Jusletter IT

Darf der Staat Software unter eine Open-Source-Lizenz stellen?

  • Author: Simon Schlauri
  • Category: News
  • Region: Switzerland
  • Field of law: Public Law
  • Citation: Simon Schlauri, Darf der Staat Software unter eine Open-Source-Lizenz stellen?, in: Jusletter IT 24 November 2016
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Seit einiger Zeit wird in der Schweiz die Diskussion geführt, ob Bund und Kantone eigene Software unter eine Open-Source1-Lizenz stellen dürfen.
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In einem Gutachten kamen die Autoren Müller und Vogel 2014 zum Schluss, eine Freigabe sei nur mit einer formell-gesetzlichen Grundlage zulässig.2 Sie argumentierten im Wesentlichen, die Veröffentlichung der Software verletze den Verfassungsgrundsatz der Wettbewerbsneutralität.
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Dieses Ergebnis war brisant, weil der Berner Grossrat kurz zuvor eine Motion zu OSS gutgeheissen hatte, gemäss der Softwareentwicklungen des Kantons wo sinnvoll als OSS freigegeben werden sollen.3 Bei den Unternehmen der Schweizer OSS-Szene sorgte das Gutachten für Aufregung, weil damit plötzlich eine ganze Reihe öffentlicher OSS-Projekte gefährdet waren, für deren Realisierung regelmässig auch private Unternehmen beigezogen werden.
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Der Kanton Bern beauftragte in der Folge den Schreibenden zusammen mit Prof. Dr. Tomas Poledna, ein Ergänzungsgutachten zu verfassen. Wir kamen zum Ergebnis, dass die Bereitstellung von Software als OSS durch den Staat i.d.R. auch ohne formellgesetzliche Grundlagen so lange erlaubt ist, als sich die Bereitstellung von OSS wirtschaftlich begründen lässt, und als der Staat die Software für eigene Zwecke entwickelt hat.4 Dies u.a. mit der Begründung, dass gemäss BGE 138 I 378 der Staat gewerblich tätig sein darf, sofern keine systematische Quersubventionierung erfolgt, und dass, wenn sich die Bereitstellung von Software als OSS wirtschaftlich begründen lässt, keine solche Quersubventionierung vorliegt.
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Fälle, in denen sich eine Freigabe von Software als OSS wirtschaftlich rechtfertigt, gibt es in der Praxis regelmässig. Oft erwartet das freigebende Unternehmen (bzw. die Verwaltungsstelle) beispielsweise, dass sich eine Community bildet, die sich um die Software kümmert und mit der man diese gemeinsam weiterentwickeln kann. Sowohl Unternehmen als auch Verwaltung schätzen an OSS sodann auch die Offenheit der verwendeten Standards, die Unabhängigkeit von Lieferanten und Produkten, den Austausch mit der Community von Nutzern und Entwicklern bei technischen Fragen, die Sicherheit, die Stabilität und mögliche Kosteneinsparungen.5 Die Freigabe unter einer OSS-Lizenz sollte daher zumeist möglich sein.

Simon Schlauri

  1. 1 Open Source Software (OSS) ist Software, deren Quellcode offenliegt und unter bestimmten Bedingungen frei genutzt werden kann.
  2. 2 Georg Müller/Stefan Vogel, Rechtsgutachten zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Randnutzung von Software im Verwaltungsvermögen, tinyurl.com/hb7tloe.
  3. 3 Motion 2013.0783 «Synergien beim Software-Einsatz im Kanton Bern nutzen».
  4. 4 Tomas Poledna/Simon Schlauri/Samuel Schweizer, Gutachten zu den rechtlichen Voraussetzungen der Nutzung von Open Source Software in der öffentlichen Verwaltung insbesondere des Kantons Bern, tinyurl.com/h4c22vn.
  5. 5 Poledna/Schlauri/Schweizer (FN 4), Rz. 61 ff.