Jusletter IT

Pikachu & Co – Augmented Reality rechtlich betrachtet

  • Author: Kai Erenli
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: IT-Law, E-Commerce
  • Citation: Kai Erenli, Pikachu & Co – Augmented Reality rechtlich betrachtet, in: Jusletter IT 22 September 2016
The article gives an overview of the legal problematics arising when dealing with Augmented Reality (AR). The fact that there are several relevant questions has been confirmed by the hype issued by the game «Pokémon Go». First, there will be a retrospect on the hitherto handling of the topic from an international legal point of view and an obsolete insight into the underlying technology, afterwards the legal problem areas will be elaborated in detail. In closing, based on practical problems that occurred within introducing «Pokémon Go», a presentation of legal solution approaches is attempted. (ah)

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einführung und Technik
  • 2. Input vs. Output
  • 2.1. Input
  • 2.1.1. Urheberrecht
  • 2.1.1.1. Aufnahme/Erfassen von urheberrechtlich geschütztem Material
  • 2.1.1.2. Panoramafreiheit und die Freiheit des Straßenbildes
  • 2.1.1.3. Das Recht am eigenen Bild
  • 2.1.2. Persönlichkeits- und Datenschutzrechtliche Aspekte
  • 2.1.2.1. Persönlichkeitsrechte
  • 2.1.2.2. Datenschutz
  • 2.2. Output
  • 2.2.1. Urheberrecht
  • 2.2.2. Wettbewerbs und Markenrecht
  • 2.2.3. Konsumentenschutz (AGB)
  • 2.2.4. Bewertung von Waren und Dienstleistungen
  • 2.2.5. Haftung für Schadensfälle
  • 2.2.6. Besitzstörung und Hausfriedensbruch
  • 3. Praxisbeispiel Pokémon Go
  • 4. Zusammenfassung und Ausblick

1.

Einführung und Technik ^

[1]
AR bezieht sich auf die IT-gestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Dabei können alle menschlichen Sinne, wie Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen angesprochen werden. Momentan wird darunter – aufgrund des aktuellen Standes der Technik – vorrangig die visuelle Darstellung von Informationen verstanden, also die Ergänzung von Stand- oder Bewegtbild mit computergenerierten Zusatzinformation oder grafischen Objekten. Diese werden dann mittels Einblendung oder Überlagerung visualisiert. Es handelt sich dabei um eine Erweiterung der Sinneswahrnehmung des Menschen, die ohne AR-Technologie so nicht möglich wäre, bzw. so nicht wahrgenommen werden könnte.
[2]

Durch Pokémon Go wurde das Themenfeld AR einer breiten Bevölkerungsschicht nähergebracht, jedoch hat AR bereits eine längere Geschichte hinter sich. Seit Morton Heilig das «Sensorama»1 in den 1950er Jahren erfand, hat AR eine ständige Entwicklung erfahren. Musste bspw. das Head-Mounted-Display von Ivan Sutherland 19662 noch aufgrund seines Gewichtes an der Decke montiert werden, so wog das Google Glass, das 2012 vorgestellt wurde gerade mal 54g. Auch wenn dem Google Glass bislang kein großer kommerzieller Erfolg beschieden war, ebnete es doch den Weg für viele Anwendungsbeispiele in diesem Bereich. Viele App-Entwickler wurden auf die Technologie aufmerksam und begannen eigene Ideen in Apps umzusetzen. Die Tatsache, dass moderne Mobiltelefone mit Kameratechnologie ausgerüstet sind, schafft ideale Voraussetzungen für den Einsatz von AR.

Das «Sensorama» von Morton Heilig

Das «Head-Mounted Display» von Ivan Sutherland 

[3]
Damit etwas erweitert bzw. angereichert (augmentiert) werden kann, muss die Software einen Auslöser, einen sogenannten «Tracker», haben. Grob gesagt kann man hier zwischen makerlosem (nichtvisuellem) Tracking und markerbasiertem (visuellem) Tracking unterscheiden. Beim makerlosen Tracking werden bspw. als Sensoren GPS, Infrarot, Ultraschall und/oder ein Kompass eingesetzt. Beim markerbasierten Tracking geschieht dies vorrangig mithilfe einer Kamera. Das markerbasierte Tracking wurde bislang vorrangig eingesetzt, da es technisch am einfachsten umzusetzen war. Der Marker kann überall angebracht werden. Scannt man den Marker mit einer AR-Software, so durchsucht diese das Kamerabild nach vordefinierten Mustern. Anhand der Position im Raum erkennt die Software, wo sich der Marker befindet. Dadurch kann der Abstand, die Drehung und Neigung des Markers zur Kamera definiert und vorbestimmte Objekte relativ zum Marker positioniert werden, sodass dieses (dreidimensional) erscheinen kann.
[4]

Als Marker kann nun jedes Objekt dienen, so zum Beispiel auch ein Gesicht (Stichwort: «Facial Recognition») oder eine Werbefläche (Stichwort: Unlauterer Wettbewerb). JuristInnen stellen sich in diesem Zusammenhang die ersten Fragen im Umgang mit der Technologie. Leider tritt hier aus juristischer Sicht eine erste Hürde auf. Ist Technologie weltweit einsetzbar, so ist die rechtliche Behandlung derselben national überwiegend unterschiedlich geregelt. Trotzdem sollen in diesem Beitrag exemplarisch die eventuell unterschiedlichen nationalen Standpunkte der jeweiligen Rechtsordnungen dargestellt werden, um einen Überblick zu geben, wie die praxisrelevanten Fragstellungen bislang behandelt werden. Daher soll eingangs mit einem Fall aus 2012 begonnen werden, der damals viel Aufmerksamkeit durch die Medien bekam.

