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Die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts am Beispiel des Öffentlichkeitsprinzips von Gemeinderatssitzungen gemäss Art. 117 Abs. 4 B-VG

  • Author: Gerald Russbacher
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Data Protection
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2018
  • Citation: Gerald Russbacher, Die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts am Beispiel des Öffentlichkeitsprinzips von Gemeinderatssitzungen gemäss Art. 117 Abs. 4 B-VG, in: Jusletter IT 22 February 2018
§ 14 Abs. 2 des Salzburger Stadtrechtes – stellvertretend hier auch für die Tiroler und Kärntner Gemeindeordnungen bzw. Stadtrechte – bestimmt, dass aus besonderen Gründen die Einberufung des Gemeinderates auch zu nichtöffentlichen Sitzungen erfolgen oder vom Gemeinderat die Verhandlung einzelner Gegenstände in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden kann. Es besteht Unklarheit über das Tatbestandsmerkmal «aus besonderen Gründen». Bedeutet dies, dass die Öffentlichkeit aufgrund des Datenschutzes von einer Sitzung des Gemeinderates oder seiner Ausschüsse auszuschließen ist, wenn über Bescheide, beraten oder beschlossen wird? Die Lösung dieses Problems erfolgt mittels der Lex-Specialis bzw. Lex-Posteriori-Methodik bzw. mittels einer Harmonisierung zwischen Öffentlichkeitsprinzip und Datenschutz.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Das Verhältnis zwischen dem Öffentlichkeitsprinzip in Art. 117 Abs. 4 B-VG und dem § 1 DSG
  • 2. Die ungenügende Determiniertheit des § 14 Abs. 2 Stadtrecht
  • 3. Zusammenfassung

1.

Das Verhältnis zwischen dem Öffentlichkeitsprinzip in Art. 117 Abs. 4 B-VG und dem § 1 DSG ^

[1]
Art. 117 Abs. 4 B-VG lautet: Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich, es können jedoch Ausnahmen vorgesehen werden. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden.
[2]
Im Stufenbau der Rechtsordnung treffen sich das Öffentlichkeitsprinzip und das Grundrecht auf Datenschutz auf derselben verfassungsrechtlichen Ebene. In Teilen der Literatur1 wird daher die Meinung vertreten, dass das Grundrecht auf Datenschutz verdrängt werde, weil es als Querschnittsmaterie vom Öffentlichkeitsprinzip als lex specialis verdrängt werde. Dem ist entgegenzuhalten, dass zum einen diese Auffassung2 zu Art. 52 B-VG vertreten wurde, welcher das parlamentarische Interpellationsrecht behandelt und keine Datenübermittlungen an die Öffentlichkeit vorsieht und zum anderen ist daher im Fall von Art. 117 Abs. 4 B-VG die Anwendung der Lex-specialis-Figur nicht übertragbar. Die Spezialitätsfrage ist rein anhand des Tatbestandes der Norm aufzulösen und nicht danach wieviel Materien sie potentiell umfasst3 oder welche Zuständigkeiten sie betrifft. Der Tatbestand des Öffentlichkeitsprinzips umfasst alle Datenarten, der Tatbestand des Grundrechts auf Datenschutz hingegen umfasst nur personenbezogene Daten – er ist damit der engere und auch der Speziellere. Auch knüpft das Grundrecht auf Datenschutz die öffentliche Behandlung an einschränkendere Bedingungen als das Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverfassung, was im Ergebnis auch dafürspricht, dass es sich beim Grundrecht auf Datenschutz um die speziellere Norm handelt. Zudem ist das Grundrecht auf Datenschutz zeitlich nach dem Öffentlichkeitsprinzip in Kraft getreten. Dies stützt die Argumentation der lex specialis, weil eine lex specialis oft mit der Lex-posterior-Regel einhergeht. Der Gesetzgeber gibt mit der späteren Einführung der Spezialnorm implizit die partielle Außer-Anwendung-Setzung der Generalnorm mit.4 Das Öffentlichkeitsprinzip geht daher allenfalls gegenüber dem Art. 20 Abs. 3 B-VG als lex specialis vor, weil das Amtsgeheimnis einen (noch) generelleren Tatbestand aufweist.
[3]
Aber nicht nur auf Ebene der systematischen Interpretation wird der Datenschutz vom Öffentlichkeitsprinzip nicht verdrängt. Wie oben erwähnt treffen sich im Stufenbau der Rechtsordnung das Öffentlichkeitsprinzip und das Grundrecht auf Datenschutz auf derselben Ebene. Sie stehen damit in einem grundsätzlichen Konkurrenzverhältnis. In der aktuellen Literatur wird bei Grundrechtskollisionen die Meinung vertreten, dass allgemeine Konfliktlösungsformeln wie die Lex-posterior-Regel oder die Lex-specialis-Regel auf Grundrechtskollisionen keine Anwendung finden.5 Dies würde bedeuten, dass sich beide im Verhältnis der Idealkonkurrenz gegenüberstehen und eine harmonisierende Lösung anzustreben ist. Dies macht auch Sinn, wenn man bedenkt, dass die oben oft vertretene Entscheidung für die lex specialis zugunsten des Öffentlichkeitsprinzips im Ergebnis den Wesenskern des Grundrechtes auf Datenschutz im Anwendungsbereich des AVG/BAO-Verfahrens auslöschen würde. In diesem Zusammenhang wird dann zur Lösung dieses Problems in der Literatur6 auf eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effizienten parlamentarischen Kontrolle der Verwaltung und den berechtigten Interessen des Betroffenen an der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten verwiesen. Im Ergebnis läuft dies dann auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus.7 In der Literatur mangelt es jedoch an einer ausreichenden Begründung, warum eine solche Interessenabwägung zulässig ist. Eine Lösung wäre das Verfahren für Grundrechtskollisionen heranzuziehen. Dies ist jedoch nicht unstrittig, da es sich bei gegenständlicher Sache um einen Grundrechtseingriff handelt, bei dem öffentliche Interessen mit den Interessen des einzelnen abzuwägen sind8. Eine mögliche Begründung findet sich jedoch in der Pflicht zur bauprinzipienkonformen Interpretation der Verfassung.9 Die Grundrechte sind in ihrer Gesamtheit Teil der Bauprinzipien der Bundesverfassung. Nach Ansicht des VfGH führt eine Durchbrechung der Grundrechtsordnung auch dann zu einer Baugesetzwidrigkeit und im Ergebnis zu einer schleichenden Gesamtänderung der Bundesverfassung, wenn bloß partiell wirkende Maßnahmen gehäuft vorkommen.10 Da aber nicht mit absoluter Sicherheit und ohne konkrete Entscheidung des VfGH festgestellt werden kann, ob das Kriterium der schleichenden Gesamtänderung schon erfüllt ist, ist die zweifelhafte Norm des Öffentlichkeitsprinzips als grundsätzlich verfassungskonform zu qualifizieren und gleichzeitig bauprinzipienkonform zu interpretieren11. Auch steht der materielle Gesetzesvorbehalt des Grundrechtes auf Datenschutzes dem formellen Gesetzesvorbehalt des Öffentlichkeitsprinzips gegenüber. Letzterer sieht die Möglichkeit der Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips vor und stellt diese in die Disposition des Gemeinderechtsgesetzgebers – ohne dass er aber die Ausnahme näher definiert. Rechtslogisch12 schließt eine verfassungsrechtliche Erlaubnis («Können») etwas zu tun, das Gebot («Muss») etwas zu tun mit ein, d.h. vom «Können» muss der Normsetzer Gebrauch machen, wenn es verfassungsrechtlich notwendig ist.
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Dazu ist es notwendig eine Interessenabwägung (Verhältnismäßigkeit) zwischen den Interessen der Öffentlichkeit an einer öffentlichen Behandlung und dem Interesse des einzelnen an der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten13 vorzunehmen und in einer grundrechtskonformen Auslegung das Öffentlichkeitsprinzip in seinem Anwendungsbereich (teleologisch) zu reduzieren. Dies hat zwar auch der Verfassungsgesetzgeber ansatzweise schon selbst – wie vorher beschrieben – berücksichtigt, indem er für den Gemeinderechtsgesetzgeber die Möglichkeit zur Einschränkung der Öffentlichkeit in Art. 117 Abs. 4 B-VG vorgesehen hat, relevant wird es aber, wenn – wie im Fall des § 14 Abs. 2 Salzburger Stadtrechts14 – die Beschränkung des Öffentlichkeitsprinzips ungenügend determiniert ist.

