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Stromtankstellen im Mietverhältnis und im Stockwerkeigentum

  • Author: Simon Schlauri
  • Category: News
  • Region: Switzerland
  • Field of law: Electric Mobility
  • Citation: Simon Schlauri, Stromtankstellen im Mietverhältnis und im Stockwerkeigentum, in: Jusletter IT 25 February 2016
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Die Zahl der in der Schweiz verkauften Elektroautos wächst rasch,1 und die angekündigte Entwicklung der Modellpaletten lässt auf weiteres Wachstum der Elektromobilität hoffen. Damit bahnt sich nicht nur hinsichtlich Fahrkomfort,2 sondern auch bei der Energieversorgung ein Paradigmenwechsel an: E-Autos werden nämlich erfahrungsgemäss in mehr als 90% aller Fälle an ihrem üblichen Standplatz geladen und nicht mehr an der Tankstelle. Wer Mieter oder Stockwerkeigentümer ist und sich ein E-Auto zulegen will, sollte sich daher mit der Rechtslage beim Einrichten einer Stromtankstelle bei seinem Parkplatz auseinandersetzen.
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Eine regelmässige Verwendung von vorhandenen Haushaltsteckdosen ist aus Sicherheitsgründen nicht zu empfehlen. Es drängt sich eine Neuerschliessung oder zumindest Verstärkung der bestehenden Installation auf.3 Aus Gründen der Bequemlichkeit wird man zudem oft eine dedizierte Ladestation vorsehen.
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Eine regelmässige Nutzung von Gemeinschaftsstrom zum Laden eines E-Autos dürfte weder bei Stockwerkeigentum noch im Mietverhältnis von der bestehenden Vertragslage abgedeckt sein. Entsprechend empfiehlt sich möglichst eine einvernehmliche Lösung zur Verrechnung des zusätzlich verbrauchten Stroms zu einem Pauschalpreis.4 In Frage kommen auch der Einbau eines gesonderten Zählers bzw. ein Anschluss an den Wohnungszähler des entsprechenden Eigentümers bzw. Mieters.5
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In Fällen von Stockwerkeigentum sind Parkplätze, anders als abgeschlossene Garagenboxen, oft nicht dinglich zu Sonderrecht ausgeschieden, sondern nur mit einem (i.d.R. reglementarischen) Sondernutzungsrecht behaftet.6 Diesfalls sind dazu Art. 647c–e ZGB einschlägig:7 Eigenmächtige Änderungen an gemeinschaftlichen Bauteilen sind nicht zulässig.8 Bei «notwendigen Massnahmen» muss die Mehrheit der Eigentümer zustimmen, bei «nützlichen Massnahmen» müssen diese Eigentümer zugleich den grösseren Teil der Sache vertreten. Notwendige Massnahmen sind solche, die für die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache notwendig sind, während nützliche Massnahmen die Gebrauchsfähigkeit verbessern. Angesichts der wachsenden Verbreitung von E-Autos dürfte die Ausstattung von Garagenplätzen mit Stromversorgung bald als notwendige Massnahme zu sehen sein,9 sodass das erstere, geringere Quorum ausreicht.
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Nach Art. 712h ZGB haben die Eigentümer die Kosten für Erneuerungen an gemeinschaftlichen Bauteilen grundsätzlich gemeinsam zu tragen. Wenn die Erneuerungen nicht allen zugutekommen, sind die Kosten aber den entsprechenden Nutzern aufzuerlegen.10 Spricht sich vorerst nur ein einzelner für eine Erschliessung seines Parkplatzes mit Strom aus, dürfte er das notwendige Quorum zur Änderung in der Praxis zudem ohnehin kaum erreichen, wenn er sich nicht gleichzeitig zur Übernahme der Kosten verpflichtet. Bei grösseren Erschliessungsarbeiten im gemeinschaftlichen Bereich wäre immerhin eine reglementarische oder vertragliche Regelung zu empfehlen, gemäss der die Erschliessungskosten vorerst zwar vom ersten Nutzer eines E-Autos getragen werden, spätere Nutzer sich aber rückwirkend im Verhältnis an diesen Kosten zu beteiligen haben.
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Wenn die Erschliessung von zu Sonderrecht ausgeschiedenen Garagenboxen bauliche Massnahmen an gemeinschaftlichen Bauteilen erfordert, ist die Lage wiederum anders: Gemäss Art. 691 Abs. 1 ZGB ist jeder Grundeigentümer verpflichtet, die Durchleitung von Röhren und Leitungen zur Versorgung und Entsorgung gegen volle Entschädigung zu gestatten, wenn ein anderes Grundstück sonst nicht oder nur mit unverhältnismässigen Kosten erschlossen werden kann (Notleitungsrecht). Der Eigentümer an der zu erschliessenden Garagenbox kann also grundsätzlich die Erschliessung über die gemeinschaftlichen Bauteile verlangen.11 