[5]

Als der AR-Forscher und -Pionier Steve Mann im Sommer 2012 mit seiner Familie ein Schnellimbissrestaurant in Paris besuchte, hatte er, wie immer, seine «EyeTap»-Brille, ein «wearable AR-Device», auf. Diese AR-Brille irritierte die Mitarbeiter des Schnellimbisses derart, dass diese nach seinen Angaben in Folge versuchten, sie ihm gewaltsam abzunehmen.3 Dieser Vorfall zeigt zwei Ansatzpunkte bei der Beurteilung von AR, den des Betrachters und der des oder der Betrachteten, was man technisch in

  1. «Input», also das Erkennen, bzw. Wahrnehmen (der Realität) auf der einen, und
  2. «Output», also das Darstellen (Erweitern dieser Realität) auf der anderen Seite

unterteilen kann.

2.

Input vs. Output ^

[6]
Nachfolgend werden die bisher am wichtigsten erscheinenden Problemfelder beim Einsatz von AR exemplarisch behandelt.

2.1.

Input ^

2.1.1.

Urheberrecht ^

2.1.1.1.
Aufnahme/Erfassen von urheberrechtlich geschütztem Material ^
[7]

Mit der Einführung der Google Glass fürchteten Rechteinhaber und Kinobetreiber das illegale Abfilmen oder Streamen ihrer Filme. Es dauerte daher nicht lange, bis Google Glass in amerikanischen Kinos verboten wurde.4 Rechtlich gesehen kam es dabei nicht zu einer neuen «Bedrohung» durch AR-Technologie, da die Aufnahme schon längst mittels Kamera oder Mobiltelefon möglich war. Allerdings wurde es mit der Einführung der Google Glass schwieriger eine Urheberechtsverletzung zu entdecken. Bezüglich AR ist daher die Aufnahme bzw. das Erfassen analog zu bereits bekannter Aufnahmetechnik abzuhandeln. Neu hinzu kommt die Möglichkeit, das Erfasste durch Hinzufügen von Visualisierungen zu verändern bzw. zu bearbeiten. Dieses Problem ist dem Output zuzuordnen und wird daher auch dort behandelt.

2.1.1.2.
Panoramafreiheit und die Freiheit des Straßenbildes ^
[8]

Nachdem AR-Anwendungen von Privatleuten vorrangig in der Öffentlichkeit benutzt werden, kommt es zwangsläufig zur Aufnahme der jeweiligen Umgebung. Diesbezüglich muss auf die Panoramafreiheit i.S.d. § 59 deutschen Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG/D) bzw. die Freiheit des Straßenbildes i.S.d. § 54 Abs. 1 Z 5 des österreichischen Urheberrechtsgesetzes (UrhG/Ö) näher eingegangen werden. Nach Ansicht des OGH sind von der freien Werknutzung die Innen- sowie Außenansicht eines Gebäudes umfasst.5 Im Unterschied zum deutschen Urheberrechtsgesetz, welches die Innenansicht nicht umfasst, gehört darunter die Hofansicht, Innenteile des Bauwerks, Treppenhaus, Vorhalle und Zimmer, sowie Bestandteile des Bauwerkes, wie Türen, Stiegengeländer und Kamine. In Österreich ebenfalls nicht umfasst sind jene Einrichtungsgegenstände, die nicht «integrierender Bestandteil einer eigenen persönlichen Schöpfung» sind. Diese werden vom OGH, nicht unumstritten,6 nicht als Werke der Baukunst i.S.d. § 54 Abs. Z 5 UrhG/Ö angesehen. Dies zeigt, dass die Vorschriften über die Panoramafreiheit von Nation zu Nation unterschiedlich behandelt werden. Die Einschränkung, welche der österreichische Gesetzgeber in § 54 Abs. Z 5 UrhG/Ö, vorgenommen hat, ist in anderen Ländern nicht oder auf eine andere Art und Weise geregelt. So findet in Bulgarien oder Slowenien die Beschränkung nicht auf einzelne Werkarten statt, sondern hinsichtlich der Verwertung. Eine kommerzielle Nutzung ist dort untersagt. In der Schweiz dürfen Werke, die sich «bleibend auf allgemein zugänglichem Grunde befinden, frei abgebildet werden». Der europäische Gesetzgeber hat in der Richtlinie 2001/29/EG den Mitgliedstaaten in Art. 5 zugestanden hinsichtlich der Panoramafreiheit Ausnahmen oder Einschränkung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte vorzunehmen. Diese Ausnahmen oder Einschränkungen sind aber an eine urheberrechtliche Schrankenbestimmung geknüpft, welche zusätzlich die Anwendung des Dreistufentests vorsieht. Der Rechtsausschuss des europäischen Parlaments hatte in seinem 2015 dem Parlament vorgelegten Abschlussbericht über die Umsetzung der Harmonisierungsrichtlinie 2001/29/EG zwar vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten, die Panoramafreiheit auf eine nicht gewerbliche Nutzung beschränken müssen, dem wurde aber von Seiten des europäischen Gesetzgebers nicht Folge geleistet. Damit hätten sich gewerbliche Nutzer nicht mehr auf diese Ausnahmevorschrift berufen können, was für die Nutzung von AR, deren Anwendungen überwiegend von gewerblichen Anbietern bereitgestellt werden, eine erhebliche Auswirkung gehabt hätte.

