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Rechtsfragen rund um Adblocker

  • Author: Simon Schlauri
  • Category: News
  • Region: Switzerland
  • Field of law: Competition law
  • Citation: Simon Schlauri, Rechtsfragen rund um Adblocker, in: Jusletter IT 25 May 2016

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Was sind Adblocker?
  • 2. Technische Mittel gegen Adblocker
  • 3. Rechtliche Aspekte
  • 3.1. Zulässigkeit von Adblockern: Deutsche Perspektive
  • 3.2. Zulässigkeit von Adblockern: Schweizer Perspektive
  • 3.2.1. Lauterkeitsrechtliche Spezialtatbestände
  • 3.2.2. Lauterkeitsrechtliche Generalklausel
  • 3.2.3. Das Trittbrettfahrer-Argument im Lauterkeitsrecht
  • 3.2.4. Gezielte Behinderung von Konkurrenten im Lauterkeitsrecht
  • 3.2.5. Aggressive Geschäftspraktiken aus lauterkeitsrechtlicher Sicht
  • 3.2.6. Regulierungstheoretische Argumente
  • 3.2.7. Kartellrechtliche Sicht
  • 3.2.8. Zwischenfazit
  • 3.3. Anleitungen zur Umgehung einer AdBlock-Sperre
  • 4. Zulässigkeit von Adblocker-Detektoren

1.

Was sind Adblocker? ^

[1]
Adblocker sind Erweiterungsprogramme («Add-ons») zu Internetbrowsern wie Firefox, Chrome oder Internet Explorer, die an den Nutzer des Browsers gerichtete Werbung auf Websites blockieren sollen. Mittlerweile nutzen wohl um die 20% der Internetnutzer Adblocker.1 Im Ergebnis sinken die Klick-Zahlen auf den Werbeflächen, und die Einkommensbasis der Betreiber, etwa von Medienhäusern, schrumpft.2
[2]
Das weit verbreitete Programm Adblock Plus blockiert einerseits bestimmte Web-Ressourcen, die als Quellen von Werbung im Netz dienen, etwa die Server von Google (doubleclick.net und AdSense), und kann andererseits aus HTML-Seiten bestimmte Werbe-Elemente ausfiltern. Dazu nutzt es durch eine Community gepflegte Blacklisting-Regeln, die es regelmässig aktualisiert aus dem Internet bezieht.3
[3]
Gründe für die Nutzung von Adblockern gibt es einige: Die Nutzer fühlen sich durch die ablenkenden Werbeflächen belästigt, eingebundene Werbung erhöht die übertragene Datenmenge und verlängert so die Ladezeiten der Seiten teils erheblich, und Werbung kann als Instrument der Ausspionierung dienen.4 Nicht zuletzt schützt man sich so auch vor der Verbreitung von Malware durch Werbeinhalte.5
[4]

Das Unternehmen Eyeo, das seit 2006 die Entwicklung des als Open-Source-Software ausgelegten Produkts Adblock Plus vorantreibt, sieht vor, dass Werbetreibende von der Blockade ausgenommen werden, wenn ihre Werbung bestimmte, präzise definierte Kriterien erfüllt (bspw. keine Animationen, keine Verdeckung von Inhalten, klare Kennzeichnung als Werbung).6 Um auf die entsprechende Whitelist zu gelangen, müssen sich Betreiber von Websites und Werbetreibende bei Eyeo anmelden; dies ist für kleine und mittlere Anbieter kostenlos, die 10% grössten Anbieter bezahlen dafür.7 Vorgabemässig ist in Adblock Plus die Anzeige von Werbung solcher Unternehmen aktiviert; der Nutzer kann die Werbung aber auch komplett ausblenden (nach Angaben von Eyeo sind daran rund 25% der Nutzer interessiert).8

2.

Technische Mittel gegen Adblocker ^

[5]
Mittels Adblocker-Detektoren versuchen Betreiber von Websites herauszufinden, ob ein Besucher einen Adblocker verwendet und diesen ggf. auszusperren oder ihm eine Aufforderung zur Deaktivierung einzublenden. In der Regel funktioniert dies über ein JavaScript-Programm, das auf dem Rechner der Besuchers ausgeführt wird und prüft, ob Werbung angezeigt werden kann.9 Teils ist man auch dazu übergegangen, die dem Kunden angezeigten HTML-Seiten auf dem Web-Server jedes Mal in leicht anderer Form zu generieren und insbesondere die URLs jedes Mal neu zu erstellen. Dies hat zu einem Wettrüsten geführt: Mit zusätzlicher Software versucht mittlerweile auch die Nutzerseite, die Adblocker einsetzen, solche Adblocker-Detektoren zu täuschen.

3.

Rechtliche Aspekte ^

3.1.

Zulässigkeit von Adblockern: Deutsche Perspektive ^

[6]
Einige Betreiber werbefinanzierter Websites in Deutschland haben versucht, die Verbreitung von Adblockern gerichtlich unterbinden zu lassen. Zumeist wird dabei auf den im deutschen Lauterkeitsrecht vorhandenen Tatbestand der gezielten Behinderung von Wettbewerbern abgestellt.10
[7]
Diese Versuche sind bislang jedoch weitgehend gescheitert.11 Als Begründung führte etwa das LG Hamburg an, es fehle an einer gezielten Behinderung, denn eine solche liege nur vor, wenn die Handlung primär nur der Behinderung des Wettbewerbers diene. Die betroffenen Unternehmen hätten im Weiteren die Möglichkeit zum Einsatz von technischen Gegenmassnahmen oder könnten ihre Nutzer mittels Hinweisen von der Nutzung von Adblockern abhalten. Zudem seien auch Bezahlschranken12 mögliche Alternativen zu Werbung. Ferner seien es in erster Linie die Leser, die sich bewusst und freiwillig für die Installation des Adblockers entschieden; der Adblocker diene insbesondere auch der Ausübung des Rechts des Lesers auf informationelle Selbstbestimmung, weil etwa Tracker blockiert würden.13
[8]

