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Bundesgerichtshof konkretisiert Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals

  • Author: Jurius
  • Category: News
  • Region: Germany
  • Field of law: Personal Right, Data Protection
  • Citation: Jurius, Bundesgerichtshof konkretisiert Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals, in: Jusletter IT 25 May 2016
BGH – The plaintiff is a dentist. The defendant runs a portal for searching and rating physicians at the internet address www.jameda.de, where interested persons can access information about doctors. Registered users are also offered the possibility of rating the work of doctors. The rating, which the respective user can provide without stating his real name, occurs in a grade-oriented scale for pre-formulated categories altogether. (Judgement VI ZR 34/15) (ah)
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Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist die Bewertung des Klägers durch einen anonymen Nutzer, er könne den Kläger nicht empfehlen. Als Gesamtnote war 4,8 genannt. Sie setzte sich aus den in den genannten Kategorien vergebenen Einzelnoten zusammen, darunter jeweils der Note «6» für «Behandlung», «Aufklärung» und «Vertrauensverhältnis». Der Kläger bestreitet, dass er den Bewertenden behandelt hat.
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Der Kläger forderte die Beklagte vorprozessual zur Entfernung der Bewertung auf. Diese sandte die Beanstandung dem Nutzer zu. Die Antwort des Nutzers hierauf leitete sie dem Kläger unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken nicht weiter. Die Bewertung beließ sie im Portal.
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Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das Landgericht hat der Klage stattgeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Der für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Die beanstandete Bewertung ist keine eigene «Behauptung» der Beklagten, weil diese sie sich inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat. Die Beklagte haftet für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung deshalb nur dann, wenn sie zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu. Hierbei darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert.
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Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Diese Gefahr wird durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschweren es derart verdeckt abgegebene Bewertungen dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen. Vor diesem Hintergrund hätte die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiterleiten müssen. Im weiteren Verfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, zu von der Beklagten ggf. ergriffenen weiteren Prüfungsmaßnahmen ergänzend vorzutragen.

Urteil des BGH VI ZR 34/15 vom 1. März 2016

Verfahrensgang:

  • LG Köln, 09. Juli 2014 – 28 O 516/13
  • OLG Köln, 16. Dezember 2014 – 15 U 141/14
  • BGH, 1. März 2016 – VI ZR 34/15

Quelle:  Medienmitteilung Nr. 49/2016 des Bundesgerichtshofs vom 1. März 2016