2.1.1.3.
Das Recht am eigenen Bild ^
[9]

Rechtlich interessanter als die Aufnahme von unbeweglichen Objekten, sind jene von beweglichen Objekten, wie zum Beispiel Menschen. Hierbei ist neben dem Recht am eigenen Bild auch das Thema Datenschutz zu erörtern. Fragen, die sich aus rechtlicher Sicht hier zu stellen, müssen sich stets an Sinn und Zweck der Anwendung ausrichten. Während bei einem AR-Spiel, wie zum Beispiel Pokémon Go, die Aufnahme von Menschen zwar vorkommt, aber diese keinerlei Verwendung für das Spiel selbst hat, können andere AR-Anwendungen dem Zweck dienen, zusätzliche Informationen über Personen bereitzustellen oder zu sammeln (um sie zum Beispiel später zum Erstellen von Kunden- oder Mitarbeiterprofilen zu verwenden). Insbesondere bei Kindern muss ein erhöhter Sicherheitsstandard gelten, da es sich um ein absolutes, umfassendes Recht handelt. Diesbezüglich hat der österreichische OGH erst jüngst entschieden, dass die Einwilligung zur Verwendung eines Bildes, auf dem ein Kind abgebildet ist, nur von diesem selbst kommen kann und nicht von seinem gesetzlichen Vertreter, also keine Substitution möglich ist. Das Gericht hat diesbezüglich das Recht am eigenen Bild als höchstpersönliches Recht bestätigt.7 Solange die mittels AR erfassten Bilder keine urheberrechtlichen Verwertungshandlung erfahren, bleibt vor allem die datenschutzrechtliche Betrachtung.

2.1.2.

Persönlichkeits- und Datenschutzrechtliche Aspekte ^

2.1.2.1.
Persönlichkeitsrechte ^
[10]

Wie bereits erwähnt kommt es im Zusammenhang mit persönlichkeitsrechtlich relevanten Fragestellungen auf die Verwendung der erfassten Bilder an. Bislang waren nach ständiger Rechtsprechung8 in Österreich geheime Bildaufnahmen im Privatbereich, fortdauernde unerwünschte Überwachungen und Verfolgungen sowie eine systematische, verdeckte, identifizierende Videoüberwachung als Eingriff in die Geheimsphäre zu qualifizieren. Die Videoaufzeichnung ist dann identifizierend, wenn sie aufgrund eines oder mehrerer Merkmale letztlich einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Diese vom österreichische OGH entwickelte Rechtssatz spricht zentrale Punkte von AR an. War es bislang technisch möglich, die im Rechtssatz enthaltenen Sachverhalte zu realisieren, so gilt dies für AR noch viel mehr, da die Zurverfügungstellung (Anreicherung) und Verknüpfung von Daten und Informationen zu dem aufgenommen Material Sinn und Zweck von AR ist bzw. einer AR-Anwendung sein kann. Im Bereich der Strafverfolgung wird dies bspw. in Brasilien seit 2011 getestet.9 Durch den Einzug von AR-Technologie in das Nutzungsverhalten der Bevölkerung kommt es nun auch zur Überwachung von Bürgern durch andere Bürger, von Mann auch als «Sousveillance»10 bezeichnet. Dieses Phänomen hat – auch wenn es bislang nicht um den Einsatz von AR ging – vor allem in den USA zu einer breiten Diskussion über den Einsatz von Aufnahmetechniken geführt. Es sind vorrangig Fälle bekannt, bei denen es um die Aufnahme von Situationen ging, die im öffentlichen Interesse stehen. Dies bezüglich kam es schon öfters zur gerichtlichen Interessensabwägung zwischen gesetzlichen Einschränkungen hinsichtlich des Rechts zur Aufnahme11, Überwachung allgemein12 oder mittels GPS-Tracking13 und des verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Meinungsfreiheit wie sie im 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten («First Amendement») verankert ist. Diese Entscheidungen müssen beim Einsatz von AR neu eingeordnet werden, da sich die technische Ausgangssituation geändert hat. Durch AR ist es möglich eine Datenverknüpfung in Echtzeit herzustellen, was neue Einsatzmöglichkeiten eröffnet und damit eine geänderte rechtliche Betrachtung auslöst.

2.1.2.2.
Datenschutz ^
[11]

Um diese Daten verknüpfen zu können müssen sie erst einmal gesammelt und verarbeitet werden. Hierbei stellt sich je nach Anwendung die Frage was gesammelt, verarbeitet, weitergegeben wird. Auch wenn diesem Bereich sicherlich eine große Beachtung zukommt, so kann doch auf die Behandlung von anderen internetbasierten, datenverarbeitenden Diensten verwiesen werden. Durch AR können Daten zwar umfangreicher und weniger leicht zu erkennen gesammelt werden, die Behandlung dieser Daten muss sich jedoch an die jeweiligen Datenschutzbestimmungen halten. Neben der Transparenz der jeweiligen Bestimmungen hinsichtlich der Nutzung der Daten muss auch auf die technische Verarbeitung geachtet werden, da das Missbrauchspotential hier besonders groß ist (Stichwort: «Datensammelwut»). Besondere Regeln und Einschränkungen gelten bei Objekten, die der Geheimhaltung unterliegen, bei militärischem Sperrgebiet oder sogenannten «Places of Interest» (Flughäfen, Polizeistationen, Kriegsmahnmale, etc.). Die Gefährdung durch AR-Technologie wird aber in der Regel nicht durch den Input sondern einerseits durch das physische Betreten dieser Orte und andererseits durch die Anreicherung der Daten also dem Output vorliegen, dessen rechtliche Betrachtung folgt.

2.2.