Ein erstes Gegenbespiel ist bisher eine einstweilige Verfügung des LG Frankfurt.14 Dieses befand, die Anbieterin des Adblockers und die Antragstellerin, die unter www.welt.de das Online Angebot der «Welt» betreibt, seien Mitbewerber, denn an das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses seien keine hohe Anforderungen zu stellen, und die Handlung der Anbieterin sei objektiv geeignet und darauf gerichtet, den eigenen Absatz zulasten des Absatzes eines Unternehmens zu fördern. Der Adblocker verhindere, dass sich die Nutzer trotz der Verwendung der Inhalte an der dafür notwendigen Werbefinanzierung beteiligten. Darin liege eine gezielte Behinderung, denn das mediale Gesamtprodukt der Antragstellerin umfasse, anders als nach der Sicht des LG Hamburg, nicht nur den redaktionellen Teil, sondern auch die Werbung. Diese würde gezielt und unmittelbar vereitelt. Die Anbieterin fand sich mit dieser Position nicht ab und will einen Hauptsachenentscheid erwirken. [Version vom 27. Mai 2016]

[9]
In einem zweiten Fall scheint das OLG Köln (als zweite Instanz im erwähnten Verfahren vor dem LG Köln) zur Auffassung zu gelangen, bei der Vorgehensweise von Eyeo handle es sich um aggressive geschäftliche Handlungen nach dem Ende 2015 neu eingeführten § 4a des deutschen Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG).15
[10]

Unlauter handelt gemäss dieser Norm, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch 1. Belästigung, 2. Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder 3. unzulässige Beeinflussung. Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck in einer Weise ausnutzt, welche die Fähigkeit des Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

[11]

Wie es scheint, geht das OLG Köln davon aus, dass das Verlangen einer Entschädigung für die Aufnahme in die Whitelist als unzulässige Beeinflussung § 4a UWG verletzt. Mit der Norm wird im Hinblick auf die ausführlichen Regelungen des Art. 8 (Aggressive Geschäftspraktiken) und des Art. 9 (Belästigung, Nötigung und unzulässige Beeinflussung) der Richtlinie 2005/29/EG eine eigene Regelung hinsichtlich aggressiver geschäftlicher Handlungen geschaffen.16 Die Richtlinie dient einzig dem Verbraucherschutz, der deutsche Gesetzgeber weitete den Anwendungsbereich von § 4a indessen auf andere Marktteilnehmer aus.

[12]

Im Allgemeinen sind Fälle von Druck auf Unternehmen indessen ausschließlich nach Kartellrecht zu beurteilen. Nur wenn zusätzliche – von den Kartellrechtstatbeständen nicht erfasste – unlauterkeitsbegründende Umstände vorliegen, kann § 4a UWG eine Rolle spielen.17 Vorliegend ist m.E. fraglich, ob dies der Fall ist.18

[13]

Selbst wenn man von einer Anwendbarkeit der Norm ausgehen sollte, ist eine Verhältnismässigkeitsabwägung vorzunehmen, die m.E. gegen eine Anwendung der Norm spricht.19

3.2.

Zulässigkeit von Adblockern: Schweizer Perspektive ^

[14]
Aus Schweizer Sicht erscheinen ebenfalls primär wettbewerbsrechtliche Ansätze prüfenswert. Entscheide stehen bislang soweit ersichtlich aus.

3.2.1.

Lauterkeitsrechtliche Spezialtatbestände ^

[15]
Die Spezialtatbestände in Art. 3 ff. des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) greifen allesamt nicht. Dies gilt zunächst einmal für die Normen am Anfang von Art. 3 UWG, die sich gegen täuschendes Verhalten richten, zumal vorliegend keine Täuschung ersichtlich ist. Ein dem deutschen Recht entsprechendes als Spezialtatbestand ausformuliertes Verbot der gezielten Behinderung von Konkurrenten existiert in der Schweiz nicht.
[16]
Möglich könnte zunächst – in Anlehnung an die soeben erwähnte Position des OLG Köln – eine Anwendung von Art. 3 Bst. h UWG sein (besonders aggressive Verkaufsmethoden). Die Norm soll allerdings der Ausübung psychischen Zwangs entgegenwirken, mithin Situationen, in denen für den Kaufentschluss Angst-, Dankbarkeits-, Anstands- oder Peinlichkeitsgefühle massgeblich sind, oder Situationen der Überrumpelung, etwa bei Haustürverkäufen, Party-Verkäufen oder auf Werbefahrten.20 Davon kann vorliegend nicht die Rede sein.
[17]

Eventuell könnte Privatbestechung gemäss Art. 4a UWG vorliegen, zumal sich Eyeo von den Anbietern einen Vorteil gewähren lässt. Beide Normen setzten allerdings ein Principal-Agent-Verhältnis des Bestochenen «Intraneus» voraus, dieser muss m.a.W. in irgendeiner Art Hilfsperson eines Dritten sein und von diesem Handlungsmacht anvertraut erhalten haben.21 Ein solches Verhältnis besteht bei der Betreiberin des Adblockers nicht, damit scheidet Art. 4a UWG aus.

[18]

Möglich könnte auch die Anwendung von Art. 5 UWG sein, der die Verwertung fremder Leistungen unter bestimmten Bedingungen für unlauter erklärt. Nach Art. 5 Bst. b UWG handelt unlauter, wer ein Arbeitsergebnis eines Dritten wie Offerten, Berechnungen oder Pläne verwertet, obwohl er wissen muss, dass es ihm unbefugterweise überlassen oder zugänglich gemacht worden ist. Nach Art. 5 Bst. c UWG ist zudem das Übernehmen und Verwerten eines marktreifen Arbeitsergebnisses eines andern als solches ohne angemessenen eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren unlauter. Beide Normen regeln Fälle des Trittbrettfahrens. Art. 5 Bst. b UWG ist allerdings nicht anwendbar, weil das Element des unbefugten Überlassens offensichtlich nicht erfüllt ist. Bei Art. 5 Bst. c UWG fehlt das Element des technischen Reproduktionsverfahrens. Eine direkte Anwendung von Art. 5 UWG dürfte damit ausser Betracht fallen.