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Die maßgebenden Bestimmungen für die Interessenabwägung sind § 1 Abs. 2 DSG und Art. 8 Abs. 2 EMRK. Sieht man das Öffentlichkeitsprinzip als ein vom demokratischen Grundprinzip getragenes Prinzip zur Transparenzmachung der öffentlichen Verwaltung und als zur Aufrechterhaltung der demokratischen Freiheit i.S.v. Art. 8 Abs. 2 EMRK notwendig an15, dann mag die Behandlung der Angelegenheit in öffentlicher Sitzung unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein. Da der gesetzliche Eingriff an Art. 8 Abs. 2 EMRK zu messen ist, kann für die Voraussetzungen, ähnlich wie bei echten Grundrechtskollisionen, auf die Kriterien des EGMR zurückgegriffen werden.16
[6]

Handelt es sich in der vom Gemeinderat zu beschließenden personenbezogenen Sache

  • um eine Angelegenheit, wo kein sehr enger Bezug zum Privatleben vorliegt17 oder kein hohes Risiko der Weiterverarbeitung der personenbezogenen Daten besteht18 und
  • es sich nicht um Daten von Minderjährigen19 oder sensible Daten handelt und
  • um eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse oder ist die Angelegenheit schon öffentlich bekannt oder kann aufgrund des vorgehenden Verhaltens der Betroffenen von einer öffentlichen Bekanntheit gesprochen werden und
  • sind keine nachteiligen Konsequenzen von einer öffentlichen Behandlung zu erwarten,

so wird man im Sinne eines beweglichen Systems nach Wilburg20 eine öffentliche Sitzung als gerechtfertigt erblicken können21.