Output ^

[12]
Nachdem AR erweiterte Realität bedeutet, muss es jemanden geben, der diese Realität erweitert. Dies ist in der Regel ein Anbieter, welcher die Inhalte bereitstellt. Damit verbunden sind normalerweise AGB, die insbesondere in Bezug auf Konsumentenschutzrechte zu prüfen sind. Vorerst soll aber kurz auf die urheberrechtlichen Themen im Rahmen des Output eingegangen werden.

2.2.1.

Urheberrecht ^

[13]
Die Veränderung bzw. Bearbeitung – die Augmentation – der erfassten Szene ist Sinn und Zweck von AR. Auch wenn dabei viele Originalwerke erfasst werden, sind diese überwiegend nicht Ziel der Bearbeitung. Solange die AR-Anwendung nur persönlich benutzt wird und die Aufnahmen nicht dauerhaft geschehen, ist dies rechtlich unbedenklich. Gemäß § 41a UrhG/Ö werden diese Aufnahmen bspw. dann als flüchtige oder begleitende Vervielfältigung angesehen. Nur im Falle einer Verwertungshandlung muss diese hinsichtlich einer Bearbeitung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes geprüft werden. Darüber hinaus müssen die Inhalte, welche durch die AR-Anwendung dargestellt werden, auf einer legalen Verwertungshandlung beruhen. Der Anbieter der AR-Anwendung kann nur jene Informationen bzw. Werke verwenden, für die er auch die Verwertungsrechte besitzt. Können sich Anbieter in den USA eventuell noch auf «fair use» berufen, so gilt dies für den europäischen Bereich nur sehr eingeschränkt. Nutzer letztendlich dürfen das «kombinierte Werk» – also das erfasste Werk und die Augmentation – nur in dem Rahmen verwenden, den der Gesetzgeber bzw. der Anbieter (mittels AGB) einräumt, wobei natürlich geprüft werden muss, ob der Augmentation selbst urheberrechtlicher Schutz zukommt. In der Praxis sind weniger die urheberrechtlichen Probleme einer unerlaubten Bearbeitung relevant, als vielmehr die Überlagerung eines eigenen Werkes (bspw. einer Werbefläche) durch eine Augmentation. Diese Fälle werden vom Lauterkeitsrecht abgedeckt.

2.2.2.

Wettbewerbs und Markenrecht ^

[14]
Marketingabteilungen haben AR als attraktives Werkzeug zur Kundengewinnung schon lange erkannt. So «sprang» die Rockband Blink 182 bereits 2009 singend aus einer Chips-Verpackung.14 Durch die Möglichkeit, reale Objekte beliebig zu «überlagern» ist der Anreiz, diese Möglichkeit unlauter zu verwenden sehr groß. Die «Übernahme» von Werbeflächen der Konkurrenz erscheint für AR sehr verlockend. Dazu wird bspw. das Werbesujet, das Konkurrenzprodukt selbst, ein Werbeplakat, ein geografischer Punkt in Blickrichtung des Werbeplakats oder ein anderer Marker verwendet, der geeignet ist die AR-Anwendung zu starten. Richtet ein Nutzer seine Kamera auf diese Stelle, erscheint die Werbeeinblendung des «kapernden» Konkurrenten im Blickfeld des Nutzers. Teuer gebuchte Werbeflächen können so massiv abgewertet, Konkurrenzprodukte mit eigener Werbung verlinkt werden.15
[15]

Diese Handlungen verstoßen bspw. gegen § 1 des österreichischen Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG/Ö), wonach unlautere Wettbewerbshandlungen aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen werden sollen. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung knüpft dabei an die Art und Weise wie eine fremde Arbeitsleistung von einem Mitbewerber ausgenutzt wurde an. Dabei kommt es neben den objektiven auch auf die subjektiven Unlauterkeitsmerkmale an, die das Verhalten des Verletzenden als wettbewerbswidrig erscheinen lassen.16 Das OLG Stuttgart17 hatte das Überkleben fremder Werbung als wettbewerbswidrig eingestuft, das Überdecken wurde von diesem in einem anderen Fall18 solange als nicht wettbewerbswidrig angesehen, solange es nicht primär um das Verdecken der fremden Werbung geht. Dies kann analog bei der Bewertung von ähnlichen Behinderungshandlungen mittels AR herangezogen werden. Der österreichische OGH hat festgehalten,19 dass zur objektiven Rufausbeutung etwas Anstößiges hinzutreten müsse. Als Anhaltspunkte könnte etwa die Verwendung identischer Zeichen und das Ziel am fremden Ruf zu schmarotzen herangezogen werden. Mittelbar diene dies dem Schutz jener Investitionen, die für den Aufbau dieses Rufes erforderlich waren. Voraussetzung dafür wiederum sei, dass der angeblich ausgenützte Ruf einem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden könne. Der OGH sprach des weiteren aus, dass es als unlauter angesehen werden könne, wenn sich die Werbung des unlauteren Mitbewerbers die Wertschätzung für ein Gebäude zunutze mache, die ein anderes Unternehmen mit eigenen Mitteln und für eigene Zwecke geschaffen habe. Vor allem bei moderneren Gebäuden könne ein Fall von Rufausbeutung vorliegen, wenn die dem Gebäude entgegengebrachte Wertschätzung wesentlich auf den Leistungen der Errichter- bzw. Betreibergesellschaft beruhe.

