1.
Ausgangslage ^
Die Digitalisierung schreitet voran, das gilt auch für den Bereich der Trinkwasserversorgung1 und den Einsatz von Wasserzählern. Wo bisher analoge Wasserzähler im Einsatz waren, die fortlaufend den Wasserdurchlauf gemessen haben und in der Regel jährlich ausgelesen wurden, werden zunehmend digitale intelligente Wasserzähler implementiert. Die neuen intelligenten Wasserzähler erheben bspw. die Zählernummer, den aktuellen Zählerstand, die Verbrauchssummen für Tage, Wochen, Monate und Jahre, die Durchflusswerte, die Wasser- und Umgebungstemperatur für bestimmte Zeitpunkte, die Betriebs- und Ausfallzeiten sowie die Speicherung von Alarmcodes (z.B. Leckage- oder Rückflusswerte).2
Die Daten werden im intelligenten Wasserzähler elektronisch gespeichert und in der Folge durch den Wasserversorger ausgelesen. Die Erhebung kann vor Ort durch einen Mitarbeiter oder bei Funkzählern auch mittels Fernauslesung erfolgen. Die Fernauslesung erfolgt durch Mitarbeiter des Wasserversorgers, etwa in einem vorbeifahrenden Auto, die mithilfe ihrer Empfangseinrichtung das verschlüsselte Signal der unidirektionalen Sendeeinheit empfangen. Die Mitwirkung des Kunden bei Erhebung des Wasserverbrauches wäre nicht mehr erforderlich. Soweit Fehlermeldungen angezeigt werden, müsste der entsprechende Wasserzähler aber weiterhin vor Ort von einem Mitarbeiter ausgelesen werden. Das Funkmodul von intelligenten Funkwasserzählern lässt sich i.d.R. deaktivieren, sodass in der Folge die gesamte Auslesung vor Ort beim Kunden stattfände.
Da mit der Verwendung intelligenter Wasserzähler die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten einhergeht, ist die Rechtmäßigkeit des Einsatzes intelligenter Wasserzähler anhand der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Datenschutzgesetzes (DSG) zu prüfen. Der Wasserversorger (insb Gemeinde, Wasserverband, Stadtwerke) bestimmt durch den Einsatz intelligenter Wasserzähler, welche Daten durch den Einsatz intelligenter Wasserzähler verarbeitet werden, und ist daher Verantwortlicher i.S.d. Art 4 Z 7 DSGVO. Wie aus dem Jahresbericht 2018 der Datenschutzbehörde hervorgeht, hat die Datenschutzbehörde den Einsatz intelligenter Wasserzähler (durch einen Wasserverband) untersagt, weil eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung nicht gegeben sei.3
Im vorliegenden Artikel soll aufgezeigt werden, welche Rechtsvorschriften für die Zulässigkeit der Verwendung von intelligenten Wasserzählern in Frage kommen; dabei wird thematisiert, welche erhobenen Daten personenbezogen sind, wann eine Verarbeitung durch den Verantwortlichen vorliegt und auf welche (wasserrechtlichen) Rechtsgrundlagen sich die Verarbeitung stützen könnte.
2.1.
Personenbezogene Daten ^
Die DSGVO und das DSG sind nur anwendbar, wenn die ganz oder teilweise automatisierte Datenverarbeitung personenbezogene Daten betrifft.4 Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.5 Im Hinblick auf die Verarbeitung von Daten mit Hilfe eines intelligenten Wasserzählers ist einerseits fraglich, welche dieser Daten eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person betreffen und andererseits, welche der verarbeiteten Daten sich auf eine solche Person beziehen.
2.1.1.
Wasserverbrauchsdaten ^
Eindeutig ist, dass dem Wasserversorger seine Kunden jeweils namentlich und mit Adresse bekannt sind sowie dass vom Wasserversorger erfasst wird, welchem Kunden welcher Wasserzähler (etwa mittels Zählernummer) zugeordnet wird. Die vom Wasserzähler erhobenen Daten können einem Zähler zugeordnet werden und der Zähler kann einer Person zugeordnet werden. Sofern es sich bei der Person um eine natürliche Person handelt, werden Daten, die eine identifizierte Person betreffen, verarbeitet.