[7]

Ansonsten ist jedoch zu bezweifeln, dass das Öffentlichkeitsprinzip für individualrechtliche Hoheitsakte einen Eingriff aufgrund des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer in einer demokratischen Gesellschaft rechtfertigen kann.22 Aus der Judikatur zur EMRK ergibt sich diesbezüglich nichts Konkretes. In der Sache Wypych erkannte der EGMR zwar, dass die allgemeine Öffentlichkeit ein legitimes Interesse habe, sicherzustellen, dass die regionale Politik transparent sei, dies bezog sich jedoch auf die Veröffentlichung von Informationen über die finanzielle Situation von Amtsträgern.23 In der Sache Schecke und Eifert erkannte der EGMR dass die Förderung von Transparenz durch Veröffentlichungen im Internet dem Ziel der Bekämpfung von Korruption und der bestmöglichen Verwendung öffentlicher Mittel dienen kann.24 Gleichzeitig vertritt der EGMR in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass genau zu prüfen ist, ob die Information der Öffentlichkeit nicht auch anders – also mit einem gelinderen Mittel, vor allem mittels Anonymisierung – erfolgen kann.25 Der EuGH entschied in einem ähnlich gelagerten Fall von Haushaltstransparenz, dass aufgrund des Grundrechtes auf Achtung des Privatlebens eine personenbezogene Veröffentlichung von Beihilfen eine unverhältnismäßige Maßnahme sei.26 In einer demokratischen Gesellschaft muss daher der Anspruch auf Informationen vom Normsetzer immer gegen den Datenschutz unter Beachtung des gelindesten Mittels, des Betroffenen und der Datenarten abgewogen werden.

[8]

Auch aus der Judikatur des VfGH ergibt sich diesbezüglich nichts Konkretes, da Art. 117 Abs. 4 B-VG niemals im konkreten Zusammenhang mit dem Beschluss zu personenbezogenen Daten geprüft wurde.27 Es kann aber angenommen werden, dass Transparenzbedürfnisse keinen Vorrang gegenüber dem Schutz personenbann höchsezogener Daten haben.28 Vor allem aber ist das gelindeste Mittel zu berücksichtigen. Und ein gelinderes Mittel wäre beispielsweise die personenbezogenen Daten in einer öffentlichen Sitzung anonym zu beraten.

[9]

In Vorschau auf die Anwendung der Datenschutzgrundverordnung im Mai 2018 sind die bisherigen Ausführungen dahingehend zu ergänzen, dass ab Mai 2018 §§ 5 und 6 Abs. 1 lit. c bzw. e i.V.m. Abs. 3 der Datenschutzgrundverordnung29 der Billigkeitsgrundsatz «Treu und Glauben» jedenfalls zu beachten ist. Im Gegensatz zum aktuellen DSG genießt die DS-GVO gegenüber widersprechendem innerstaatlichen Recht Anwendungsvorrang und verdrängt es damit in seinem Anwendungsbereich. Der Billigkeitsgrundsatz ist Teil der mit Anwendungsvorrang ausgestatteten DS-GVO und enthält ein Überraschungsverbot. Demnach ist eine öffentliche Behandlung verboten, wenn sie außerhalb der allgemeinen Lebenswirklichkeit liegt.30 Bescheide werden im Verwaltungsverfahren nach AVG/BAO abgehandelt. In beiden Verfahrensgesetzen besteht keine Volksöffentlichkeit, sondern allenfalls eine Beteiligtenöffentlichkeit. Der Großteil der Bescheide in der Stadt Salzburg ergeht von der Monokratischen Behörde Bürgermeister. Ein bescheidener Anteil zur Bescheiderlassung obliegt den gemeinderätlichen Kollegialorganen, auf welche die Öffentlichkeitsbestimmungen des Art. 117 Abs. 4 B-VG und § 14 Abs. 2 Stadtrecht zur Anwendung kommen. Das Ermittlungsverfahren und die Bescheidvorbereitung dazu werden vom Hilfsapparat Magistrat gemäß den Verfahrensbestimmungen des AVG/BAO vorbereitet und bis zur Behandlung in den gemeinderätlichen Gremien vertraulich behandelt. Ab dem Zeitpunkt der Beratung im gemeinderätlichen Organ besteht dann plötzlich Volksöffentlichkeit. Dies widerspricht sowohl dem Grundsatz nach Treu und Glauben, als auch Art. 8 EMRK31, weil bei der Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und dem Schutz persönlicher Daten insbesondere auf die Vertraulichkeit des Umgangs der Daten abzustellen ist.32 Diese Vertraulichkeit bzw. der im Datenschutz verankerte Grundsatz von Treu und Glauben wäre mit einer unterschiedlichen Behandlung – vor dem Bürgermeister bzw. im vorbereitenden Verfahren geheim und vor dem Gemeinderat öffentlich – überraschend nicht mehr vorhanden.33

[10]
Außerdem besteht gemäß § 18 Abs. 2 Salzburger Stadtrecht ein ausnahmsloses Einsichtsrecht für jeden Wahlberechtigten zum Gemeinderat in die Verhandlungsschrift des Gemeinderates, die in öffentlicher Sitzung behandelt wurden. Es stellt sich dabei die Frage, inwieweit dies dem Art. 86 DS-GVO entspricht. Art. 86 DS-GVO verpflichtet den Gesetzgeber zu einem Interessenausgleich zwischen Datenschutz und öffentlicher Zugänglichmachung, wenn er amtliche Dokumente offengelegt haben will. Die den Zugang vermittelnden Rechtsgrundlagen müssen dabei das Mindestniveau der DS-GVO wahren.34 D.h. der Gesetzgeber müsste vorsehen, dass die Dokumente nur teilweise oder anonymisiert zugänglich gemacht werden dürfen.35 Damit sprechen überwiegende Gründe dafür, dass die Öffentlichmachung personenbezogener Daten in Dokumenten, die aus Sitzungen gemeinderätlicher Kollegialorganen stammen, im Konflikt mit dem Unionsrecht steht.