[16]

Neben den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen sind markenrechtliche Fragestellungen zu behandeln. Aus den USA ist hierzu ein Fall aus 2002 bekannt. Sony hatte in seinem Film «Spider Man» die Werbeflächen am Time Square in New York durch eigene Werbung digital ersetzt.20 Die Eigentümer der Gebäude am Times Square, an denen die realen Werbeflächen angebracht waren, klagten gegen diesen – aus ihrer Sicht – Eingriff in das Markenrecht. Diese Klage wurde aber bereits in erster Instanz (interessanterweise auch mit einem Verweis auf das bereits angesprochene «First Amendement») abgewiesen.

[17]
Denkbar ist aber auch die Beeinflussung der Kaufentscheidung durch AR-Darstellungen. Bspw. erweist sich das mittels einer AR-Anwendung im Wohnzimmer platzierte virtuelle Sofa beim Besuch des anbietenden Möbelhauses als kleiner oder minderwertiger als in der Darstellung. In einem solchen Fall ist auf die Bestimmungen über die Irreführung i.S.d. § 2 UWG/Ö Rücksicht zu nehmen. Nach ständiger Rechtsprechung21 ist eine Angabe immer irreführend, wenn die Vorstellung des Adressaten über ihre Bedeutung mit den wahren Verhältnissen nicht in Einklang steht. Maßgebend ist ebenfalls, ob die Angabe nach Anschauung des angesprochenen Kundenkreises geeignet ist, seine Kauflust anzuregen.22 Bei einem groben Missverhältnis von Darstellung mittels AR und Originalprodukt wird man von einer möglichen Irreführung i.S.d. § 2 UWG/Ö ausgehen können. Nichtsdestotrotz bleibt die Ausbeutung einer fremden Marke oder die Beeinträchtigung ihres Images (siehe dazu bspw. § 14 Abs. 3 des deutschen Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen [MarkenG/D]) unerlaubt und muss bei der Bereitstellung der Augmentation einerseits hinsichtlich der Darstellung selbst aber auch in Bezug auf den Ort bzw. die Fläche der Darstellung berücksichtigt werden.

2.2.3.

Konsumentenschutz (AGB) ^

[18]

Die Fragen, welche sich hinsichtlich des Konsumentenschutz stellen, werden im Rahmen des Praxisbeispiels Pokémon Go behandelt. Allgemein können Fragen, welche sich bei der rechtlichen Behandlung von Key-Word-Advertising gestellt haben analog behandelt werden, können doch viele «gescannte» Produkte mit Schlagwörtern versehen und dementsprechend verknüpft werden. Auch hier ist Missbrauchspotential festzustellen, da Anbieter von AR-Lösungen in den wenigsten Fällen ihre Hintergrunddaten – aus denen erkenntlich wäre, auf was verlinkt wird – freigeben werden. Da gerade bei AR-Spielen üblicherweise sogenannte Ingame-Geschäfte getätigt werden, bei denen digitale Güter i.S.d. Verbraucherrechte-RL erworben werden, müssen die damit verbundenen rechtlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Hierbei ist insbesondere das in der RL angesprochene Widerrufsrecht von Bedeutung, da ein vom Nutzer bereits verbrauchter digitaler Gegenstand in der Praxis meist schwer zurückgegeben werden kann. Das LG Karlsruhe hat dazu festgestellt,23 dass eine virtuelle Währung, die als Bestandteil eines Computerspiels ausgestaltet ist, als digitales Gut anzusehen ist und dass ein Verzicht auf das Widerrufsrecht wirksam vereinbart werden kann.

2.2.4.

Bewertung von Waren und Dienstleistungen ^

[19]
Die Bewertungen, die im Rahmen einer Augmentation vorgenommen werden können, müssen sich an die bereits erfolgte Gesetzgebung und Judikatur zu dieser Thematik richten. Das Darstellen von Bewertungen – bspw. bei dem Erfassen eines Restaurants – erscheint als attraktive Anwendung für AR, aufgrund umfassender Lektüre zu diesem Themenbereich soll aber an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.

2.2.5.

Haftung für Schadensfälle ^

[20]

Während in den USA besonders die als «Slip & Fall» bezeichneten Fällen – also jene Schadensfälle, die aufgrund einer Ablenkung geschehen – eine große Anzahl an Judikatur aufweisen können, muss bei der Nutzung von AR vor allem an jene Fälle gedacht werden, bei denen ein Schaden aufgrund falscher oder behindernder Augmentation entsteht.24 Würde bspw. die Höhenangaben einer Brücke falsch dargestellt und ein LKW-Fahrer verließe sich darauf, so dass in Folge ein Schaden an seinem Fahrzeug und an der Brücke entstehen würde, wäre eine (Mit-)Haftung des Bereitstellers der Daten der falschen Höhenangabe denkbar. Gleiches gilt für jene Fälle, in denen die Augmentation die Sicht versperrt und es in Folge zu einem Schaden kommt. Diesbezüglich kann hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung auf die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln (für Softwarefehler) verwiesen werden. Zudem sollten jene über die Produkthaftung nicht außer Acht gelassen werden.

2.2.6.

Besitzstörung und Hausfriedensbruch ^

[21]

Immer wieder werden durch die Medien Fälle bekannt, bei denen Anwender fremde Grundstücke betreten oder beschädigen. Auch diese sind überwiegend nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln abzuhandeln und richten sich an den AR-Anwender als Störer. Es sind auch Fälle denkbar, bei denen der AR-Anbieter belangt werden kann. Dies vor allem dann, wenn der AR-Anbieter bewusst Marker auf fremdem Eigentum platziert und/oder der Marker nur erreicht werden kann, wenn man eine Besitzstörung bzw. einen Hausfriedensbruch begeht. In den USA wurde bspw. in Kalifornien eine Klage gegen den Betreiber von Pokémon Go Niantic eingebracht, in der Niantic vorgeworfen wird, geobasierte Marker, sogenannte «Pokéstops» auf Privatgrund platziert zu haben.25 Es bleibt abzuwarten, wie derartige Klagen gerichtlich gelöst werden. Dennoch folgt nun eine genauere Betrachtung aus rechtlicher Sicht auf das Spiel Pokémon Go.

