1.
Einleitung ^
2.1.
Computer und Digitalisierung ^
Die Herstellung der ersten Computer geht schon auf die Zwischenkriegszeit zurück. Neben Universitäten in den USA haben insbesondere Professoren an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (Schweiz) eine führende Rolle in der Entwicklung früher Computer, aber auch von Programmsprachen und Software gespielt (Heinz Rutishauser, Ambros Speiser, Konrad Zuse).4 Während der folgenden Jahre ist die Hardware (Computer) immer kleiner und effizienter geworden; insbesondere dank schnellerer Mikroprozessoren sowie leistungsfähigerer und gleichzeitig kostengünstigerer Mikrochips.
Der zweite bedeutende Bereich der Technologie betrifft die Digitalisierung, d.h. die platzsparende Codierung von Daten (Sprache, Musik, Text, Bild, Zahlen) mittels «Umwandlung» in Form von Bits, sowie das Zusammenwachsen der Datenverarbeitungs- und Datenübertragungstechnik.5 Quantitative und qualitative Verbesserungen bei der Informationsübertragung mittels Satelliten sowie Fortschritte in der Glasfaser- und Lasertechnik erleichtern den Informationsfluss erheblich. Weiter trägt die Technik dazu bei, dass Maschinen befähigt werden, Daten automatisch zu «prozessieren», die menschliche Intervention (Geistestätigkeit) verliert somit durch die Verlagerung auf Maschinen an Bedeutung.6
2.2.
Rechtsinformatik als neue Disziplin ^
3.1.
Anfänge des Informationsrechts ^
3.2.
Weiterentwicklungen im Informationsrecht ^
Während der ersten IRIS-Jahre ist in verschiedenster Hinsicht versucht worden, das Konzept und die Strukturierung des Informationsrechts weiter zu entwickeln. Im Vordergrund gestanden haben dabei die Bemühungen, interdisziplinäre Erkenntnisse für das Informationsrecht fruchtbar zu machen, insbesondere gestützt auf die Überlegungen zur Strukturationstheorie (Anthony Giddens) und zur Steuerungstheorie (Niklas Luhmann, Renate Mayntz) als «Ordnungshilfen» im Informationsrecht (Rolf H. Weber).20 Ausgangspunkt sein sollte dabei die Strukturierung in systemischen Abläufen, d.h. prozedural sollten informationelle Sachverhalte und Vorgänge angemessene akteurzentrierte Vorgehensweisen ermöglichen, die verfahrensmäßig die Teilnehmer der Informationsgesellschaft steuern. Das Informationsrecht muss sich deshalb im Fadenkreuz von Gestaltung, Stabilisierung und Selbstreflexion verstärkt als institutionalisierter (und wissenschaftsbezogen interdisziplinärer) Prozess der strukturellen Kopplung zwischen den betroffenen Akteuren verstehen.21
Immer deutlicher ist zudem geworden, dass vermehrt Spillover-Effekte des genuinen Informationsrechts auf andere Disziplinen festzustellen sind. Im Vordergrund steht selbstredend das Datenschutzrecht, aber auch weitere Rechtsgebiete wie das Schuld- und Immaterialgüterrecht sind von den IT-rechtlichen Entwicklungen betroffen:
- Der Schutz der Privatsphäre ist ein grundrechtliches Anliegen, ausgedrückt durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.23 Dieses Menschenrecht, das zwar durchaus auch in der Rechtsprechung seine Bedeutung behält (z.B. durch das vom EuGH im Fall Google Spanien «geschaffene» Recht auf Vergessen24) wird mehr und mehr überlagert von einem dichten Geflecht spezifischer Regulierungen (zuletzt z.B. der EU-Datenschutz-Grundverordnung), ohne dass ausreichend in Betracht gezogen wird, dass viele «traditionelle» Datenschutzprinzipien (z.B. Datenminimierung, Einwilligung des Betroffenen als Rechtfertigungsgrund) praktisch kaum mehr handhabbar sind.25 Die Anwendung neuer Konzepte, die einer vertieften Diskussion und Debatte bedürfen,26 erweist sich deshalb als unumgänglich, z.B. Privacy by Design and by Default, Datenschutz-Managementsysteme, Datensicherheits-Compliance etc.27
- Im Vertragsrecht hat sich gezeigt, dass die Mitberücksichtigung linguistischer Theorien das Verständnis für ausgetauschte und damit auch den Konsens bildende Informationen verbessert.28 Eine klare Konturierung des Informationsbegriffs ist umso mehr notwendig, als die Information in den einzelnen Rechtsbereichen (Familien-, Erb- oder Gesellschaftsrecht) von den vertragsrechtlichen Grundsätzen abweicht.