2.

Die ungenügende Determiniertheit des § 14 Abs. 2 Stadtrecht ^

[11]

Das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG 2000) erlaubt die Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK notwendig sind. Derartige Gesetze müssen angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht nur mit dem gelindesten Mittel geschehen.

[12]

Es ist anzunehmen, dass das normative Tatbestandsmerkmal «aus besonderen Gründen» in § 14 Abs. 2 Stadtrecht diese Ansprüche nicht zu leisten vermag36. Beschränkungen des Grundrechtes auf Datenschutz sind laut dem VfGH nach dem Gesetzesvorbehalt des § 1 Abs. 2 DSG bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind und die ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar, regeln, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung bzw. die Verwendung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben erlaubt ist. Ein den Behörden eingeräumtes Ermessen, unbestimmte Gesetzesbegriffe und selbst die Abwägung der Verhältnismäßigkeit durch die Behörde erscheint dem VfGH nicht ausgeschlossen.37 Gerade für die unbestimmte Bestimmung des Stadtrechtes dürfte eine Anwendung dieser Judikatur jedoch verfehlt sein, insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass in der jüngsten Rechtsprechung des VfGH mittlerweile erkannt wird, dass die Fälle zulässiger Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz vom Gesetzgeber selbst (mehr) konkretisiert und begrenzt werden müssen.38 Auch das Bundeskanzleramt verweist darauf, dass das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage alleine nicht ausreicht, einen solchen Eingriff zu legitimieren.39 Laut Salzburger Stadtrecht «kann» der Ausschluss der Öffentlichkeit «aus besonderen Gründen» beschlossen werden. Die gemeinderätlichen Organe werden zumindest im hoheitlichen Bereich als Behörde tätig. Aufgrund des Gesetzesvorbehaltes des § 1 Abs. 2 DSG, der im Gegensatz zu Art. 18 Abs. 1 B-VG eine verschärfte Form der Determinierung vorsieht, muss im Materiengesetz selbst die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse der Transparenz und den Geheimhaltungsinteresse der Verfahrensparteien zum konkreten Verwendungszweck vorgenommen werden.40 Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Datenverwendung darf nicht an die hoheitlich handelnde Behörde delegiert werden. Außerdem ist im Falle der obigen Bestimmung für den einzelnen Betroffenen (Verfahrenspartei) nicht erkennbar, in welchem konkreten Fall und unter welcher Bedingung seine personenbezogenen Daten für welchen behördlichen Zweck verwendet werden.41 Die generalklauselhafte Ermächtigung für den Ausschluss der Öffentlichkeit, die aus einem unbestimmten Gesetzesbegriff und einem nicht näher bestimmten Ermessen42 besteht, entspricht nicht den Anforderungen an verfassungskonforme Grundrechtseingriffe staatlicher Behörden und bedürfte daher der zwingenden gesetzlichen Ausgestaltung43.

[13]
Der Landesgesetzgeber müsste also selbst, wenn er bei einer generalklauselartigen44 Ermächtigung für die gemeinderätlichen Kollegialorgane bleiben will, im Gesetz dafür Sorge tragen, dass jedenfalls Namensnennungen von Parteien oder sonstigen Personen der Bescheidbegründung unterbleiben müssen.45 Dies gilt dann umso mehr, wenn es sich um sensible Daten handelt, weil dort eine gesteigerte Determinierung gefordert ist.46
[14]

Aus der gegenständlichen Bestimmung des Salzburger Stadtrechts lässt sich mit viel Rechercheeifer und Rechtskenntnis in Zusammenschau mit dem AVG/BAO und den jeweiligen Materiengesetzen implizit der Anlass und Zweck der Verwendung, allfällige Übermittlungsempfänger (Besucher des Gemeinderates und die Öffentlichkeit), der Auftraggeber (gemeinderätliche Kollegialorgane) großteils erkennen. Nicht aber lassen sich alle Kategorien der zu verwendenden Datenarten erkennen, weil es weitestgehend im gesetzlich nicht definierten Belieben des Kollegialorganes steht, was inhaltlich besprochen, beschlossen und damit im Ergebnis offengelegt wird und auch sind technisch-organisatorische Besonderheiten der Verwendung (wie z.B. Verarbeitung der Daten in einem gemeinderätlichen Verwaltungssystem, Möglichkeit von Online-Zugriffen usw.) nicht erkennbar.47 Die Aufgaben der gemeinderätlichen Organe sind im Zusammenhang mit der öffentlichen Sitzung selbst in einer Zusammenschau mit den anzuwendenden Gesetzen nicht klar umschrieben und klare Rückschlüsse auf damit verbundene Datenverwendungen sind so gut wie unmöglich. Zudem ist für den einzelnen eine solche Zusammenschau nur möglich, wenn er für die Sinnermittlung des Zweckes und der Datenarten subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie einen geradezu archivarischen Fleiß aufbringt und zu dessen Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksport mitbringt, was aber dann einer vom VfGH48 geforderten klaren und erschöpfenden Kenntnisnahme eines Gesetzes widerspricht. Die Zusammenschau der in den anzuwendenden Gesetzen enthaltenen Regelungen stellt damit keine mehr für jedermann ermittelbare, hinreichend präzise Regelung dar, weil die Grenzen der Datenerhebung und -verwendung nicht vorausgesehen werden können49.