3.

Praxisbeispiel Pokémon Go ^

[22]
Pokémon Go brach binnen einer Woche nach Erscheinen einige Weltrekorde. Darunter sowohl die «App mit dem höchsten Umsatz» nach 13 Stunden als auch die App, mit der die Menschen die meiste Zeit verbringen (noch vor Facebook). Technisch gesehen ist Pokémon Go aber kein AR-Game,26 da die kleinen Monster zwar in die Realität eingeblendet werden, diese aber nicht wirklich mit dieser verknüpft werden, also keine richtige Augmentation stattfindet. Nichtsdestotrotz kann das Spiel den Weg für AR-Anwendungen bereiten und gleich nach Beginn gab es viele Zeitungsartikel, die auf rechtliche Probleme aufmerksam machten.
[23]
«Pokémon-Spieler beraubt», «Pokémon-Spieler wegen Besitzstörung verklagt» und viele andere Schlagzeilen27 waren in kürzester Zeit nach Erscheinen des Spiels zu lesen. Vieles erinnerte an jene Probleme, die auftauchten als das AR-Spiel «Ingress» – übrigens vom gleichen Anbieter entwickelt – startete.
[24]

Niantic als Betreiber von Pokémon Go weist in seinen AGB unter «Safe Play» die Spieler daraufhin, fremdes Eigentum und fremden Grund zu respektieren, ob Niantic als Bertreiber jedoch selbst im Schadensfall eine Haftung treffen könnte ist umstritten. Sollten virtuelle Pokéstops oder Pokégyms vorsätzlich an Stellen aufgestellt werden, die nur durch eine rechtswidrige Handlung erreicht werden können, so scheint eine Mithaftung des Betreibers als zentrale Instanz denkbar. Aus technischer Sicht wäre hier die Etablierung eines «Notice-and-Takedown»-Systems anzuraten, da sich diese Form der schnellen Beseitigung von rechtswidrigen Inhalten auch bei anderen webbasierten Dienstleitungen bewährt hat.

[25]

Die AGB von Pokémon Go regeln aber nicht nur den Umgang mit fremdem Eigentum, sondern beinhalten umfassende Vereinbarungen hinsichtlich der Rechte und Pflichten des Nutzers. Diese werden kurz skizziert:

  • Altersfreigabe: Die AGB fordern ein Mindestalter von 13 Jahren bei Vertragsabschluss. Diese Altersfreigabe korrespondiert nicht mit den jeweiligen nationalen Unterschieden, welche teilweise ein höheres Alter vorgeben, um einen zweiseitigen Vertrag rechtsgültig eingehen zu können.
  • «Änderung der AGB»: Niantic gibt an, die AGB jederzeit ändern oder den Dienst einstellen zu können. Dies ist für Softwarenutzer nichts Neues, allerdings übt eine AGB-Änderung in der Regel Druck auf den Nutzer aus. Dieser hat meist Zeit in die Nutzung der App investiert, um seinen Spielfortschritt positiv zu beeinflussen. Enthalten nun AGB-Änderungen nachteilige Klauseln für den Nutzer, wird er dazu gezwungen, den Änderungen zuzustimmen andernfalls den Spielfortschritt und den möglichen Zugang zu einer Community zu verlieren. Aus verbraucherrechtlicher Sicht ist daher eine einseitige uneingeschränkte Änderungsmöglichkeit kritisch zu bewerten. Im Falle einer Einstellung des Dienstes stellt sich die Frage, was mit den erworbenen digitalen Gütern passiert. Zwar erlangen Nutzer in der Regel nur urheberrechtlich eingeschränkte Nutzungsrechte an den digitalen Gütern, weshalb eine sachenrechtliche Betrachtung unterbleiben kann, dennoch muss gerade auf das Widerrufsrecht in der EU Rücksicht genommen werden. Hier bleibt abzuwarten, wie Gerichte in der EU urteilen und ob Betreiber den Verkauf eines digitalen Inhaltes an einen Verzicht auf das Widerrufsrecht knüpfen können, auch wenn dieses digitale Gut aufgrund der Einstellung des Dienstes nicht mehr «verbraucht» werden kann. Die AGB legen für Verbraucher in den EU auch nach dem Verzicht auf das Widerrufsrecht fest, dass Niantic digitale Güter einseitig ohne Kompensation für den Nutzer regulieren, verändern oder auch löschen kann.
  • «Schiedsgerichtsklausel»: In den AGB wird festgelegt, dass Nutzer im Streitfall auf den Gang zu einem nationalen Gericht verzichten und ein Schiedsgericht in Nordkalifornien anrufen müssen. Zwar gibt es kein absolutes Rechtssprechungsmonopol des Staates, aber diese starke Einschränkung auf den gesetzlichen Richter widerspricht den europäischen Verbraucherschutzbestimmungen. Art. 16 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [EuGVVO]) sieht vor, dass Verbraucher bei Vorliegen einer «Verbrauchersache» im Sinne von Art. 15 Abs. 1 EuGVVO auch an ihrem Wohnsitz gegen den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Vertragspartner klagen dürfen und dass der Verbraucher nur vor den Gerichten seines Wohnsitzmitgliedstaats von seinem Vertragspartner verklagt werden kann. Diesbezüglich sind die AGB von Pokémon Go also zu restriktiv für Nutzer in der EU.
  • «Datenschutzbestimmungen»: Diesbezüglich ist insbesondere auf die Nachfolgeregelung zu «Safe Harbour» – dem «Privacy Shield» – zu verweisen, welches das Datenschutzniveau zwischen einem amerikanischen Anbieter und einem europäischen Nutzer regelt. Die EU-Kommission hat am 12. Juli 2016 beschlossen, dass die Vorgaben des Privacy Shield dem Datenschutzniveau der Europäischen Union entsprechen, womit das Abkommen angewendet werden kann. Darin befinden sich insbesondere Grundsätze wie Zweckbindung, Transparenz oder Datensicherheit. Hinsichtlich der Zweckbindung dürfen Daten nur so lange gespeichert werden, wie es für den Zweck der Verarbeitung notwendig ist. Niantic hat für Pokémon Go (neben den AGB) noch eine eigene Datenschutzrichtlinie28 entwickelt, welche Nutzer in Punkt 3 über die Verwendung der erhobenen Daten und die Weitergabe an Dritte informiert. Auch wenn in Punkt 3 Informationen über die Weitergabe von Daten an Dritte gegeben werden, so bleibt der Umfang der Weitergabe unklar. Zweckbindung und Transparenz sind so für den Nutzer nicht gegeben. Das Privacy Shield nimmt hier das weitergebende Unternehmen direkt in die Pflicht. Dieses muss sicherstellen, dass die Daten nur zu bestimmten Zwecken verwendet werden und das gleiche Datenschutzniveau garantiert ist. Ob die Zusicherung in Punkt 3b der Datenschutzrichtlinie von Pokémon Go Drittanbieter zu verpflichten, die weitergegebenen Daten sicher zu verwahren, ausreichend ist, wird aber nicht nur von dem deutschen Bundesverband der Verbraucherzentralen, die Niantic bereits abgemahnt haben, bezweifelt.