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Der Mieter hat gegenüber seinem Vermieter keinen Anspruch auf nachträgliche Erschliessung eines Stellplatzes oder nur schon auf Nutzung einer bestehenden Installation, wenn diese nicht vereinbart ist (Art. 256 OR). Er darf die Erschliessung auch nicht ohne schriftliche Zustimmung des Vermieters selber vornehmen (Art. 260a Abs. 1 OR). In der Regel wird sich indessen eine Lösung finden lassen, wenn der Mieter bereit ist, die Kosten ganz oder teilweise zu tragen, zumal das Gebäude durch die Erschliessung einen Wertzuwachs erfährt. Der Vermieter dürfte unter diesen Umständen auch dazu zu bewegen sein, auf die grundsätzlich geschuldete Wiederherstellung des früheren Zustandes am Ende der Mietdauer zu verzichten; auch dies ist jedoch schriftlich zu vereinbaren (Art. 260a Abs. 2 OR).
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Aus Sicht des Baurechts sind bezüglich Stromtankstellen bislang keine Änderungen zu verzeichnen. Es gibt Bestrebungen, die einschlägigen SIA-Normen um eine Erschliessung von Neubauten mit Leerrohren zu ergänzen, welche das spätere Einrichten von Stromtankstellen deutlich verbilligen.

Simon Schlauri

  1. 1 2015 um rund 70%; vgl. Statistik Schweiz, Medienmitteilung vom 4. Februar 2015, tinyurl.com/jsgkubp.
  2. 2 Der Autor ist Halter eines E-Autos und ärgert sich jedes Mal, wenn er einen Verbrenner fahren muss.
  3. 3 e'mobile/VSE/electrosuisse, Anschluss finden, Elektromobilität und Infrastruktur, tinyurl.com/gtg9q2j, 2.
  4. 4 Vgl. TCS/David Venetz, Elektrofahrzeuge in Mehrfamilienhäusern aufladen, tinyurl.com/j9xl5r4; vgl. auch BSK-Weber, N 9 zu Art. 257c OR, zur pauschalen Abrechnung von Nebenkosten.
  5. 5 Art. 2 i.V.m. Art. 4 EMmV, der einen geeichten Zähler verlangt, kommt nicht zur Anwendung, weil bereits ein geeichter Zähler für den Gemeinschaftsstrom vorliegt. Zudem darf der Strom wie erwähnt sogar pauschal verrechnet werden, womit auch ungeeichte Zähler genutzt werden können, wie sie meist schon in Ladestationen integriert sind.
  6. 6 Art. 712g Abs. 4 ZGB; vgl. P. Wirz, Das Sondernutzungsrecht im Stockwerkeigentum, inhaltliche Unterschiede zum Sonderrecht, in: recht 2015, 32 ff., 38.
  7. 7 Wirz (FN 6), 38.
  8. 8 Vgl. Wirz (FN 6), 37, 38, der an zur Sondernutzung ausgeschiedenen Bereichen ausschliesslich Ausbesserungs- und Instandstellungsarbeiten zulassen will.
  9. 9 Vgl. BGE 130 III 441, 448.
  10. 10 Vgl. BSK-Bösch, N 8 zu Art. 712h ZGB.
  11. 11 Vgl. R. Haas, Stockwerkeigentum und Nachbarrecht, in: Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2012, Tagung vom 15. Juni 2012 in Luzern, Luzern 2012, 1 ff., 17 f., m.H.