[15]
Hinzu kommt, dass es sich mit § 14 Abs. 2 Stadtrecht um ein eingriffsnahes Gesetz handelt.50 Der VfGH hat in diesem Zusammenhang eine Judikatur entwickelt, die bei «eingriffsnahen Gesetzen» von der Notwendigkeit einer gesteigerten Determinierung ausgeht, wobei der Gesetzgeber selbst den Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Werten und entgegenstehenden öffentlichen Interessen zu treffen hat.51 Dies ist auch aufgrund des Gleichheitssatzes und der Treu- und Glaubensverpflichtung in der DS-GVO geboten, weil der Rechtsunterworfene im AVG-Verfahren vor dem Bürgermeister die Beteiligtenöffentlichkeit gewohnt ist, wodurch er dann auch im AVG-Verfahren in den gemeinderätlichen Kollegialorganen von der grundsätzlichen Geheimhaltung ausgehen darf. Würde man hier unterschiedliche «Verfahrensgeheimnisse» vorsehen, so könnte wohl nicht mehr von einer Adäquanz gesprochen werden.
[16]

Auch ist die Veröffentlichung von Bescheiden von Kollegialorganen nicht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen und zum anderen liegen die Rechtfertigungsgründe der öffentlichen Sicherheit, des wirtschaftlichen Wohls, der Aufrechterhaltung der Ordnung, der Verhütung von Straftaten, des Schutzes der Gesundheit oder Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer nicht vor. Zudem ist in der Beratung zu solchen Bescheiden auch oftmals nicht auszuschließen, dass sensible Daten behandelt werden, welche dann – selbst bei Bejahung eines öffentlichen Interesses, wie z.B. der Transparenz, – nicht den Vorrang gegenüber dem Schutzbedürfnis der betroffenen Person haben dürften52. Der Bescheiderlassung kommt auch keine potentiell alle Gemeindebürger betreffende Bedeutung zu53, sondern ist auf die allfälligen Beteiligten beschränkt. Die im AVG vorgesehene Vertraulichkeit bzw. der im Datenschutz verankerte Grundsatz von Treu und Glauben wäre mit einer unterschiedlichen Behandlung – vor dem Bürgermeister geheim und vor dem Gemeinderat öffentlich – im Verwaltungsverfahren nicht mehr vorhanden. Hinzu kommt, dass aufgrund § 18 Abs. 2 Salzburger Stadtrecht in der öffentlichen Sitzung behandelte Verhandlungsschriften im Internet veröffentlich werden können und von jedermann darin Einsicht genommen werden kann.

[17]

Eine Norm wie § 14 Abs. 2 Stadtrecht, welche weder Zweck, noch Datenarten erkennen lässt, ist auch der Gefahr ausgesetzt, den Anforderungen der Art. 6 (insbesondere Abs. 1 lit. c und lit. e i.V.m. Abs. 3) und 9 DS-GVO nicht zu entsprechen.

[18]

Art. 6 Abs. 1 DS-GVO erlaubt eine personenbezogene Verarbeitung, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt (lit. c) oder die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde (lit e). In Verbindung mit Abs. 3 leg cit muss bei lit. c der Zweck direkt in der Rechtsgrundlage genannt sein, während es bei lit. e ausreichend ist den Zweck aus dem Gesetz ableiten zu können, was aber voraussetzt, dass im Gesetz die Zweckfestlegung zumindest hinreichend bestimmt vorkonturiert ist.54 Der Zweck selbst ist in § 14 Stadtrecht für die Öffentlichkeit der Sitzungen nicht ersichtlich. So hat die Salzburger Landeslegistik55 nach umfangreichen Recherchen in einschlägigen Kommentaren festgestellt, dass es Telos des Öffentlichkeitsgrundsatzes ist, Abstimmungs- und Entscheidungsvorgänge im Gemeinderat transparent zu machen.

[19]
Damit ist augenscheinlich, dass der Zweck nicht direkt aus der Rechtsgrundlage des § 14 Stadtrechts i.S.v. lit. c ableitbar ist. Es stellt sich aber auch die Frage, ob er im Gesetz soweit vorkonturiert ist, dass er i.S.v. lit. f ableitbar ist. Wenn schon die Landeslegistik dafür Kommentarliteratur benötigt56, dann ist fraglich, ob eine Ableitbarkeit besteht. Für den Betroffenen bleibt dieser Zweck schwer erkennbar – und aus dem Zweck der DS-GVO sollte eigentlich die Erkennbarkeit für den Betroffenen maßgebend sein (Transparenzgebot).
[20]