4.

Zusammenfassung und Ausblick ^

[26]

Der Einzug von AR in den Mainstream bringt einige rechtlichen Fragestellungen mit sich, wovon nicht alle neu sind. Viele rechtliche Probleme, die durch den Erfolg von Pokémon Go prominent in den Printmedien angesprochen wurden, lassen sich aus juristischer Sicht schnell und einfach lösen. War früher Motivation über einen fremden Zaun zu klettern, um in den Genuss eines Apfels zu kommen, so mag es heute das Fangen eines seltenen Pokémons sein. In beiden Fällen können die relevanten zivilrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung gebracht werden. Lediglich die Frage nach der Mithaftung des AR-Anbieters mag nicht abschließend geklärt sein. Aber hier kann auf Fälle verwiesen werden, in denen bspw. die Haftung von Internetkartenanbietern gerichtlich geklärt werden musste.29 In diesen Fällen konnte keine Haftung des Anbieters vom Gericht festgestellt werden.

[27]
Sachverhalte, welche durch den Input einer rechtlichen Würdigung harren, können analog zu anderen Aufnahmetechniken behandelt werden. Die noch offenen Fragestellungen, welche sich durch den Einsatz von AR ergeben, sind mit dem Output – also der Augmentation – verbunden. Hierbei stellen sich neben «klassischen» urheberechtlichen Problemen rund um eine Bearbeitung und Verwertung von Originalwerken auch viele Fragen im Bereich des Persönlichkeits- und Datenschutzes. In diesem Zusammenhang muss ebenso auf den verbraucherrechtlichen Schutz des Anwenders verwiesen werden, da viele Softwareanbieter die Grenzen der Vertragsfreiheit sehr weit ausreizen, teilweise überreizen. Mag die Einstellung eines AR-Dienstes aus betriebswirtschaftlichen Gründen notwendig sein, sind derzeit aber auch viele Sachverhalte denkbar, bei denen über den Einsatz von einseitigen, zu Lasten des Anwenders gestalteten AGB eine Situation geschaffen wird, in denen der Nutzer trotz finanziellen Aufwendungen seinerseits der Willkür des Anbieters ausgesetzt ist. Letztendlich bleibt der Einfallsreichtum von Marketingagenturen und -abteilungen abzuwarten, ob und in welcher Form hier unlautere, wettbewerbsrechtliche Sachverhalten geschaffen werden.
[28]
Pokémon Go hat das Potential und die gesellschaftliche Reichweite von AR-Anwendungen aufgezeigt. Gesetzgeber und Rechtsanwender sollten jetzt beginnen, sich mit den damit verbundenen rechtlichen Fragestellungen zu beschäftigen.

 

Prof. (FH) Mag. Dr. Kai Erenli, LL.M (it-law), zPM, leitet den Studiengang «Film-, TV- und Medienproduktion» an der FH des bfi Wien. Neben dem Studium der Rechtswissenschaften leitete er erfolgreich eine Werbeagentur und betreute diverse Projekte bei der Umsetzung. Er war wesentlich beim Aufbau einer im deutschsprachigen Raum führenden Ausbildungs-, Lern-, Weiterbildungs- und Informationsplattform beteiligt und beschäftigt sich seit 2003 intensiv mit den Rechtsfragen des IT-Rechts. Kai Erenli ist zertifizierter Projektmanager und publiziert seit 2007 regelmäßig zu juristischen und projektmanagementbezogenen Themen. Seit 2013 leitet er ebenfalls die Rechtsabteilung einer Wiener Animationsfirma und beschäftigt sich hier neben den allgemeinen vertragsrechtlichen Themen ausführlicher mit Gamingrecht. 2015 wurde Kai Erenli vom österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft mit dem Staatspreis «ars docendi» in der Kategorie «Wirtschaft und Recht» ausgezeichnet.