Wohnt nur der Anschlussinhaber «hinter» dem Anschluss (etwa in einem Einfamilienhaus), sind die Wasserverbrauchsdaten dieses Kunden eindeutig personenbezogene Daten, dies gilt sowohl im Hinblick auf den Umfang des verbrauchten Wassers als auch für die Tatsache, dass anhand des Wasserverbrauchs eine Abrechnung erfolgt (Zählerstand, Höchst- und Mindestdurchfluss, Abrechnungsdaten). Die Wasserverbrauchsdaten geben in diesem Fall Aufschluss darüber, wieviel Wasser von dem Anschlussinhaber in einem bestimmten Zeitraum verbraucht wurde. Anhand dieses Wasserverbrauchs wird auch die Abrechnung erstellt.
Wohnen allerdings mehrere Personen «hinter» einem Anschluss, ist uE zu differenzieren. Die Wasserverbrauchsdaten sind insoweit weiterhin personenbezogene Daten, als diese als Abrechnungsdaten dem Anschlussinhaber zugerechnet werden. Dies hat auch bereits die Datenschutzkommission richtigerweise festgehalten, indem sie ausführte:
Dem Argument der Beschwerdegegnerin, dass die beschwerdegegenständlichen Wasserverbrauchsdaten keine personenbezogenen Daten gewesen seien, da sie sich auf den Gesamtverbrauch aller Liegenschaftsbewohner bezögen, kann nicht gefolgt werden. Da der Beschwerdeführer als Grundeigentümer und Anschlussnehmer für die daraus resultierenden Zahlungspflichten haftet, handelt es sich im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdegegnerin sehr wohl um «Angaben zu seiner Person», also um personenbezogene Daten des Beschwerdeführers.6
Die erhobenen Wasserverbrauchsdaten können gesamthaft der Person als Anschlussinhaber zugeordnet werden. Sie sind daher als Abrechnungsdaten personenbezogen. Fraglich ist diesbezüglich, ob die Wasserverbrauchsdaten auch einzelnen identifizierbaren Bewohnern des Hauses zugeordnet werden können. Erwägungsgrund 26 der DSGVO spezifiziert, in welchem Fall eine Person als identifizierbar gelten soll:
[...] Um festzustellen, ob eine natürliche Person identifizierbar ist, sollten alle Mittel berücksichtigt werden, die von dem Verantwortlichen oder einer anderen Person nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich genutzt werden, um die natürliche Person direkt oder indirekt zu identifizieren wie beispielsweise das Aussondern. Bei der Feststellung, ob Mittel nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich zur Identifizierung der natürlichen Person genutzt werden, sollten alle objektiven Faktoren, wie die Kosten der Identifizierung und der dafür erforderliche Zeitaufwand, herangezogen werden, wobei die zum Zeitpunkt der Verarbeitung verfügbare Technologie und technologische Entwicklungen zu berücksichtigen sind. [...]
In diesem Sinne ist es uE nicht nachvollziehbar, welcher Bewohner des Hauses wieviel Wasser tatsächlich verbraucht hat, da dazu keine Erhebungen durchgeführt werden und dies nach derzeitigem Stand der Technik nicht möglich sein wird.7 Die Daten zum Wasserverbrauch können etwa im Falle eines Mehrfamilienhauses (oder auch einer Familie oder Wohngemeinschaft, die sich einen Anschluss teilt) – mit Ausnahme ihrer Funktion als Abrechnungsdaten – nicht einer identifizierten oder identifizierbaren Person zugeordnet werden. Es werden im Falle mehrerer Nutzer eines Wasseranschlusses auch mit Hilfe eines intelligenten Wasserzählers daher keine personenbezogenen Daten über den Wasserverbrauch einzelner Betroffener verarbeitet. Diese Abgrenzung ist uE insofern relevant, als die Verarbeitung von Abrechnungsdaten als weit weniger eingriffsintensiv für das Privatleben betroffener Personen zu beurteilen sein wird als die Verarbeitung von Informationen über den tatsächlichen Wasserverbrauch einzelner Personen.
2.1.2.