3.2.2.

Lauterkeitsrechtliche Generalklausel ^

[19]
Was bleibt, ist die Generalklausel in Art. 2 UWG, gemäss der jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren unlauter ist, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst.
[20]
Die weit formulierten Kriterien für die Anwendbarkeit von Art. 2 UWG sind damit:
  • ein Verhalten oder Geschäftsgebaren,
  • eine Beeinflussung des Wettbewerbs,
  • ein Verstoss gegen Treu und Glauben.
[21]
Der Begriff des Verhaltens oder Geschäftsgebarens ist sehr offen formuliert; das Angebot eines Adblockers ist zweifellos ein solches Verhalten.22
[22]
Für eine Anwendbarkeit des UWG muss eine Wettbewerbshandlung vorliegen, m.a.W. eine Handlung, die den Wettbewerb beeinflusst.23 Nachdem die vorliegend unterdrückte Werbung ein zentrales Instrument des Wettbewerbs ist, ist davon auszugehen, dass auch dieses Kriterium erfüllt ist.
[23]

Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem handelnden und dem betroffenen Unternehmen ist in der Schweiz, anders als in Deutschland,24 für die Unlauterkeit einer Handlung nicht vorausgesetzt.25

[24]
Laut dem dritten Kriterium muss das Verhalten täuschend sein oder in anderer Weise gegen Treu und Glauben verstossen.26 Der Begriff ist als Generalklausel sehr weit gehalten und nur im Lichte des Gesetzeszwecks des Lauterkeitsrechts und der lauterkeitsrechtlichen Spezialtatbestände überhaupt verständlich.
[25]

Mit einer Generalklausel verleiht der Gesetzgeber dem Richter formal gesehen einen erheblichen Interpretationsspielraum. Im Ergebnis geht es allerdings um Rechtsfortbildung durch Richterrecht; der Gesetzgeber delegiert die Lösung des gesellschaftlichen Problems an das Gericht (die Rede ist daher auch von einer «Delegationslücke»).27 Bei der Konkretisierung von Generalklauseln verweist Kramer auf Art. 4 des Zivilgesetzbuchs (ZGB [Einzelfallentscheidung nach Recht und Billigkeit]). Indessen ist auch der Richter an das verfassungsmässige Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 der Bundesverfassung [BV]) gebunden und wird «modo legislatoris» zur Begründung seiner Entscheidung gelangen müssen, d.h. er wird die wesentlichen Umstände des Einzelfalls im Sinne von Tatbestandsmerkmalen einer neu gedachten Norm berücksichtigen.28 Der Versuch, von vornherein klare Kriterien für die Unlauterkeit aufzustellen, wird indessen scheitern.29

[26]

Die Spezial- oder Beispieltatbestände des Lauterkeitsrechts (Art. 3 ff. UWG) sollen die Generalklausel von Art. 2 UWG konkretisieren. Die vom Gesetzgeber klar abgegrenzten Spezialtatbestände bieten allerdings teils auch Anhaltspunkte für ein argumentum e contrario; bildlich gesprochen weisen sie ausserhalb ihres klar definierten Anwendungsbereichs eine Art «Hof» auf, in dem die Anwendung von Art. 2 UWG (oder auch eine analoge Anwendung des Spezialtatbestandes) gerade ausgeschlossen ist.30

[27]
Inhaltlich wird sich ein Richter bei der Füllung einer Delegationslücke zunächst an Präjudizien ausrichten.31 Die Gerichtspraxis hat zu Art. 2 UWG denn auch, teils in Anlehnung an die erwähnten Spezialtatbestände, eine Reihe von Fallgruppen herausgearbeitet. Zu diesen gehören i) die unlautere Kundenbeeinflussung, die die Angehörigen der Marktgegenseite in ihrer Entscheidgrundlage oder im Entscheidprozess beeinträchtigt,32 ii) die gezielte Behinderung von Konkurrenten,33 iii) die Ausbeutung der Marktgegenseite und iv) der Rechtsbruch.34
[28]

Als weitere inhaltliche Orientierungspunkte können die Lehre und allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 1 Abs. 3 ZGB), aber insbesondere auch die Rechtsvergleichung dienen.35

3.2.3.

Das Trittbrettfahrer-Argument im Lauterkeitsrecht ^

[29]
Die lauterkeitsrechtlichen Normen in Art. 5 UWG sind, anders als jene am Anfang von Art. 3 UWG, sehr präzise ausgearbeitet. Sie weisen m.a.W. den genannten «Hof» auf, in deren Bereich eine (analoge) Anwendung bzw. eine Anwendung von Art. 2 UWG (e contrario) ausgeschlossen ist.
[30]
Entsprechend ist zu argumentieren, der Gesetzgeber habe den Tatbestand von Art. 5 Bst. c UWG bewusst eng definiert, als er ihn allein auf Fälle technischer Reproduktionsverfahren beschränkte und zudem jene Fälle von der Anwendung der Norm ausschloss, in denen der «Trittbrettfahrer» bei der Reproduktion angemessenen eigenen Aufwand treibt.36
[31]
Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 5 UWG auf Fälle, in denen keine Reproduktion stattfindet, ist damit abzulehnen.
[32]
Hinzu kommt die in der Schweiz restriktive Praxis des Bundesgerichts zu dieser Norm: Bereits das Auslesen von Web-Inhalten durch einen «Spider»37 zum Zweck der Reproduktion auf einer anderen Website, wird vom Bundesgericht als angemessener Aufwand im Sinne des Gesetzes verstanden, sodass eine Anwendung von Art. 5 Bst. c UWG ausser Betracht fällt.
[33]
Im Fall eines Adblockers, der nochmals einen erheblich höheren Entwicklungsaufwand mit sich bringt als ein Spider, weil beispielsweise diverse Browsermodelle berücksichtigt werden müssen, ist eine (analoge) Anwendung von Art. 5 Bst. c UWG bzw. eine Anwendung von Art. 2 UWG aus vergleichbaren Motiven damit erst recht ausgeschlossen.