Die Ermächtigung der Behörde in § 14 Abs. 2 Stadtrecht «aus besonderen Gründen» eine öffentliche Sitzung nicht abzuhalten, ist nicht derart ausreichend klar und präzise, dass die öffentliche Behandlung für den Rechtsanwender vorhersehbar wäre.57 Auch wäre in der Rechtsgrundlage eine Verpflichtung vorzusehen, dass der Rechtsanwender bei Ermessensentscheidungen eine ausdrücklich auf die Erforderlichkeit der Verarbeitung bezogene Prüfung durchführt.58 Es ist auch nicht garantiert, dass das im öffentlichen Interesse liegende Ziel der «Transparenz von Entscheidungen» verhältnismäßig ist. Die «Transparenz» ist nämlich bei der Erlassung individueller Normen zum einen durch die Mitwirkung von gewählten Volksvertretern, dem strikt einzuhaltenden Verwaltungsverfahren bzw. der Pflicht zur Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und zum anderen durch eine allfällige anonyme Behandlung als gelinderes Mittel genauso gut gewahrt. Die Ermächtigung zur Nichtabhaltung der öffentlichen Sitzung sollte daher im Kontext zu personenbezogenen Belangen durch eine einschlägige zwingende Verpflichtung zur Nichtabhaltung ersetzt werden.

3.

Zusammenfassung ^

[21]

1. Das Grundrecht auf Datenschutz des § 1 DSG wird vom Öffentlichkeitsprinzip des Art. 117 Abs. 4 B-VG und damit auch § 14 Abs. 2 Salzburger Stadtrecht (und vergleichbaren landesgesetzlichen Bestimmungen in anderen Stadtrechten und Gemeindeordnungen) nicht verdrängt. Es geht dem Öffentlichkeitsprinzip sogar vor. Dies liegt darin begründet, dass das Datenschutzrecht eine (partielle) lex specialis bei gleichzeitigem Bestehen der lex posteriori zum Öffentlichkeitsprinzip darstellt. Außerdem ist in verfassungskonformer Interpretation das Öffentlichkeitsprinzip teleologisch zu reduzieren. Da jedoch eine Idealkonkurrenz nicht ganz ausgeschlossen werden kann, ist eine harmonisierende Auslegung zwischen den beiden sich grundsätzlich auf gleicher verfassungsrechtlicher Stufe begegnenden Prinzipien in Betracht zu ziehen, wobei laut VfGH auf Vollzugsebene die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht ausgeschlossen sein dürfte. Dazu ist es sinnvoll die Kriterien des EGMR heranzuziehen.