Rückflussdaten ^
Neben den Wasserverbrauchsdaten werden durch intelligente Wasserzähler auch Rückflussdaten erhoben, d.h. Daten, die anzeigen, ob Wasser in das Wassernetz zurückfließt oder eingespeist wird. Rückflussdaten beziehen sich nicht direkt auf eine identifizierte Person. Es handelt sich zunächst um technische Daten zum Wasserfluss im Wassernetz. Ein Rückfluss kann etwa auf technische Gebrechen zurückzuführen sein. Sofern die Daten aber auch erhoben werden, um zu überprüfen ob eine (illegale) Einspeisung von Wasser (etwa durch den Anschlussinhaber) in das Wassernetz erfolgt, kann die Auslesung und Auswertung dieser Daten zu weiteren Nachforschungen führen, deren Ziel es ist, eine natürliche Person ausfindig zu machen. Es wird im Allgemeinen davon auszugehen sein, dass zur Ausforschung der Person weder übermäßiger Aufwand noch übermäßige Kosten erforderlich sind.8 In diesem Fall kann es sich bei den Rückflussdaten um Informationen über eine identifizierbare natürliche Person und damit um personenbezogene Daten handeln, auch wenn zur Identifizierung allenfalls Dritte herangezogen werden müssen.9
2.1.3.
Wasser- und Umgebungstemperatur ^
Intelligente Wasserzähler verarbeiten Daten zur Wasser- und Umgebungstemperatur. Diese Daten können über die Zählernummer einer Person zugeordnet werden. Wie aus der Definition des Begriffs personenbezogene Daten ersichtlich ist, liegen personenbezogene Daten aber nicht immer schon dann vor, wenn Daten in Zusammenhang mit einer identifizierten oder identifizierbaren Person verarbeitet werden, sondern es ist zusätzlich verlangt, dass sich die Daten auf diese Person beziehen. Die Artikel 29-Datenschutzgruppe10 führte aus, dass sich Informationen allgemein auf eine Person «beziehen», wenn es sich um Informationen über diese Person handelt.11 Sie konkretisierte:
«Daten beziehen sich auf eine Person, wenn sie die Identität, die Merkmale oder das Verhalten dieser Person betreffen oder wenn sie verwendet werden, um die Art festzulegen oder zu beeinflussen, in der die Person behandelt oder beurteilt wird.»12
Dies ist bei Daten über die Wasser- und Umgebungstemperatur uE nicht der Fall. Es handelt sich nicht um Informationen über eine Person bzw um Informationen, die sich auf eine Person beziehen, sondern es handelt sich um Daten über die natürlichen Gegebenheiten an einer bestimmten Messstelle. Diese Daten werden zwar durch den Wasserzähler des Anschlussinhabers erhoben, sie sind aber unabhängig vom Anschlussinhaber (und anderen Personen), weil diese Daten von einer Person idR nicht beeinflusst werden können. Die Daten werden üblicherweise zu dem Zweck erhoben, einer Verkeimung des Wassers durch zu hohe Temperaturen vorzubeugen und allenfalls Gegenmaßnahmen setzen zu können. Es handelt sich um Daten, die sich auf die Natur bzw die Wasserversorgung beziehen und nicht auf eine Person.
2.2.
Verarbeitung personenbezogener Daten ^
Intelligente Wasserzähler speichern Daten als Mindest-, Mittel- und Höchstwerte i.d.R. in Form von Tageswerten. Funkzähler senden die vorgesehenen Daten (siehe Beispiele in Punkt 1.) in kurzen Intervallen aus, idR mehrmals in einer Minute. Die Auslesung dieser Daten erfolgt allerdings erst am Stichtag, abhängig von der Ableseperiode z.B. alle drei Monate. Solange die Daten nicht ausgelesen wurden, sind sie nicht in das System des Verantwortlichen integriert und stehen diesem nicht zur Verfügung. Das gilt unabhängig davon, ob die Daten vor Ort von einem Mitarbeiter oder mittels Fernauslesung erhoben werden. Insoweit ist es fraglich, wann eine Verarbeitung der Daten iSd Art 4 Z 2 DSGVO vorliegt: Bei Erfassung der Daten durch den Zähler oder erst bei der Auslesung durch die Mitarbeiter?