- Das Immaterialgüterrecht spielt im Kontext des Informationsrechts offensichtlich eine erhebliche Rolle, weil die Information ihrer Natur nach nicht physisch, sondern «immaterial» ist. Information lässt sich mithin nur schützen, wenn die Voraussetzungen des Urheber- oder des Patentrechts erfüllt sind. Ein Immaterialgüterrechtschutz führt aber zu einer «Exklusivitätsposition», was dem Grundsatz des offenen Zugangs und der Nichtrivalität der Information widerspricht.29 Schwierige Abgrenzungsprobleme und Interessenerwägungen sind somit nicht zu vermeiden. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf den Zugang und die Verwendbarkeit von wissenschaftlichen Informationen zu legen.30
- Eine steigende Bedeutung hat auch die Verwaltungsinformatik bzw. das E-Government erlangt: Der Einzug der IT in die öffentliche Verwaltung verändert die Situation mit Bezug auf Informationszugangsrechte und Datenschutzprobleme. Im Rahmen der IRIS sind diese neuen Phänomene von Erich Schweighofer schon sehr früh, nämlich im Jahre 2002 mit der Thematik «IT in Recht und Staat»31 sowie im Jahre 2003 mit dem Spannungsfeld von Rechtstheorie und E-Government32 zur Debatte gestellt worden. In neuerer Zeit spielen auch die Open Government Data eine immer größere Rolle; die Zugänglichkeit behördlicher Datenbestände ist Ausdruck eines von der Gesellschaft getriebenen Bedürfnisses nach staatlicher Transparenz.33 Eine kohärente und zukunftsorientierte Datenpolitik sollte dafür sorgen, dass ein Open Government Data-Portal im Rahmen der nationalen Dateninfrastruktur vorhanden ist.
4.1.
Holprige erste Gehversuche ^
4.2.
Normierung neuer Phänomene ^
Noch viel mehr als das Informationsrecht ist das Internetrecht eine Querschnittsmaterie, weil praktisch alle traditionellen Rechtsgebiete eine gewisse Berührung mit dieser neuen Rechtsdisziplin aufweisen. Neue Governance-Strukturen sind notwendig, soweit es um die Organisation und Administration des Internet, d.h. die Internet Governance im engeren Sinne, geht.41 In diesem Bereich spielen die Zivilgesellschaft und die Nichtregierungsorganisationen (NGO) eine wesentlich größere Rolle als bei den global wirkenden multilateralen Staatsverträgen Aus diesem Grunde hat es sich auch als unumgänglich erwiesen, in einem Mehrebenenmodell alle Betroffenen in die Entscheidbildung und die Entscheidfällung miteinzubeziehen (sog. Multistakeholder-Modell).42
Mit Blick auf die zivilrechtlichen Problemstellungen lassen sich die Internetbezüge aber zu einem weiten Ausmasse auf die Grundprinzipien des Informationsrechts zurückführen. Neue Kommunikationsmöglichkeiten und Datenbearbeitungsverfahren verändern zwar die Quantität und die technologische Abwicklung von informationellen Vorgängen, nicht aber die Essenz der rechtlichen Behandlung (oder Qualität) der Information.45 Aus diesem Grunde besteht keine unumkehrbare Bewegung vom Informationsrecht zum Internetrecht, sondern die zwei einander nahestehenden Disziplinen sind gegenseitig eng verknüpft.46
5.
Ausblick ^
Diese Entwicklungen reflektieren die Loslösung der Diskussionen von der Rechtsinformatik und die Hinwendung zu komplexen gesellschaftlich relevanten Erscheinungen, die auf den modernen Informationstechnologien beruhen. Beispielhaft sei auf die neuen Geschäftsmodelle (Sharing Economy, FinTech) hingewiesen, die z.B. auf Blockchain bzw. der Distributed Ledger Technology beruhen und nun die Regulatoren auch mit Blick auf das traditionelle Vertragsrecht (etwa hinsichtlich von «smart contracts» oder digitalen Inhalten) auf den Plan rufen.47
Die Aufsplitterung der verschiedenen informationsrechtlichen Disziplinen, die sich auch in den Teilthemen der IRIS-Tagungsbände reflektieren, ändert aber nichts an der Notwendigkeit, funktionale Grundprinzipien für die (globale) Rechtsordnung zu entwickeln. Sachgerechte Elemente einer rechtlichen Rahmenordnung für die Informationsgesellschaft, die etwa die Prinzipien der regulatorischen Qualität und der Accountability in den Vordergrund rücken,48 müssen die angemessene Strukturierung des Zusammenlebens gewährleisten, denn die Form folgt – wie in der Architektur schon längst bekannt ist – der zu realisierenden Funktion. Selbst wenn schon verschiedene Teile des Fundaments für eine solche (globale) Rechtsordnung gelegt sind, bleiben noch ausreichend neue Herausforderungen, die sich in künftigen IRIS-Konferenzen diskutieren und bewältigen lassen.
