1.
Forschungsfrage: Gestaltung eines Datenethikkonzepts für eine smarte Stadt ^
Die Stadt Ulm will die Digitalisierung vor Ort mit ihren Bürgern gemeinsam gestalten. Dabei verfolgt sie einen bürgerorientierten Ansatz auf der Basis von Offenheit, Bürgerbeteiligung und Zusammenarbeit mit wissenschaftlicher Begleitung. Sie verspricht sich davon eine nachhaltige Digitalisierung der Stadt und insbesondere der Stadtverwaltung sowie der Stadtgesellschaft. Die Stadt soll so in die Lage versetzt werden, mit Innovationen, Digitalisierung und IT-Dienstleistern souverän umzugehen und diese in die Organisation und Prozesse einzubinden. Entscheidend für eine nachhaltige Umsetzung ist es aber, dass die Bürger die digitale Zukunft der Stadt Ulm selbst mitgestalten können. Schließlich stehen sie im Mittelpunkt vieler städtischer Aktivitäten und leben ihr Leben in dieser Stadt.
Die Stadt Ulm investiert nicht nur eigene Haushaltsmittel in die Digitalisierung, sondern wirbt zudem externe Fördermittel zur digitalen Transformation vom Land Baden-Württemberg, vom Bund und von der EU ein. Außerdem arbeitet sie gezielt mit Vereinen und Unternehmen vor Ort zusammen. Mit dem Verschwörhaus gibt es seit 2016 einen zivilgesellschaftlichen Ort für Innovation, Digitalisierung und öffentliche Unordnung, der viele wertvolle Impulse in die Stadt und in die Gesellschaft bringt. Jenseits der laufenden E-Government-Aktivitäten werden so auf kommunaler Ebene bereits Open Government und Smart Government gestaltet und gelebt. Stadtverwaltung, Unternehmen und Bürger beschäftigen sich seit mehreren Jahren mit einem offenen LoRaWAN, Sensortechnik, offenen Datenbeständen und mehreren Smart-City-Anwendungsfeldern. Mit der Konkretisierung und dem Aufbau einer städtischen Smart Data Platform (SDP) zählt Ulm in Deutschland im Kontext smarter Städte und dem Internet der Dinge (IoT) zu den Vorreitern.1
Im Rahmen zahlreicher innovativer Vorhaben geht die Stadt Ulm zudem neuartige Wege, mit denen sie sich zum Teil in bisher unstrukturierten und unterregulierten Räumen sowie teilweise rechtsfreien Sphären bewegen wird. Dies ist mit zahlreichen Chancen zur nachhaltigen digitalen Gestaltung des städtischen Raums verbunden. Allerdings kann das auch unerwartete Risiken mit sich bringen, mit denen es angemessen umzugehen gilt. Dies bewog die Stadt Ulm dazu sich 2020 ein kommunales Datenethikkonzept zu erarbeiten.2 Dieses wurde im Oktober 2020 vom Gemeinderat gebilligt. Damit positioniert sich die Stadt Ulm als eine der ersten Kommunen mit einem eigenen Datenethikkonzept als Pionier zur Datenethik in Deutschland.
Dieser Beitrag widmet sich den folgenden Forschungsfragen: Wozu bedarf es ausgehend von der Verwaltungsethik eigentlich eines Datenethikkonzeptes? Wie wurde das Datenethikkonzept in der Stadt Ulm entwickelt? Welche Diskussionen sind geführt worden? Welche Inhalte umfasst es? Und welche weiteren Schritte sollen angegangen werden? Zur Beantwortung dieser Fragen reflektiert der wissenschaftliche Leiter des Vorhabens mit seinen Mitstreitern in einer Literaturanalyse die grundlegenden Erkenntnisse zu Datenethik, ihre Eindrücke und eine Analyse des Dokuments, das in dieser Form vom Gemeinderat im Oktober 2020 beschlossen wurde.
2.