«Verarbeitung» bezeichnet jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten.13 Die Definition der Verarbeitung zeigt, dass der Begriff weit zu verstehen ist (jeder Vorgang). Für eine Verarbeitung i.S.d. Art 4 Z 2 DSGVO mittels intelligentem Wasserzähler bereits vor Auslesung spräche, dass der intelligente Wasserzähler vom Wasserversorger bereit gestellt wird und dass Daten im technischen Sinne bereits erhoben und gespeichert werden, die zu einem späteren Zeitpunkt ausgelesen werden.
Rechtlich kann sich die Verarbeitung personenbezogener Daten u.E. aber nur auf einen Vorgang beziehen, der dem Verantwortlichen zugerechnet werden kann (dazu zählt auch etwa eine Verarbeitung durch einen von diesem beauftragten Auftragsverarbeiter). Bevor die Daten in das System des Verantwortlichen gelangen, kann eine Verarbeitung durch diesen u.E. nicht stattfinden, selbst wenn er das technische Equipment (intelligenter Wasserzähler) zur Verfügung gestellt hat. Die hier bezeichnete «Auslesung» ist in diesem Sinne nicht als Zugriff auf im System des Verantwortlichen gespeicherte Daten zu verstehen und kommt aufgrund der erstmaligen Kenntnisnahme den Begriffen «Erfassen» oder «Erheben» gleich.
Hödl erklärt zum Erheben und Erfassen: «Durch das Erheben und Erfassen gelangen Daten in den Verfügungsbereich des Verantwortlichen, wobei hier aktive Handlungen gesetzt werden. Eine inhaltliche Kenntnisnahme wird nicht verlangt, allerdings die Möglichkeit die Daten inhaltlich zur Kenntnis nehmen zu können. [...] Spätestens wenn der Verantwortliche erstmals auf die Daten zielgerichtet zugreift und damit einen Zweck definiert, die Daten sohin weiterverarbeitet, wird der Begriff Erhebung erfüllt sein.»14 Inhaltlich stimmt dies auch mit der Ansicht Reimers überein, der ausführt: Erheben bedeutet den Vorgang, bisherige Unkenntnis von einem Datum gezielt in Kenntnis zu überführen.15
In Kenntnis überführt kann ein Datum nur dann sein, wenn dieses dem Verantwortlichen zur Verfügung steht. Das gilt u.E. auch für den Verfügungsbereich des Verantwortlichen. Würde der Zähler etwa aufgrund eines schweren Defekts vollkommen ausfallen und die bisherigen Daten nicht auslesbar sein oder würde etwa der Anschlussinhaber oder ein Dritter den Zähler vor der Auslesung unbrauchbar machen, hätten die Daten dem Verantwortlichen zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung gestanden und er hätte ihre Verarbeitung in keiner Weise beeinflussen können. In diesem Fall kann u.E. nicht davon gesprochen werden, dass eine Verarbeitung iSd Art 4 Z 1 DSGVO bereits vor Auslesung der Daten durch den Verantwortlichen erfolgt. In diesem Sinne hat auch die Datenschutzkommission zu einem Funkwasserzähler entschieden, dass eine Verarbeitung des Funksignals erst vorliegt, wenn der Zähler ausgelesen wird:
«Bezüglich des Hinweises auf die Diskrepanz zwischen dem Intervall des abgestrahlten Funksignals und den Zeitpunkten der Datenerfassung ist zu sagen, dass nur im Zeitpunkt der Auslesung des Zählers, das heißt der Erfassung und dauerhaften Speicherung des per Funk abgestrahlten Zählerstandes durch den Beschwerdegegner, ein relevanter Verarbeitungsschritt erfolgt. Auf die Häufigkeit der Ausstrahlung des (nicht erfassten) verschlüsselten Funksignals kommt es hingegen nicht an, da über nicht verarbeitete Daten auch keine Auskunft zu erteilen ist.»16
2.3.
Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ^
Der Wasserversorger darf als Verantwortlicher personenbezogene Daten nur auf Grundlage der DSGVO und des DSG verarbeiten. Wie in Punkt 2.1 aufgezeigt wurde, sind nicht alle vom intelligenten Wasserzähler erhobenen Daten personenbezogene Daten. Die nicht personenbezogenen Daten sind nicht schutzwürdig, ihre Verarbeitung bedarf keiner gesonderten Rechtsgrundlage.17 Die Verarbeitung personenbezogener Daten darf nur auf einer Rechtsgrundlage erfolgen. Welche Rechtsgrundlagen in Frage kommen, hängt davon ab, ob die Verarbeitung von einer Behörde in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommen wird oder nicht.18
Die Wasserversorgung in Österreich wird von Wasserversorgern unterschiedlicher Rechtsform erbracht. Es kann sich um eine Gemeinde, einen Wasserverband, eine Wassergenossenschaft oder Stadtwerke handeln, die jeweils unterschiedlichen Verwaltungsvorschriften unterliegen. Die hier gegenständlichen Wasserverbände19 sind öffentlich-rechtlich ausgestaltet und geben sich eine Satzung20, die von der zuständigen Wasserrechtsbehörde21 zu genehmigen ist.
Die Datenschutzbehörde hat betreffend den Einbau eines intelligenten Wasserzählers durch einen Wasserverband offenbar entschieden, dass Eingriffe durch den Wasserverband gemäß § 1 Abs 2 DSG stets einer gesetzlichen Grundlage bedürften, da dieser als Körperschaft öffentlichen Rechts konstituiert ist und daher als staatliche Behörde qualifiziert wird. Das Maß- und Eichgesetz (MEG), die Trinkwasserverordnung (TWV) oder das Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) sähen jedoch keine entsprechende gesetzliche Grundlage für den Einsatz von intelligenten Wasserzählern vor. Der Einbau und Betrieb des intelligenten Wasserzählers durch den Wasserverband stelle daher einen unzulässigen Eingriff dar und verstoße gegen das Recht des Beschwerdeführers auf Geheimhaltung nach § 1 DSG.22
2.3.1.
Gesetzliche Verpflichtung ^
Anders als im Energiesektor23 gibt es keine expliziten gesetzlichen Vorschriften zum Einsatz von intelligenten Wasserzählern. Eine gesetzliche Grundlage könnte sich allenfalls aus den Landeswasserversorgungsgesetzen, den Gemeindewasserleitungsordnungen oder der Satzung eines Wasserverbandes ergeben. Wie die Datenschutzbehörde insoweit treffend ausgeführt hat, besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Verwendung intelligenter Wasserzähler sowie zur Verarbeitung personenbezogener Daten mit Hilfe eines intelligenten Wasserzählers iSd Art 6 Abs 1 lit c DSGVO. Andersherum bestehen aber auch keine Rechtsvorschriften, die explizit eine Verwendung analoger Wasserzähler vorschreiben oder die Verwendung intelligenter Wasserzähler verbieten.
2.3.2.
Verarbeitung auf Grund einer öffentlichen Aufgabe ^
Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist gemäß Art 6 Abs 1 lit e DSGVO rechtmäßig, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 1 Abs 2 DSG und im Rahmen von Art 6 Abs 1 lit e DSGVO ist keine Gesetzesgrundlage gefordert, in der geregelt wird, dass durch einen Wasserzähler nur bestimmt bezeichnete Datenkategorien zu bestimmten bezeichneten Zwecken verarbeitet werden dürfen (wie dies im ElWOG oder GWG der Fall ist).24 Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Art 6 Abs 1 lit e DSGVO wird festgelegt durch Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt. Dabei muss der Zweck der Verarbeitung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe erforderlich sein.25
Wasserverbände können zur Verfolgung wasserwirtschaftlich bedeutsamer Zielsetzungen, u.a. zu den folgenden Zwecken gebildet werden: Die Versorgung mit Trink-, Nutz- und Löschwasser einschließlich der notwendigen Speicherungs-, Anreicherungs- und Schutzmaßnahmen; die Ent- und Bewässerung sowie die Regelung des Grundwasserhaushaltes; die Beseitigung und Reinigung von Abwässern sowie die Reinhaltung von Gewässern; die Ausübung der regelmäßigen Aufsicht über Gewässer und Wasseranlagen oder die Beitragsleistung hiezu; die Kontrolle, Betreuung und Instandhaltung wasserrechtlich bewilligter Anlagen.26 Diese Aufgaben liegen zweifellos im öffentlichen Interesse. Dem öffentlichen Interesse widerspricht es u.a., wenn die Beschaffenheit des Wassers nachteilig beeinflusst würde; eine wesentliche Behinderung des Gemeingebrauches oder eine Gefährdung der notwendigen Wasserversorgung entstehen kann; durch die Art einer beabsichtigten Anlage eine Verschwendung des Wassers eintreten würde; ein Vorhaben den Interessen der wasserwirtschaftlichen Planung an der Sicherung der Trink- und Nutzwasserversorgung widerspricht.27
2.3.2.1.
