1.
Einleitung ^
Im vorliegenden Artikel soll die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten gemäß DSRL und DSGVO sowie gemäß Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) und Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 (DSG 2018) genauer untersucht werden. Aktuell hat die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten neue Aufmerksamkeit erlangt, weil der französische Conseil d’État dem EuGH mehrere Fragen bezüglich der Verarbeitung sensibler und strafrechtsbezogener Daten durch Suchmaschinen zur Vorabentscheidung vorlegte.5 Im Folgenden sollen ausgewählte Aspekte der Vorlagefragen näher betrachtet werden und insbesondere die Problematik der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten außerhalb des Medienprivilegs untersucht werden.6 Die Vorlagefragen sind in einer entmediatisierten Welt, in der sich Personen über das Internet direkt an eine potenziell unbegrenzte Anzahl von Personen wenden können, über die Anwendung auf Suchmaschinen hinaus relevant. Denn der EuGH hat zwar in der Rechtssache Satamedia ausgesprochen, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten allein zu journalistische Zwecken erfolgt, wenn sie ausschließlich zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten.7 Das Medienprivileg betrifft aber nicht jede Meinungsäußerung, da zumindest eine gewisse redaktionelle Tätigkeit des Verantwortlichen verlangt sein wird.8
2.1.
Ausgangslage ^
2.2.
Verantwortlichkeit für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten ^
2.3.
Systematische Entfernung von Links aus der Suchergebnisliste? ^
2.4.
Grundrechtskonforme Interpretation des Art. 8 Abs. 2 lit. e DSRL ^
3.
Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten gemäß DSG 2000 ^
4.
Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten gemäß DSGVO und DSG 2018 ^
5.
Fazit ^
Den Mitgliedstaaten kommt sowohl nach der DSRL, als auch gemäß DSGVO die Aufgabe zu, einen Ausgleich des Schutzes personenbezogener Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und Information zu erzielen. Der österreichische Gesetzgeber hat im DSG 2000 weite Erlaubnistatbestände für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten geschaffen, die es ermöglichen, einen Ausgleich zwischen den gegenüberstehenden Grundrechten zu schaffen. Bedauerlicherweise wurde im Rahmen des DSG 2018 nicht ausreichend Gebrauch von den Öffnungsklauseln der DSGVO zur Verarbeitung sensibler Daten gemacht. Für die Verarbeitung strafrechtsbezogener Daten besteht allerdings ein flexibler Erlaubnistatbestand.
- 1 Art. 9 Abs. 1 VO (EU) 2016/679; Art. 8 Abs. 1 RL 95/46/EG. Genetische und biometrische Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person waren in der DSRL nicht gesondert aufgezählt, fielen aber auch bisher als Daten über die Gesundheit unter die besonderen Kategorien personenbezogener Daten.
- 2 § 4 Z 2 DSG 2000; vgl. auch ErwGr 34 und 70 zu RL 95/46/EG sowie ErwGr 10 zu VO (EU) 2016/679.
- 3 Art. 8 Abs. 2 und 3 RL 95/46/EG; Art. 9 Abs. 2 und 3 VO (EU) 2016/679.
- 4 Art. 8 Abs. 5 RL 95/46/EG; Art. 10 VO (EU) 2016/679.
- 5 Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État, eingereicht am 15. März 2017 – G. C., A. F., B. H., E.D./Commission nationale de l’informatique et de libertés (CNIL). EuGH Rechtssache C-136/17.
- 6 Auf die französische Rechtslage wird nicht gesondert eingegangen (vgl. https://www.cnil.fr/fr/loi-78-17-du-6-janvier-1978-modifiee [alle Websiten zuletzt abgerufen im Januar 2018]).
- 7 EuGH 16. Dezember 2008, C-73/07 Satamedia. Der Begriff Journalismus ist auch gemäß DSGVO weit auszulegen (ErwGr 153 zur DSGVO).
- 8 Vgl. Thiele, Die Trias von § 16 ABGB, § 78 UrhG und Datenschutz, in Jahnel (Hrsg) Jahrbuch Datenschutzrecht 2015, 49 (72); vgl. auch Schumacher/Spindler, Suchmaschinen und das datenschutzrechtliche Medienprivileg, in DuD 9/2015, 606 ff. Das Urteil Google Spain kann als Abkehr von der weiten Auslegung in der Rs. Satamedia verstanden werden, da dem Suchmaschinenanbieter nicht das Medienprivileg gewährt wurde.