  1. 1 Morton Heilig (1962), US Patent #3,050,870, abrufbar unter: http://www.mortonheilig.com/SensoramaPatent.pdf (alle Internetquellen zuletzt besucht am 23. August 2016).
  2. 2 Ivan Sutherland, Technology and Courage, in: CMU Computer Science: A 25th Anniversary Commemorative, New York 1991, abrufbar unter: http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/summary?doi=10.1.1.137.8273.
  3. 3 https://techcrunch.com/2012/07/16/augmented-reality-explorer-steve-mann-assaulted-at-parisian-mcdonalds/.
  4. 4 http://gizmodo.com/google-glass-is-now-banned-from-movie-theaters-across-t-1652672187.
  5. 5 Siehe bspw.: Urteil des OGH 4 Ob 106/89 vom 12. September 1989 – Adolf Loos, MR 1991, 25.
  6. 6 So etwa Michel M. Walter, Österreichisches Urheberrecht, Wien 2008, Rn. 1328; Lothar Alexander Müller, Das Urheberpersönlichkeitsrecht des Architekten im deutschen und österreichischen Recht, München 2004, S. 109 f. (dazu kritisch Thomas Höhne, Architektur und Urheberrecht, Wien 2014, S. 141 f.). Anderer Ansicht zur OGH-Auffassung auch schon früher Hans Hoyer, Empfiehlt es sich, die freie Werknutzung gegenüber der derzeitigen Rechtslage einzuschränken?, in: ÖBl für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Mai–Juni 1971, S. 62–72.
  7. 7 Urteil des OGH 15 Os 176/15v vom 13. Januar 2016 – Fenstersturz eines Kindes II – MR 2016, 10 (Zöchbauer) = Zak 2016/81, 43
  8. 8 Vgl. Urteile des OGH 8 Ob 108/05y; 4 Ob 52/06k; 6 Ob 6/06k; 4 Ob 70/07h; 8 Ob 125/11g; 6 Ob 256/12h; 6 Ob 38/13a; 8 Ob 115/13i; 10 Ob 57/14a vom 19. Dezember 2005.
  9. 9 http://www.wired.com/2011/04/cops-cyborg-shades/.
  10. 10 http://wearcam.org/sousveillance.htm.
  11. 11 Judgement Simon Glik v. John Cunniffe et al., 655 F.3d 78 (2011).
  12. 12 Judgement Michael Lee Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979).
  13. 13 Judgement United States v. Antoine Jones, 565 U.S. ___ (2012).
  14. 14 http://www.wired.com/2009/07/blink-182-rocks-augmented-reality-show-in-doritos-bag/.
  15. 15 Kai Erenli, Future Tools & Methods – Augmented Reality rechtlich betrachtet, in: Erich Schweighofer / Franz Kummer / Walter Hötzendorfer (Hrsg.), Abstraktion und Applikation / Abstraction and Application, Tagungsband des 16. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2013, Wien 2013.
  16. 16 Urteil des OGH 4 Ob 55/01v vom 22. März 2001 Studioline ÖBl. 2002, 87.
  17. 17 Urteil des OLG Stuttgart vom 1. März 1996 – Überkleben fremder Plakate NJW-RR 1996, 1515.
  18. 18 Urteil des OLG Stuttgart vom 26. Juni 1963 – Überdecken fremder Werbung – BB 1963, 709.
  19. 19 Urteil des OGH 4 Ob 176/13f vom 17. Dezember 2013 – Schloss Schönbrunn – wbl 2014,176/59 = RdW 2014/219 S 190 = MR 2014,104 (Korn) = bbl 2014,128/106 = ZIRSlg 2014/62 = ÖBl 2014/44 S 216 = ecolex 2014/136 S 350 (Horak).
  20. 20 Judgement Sherwood 48 Associates v. Sony, 213 F. Supp. 2d 376 (2002).
  21. 21 Siehe bspw. Urteil des OGH 4 Ob 144/01g vom 25. September 2001 – St. Barbara-Brot – ÖBl 2002, 15.
  22. 22 Urteil des OGH 4 Ob 365/76 vom 5. Oktober 1976 Wolfganger Trachtenstube – ÖBl 1977, 39.
  23. 23 Urteil des LG Karlsruhe 18 O 7/16 vom 25. Mai 2016. Bei Stand der Erstellung des Beitrages nicht rechtskräftig, mehr Info unter: http://spielerecht.de/lg-karlsruhe-verzicht-aufs-widerrufsrecht-bei-virtueller-waehrung-ja-aber-wie/.
  24. 24 Siehe bspw.: Judgement Aetna Casualty et al. v. Jeppesen, 642 F.2d 339 (1981).
  25. 25 http://www.techtimes.com/articles/172189/20160802/pok%C3%A9mon-go-hype-is-a-nightmare-for-some-niantic-labs-nintendo-face-class-action-lawsuit.htm.
  26. 26 http://spectrum.ieee.org/view-from-the-valley/consumer-electronics/gaming/pokemon-go-is-ars-foot-in-the-door-of-our-world.
  27. 27 Eine Sammlung von Artikeln ist bspw. abrufbar unter: http://www.insurancejournal.com/news/national/2016/07/15/420198.htm.
  28. 28 https://www.nianticlabs.com/privacy/pokemongo/de.
  29. 29 Siehe bspw. Judgement Rosenberg v. Harwood, 2:10-cv-496 (2001).