Wasserverbrauchswerte ^
Die Ablesung der Wasserverbrauchswerte in Folge Wahrnehmung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe Wasserversorgung mit Hilfe intelligenter Wasserzähler anstatt analoger Wasserzähler stellt eine Änderung lediglich des Erhebungs- bzw Ableseverfahrens bzw der Messmethode dar und ändert nichts an der Tatsache, dass Art 6 Abs 1 lit e DSGVO i.V.m. § 87 und § 73 WRG 1959 sowie allenfalls die Satzung eines Wasserverbandes eine datenschutzrechtliche Grundlage für die Verarbeitung von Wasserverbrauchswerten darstellt. Es ist offensichtlich, dass der Wasserverband Daten zum Wasserverbrauch eines Anschlussinhabers zu Abrechnungszwecken verarbeiten darf und dass diese Verarbeitung für die Wahrnehmung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe der Trinkwasserversorgung erforderlich ist.
2.3.2.2.
Tagesaktueller Verbrauchsstand ^
Auf Basis des Vergleichs tagesaktueller Verbrauchsstände (Tagesverbrauchswert, kein Durchfluss) im Zeitverlauf werden Meldungen generiert, z.B. wenn Leckagen oder mögliche Rohrbrüche auftreten. Diese Meldungen sind maßgebend für die Anzeige und Lokalisierung derartiger Vorfälle und das Auslesen eines solchen Tagesverbrauchswertes ist nur anlassbezogen und lediglich auf das Gebiet bezogen, in dem die Leckage o.Ä. vermutet wird. § 87 iVm § 73 WRG 1959 (allenfalls i.V.m. der Satzung des Wasserverbandes) und § 5 TWV verpflichten den Wasserverband auf einen sorgsamen Umgang mit Wasser hinzuwirken sowie Wasserverluste gering und hygienische Anforderungen hoch zu halten. Demnach obliegt dem Wasserverband eine umfassende Kontroll-, Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht für die Wasserleitungen an die Hausanschlüsse, welcher ein Wasserversorger durch die neue Technik in verbesserter Form nachkommen kann.
2.3.2.3.
Rückflussdaten ^
Im Fall des Rückflusses handelt es sich um Fehlfunktionen im Wassersystem, welche eine Gefahr für die Hygiene im Wassernetz darstellen können. Die falsche Durchflussrichtung wird gezählt und in einem getrennten internen Register im Zähler aufgezeichnet. Im Fall einer Verkeimung im Wassernetz kann das anlassbezogene Auslesen der Rückflussdaten zu einer schnelleren Lokalisierung der Ursache beitragen. Die Erhebung von Rückflussdaten erfolgt daher zur Reinhaltung des Wassernetzes und zur Aufsicht über Wasseranlagen i.S.d. § 87 iVm § 73 WRG 1959 (allenfalls i.V.m. der Satzung des Wasserverbandes).
2.3.2.4.
Wasser- und Umgebungstemperatur ^
Diese Daten geben insb. Aufschluss über drohende hygienische Probleme und Frostschäden. Die Wasser- und Umgebungstemperaturdaten stellen, wie bereits unter Punkt 2.1.3 dargestellt, u.E. keine personenbezogenen Daten dar. Selbst wenn sie aber personenbezogene Daten darstellen würden, wäre ihre Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse (Trinkwasserversorgung) liegt, da mit Hilfe dieser Daten die Versorgung mit Trinkwasser gewährleistet werden kann (§ 87 i.V.m. § 73 WRG 1959; allenfalls i.V.m. der Satzung des Wasserverbandes).