[22]
2. Der derzeitige § 14 Abs. 2 Stadtrecht steht in Verdacht sowohl verfassungs- als auch europarechtswidrig zu sein. Die Determinierung des Zwecks, der Datenarten und der Empfänger mag zwar vielleicht den Anforderungen des Art. 18 Abs. 2 B-VG entsprechen, sie entspricht aber weder den erweiterten Determinierungsanforderungen des § 1 Abs. 2 DSG 2018 noch Art. 8 Abs. 2 EMRK oder Art. 6 DS-GVO.
  1. 1 Jahnel, Datenschutzrechtliche Fragen bei der Veröffentlichung von Gemeinderatsprotokollen im Internet und Live–Streaming von Gemeinderatssitzungen, in: Jahnel (Hrsg.), Datenschutzrecht. Jahrbuch 2014 (2014), 291.
  2. 2 Lienbacher, Datenschutzrecht und Staatsorganisation, 18. ÖJT Band I/2 (2012), 30.
  3. 3 Vgl. Kramer, Juristische Methodenlehre (2005), 96 ff.
  4. 4 Reimer, Juristische Methodenlehre (2017), Rz 209.
  5. 5 Heißl, Grundrechtskollisionen (2016), 503.
  6. 6 G. K. Jantschgi in Jantschgi (Hrsg.), Steiermärkische GdeO (2011), § 59; Moritz, Datenschutz und parlamentarische Interpellation, ÖJZ 1994, 763 ff.; Schreiben der Landeslegistik vom 5. Dezember 2017, Zl 20031–GEM/200/152–2017 unter Verweis auf Kahl, in Korinek/Holoubek (Hrsg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (2017), Art. 52 Abs. 1, 2–4 B-VG Rz 40.
  7. 7 Moritz (Fn. 6), 763; G. K. Jantschgi in Jantschgi (Fn. 6), § 59, Rz 6.
  8. 8 Vgl. Heißl (Fn. 5), 39.
  9. 9 Vgl. Gamper, Regeln der Verfassungsinterpretation (2012), 234 f.
  10. 10 Berka, Die Grundrechte (1999), 43 m.w.N.
  11. 11 Vgl. zu dieser Methode: Gamper (Fn. 9), 234 ff.
  12. 12 Adomeit, Rechtstheorie (1998), 37 zur Normenlogik.
  13. 13 Dies vorausgesetzt, dass das § 14 Abs. 2 Salzburger Stadtrecht, welcher bestimmt, dass «aus besonderen Gründen die Einberufung des Gemeinderates auch zu nichtöffentlichen Sitzungen erfolgen oder vom Gemeinderat die Verhandlung einzelner Gegenstände in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden kann» i.S.v. Art. 18 B-VG und § 1 DSG – was im nächsten Punkt noch behandelt wird – ausreichend gesetzlich determiniert ist.
  14. 14 Stellvertretend für vergleichbare Stadt- und Gemeindeordnungen in Tirol (§ 36 TGO, § 25 Innsbrucker StadtR), Kärnten (§ 36 K-AGO bzw. K-KStR sehen den Ausschluss nur für öffentliche Interessen vor) und Vorarlberg (§ 46 Gemeindegesetz); § 36 der Tiroler Gemeindeordnung ist beispielsweise ähnlich unbestimmt formuliert wie die vergleichbare Bestimmung im Salzburger Stadtrecht. In der dazu ergangenen Kommentierung (vgl. Tiroler Gemeindeverband [Hrsg.], Kommentar zur Tiroler Gemeindeordnung [2001], S. 54) wird jedoch festgestellt, wenn ein Verhandlungsgegenstand einer Verschwiegenheitspflicht unterliegt, so bestünde die Verpflichtung zum Ausschluss der Öffentlichkeit und in der Folge zur Wahrung der Verschwiegenheit über die im Verlauf der Sitzung erhaltenen Informationen.
  15. 15 Vgl. Landeslegistik (Fn. 6), Rz 112 unter Verweis auf Stolzlechner in Kneihs/Lienbacher (Hrsg.), Kommentar zum Bundesverfassungsrecht (2017), Art. 117, Rz 22 und Duschanek in Korinek/Holoubek (Fn. 6), § 1 DSG Rz 64.
  16. 16 S. dazu Heißl (Fn. 5), 164.
  17. 17 Paefgen, Der von Art. 8 EMRK gewährleistete Schutz vor staatlichen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte im Internet (2016), 143 und 145.
  18. 18 EGMR, 2. September 2010, 35623/05 Rz. 6
  19. 19 EGMR, 4. Dezember 2008, 30562/04 und 30566/04.
  20. 20 Die Kriterien können über- oder unterfüllt sein, wobei aber die Übererfüllung eines Kriteriums bei gleichzeitiger Untererfüllung eines anderen Kriteriums in der Gesamtwürdigung den entscheidenden Ausschlag für die Bewertung einer öffentlichen oder nichtöffentlichen Sitzung geben kann.
  21. 21 In diesem Sinne auch VwGH 2008/17/0136; im Ergebnis jedoch verfehlt.
  22. 22 Die Literatur dazu (vgl. Stolzlechner in Kneihs/Lienbacher [Fn. 15], Art. 117) glaubt Transparenz als demokratisches Prinzip zu erkennen, trägt aber leider keinen überzeugenden Nachweis für Art. 8 EMRK bei.
  23. 23 EGMR, 25. Oktober 2005, 2428/05; Paefgen (Fn. 17), 190.
  24. 24 EuGH, 9. November 2010, C-92/09 und C-93/09; Paefgen (Fn. 17), 190 f.
  25. 25 Siehe Paefgen (Fn. 17), 191 zu EGMR, 28. Januar 2003, 44647/98 und EGMR, 15. April 2014, 50073/07.
  26. 26 EuGH, 9. November 2010, C-92/09 und C-93/09.
  27. 27 VfSlg 12.398/1990; so auch die Landeslegistik (Fn. 6), Fn 38 und 112.
  28. 28 EGMR, 25. Februar 1997, 22009/93 und 20511/03.
  29. 29 Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob die Datenschutzgrundverordnung auf Angelegenheiten des Gemeinderechts überhaupt Anwendung findet, da sie nur dort Anwendung findet, wo das Unionsrecht Anwendung findet (vgl. Art. 4, 6 und 16 AEUV). So scheidet eine Verarbeitung im parlamentarischen Bereich wohl in der Regel aus. Da sich aber die Gesetzgebungskompetenz des Unionsgesetzgebers sehr weitreichend auf die Bereiche Binnenmarkt, Sozialpolitik, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt sowie Gesundheit-, Industrie-, Kultur- und Bildung und Raumordnungspolitik (Art. 192) erstreckt, werden sich kaum Anwendungsgebiete ergeben, wo die Datenschutzgrundverordnung nicht wirken wird (vgl. Grafenstein in Gierschmann et al. [Hrsg.], Datenschutzgrundverordnung [2017], Art. 2, Rz 31). Auch der VfGH zeigt sich bei der Annahme des Anwendungsbereiches des Unionsrecht großzügig (Heißl [Fn. 5], 408), indem er alle Verfahren, die durch einschlägiges Unionsrecht geprägt sind, als Durchführung des Unionsrechts (es handelt sich mit der «Durchführung» im Vergleich zur «Anwendung» um den engeren Begriff aus der GRC; VfSlg 19.632/2012) ansieht.
