit von Daten und Informationen recht großzügig unterbinden wird, wofür er nachvollziehbare Gründe vermutet, ohne diese jedoch anzuführen. Instruktiv dazu Weber/Heinrich, Verletzt das Recht auf Vergessen(werden) des EuGH die Meinungsäußerungsfreiheit?, in: Jusletter IT 11. Dezember 2014, die in ihrer Würdigung darauf hinweisen, dass die Information selbst nach wie vor auf der Quellenseite abrufbar bleibt und daher die Preisgabe der Meinung des Verfassers/Bereitstellers der fraglichen Information nicht direkt beeinträchtigt wird, und mit Recht in Frage stellen, ob der schnelle und leichte Informationszugang überhaupt von der Meinungsäußerungsfreiheit abgedeckt ist.