2.3.2.5.
Erforderlichkeit der Verarbeitung ^
Eine Verarbeitung gemäß Art 6 Abs 1 lit e DSGVO unterliegt dem Korrektiv der «Erforderlichkeit». Dies entspricht § 1 Abs 2 DSG, demzufolge der Eingriff in das Grundrecht auf Geheimhaltung jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden darf. Wie der EuGH bereits ausgesprochen hat, kann eine effizientere Erfüllung von Vorschriften die Verarbeitung personenbezogener Daten i.S.d. Art 6 Abs 1 lit e DSGVO rechtfertigen und die Verarbeitung daher erforderlich sein.28 Auch der OGH hat bereits zum Grundrecht auf Datenschutz sinngemäß entschieden, dass das Datenschutzrecht nicht dahingehend auszulegen ist, technische Neuerungen zu hindern, nur weil diese mit einer elektronischen Datenverarbeitung einhergehen. Vielmehr darf eine verhältnismäßige Datenverarbeitung zu einem legitimen Verarbeitungszweck vorgenommen werden, wenn sie zur Erreichung des Zieles erforderlich ist:
«Das Gebot des gelindesten Mittels ist nicht als grundsätzliches Abwehrrecht des Betroffenen gegen die Verwendung von EDV Systemen durch Dritte zu verstehen. Personenbezogene Daten dürfen bei Vorliegen eines legitimen Verwendungszwecks, bei Nichtverletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen und bei Achtung der Verhältnismäßigkeit stets in jenem Ausmaß verwendet werden, der zur Verfolgung dieses Ziels erforderlich ist. Es ist nicht zu prüfen, ob der Verwendungszweck durch konventionelle Maßnahmen des Auftraggebers (also ohne automationsunterstützte Datenverarbeitungssysteme) erreicht werden könnte.»29
Nicht relevant im Sinne der Erforderlichkeit der Verarbeitung ist daher, dass der Wasserversorger der Verpflichtung zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben bisher auch ohne intelligente Wasserzähler nachkommen konnte, weil die Verarbeitung personenbezogener Daten durch intelligente Wasserzähler zu einer effizienteren Erfüllung der Vorschriften eines Wasserversorgers führen, etwa im Hinblick auf die Ablesung der Verbrauchswerte sowie die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung und der hygienischen Zustände.
3.
Conclusio ^
Der vorstehende Beitrag zeigt, dass eine datenschutzrechtliche Beurteilung des Einsatzes intelligenter Wasserzähler eine detaillierte Betrachtung der durch den Zähler verarbeiteten Daten erfordert. Dies ist insb. deshalb von grundlegender Bedeutung, da nicht alle durch den intelligenten Wasserzähler verarbeiteten Daten notwendigerweise personenbezogen sind, nur weil der Zähler einem bestimmten Anschlussinhaber zugeordnet ist. Sofern eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch den intelligenten Wasserzähler zu bejahen ist, liegt bei der Verarbeitung durch einen Wasserverband hinsichtlich der von uns betrachteten Daten jeweils eine rechtmäßige Verarbeitung vor, die sich auf Art 6 Abs 1 lit e DSGVO iVm den einschlägigen Bestimmungen des WRG 1959 und einer allfälligen Satzung des Wasserverbandes stützen lässt.
Der geltende Datenschutzrechtsrahmen verbürgt ein zentrales Grundrecht des 21. Jahrhundert, das die betroffene Person vor unrechtmäßiger Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten schützen soll. Datenschutz ist aber richtigerweise nicht als Grundrecht zu interpretieren, welches die Digitalisierung und eine effizientere Ausgestaltung der Einhaltung von Normen grundsätzlich unterbindet. Stattdessen verpflichtet das Grundrecht dazu den Datenschutz beim Stand der Technik zu berücksichtigen, sodass betroffene Personen bestmöglich geschützt werden.