  30. 30 Vgl. Buchholz/Stentzel in Gierschmann et al. (Fn. 29), Art. 5, Rz 26.
  31. 31 Vgl. Pätzold in Karpenstein (Hrsg.), EMRK (2015), Art. 8 Rz 115; auch in den einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG bzw. in der Datenschutzrichtlinie ist dieser Grundsatz schon vorgesehen.
  32. 32 Vgl. Pätzold in Karpenstein (Hrsg.), EMRK (2015), Art. 8 Rz 115.
  33. 33 Es stellt sich dabei auch die Frage der Konformität des ebenfalls zu den Bauprinzipien zur Bundesverfassung gehörenden Gleichheitssatzes: Worin besteht nämlich die sachliche Begründung bei Bescheiden des Bürgermeisters die Öffentlichkeit auszuschließen und bei Bescheiden des Gemeinderates die Öffentlichkeit miteinzubeziehen. Ist doch die Kontrolle und Transparenz in einem der mittelbaren Demokratie entstammenden Kollegialorgan besser gewahrt, als in einem Kollegialorgan.
  34. 34 Paal/Pauly, DS-GVO, Art. 86 (2016), Rz 8.
  35. 35 Heilmann/Schulz in Gierschmann et al. (Fn. 29), § 86, Rz 19.
  36. 36 Auf den Datenschutz angepasste Regelungen gibt es für das Burgenland (§ 43 Eisenstädter Stadtrecht; § 44 Bgld GemO), Oberösterreich (§ 16 Statut Linz; § 53 OÖ GemO), die Steiermark (§ 50 Statut Graz; § 59 Stmk GemO), Niederösterreich (§ 47 NÖ Gemeindeordnung) usw. In den Materialien und Kommentierungen zu diesen Gesetzen (vgl. z.B. Fasching/Weikovics, BgldGemO 2003 [2012], S. 221) wird darauf verwiesen, dass dies aufgrund der Amtsverschwiegenheit (Art. 20 Abs. 3 B-VG), dem Datenschutz (§ 1 DSG) und dem Steuergeheimnis (§ 48a BAO) notwendig ist. Auch für die Gemeinden – nicht aber für die Stadt Salzburg – hat der Salzburger Landesgesetzgeber in § 28 S.GdO die Behandlung individueller hoheitlicher Verwaltungsakte ausdrücklich die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
  37. 37 VfSlg 19.738.
  38. 38 VfSlg 19.886 und 18.643/2008.
  39. 39 BKA, Rundschreiben zur legistischen Gestaltung von Eingriffen in das Grundrecht auf Datenschutz, 14. Mai 2008, GZ 810.016/0001–V/3/2007 und VfSlg. 16.150/2001.
  40. 40 So auch Ennöckl in Ennöckl (Hrsg.), Der Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Datenverarbeitung, 375 zu § 8 Abs. 1 Z 4 DSG.
  41. 41 Ennöckl (Fn. 39), 375.
  42. 42 EGMR 15. November 1996, 15943/90 Rz 33; EGMR 2. September 2010, 35623/05 Rz 63; Pätzold in Karpenstein (Fn. 31), Art. 8, Rz 94 f.: Der EGMR vertritt die Auffassung, dass ein staatliches Organen eingeräumtes Ermessen die Reichweite und Art der möglichen Ermessenausübung erkennen lassen muss und durch wirksame Garantien ein Schutz vor willkürlichen Eingriffen in das Recht gemäß Art. 8 EMRK vorliegen muss.
  43. 43 Die Landeslegistik (Fn. 6) vertritt dazu unter Berufung auf das Section-Control-Erkenntnis (VfSlg 18.146/2007) des VfGH eine andere Meinung und hält die gegenständliche Bestimmung für ausreichend determiniert. Dies ist nicht nachvollziehbar, weil das Section-Control-Erkenntnis mittlerweile durch neuere Erkenntnisse des VfGH weiter zu einer verschärften Determinierung konkretisiert wurde und zum anderen, wie nachfolgend noch dargelegt wird, dem § 6 DS-GVO nicht entspricht. Auch haben andere Landesgesetzgeber, wie z.B. die Steiermark, Oberösterreich, Burgenland und selbst Salzburg für die Salzburger Gemeindeordnung, eine Harmonisierung auf Gesetzesebene zwischen Art. 117 B-VG und dem Grundrecht auf Datenschutz vorgenommen, wobei dies primär mit dem Grundrecht auf Datenschutz begründet wurde.
  44. 44 Laut BKA (Fn. 38), Pkt. 3.3, muss die für behördliche Eingriffe notwendige gesetzliche Grundlage nicht immer eine «ausdrückliche» gesetzliche Regelung sein, sondern können derartige gesetzliche Regelungen auch auf Grund von Generalklauseln im Zusammenhalt mit anderen Rechtsvorschriften erfolgen.
  45. 45 Namensnennungen wurden z.B. in VfSlg. 17.065/2003 u.a. aufgrund Art. 8 EMRK und § 1 DSG jedenfalls ausgeschlossen.
  46. 46 BKA (Fn. 38), Pkt. 4.1.
  47. 47 Vgl. BKA (Fn. 38), Pkt. 4.1.
  48. 48 VfSlg 13.740, 3130/1956 und 12420/1990.
  49. 49 Vgl. BKA (Fn. 38), Pkt. 5.1.
  50. 50 Die betreffende Norm ist «eingriffsnah», weil sie zu regelmäßigen, intensiven Eingriffen in den grundrechtlich geschützten Bereich des Datenschutzes ermächtigt.
  51. 51 Vgl. VfSlg 10.737/1985, 11.455/1987, 13.336/1993.
  52. 52 Vgl. EGMR, 25. Februar 1997, 22009/93, Z 95 und 20511/03, Z 38.
  53. 53 Vgl. VfGH V176/90.
  54. 54 Assion/Nolte/Veil in Gierschmann et al. (Fn. 29), § 6, Rz 161 ff.
  55. 55 Siehe Landeslegistik (Fn. 6), S. 6.
  56. 56 Und selbst dann noch ergänzt, dass «der Zweck des Öffentlichkeitsgrundsatzes es aber gewiss nicht erfordere, dass jede Gemeinderatssitzung öffentlich sein muss».
  57. 57 Buchner/Petri in Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO (2017), Art. 6, Rz 91.
  58. 58 Vgl. Heberlein in Ehrmann/Selmayr (Hrsg.), DS-GVO (2017), Art. 6 Rz 37.