3.2.4.

Gezielte Behinderung von Konkurrenten im Lauterkeitsrecht ^

[34]
Die Unterbindung der gezielten Behinderung von Konkurrenten dient der Sicherung eines fairen Leistungswettbewerbs. Wettbewerbshandlungen sind stets mit einer Behinderung der Marktgegenseite verbunden; eine Behinderung ist daher nur unter zusätzlichen Voraussetzungen unlauter. Gefragt ist insbesondere auch eine Verhältnismässigkeitsprüfung.38
[35]
Eine Behinderung ist unlauter, wenn sie nach Anlass, Zweck, Inhalt, Bedeutung und Wirkung der Massnahme Konkurrenten unverhältnismässig darin beeinträchtigt, ihre für die Marktgegenseite massgebliche Leistungskraft zu entfalten. Die Massnahme darf daher nicht allein auf die Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit von Mitbewerbern und insbesondere ihr Hinausdrängen aus dem Markt gerichtet sein, sondern muss zumindest auch zur Verfolgung eigener rechtmässiger Ziele geeignet, erforderlich und angesichts der Auswirkungen verhältnismässig (also verhältnismässig i.e.S.) sein. Dies führt zu einer subjektiven Komponente bei der Beurteilung.39
[36]

Insbesondere das Ausspannen von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs, und eine unlautere kundenbezogene Behinderung liegt nur vor, wenn der Kunde gezielt und unverhältnismässig daran gehindert wird, sich mit einem Konkurrenzangebot unvoreingenommen auseinanderzusetzen.40 Vorliegend entscheidet sich der Kunde allerdings selbst und frei für den Einsatz eines Adblockers; von einer Behinderung in diesem Sinne kann nicht die Rede sein.

[37]
Werbebehinderungen liegen vor, wenn eine Werbung durch Verdeckung oder Entfernung gezielt ausgeschaltet wird. Unlauter sind Massnahmen, wenn zwischen dem Werbetreibenden und dem Behindernden ein Wettbewerbsverhältnis steht.41
[38]

Auch in der Schweiz wird demgegenüber auf einen deutschen Entscheid verwiesen,42 gemäss dem Angebote zum Schutz vor ungewollten Werbebotschaften (Spam-Filter, TV-Werbeblocker) zulässig sind.43

[39]
Die Argumentation der Schweizer Literatur zur Behinderung ist denn auch, obwohl ein expliziter Behinderungstatbestand fehlt, vergleichbar mit jener, die von der deutschen Gerichtspraxis zu § 4 Nr. 4 UWG entwickelt wurde. Entsprechend ist es auch für die Schweiz gerechtfertigt, die Überlegungen der deutschen Gerichte für die vorliegende Problemstellung beizuziehen.44
[40]

Wesentlich ist damit m.E., dass das Angebot von Adblockern nicht allein auf die Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit von Mitbewerbern gerichtet ist, sondern insbesondere den Interessen der Endkunden, etwa dem Schutz vor Ausspionierung oder vor Malware, dient, wie dies das LG Hamburg befand.45

[41]

Hinzu kommt, ebenfalls entsprechend der Argumentation des LG Hamburg, dass es letztlich nicht die Anbieterin des Adblockers, sondern der Endkunde ist, der den Entscheid fällt, einen Adblocker zu installieren. (Anders könnte die Lage also sein, wenn beispielsweise ein Hersteller eines Mobiltelefons oder ein Internetanbieter46 vorgabeweise Werbung blockiert.)

[42]
Ferner bestehen auch für Schweizer Anbieterinnen durchaus Alternativen zu Adblockern, wie kostenpflichte Bezahlschranken und insbesondere auch neuartige Angebote wie Blendle, die den artikelweisen Abruf von Inhalten verschiedenster Presseprodukte (gegen Bezahlung im Abonnement oder einzeln) auf einer zentralen Plattform bündeln.47 Dies spricht für die Verhältnismässigkeit des Vertriebs von Adblockern.
[43]
Die Wahrscheinlichkeit eines Klageerfolgs scheint damit gering.

3.2.5.

Aggressive Geschäftspraktiken aus lauterkeitsrechtlicher Sicht ^

[44]

Nachdem der genannte Art. 3 Bst. h UWG (besonders aggressive Verkaufsmethoden) hauptsächlich bei psychischem Druck Anwendung finden soll, fragt es sich, ob eine Anwendung der Generalklausel bei anderen aggressiven Methoden möglich sein könnte. Im Rahmen der Fallgruppe der unlauteren Kundenbeeinflussung hat sich in der Tat eine Praxis zu aggressiven Geschäftspraktiken entwickelt. Eine eigentliche Sperrwirkung im Rahmen eines «Hofs», wie sie etwa Art. 5 UWG vorliegend zugeschrieben wird, dürfte bei Art. 3 Bst. h UWG angesichts der weiten Formulierung weitgehend fehlen. Allenfalls sind die Anforderungen an die Aggressivität von Handlungen höher einzuschätzen, sofern es sich nicht, wie vom Gesetz gefordert, um Verkaufshandlungen, sondern etwa um Werbung handelt.48

[45]

Die Verwendung eines Adblockers ist aus Kundensicht wie erwähnt sachlich begründet und erfolgt auf Initiative des Kunden. Die Aufnahme in die Whitelist setzt die Prüfung der jeweiligen Werbung voraus sowie einige technische Schritte zur Implementierung, was einen gewissen Aufwand mit sich bringt. Nachdem die abgewendeten Nachteile des Kunden (insbesondere der Eingriff in dessen informationelle Selbstbestimmung und die geschaffenen Sicherheitsrisiken) auf den Werbetreibenden zurückzuführen ist, scheint es zumindest sachlich gerechtfertigt, für die Aufnahme in die Whitelist eine verhältnismässige Entschädigung zu verlangen.