6.
Literatur ^
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- 1 Weber, Überblick, Rz. 21.
- 2 Weber, Überblick, Rz. 23; vgl. auch Druey, S. 20 ff. und S. 148 ff.
- 3 Druey, S. 33 ff.
- 4 Egger, S. 9 ff. und S. 191 ff.
- 5 Vgl. schon Saxby, S. 1 ff.
- 6 Relevante Stichworte sind z.B. selbstfahrende Autos und Roboter.
- 7 «Computer und Recht» (Otto Schmidt Verlag) erscheint seit 1982, ist also im deutschsprachigen Bereich eine der ältesten Zeitschriften zum IT-Recht.
- 8 Für das Recht stellt sich z.B. die Herausforderung, dass «Handlungen» einer Maschine (nicht eines Menschen) die Kausalität begründen müssten.
- 9 Vgl. die grundlegenden Schriften von Fiedler/Bartel/Voogd (1984) und Steinmüller (1993).
- 10 Fiedler war IRIS während vieler Jahre eng verbunden; der Tagungsband IRIS 2016 ist ihm gewidmet und dessen Einleitung enthält eine Würdigung seiner Verdienste von Schweighofer Erich/ Traunmüller Roland/Wimmer Maria/Lachmayer Friedrich/Gordon Thomas F. (S. 37 ff.).
- 11 Vgl. Forstmoser, S. 3 ff.
- 12 Statt vieler vgl. Zech, 137 ff.
- 13 Weber, Überblick, Rz. 50 ff.
- 14 Druey, S. 29 ff.
- 15 Gasser, S. 7 ff., p. 12.
- 16 Gasser, pp. 14-16.
- 17 Weber, Überblick, Rz. 50 ff.
- 18 Weber, Überblick, Rz. 51 ff.
- 19 Weber, Überblick, Rz. 52 ff.
- 20 Weber, Steuerungstheorie, S. 516 ff.
- 21 Weber, Steuerungstheorie, S. 530 ff.
- 22 Weber, Internet Governance, S. 1 ff.
- 23 Grundlegend schon BVerG 6,1 (v.a. erster Leitsatz) und S. 43 ff.
- 24 EuGH, Rs C-131/12, 13. Mai 2014.
- 25 Weber, Big Data, S. 7 ff.
- 26 Kennzeichnend ist denn auch, dass der Teil zum Datenschutz in den IRIS-Tagungsbänden der letzten Jahre umfangmäßig stetig zugenommen hat.
- 27 Weber, Datenschutz-Managementsysteme, S. 37 ff.
- 28 Huguenin, S. 109 ff.
- 29 Hilty, S. 83 ff.
- 30 Egloff, S. 349 ff.
- 31 Vgl. Schweighofer/Menzel/Kreuzbauer, S. 19 ff.
- 32 Schweighofer/Menzel/Kreuzbauer/Liebwald, S. 79 ff.
- 33 Weber/Laux/Oertly, S. 31 ff. und S. 77 ff.
- 34 Thürer, S. 647 ff.
- 35 Vgl. https://projects.eff.org/~barlow/Declaration-Final.html.
- 36 Weber, Framework, S. 16 f.
- 37 Easterbrook, S. 207 ff.
- 38 Lessig, S. 501 ff.
- 39 Vgl. Weber, Framework, S. 7 ff.
- 40 Weber, Internet Governance, S. 60 ff.
- 41 DeNardis, S. 6.
- 42 Weber, Multistakeholder, S. 247 ff.
- 43 Thürer, S. 650.
- 44 Rifkin, S. 512 ff., S. 543.
- 45 Vgl. auch Weber, Framework, S. 158 f.
- 46 Vgl. auch Burkert, S. 693 ff. und S. 708 ff., der nicht nur die Querbezüge aufzeigt, sondern auch das Internetrecht dem Informationsrecht vorausstellt.
- 47 Für einen Überblick vgl. den Sammelband von De Franceschi.
- 48 Im Einzelnen dazu Weber, Elements, 208 ff.