- 1 In der Folge auch nur «Wasserversorgung». Im Schrifttum wird dieser Bereich der Wasserversorgung auch unter dem Begriff «Siedlungswasserwirtschaft» zusammengefasst. Vgl. dazu Weber, Rechtliche Aspekte der Digitalisierung in der Siedlungswasserwirtschaft.
- 2 Vgl. BayLfD, Datenschutzrechtliche Zulässigkeit des Einsatzes und Betriebes sog. intelligenter Wasserzähler, https://www.datenschutz-bayern.de/3/wasserzaehler.html (abgerufen am 02.12.2019).
- 3 DSB Datenschutzbericht 2018, S 26, mit Verweis auf Bescheid vom 22.11.2018, GZ: DSB-D122.956/0007-DSB/2018 (keine Rechtsgrundlage für intelligente Wasserzähler, nicht rechtskräftig).
- 4 Art 2 Abs 1 VO (EU) 2016/679; § 4 Abs 1 DSG.
- 5 Art 4 Z 1 VO (EU) 2016/679.
- 6 DSK 14.11.2008, K121.388/008-DSK/2008. Auch Gaszählerdaten hat die DSK bereits als personenbezogen angesehen (vgl. DSK K215.018/0005-DSK72013).
- 7 Es lassen sich höchstens nicht personalisierte Durchschnittswerte errechnen.
- 8 Vgl. Erwägungsgrund 26 VO (EU) 2016/679.
- 9 Vgl. dazu auch EuGH 19.10.2016, C-582/14 Breyer.
- 10 Die Artikel 29-Datenschutzgruppe wurde mit Geltung der DSGVO vom Europäischen Datenschutzausschuss ersetzt, vgl. Art 68 ff VO (EU) 2016/679.
- 11 Art 29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 4/2007 zum Begriff «personenbezogene Daten» vom 20. Juni 2007 (WP 136) S 10.
- 12 Art 29-Datenschutzgruppe, WP 136, S 11 mit Verweis auf Arbeitspapier WP 105 der Datenschutzgruppe: Datenschutzfragen im Zusammenhang mit RFID-Technik, angenommen am 19.1.2005, S. 9.
- 13 Art 4 Z 2 VO (EU) 2016/679.
- 14 Hödl in Knyrim [Hrsg] Der DatKomm – Praxiskommentar zum Datenschutzrecht – DSGVO und DSG (2019) Art 4 Z 2, Rz 29 mwN.
- 15 REIMER in Sydow [Hrsg] Europäische Datenschutz-Grundverordnung2 (2018) Art 4 Z 2, Rz 55.
- 16 DSK 03.08.12, K121.822/0009-DSK/2012.
- 17 Vgl. § 1 Abs 1 DSG.
- 18 Vgl. Art 6 Abs 1 letzter Satz VO (EU) 2016/679; § 1 Abs 2 DSG.
- 19 Für Gemeinden oder sog. «Stadtwerke» (als privatrechtliche Kapitalgesellschaften) können auch noch andere Rechtsgrundlagen für die Besorgung der Wasserversorgung gelten, welche hier aber nicht näher dargestellt werden.
- 20 § 88c WRG 1959.
- 21 § 98 ff WRG 1959.
- 22 DSB Datenschutzbericht 2018, S 26, mit Verweis auf Bescheid vom 22.11.2018, GZ: DSB-D122.956/0007-DSB/2018 (keine Rechtsgrundlage für intelligente Wasserzähler, nicht rechtskräftig).
- 23 Vgl. § 16a Abs 5 sowie §§ 81a ff ElWOG; §§ 126a ff GWG.
- 24 Vgl. Buchner/Petri in Kühling/Buchner [Hrsg] Datenschutz-Grundverordnung2 (2018) Art 6 Rz 121.
- 25 Vgl. Art 6 Abs 3 VO (EU) 2016/679.
- 26 Siehe § 87 iVm § 73 WRG 1959.
- 27 Vgl. § 105 Abs 1 WRG 1959.
- 28 EuGH 16.12.2008, C-524/06 Huber, Rz 62; EuGH 30.05.2013, C-342/12 Worten, Rz 37.
- 29 OGH 27.06.2016, 6 Ob 191/15d.