[46]

Sofern der Druck auf der Marktbeherrschenden Stellung des Anbieters beruht, sind ferner (m.E. ausschliesslich49) die Wertungen von Art. 7 Kartellgesetz (KG) anzuwenden,50 sodass auf jene Ausführungen verwiesen werden kann.

3.2.6.

Regulierungstheoretische Argumente ^

[47]
Gerade bei der Auslegung wirtschaftsrechtlicher Normen sind auch ausserrechtliche Argumente zu hören, wie jene der Ökonomie, insbesondere der Ökonomischen Analyse des Rechts.51 Interessant für die Auslegung von Art. 2 UWG mag daher auch eine regulierungstheoretische Betrachtung sein.
[48]
Das Lauterkeitsrecht dient in vielen Fällen der Bekämpfung von Informationsproblemen, die zu Marktversagen führen.52 Hinzuweisen ist etwa auf die lauterkeitsrechtlichen Normen gegen täuschendes Verhalten am Anfang von Art. 3 UWG.
[49]
Eine andere Form von Marktversagen sollen die Tatbestände von Art. 5 UWG korrigieren: Hier geht es um externe Effekte, die ebenfalls dazu führen können, dass Märkte nicht effizient funktionieren.53 Sie bestehen dann, wenn sich die Tätigkeit einer Person auf die wirtschaftliche Situation Dritter auswirkt. Positive externe Effekte sind für Dritte vorteilhaft, negative nachteilig. Sowohl positive als auch negative externe Effekte können regulatorische Eingriffe erforderlich machen, weil sie dazu führen, dass aus einer gesamtwirtschaftlichen Sicht zu wenig (bei positiven) bzw. zu viel (bei negativen externen Effekten) eines Gutes produziert wird (Marktversagen).
[50]

Die verschiedenen Verbote zur Verwertung fremder Leistung nach Art. 5 UWG dienen aus dieser Sicht dazu, positive externe Effekte zu vermeiden; sie sollen die Anreize der betroffenen Unternehmen schützen, wirtschaftlich tätig zu sein. Sie gleichen in ihrer Wirkungsweise in gewisser Weise den Vorschriften des Patentrechts, und zumindest aus wirtschaftlicher Sicht, jenen des Urheberrechts, wenngleich sie nicht ein eigentliches Leistungsschutzrecht schaffen sollen.54

[51]

Die Fragestellung zu Adblocking in diesen Kontext einzuordnen, ist nicht einfach. Das Geschäftsmodell der Werbung im Internet läuft oft darauf hinaus, eine (oftmals kostenlose) Information, beispielsweise den Inhalt eines Blogs oder einer Zeitung, anzubieten und zugleich von der Seite der Werbetreibenden für die gewonnene Aufmerksamkeit der Kunden eine Entschädigung zu beziehen. Es bildet sich also ein zweiseitiger Markt mit Lesern auf der einen und Werbetreibern auf der anderen Seite und dem Betreiber der Plattform in der Mitte. Dem entspricht die geschilderte Perspektive des LG Frankfurt,55 das sowohl Werbung als auch Gratisinhalte in seine Beurteilung mit einbezog und den Vertrieb von Adblock Plus einstweilig verbot.

[52]
Adblocking dient dabei dem Leser, indem es ihn vor der unangenehmen Werbung schützt, und es erschwert zugleich den Werbetreibenden das Geschäft. Es hat damit aus kurzfristiger Perspektive sowohl positive (für den Leser) als auch negative (für die Anbieterin) Auswirkungen.
[53]
Aus einer längerfristigen Perspektive droht Adblocking womöglich tatsächlich die Vielfalt der Angebote im Internet zu beeinträchtigen, was beiden Parteien schadet. Der Effekt entspricht zumindest indirekt positiven externen Effekten in dem Sinne, dass der Kunde kostenlos von einer Leistung der Anbieterin profitiert.
[54]

Dies wird auch im Hinblick auf die Anbieterin Eyeo selbst deutlich, wenn man die produzierten Inhalte als Leistung sieht, deren Ertrag (die Aufmerksamkeit der Kunden) nun durch Trittbrettfahrer abgeschöpft werden soll. Der Vorwurf geht denn auch dahin, Eyeo versuche, das Werbegeschäft der anderen Anbieter zu zerstören und es für sich selbst zu beanspruchen,56 und es gehe gar nicht um die Qualität der Werbung im Netz.

[55]
Ein gegenläufiges regulierungstheoretisches Argument könnte indessen dahin gehen, dass die von Adblockern verursachten externen Effekte nicht von einer Natur sind, die einen Eingriff rechtfertigen. Die Regulierungstheorie unterscheidet u.a. zwischen technologischen und marktvermittelten externen Effekten. Technologische externe Effekte weisen einen direkten Zusammenhang zwischen den Gewinn- und Nutzenfunktionen der betroffenen Akteure auf.57 Marktvermittelte externe Effekte (auch: «pekuniäre Effekte») sind Veränderungen der Knappheitsrelationen am Markt, also etwa die Auswirkungen einer steigenden Nachfrage auf die Preise und damit den Gewinn eines Anbieters.58 Erstere sind gesamtwirtschaftlich unerwünscht, weil sie falsche Allokationsanreize setzen,59 während letztere gerade Ergebnisse des Marktes und sind damit unter Effizienzgesichtspunkten erwünscht. Aufgrund von pekuniären Effekten werden oftmals fälschlicherweise Eingriffe in die Vertragsfreiheit vorgenommen, obwohl die so verursachten Allokationsverluste oft ein Vielfaches der bezweckten Umverteilungseffekte ausmachen.60
[56]
Darauf aufbauend wäre vorliegend zu argumentieren, dass die Hersteller von Adblockern nicht auf direktem Weg die Umsätze der Medienunternehmen schmälern würden, sondern über den Zwischenschritt einer Marktentscheidung ihrer Kunden (marktvermittelter externer Effekt). Diese erst würden sich im Hinblick auf ihre Bedürfnisse nach Angeboten ohne störende, die Privatsphäre oder gar die Computersicherheit beeinträchtigende Werbung für einen Adblocker entscheiden. Entsprechend sei das Marktergebnis mutmasslich gerade im Hinblick auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden effizient, und ein Eingriff damit nicht zu rechtfertigen.