- 9 EuGH 13. Mai 2014, C-131/12 Google Spain.
- 10 Schlussanträge des GA Jääskinen, 25. Juni 2013, Rs. C-131/12 Google Spain, Rz 90.
- 11 Schlussanträge des GA Jääskinen, 25. Juni 2013, Rs. C-131/12 Google Spain, Rz 133.
- 12 Google setzte einen Beirat aus Experten ein, der Google dabei unterstützen sollte, Kriterien zur Abwägung der Interessen sowie ein passendes Verfahren zur Umsetzung des Google Spain Urteils zu finden. Ergebnisbericht: Floridi u.a., The Advisory Council to Google on the Right to be Forgotten (6. Februar 2015). Abrufbar unter https://static.googleusercontent.com/media/archive.google.com/de//advisorycouncil/advisement/advisory-report.pdf.
- 13 Art. 29-Datenschutzgruppe, 26. November 2014, WP 225, Leitlinien für die Umsetzung des Urteils EuGH C-131/12, 21 f.; Floridi u.a., The Advisory Council to Google on the Right to be Forgotten (6. Februar 2015), 10.
- 14 Erwähnt wird die Problematik u.a. von Van Eecke/Cornette, What the CJEU has actually decided in Google Spain, in CRi 4/2014, 101 ff. (105); Hasenauer, Das Recht auf Löschung personenbezogener Daten, in Jahrbuch Datenschutzrecht 2016, 99 ff. (108 f.); Bougiakiotis, The enforcement of the Google Spain ruling, in International Journal of Law and Information Technology, 24/2016, 311 ff. (316).
- 15 EuGH 13. Mai 2014, C-131/12 Google Spain, Rz 33.
- 16 EuGH 13. Mai 2014, C-131/12 Google Spain, Rz 85.
- 17 EuGH 13. Mai 2014, C-131/12 Google Spain, Rz 38.
- 18 EuGH 13. Mai 2014, C-131/12 Google Spain, Rz 27.
- 19 Dammann/Simitis, EG-Datenschutzrichtlinie Kommentar (1997), Einleitung Rz 45.
- 20 EuGH 13. Mai 2014, C-131/12 Google Spain, Rz 80.
- 21 Der Verantwortungsbereich des Suchmaschinenanbieters ist trotzdem speziell, weil es nicht im Rahmen der Möglichkeiten des Suchmaschinenanbieters liegt, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung vorab zu kontrollieren. Er muss daher nur auf Antrag einer betroffenen Person tätig werden (vgl. auch Art. 29-Datenschutzgruppe, WP 225, 7).
- 22 Der Conseil d’État teilt seine Vorlagefragen 2. und 3. abhängig davon auf, ob die spezielle Verantwortlichkeit des Suchmaschinenanbieters in Vorlagefrage 1 bejaht wird.
- 23 Auf Vorlagefrage 4.1, die Art. 6 RL 95/46/EG betrifft, kann in diesem Artikel nicht eingegangen werden.
- 24 Vgl. Art. 29-Datenschutzgruppe, 9. April 2014, WP 217, Stellungnahme 06/2014 zum Begriff des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen gemäß Art. 7 der Richtlinie 95/46/EG, 18 f.
- 25 Ein entgegenstehendes Ergebnis könnte nur durch eine contra legem Interpretation erzielt werden. Vgl. Van Eecke/Cornette, What the CJEU has actually decided in Google Spain, in CRi 4/2014, 105.
- 26 Vgl. OGH 29. Juni 2006, 6 ObA 1/06z.
- 27 Der Conseil d’État ersucht den EuGH auch um Auslegung, ob Informationen über die Anklageerhebung gegen eine Person oder die Berichterstattung über einen Prozess und die sich daraus ergebende Verurteilung Daten i.S.d. Art. 8 Abs. 5 DS-RL sind. Aus österreichischer Perspektive ist dies eindeutig, da § 8 Abs. 4 DSG 2000 vorsieht, dass auch die Verarbeitung von Daten über den Verdacht der Begehung von Straftaten nur unter gesonderten Voraussetzungen zulässig ist. Diese Umsetzung ist aufgrund der besonderen Sensibilität von Informationen über den Verdacht der Begehung einer Straftat und deren mögliche Auswirkungen für die betroffene Person m.E. richtig (vgl. auch Dammann/Simitis, EG-Datenschutzrichtlinie, Art. 8 Rz 3).