3.2.7.

Kartellrechtliche Sicht ^

[57]
Nachdem die lauterkeitsrechtliche Perspektive wenige brauchbare Anhaltspunkte bietet, ist der Blick noch auf das Kartellrecht zu richten.
[58]

Hier bietet sich ein Blick auf die verwandte Diskussion zur sogenannten Netzneutralität an, also zur Frage, ob Internet-Access-Provider verpflichtet sind, Anbietern von Internetdiensten (d.h. Anwendungen, Inhalten o.dgl.) diskriminierungsfreien Zugang zu ihrer Kundschaft zu erlauben, wie dies im Internet ursprünglich üblich war, heute aber je länger je mehr in Frage gestellt wird. Die Position des Accessproviders gegenüber einem Diensteanbieter kann als Terminierungsmonopol auf einem Markt für Zugang zum Endkunden gesehen werden, auf das kartellrechtliche Überlegungen Anwendung finden können, so die sogenannte Essential-Facilities-Doktrin (EFD) und Art. 7 KG im Allgemeinen.61

[59]
Die Voraussetzungen für eine Anwendung der EFD sind im Wesentlichen (i) das Vorliegen einer wesentlichen Einrichtung, ohne deren Nutzung ein Wettbewerber auf einem vor- oder nachgelagerten Markt seinen Kunden keine Dienste anbieten kann, (ii) eine marktbeherrschende Stellung bezüglich der wesentlichen Einrichtung, wozu insbesondere die Unmöglichkeit für die Marktgegenseite gehört, diese zu duplizieren und (iii) eine missbräuchliche Ausnutzung dieser marktbeherrschenden Stellung durch Verweigerung des Zugangs, insbesondere das Fehlen objektiver Rechtfertigungsgründe hierfür. Die EFD wird in der Praxis wie bereits beschrieben nur sehr zurückhaltend angewandt.62
[60]
Im Fall von der Netzneutralität ist grundsätzlich für eine Anwendung der EFD zu plädieren, sofern die Marktgegenseite nicht über ausreichende Gegenmacht verfügt (wie dies etwa bei grossen Diensteanbietern bei Google der Fall ist). Dies daher, weil aus Sicht eines Diensteanbieters der Internetzugang zu seinem Kunden für die Erbringung der nachgelagerten Dienste wesentlich ist, und weil die Infrastruktur aus dessen Sicht nicht duplizierbar ist. Indessen bringt es die EFD nicht mit sich, dass ein kostenloser Zugang durchgesetzt werden kann.63
[61]
Die Position der Anbieterin eines Adblockers gegenüber der Betreiberin einer Website gleicht derjenigen des Accessproviders im Fall der Netzneutralität: Durch die Blockade der Werbung und das Verlangen einer Entschädigung für die Aufnahme in die Whitelist schafft sie eine Zugangsschranke, womit von einem (neu geschaffenen) Markt für den Zugang von Werbeinhalten zum Endkunden ausgegangen werden könnte.
[62]

Indessen kann m.E. vorliegend nicht von einer Anwendung von Art. 7 KG, und erst recht nicht der EFD, ausgegangen werden, denn diese Zugangsschranke ist nicht in einer Weise umfassend und damit wesentlich im Sinne der EFD, die es den Werbetreibenden verunmöglichen würde, ihre Leistungen zu erbringen: Nur ein kleiner Teil der Kunden, die Rede war von rund 20%, verwendet überhaupt Adblocker. Im Unterschied zum Fall der Netzneutralität hat der Anbieter zudem grundsätzlich Möglichkeiten, den Kunden von der Verwendung von Adblockern abzubringen (etwa indem er diesen von der Nutzung seiner Inhalte ausschliesst oder ihn durch einen moralischen Appell von der Nutzung abzubringen versucht), oder sich Entgelte über eine Paywall zu verschaffen.

[63]
Die Verwendung eines Adblockers ist ferner aus Kundensicht wie erwähnt sachlich begründet, und die Aufnahme in die Whitelist setzt die Prüfung der jeweiligen Werbung voraus sowie einige technische Schritte zur Implementierung, was einen gewissen Aufwand mit sich bringt. Nachdem die abgewendeten Nachteile des Kunden (insbesondere der Eingriff in dessen informationelle Selbstbestimmung und die geschaffenen Sicherheitsrisiken) auf den Werbetreibenden zurückzuführen ist, scheint es auch sachlich gerechtfertigt, für die Aufnahme in die Whitelist eine gewisse Entschädigung zu verlangen. Und schliesslich ergibt sich aus dem Wettbewerbsrecht kein Anspruch auf kostenlosen Zugang.
[64]
Eine über die EFD hinaus gehende Anwendung von Art. 7 KG dürfte damit nicht gerechtfertigt sein.64 Art. 7 KG dürfte damit nicht greifen.

3.2.8.

Zwischenfazit ^

[65]
Die eingangs gestellte Frage, ob es Mittel gegen Adblocker gebe, ist damit zumindest hinsichtlich der juristischen Mittel wohl mit nein zu beantworten.
[66]
Die Lösung wird daher in technischen Massnahmen und moralischen Appellen an die Leserschaft liegen, auf Adblocker zu verzichten. Es liegt in der Hand der betroffenen Unternehmen, diesen Verzicht für den Kunden möglichst einfach zu gestalten, etwa mittels Anleitungen oder Tools, die die Einstellungen des Adblockers mit Einwilligung des Kunden automatisch anpassen.

3.3.

Anleitungen zur Umgehung einer AdBlock-Sperre ^

[67]
In einem Internetforum der Eyeo wurden Anleitungen verbreitet zur Umgehung von Adblocker-Sperren, die Medien auf ihren Seiten eingerichtet hatten. Die Besucher sollten die durch die Sperren unsichtbar gemachten Inhalte also wieder lesen können.
[68]
Das LG Hamburg liess sich in einem einstweiligen Beschluss von der Argumentation des Springer-Verlags überzeugen, es handle sich um eine Umgehung technischer Schutzmassnahmen, wie sie nach § 95a Abs. 3 des deutschen Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG)65 verboten sei. Eine entsprechende einstweilige Verfügung wurde erlassen.66
[69]
Technische Schutzmassnahmen im Sinne des UrhG sind allerdings Instrumente der Verschlüsselung, die die ungerechtfertigte Verwendung urheberrechtlich geschützter Inhalte verhindern sollen. Der Fall von Adblock-Sperren auf Websites von Medien dürfte davon genau besehen kaum abgedeckt sein, denn dem Gesetzgeber schwebten beim Erlass der Norm Verschlüsselungsinstrumente (sog. Digital Rights Management) zum Schutz vor Zugriffen auf urheberrechtlich geschütztes Material und nicht zum Schutz vor Instrumenten gegen Werbung vor.67

4.

Zulässigkeit von Adblocker-Detektoren ^

[70]
Diskutiert wird ferner die Frage, ob die Verwendung von Adblocker-Detektoren europäisches Datenschutzrecht verletzen kann.68
[71]
Konkret geht es um Art. 5 Abs. 3 der europäischen E-Privacy-Richtlinie69, die die Benutzung von Informationsnetzen für den Zugriff auf im Endgerät des Nutzers gespeicherte Daten70 grundsätzlich nur erlaubt, wenn dieser zugestimmt hat (Opt-in-Ansatz).71 Ein Detektor, der den Rechner des Besuchers ohne Einwilligung lokal nach installierter Software ausforscht, führt damit zu einer Verletzung des europäischen Datenschutzrechts.
[72]
In der Schweiz ist die Lage insofern anders, als Art. 45c des Fernmeldegesetzes (FMG) nur eine Information des Kunden, nicht aber eine Zustimmung verlangt. Ein informierender Passus in der Datenschutzerklärung der Website, wie er heute schon für Cookies die Regel ist, reicht dafür also aus. Auch in der Schweiz muss allerdings eine Ablehnungsmöglichkeit vorgesehen sein.
[73]

Sofern die Tatsache, dass ein Kunde einen Adblocker verwendet, durch den Webserver selbst ohne Zugriff auf dessen Rechner und allein durch Analyse der Abrufmuster des Browsers erkannt wird, ist das Vorgehen allerdings unproblematisch.