- 28 EuGH 6. November 2003, C-101/01 Lindqvist, Rz 90.
- 29 Vgl. auch Bougiakiotis, The enforcement of the Google Spain ruling, in International Journal of Law and Information Technology, 24/2016, 316.
- 30 Dass der Suchmaschinenanbieter die Entfernung von Links nicht deshalb ablehnen kann, weil sie auf eine Webseite führen auf der besondere Kategorien personenbezogener Daten aufgrund des Medienprivilegs gemäß Art. 9 DSRL verarbeitet werden, hat der EuGH bereits in der Rechtssache Google Spain entschieden (C-136/17 Vorlagefrage 2.3; vgl. EuGH C-131/12 Google Spain, Rz 85).
- 31 Vgl. Jahnel, Handbuch Datenschutzrecht (2010), Rz 4/71. Dammann/Simitis, EG-Datenschutzrichtlinie, Art. 8 Rz 16.
- 32 Die Kommission hatte bei Daten gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. e RL 95/46/EG auch Daten politischer Art über Politiker im Sinn (vgl. Ehmann/Helfrich, EG-Datenschutzrichtlinie (1999), Art. 8 Rz 37 zum geänderten Vorschlag der Kommission, ABl. EG Nr. C 311 vom 27. November 1992, 19).
- 33 Auch nicht alle Informationen über Personen des öffentlichen Lebens wären offensichtlich öffentlich gemacht (vgl. auch EGMR 24. Juni 2004, 59320/00 von Hannover v. Germany).
- 34 EuGH 13. Mai 2014, C-131/12 Google Spain, Rz 93.
- 35 EGMR 25. September 2001, 44787/98 P.G. und J.H. v. UK, Rz 57.
- 36 Vgl. OGH 29. Juni 2006, 6 ObA 1/06z.
- 37 Vgl. FN 31.
- 38 DSK 24. Oktober 2007, K121.287/0024-DSK/2007.
- 39 Vgl. Jahnel, Datenschutzrecht, Rz 4/73.
- 40 Vgl. Mayer-Schönberger/Brandl, Datenschutzgesetz2 (2006), 35.
- 41 Vgl. EuGH 24. November 2011, C-468/10 und C-469/10 ASNEF, Rz 48. Vgl. auch Jahnel, Datenschutzrecht, Rz 4/27; Ennöckl, Der Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Datenverarbeitung (2014), 372 f. Auch der VfGH hat ausgesprochen, dass jeder Datenverwendung eine Interessenabwägung vorausgehen muss (Vfslg. 20014).
- 42 Für das nationale Recht verbleibt gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 und § 8 Abs. 4 Z 3 DSG 2000 ein richtlinienkonformer Anwendungsbereich. § 8 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 entspricht Art. 7 lit. f RL 95/46/EG.
- 43 § 8 Abs. 4 Z 3 DSG 2000.
- 44 Die Definitionen der Begriffe «Verarbeitung» und «Verantwortlicher» sowie der Verantwortungsbereich für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten und das Medienprivileg haben in der DSGVO inhaltlich keine wesentliche Änderung erfahren. Suchmaschinenanbieter sind daher auch gemäß DSGVO für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten verantwortlich.
- 45 Art. 9 Abs. 2 lit. g – j VO (EU) 2016/679.
- 46 Art. 85 Abs. 2 VO (EU) 2016/679; § 9 DSG 2018.
- 47 Personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten fallen in der DSGVO terminologisch nicht mehr unter die besonderen Kategorien personenbezogener Daten (vgl. Art. 9 und 10 VO (EU) 2016/679).
- 48 Jahnel hatte darauf hingewiesen, dass eine Umsetzung der Öffnungsklausel zur Verarbeitung strafrechtsbezogener Daten im Entwurf zum DSG 2018 fehlte und somit die Verarbeitung nur unter behördlicher Aufsicht zulässig gewesen wäre (vgl. Jahnel, Stellungnahme zum Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, 2 f.).