Simon Schlauri

  1. 1 Vgl. PageFair/Adobe, tinyurl.com/nqeqsaz, die 2015 für die USA auf eine Zahl von 16% der Nutzer bei einer Steigerung von 41% im Jahresvergleich kamen.
  2. 2 PageFair/Adobe (Fn. 1) gehen von weltweit 21 Mia USD Verlust aus.
  3. 3 Thomas Hoeren, Werberechtliche Grenzen des Einsatzesvon Adblockern – am Beispiel von «Adblock Plus», in: K&R 12/2013, 757 ff., 757 f.
  4. 4 Vgl. Norbert Pohlmann, Tracking im Internet und Selbstdatenschutz, in: Digma 2014, 144 ff., 148; Marc Langheinrich/Günter Karjoth, Eine Balance zwischen Nutzen und Schutz, in: Digma 2012, 116 ff.
  5. 5 Henning Steier, Erneut Schadsoftware über «20 Minuten» verteilt, NZZ online, 11. April 2016, tinyurl.com/hdl732u.
  6. 6 Details unter Eyeo, adblockplus.org/de/acceptable-ads.
  7. 7 Eyeo, adblockplus.org/about#monetization.
  8. 8 Eyeo (Fn. 6), Abschnitt «Wollen Adblock-Plus-Nutzer diese Funktion wirklich?».
  9. 9 Vgl. etwa W3guy, Ultimate Guide to Detecting Adblock, tinyurl.com/zxzdrnw.
  10. 10 §4 Nr. 4, ehemals Nr. 10 UWG; dazu im vorliegenden Kontext Hoeren (Fn. 3), 758 f.
  11. 11 LG Hamburg, Urteil vom 21. April 2015, Az. 416 HKO 159/14; vgl. auch LG München I, Urteil vom 27. Mai 2015, Az. 37 O 11843/14; LG Köln, Urteil vom 29. September 2015, Az. 33 O 132/14 (zum entsprechenden OLG-Verfahren sogleich); LG Stuttgart, Urteil vom 10. Dezember 2015, Az. 11 O 238/15; ähnlich auch BGH, Urteil vom 24. Juni 2004, I ZR 26/02, wo es um einen Werbeblocker für TV ging.
  12. 12 Der Kunde benötigt ein Abonnement oder bezahlt pro Artikel.
  13. 13 LG Hamburg (Fn. 11), Rz. 27 ff.
  14. 14 Beschluss vom 26. November 2015, Az. 3-06 O 105/15.
  15. 15 So die in einer mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2016 geäusserte Haltung, zit. bei Torsten Kleinz, OLG Köln: Schlechte Karten für Adblock Plus, Heise Newsticker 21. Mai 2016, tinyurl.com/hopqj2z.
  16. 16 So die Gesetzesbegründung der Bundesregierung, Bt.-Drs. 18/4535.
  17. 17 Köhler/Bornkamm, UWG § 4a Rz. 1.17.
  18. 18 Vgl. hinten Rz. 57–64.
  19. 19 Mehr dazu hinten Rz. 44–46.
  20. 20 OFK-Heizmann, N 1 zu Art. 3 Bst. h UWG; Botschaft UWG, BBl 1983 II 1009, 1067 f.
  21. 21 Aldo Staub, Zivilrechtliche Folgen der Privatbestechung, LBR Bd. 79, Luzern 2013, N 224 ff.
  22. 22 Vgl. SHK-Jung, N 9 zu Art. 2 UWG.
  23. 23 Vgl. bereits Simon Schlauri, Copyfraud und Lauterkeitsrecht, in: Jusletter IT 25. Mai 2016.
  24. 24 Hoeren (Fn. 3), 758; LG Hamburg (Fn. 11), Rz. 36 ff.
  25. 25 SHK-Jung, N 18 zu Art. 2 UWG.
  26. 26 SHK-Jung, N 20 ff. zu Art. 2 UWG.
  27. 27 Ernst A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 4. A. Bern 2013, 79, 195, 276.
  28. 28 Vgl. insbesondere Kramer (Fn. 27), 279 f., der eine qualitative Unterscheidung zwischen der Entscheidung nach Art. 1 Abs. 2 und Art. 4 ZGB ablehnt.
  29. 29 So etwa für die Behinderung BSK-Hilty; N 103 zu Art. 2 UWG.
  30. 30 Vgl. SHK-Jung, N 5 zu Art. 2 UWG; BGE 133 III 431, 435 f.
  31. 31 Vgl. Kramer (Fn. 28), 255.
  32. 32 SHK-Jung, N 35 ff. zu Art. 2 UWG.
  33. 33 A.a.O., N 69 ff. zu Art. 2 UWG.
  34. 34 A.a.O., N 95 ff., 107 ff. zu Art. 2 UWG; BSK-Hilty, N 65 zu Art. 2 UWG.
  35. 35 Kramer (Fn. 28), 256 ff., 261 ff., 265 ff.
  36. 36 Vgl. SHK-Brauchbar Birkhäuser, N 26 zu Art. 5 UWG.
  37. 37 In BGE 131 III 384 ging es um Immobilien-Inserate.
  38. 38 SHK-Jung, N 70 zu Art. 2 UWG.
  39. 39 A.a.O.
  40. 40 SHK-Jung, N 72 zu Art. 2 UWG.
  41. 41 SHK-Jung, N 77 zu Art. 2 UWG.
  42. 42 OLG Frankfurt, Urteil vom 23. September 1999, Az. 6 U 74/99; zit. auch bei BGH, Urteil vom 24. Juni 2004, I ZR 26/02 (bereits vorne Fn. 11).
  43. 43 SHK-Jung, N 77 zu Art. 2 UWG.
  44. 44 Vgl. Kramer (Fn. 28), 265 f.
  45. 45 Rz. 7.
  46. 46 Dazu aus kartellrechtlicher Perspektive Simon Schlauri, Network Neutrality, Netzneutralität als neues Regulierungsprinzip des Telekommunikationsrechts, Baden-Baden/Zürich 2010, tinyurl.com/ljp4med, 274; vgl. auch den nächsten Abschnitt.
  47. 47 Vgl. www.blendle.com.
  48. 48 Zum Ganzen SHK-Jung, N 49 zu Art. 2 UWG.
  49. 49 Vgl. vorne Rz. 13.
  50. 50 A.a.O., N 50 zu Art. 2 UWG; dazu später.
  51. 51 Kramer (Fn. 28), 268 f., 272.
  52. 52 Zu Informationsproblemen einführend etwa Schlauri (Fn. 46), 61 ff., m.H.
  53. 53 Zum Ganzen Schlauri (Fn. 46), 45 ff.
  54. 54 Vgl. SHK-Brauchbar Birkhäuser, N 1 zu Art. 5 UWG.
  55. 55 Vorne Rz. 6–9.
  56. 56 Michael Hanfeld, Werbekiller im Internet, in: FAZ 13. November 2015, tinyurl.com/pj4ghw8.
  57. 57 Ein Beispiel für solche Effekte wären etwa Kühe eines Landwirts, die das Feld des benachbarten Landwirts verwüsten. Der Begriff hat mit Technologie genau besehen wenig zu tun; «direkte» externe Effekte wäre wohl die treffendere Bezeichnung.
  58. 58 Ein Beispiel wären die Auswirkungen der Produktion von Computern auf die Umsätze von Schreibmaschinenherstellern.
  59. 59 Ohne Mechanismus zur Internalisierung des externen Effekts, wie Haftpflichtrecht, hätte der Halter der Kühe aus Fn. 57 keinen Anreiz, zu verhindern, dass sich diese auf das Feld des Nachbarn begeben, und er würde womöglich keinen Zaun bauen.
  60. 60 So kann beispielsweise ein falscher Eingriff in das Mietvertragsrecht die Verfügbarkeit kostengünstigen Wohnraums noch verschlechtern. Zum Ganzen Hans-Bernd Schäfer/Claus Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. A. Berlin u.a. 2013, 394 f. (Zitat bezieht sich auf 4. A. 2005).
  61. 61 Zum Ganzen eingehend Schlauri (Fn. 46), 194 ff., m.H.
  62. 62 Schlauri (Fn. 46), 205.
  63. 63 Schlauri (Fn. 46), 205 ff.
  64. 64 Vgl. für den Fall der Netzneutralität Schlauri (Fn. 46), 209.
  65. 65 Für die Schweiz vgl. Art. 39a Urheberrechtsgesetz (URG).
  66. 66 LG Hamburg, Beschluss vom 22. Oktober 2015, Az. 308 O 375/15.
  67. 67 Kritisch etwa auch das OLG Köln (Fn. 11); Thomas Stadler, Im Adblocker-Streit erwirkt BILD eine einstweilige Verfügung gegen Eyeo, tinyurl.com/ofrwhtp; Pia Lorenz, Streit um den Werbeblocker-blocker-entblocker (wirklich), tinyurl.com/hhs2hlt.
  68. 68 Benedikt Flass-Flessenkämper, Websites mit Adblocker-Erkennung verstoßen möglicherweise gegen EU-Recht, WIRED/TECH 26. April 2016, tinyurl.com/juhju73.
  69. 69 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, Abl. Nr. L 281/31 vom 23. November 1995.
  70. 70 Dazu gehört neben den Inhalten von Cookies auch die Tatsache, ob ein Programm installiert ist.
  71. 71 So B. Lehmann/EU-Kommission, zit. in einem Tweet von Alexander Hanff (@alexanderhanff), tinyurl.com/zhfyedf.