Einführung: Von der Verwaltungsethik zur Datenethik ^
Die zunehmende Digitalisierung verändert viel und bringt auch im Hinblick auf Ethik und Moral einige Paradigmenwechsel für Wirtschaft, Zivilgesellschaft und öffentlichen Sektor mit sich. Bestehende Wertestrukturen und Ethikkonzepte werden vermehrt analysiert und in Frage gestellt. Mit Blick auf den öffentlichen Sektor verändert sich etwa das Macht- und Informationsgefälle zwischen Verwaltungsmitarbeitenden und Bürgern. Nicht ausschließlich, aber auch deswegen wird ein dem Zeitgeist entsprechendes Ethikverständnis für die Verwaltung unerlässlich. Staat und Verwaltung können durch adäquate Ethikkonzepte öfters auftretenden Problemen wie etwa Korruptionsgefährdung, Vetternwirtschaft, Eigennützigkeit oder einem zu laxen Umgang mit Steuergeldern gezielt entgegengetreten. Auch einen unangemessenen Umgang mit elektronisch vorliegenden Bürgerdaten gilt es in Zeiten einer intelligenten Vernetzung dauerhaft zu unterbinden.
Der Ethikbegriff selbst entzieht sich allerdings einer eindeutigen Definition. Damit die oft synonym verwendeten Begriffe Ethik, Moral und Sittlichkeit trotzdem nicht einfach unreflektiert nebeneinandergestellt werden, ist eine Abgrenzung notwendig. Während Moral und Sittlichkeit ähnlichen Ursprungs sind und normativ die Gesinnung eines Menschen, verbunden mit einem bestimmten Wert, beschreiben, bezieht sich der Begriff der Ethik auf die wissenschaftliche Betrachtungsweise der beiden erstgenannten Begriffe.3 Dieses Verständnis von Ethik kann in Subkategorien und Ethikfelder untergliedert werden. Das für das Datenethikkonzept der Stadt Ulm relevante Feld der Ethik stellt die Verwaltungsethik dar. Die Verwaltungsethik lässt sich „[…] ausdifferenzieren in die allgemeine Verwaltungsethik und spezielle Verwaltungsethiken wie etwa die Verwaltungsbetriebs-, öffentliche Medizin-, öffentliche Schul- oder auch öffentliche Wissenschaftsethik.“4
Für die öffentliche Verwaltung lässt sich klar erkennen, dass das Konzept von Ethik sowie der Bedarf an ethischen Vorgaben bereits Einzug in die Verwaltungspraxis gefunden haben. Die EU formulierte bereits in der Vergangenheit unterschiedliche Ethik-Kodizes. Die Bundesrepublik Deutschland leistet sich einen Deutschen Ethikrat.5 Die Länder haben den Ethikunterricht in ihre Schulbildungscurricula integriert. Auf kommunaler Ebene implementieren öffentliche Unternehmen Public Corporate Governance Kodizes für eine verantwortungsvollere Steuerung ihres wirtschaftlichen Handelns.6 Und obwohl es in der Bundesrepublik keine verbindlichen gesetzlichen Vorgaben bezüglich Ethik gibt, scheint der Bedarf dennoch bei vielen Akteuren vorhanden zu sein. Auch das hier vorgestellte Datenethikkonzept soll einen Beitrag dazu leisten, dass sich Handelnde in der öffentlichen Verwaltung selbstverpflichtend einen ethischen Rahmen für ihr Handeln setzen können, um mit dessen Unterstützung präventiv den Problemen und Folgen eines unethischen Verwaltungshandelns entgegenzuwirken.7
Auch bei Betrachtung nahezu sämtlicher nicht-medizinischer Themen des Deutschen Ethikrates (Stand 12/2020) ist eindeutig zu sehen, dass Ethik und Verwaltung in naher Zukunft weiterhin weitreichende Überschneidungen haben werden.8 Die beiden aktuellsten Themen bilden hier einerseits die Beziehung zwischen Mensch und Maschine und andererseits die normativen Fragen des Umgangs mit einer Pandemie. Beide Themenfelder sind für die Verwaltung von höchster Relevanz.
Bei der normativen Frage nach dem Umgang mit einer Pandemie muss sich die öffentliche Verwaltung nicht nur für diese, sondern auch für zukünftige Pandemien die Frage stellen, inwiefern sie ihre Rolle als gesetzes- und verordnungsausführende Gewalt noch weiter optimieren und unter Einbezug ethischer Verhaltensrichtlinien den besonderen Zeiten entsprechend sensibilisiert gestalten kann. Selbst wenn sich die öffentliche Verwaltung als Teil der systemrelevanten Institutionen aktuell einem enormen Adaptions- und Reaktionsdruck ausgesetzt sieht, so dürfen ethische Grundprinzipien bei dieser Form der Veränderung nicht außen vorgelassen werden. Die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die sachliche und ethische Korrektheit des Verwaltungshandels ist insbesondere in einer Ausnahmesituation unerlässlich, wie sie etwa die aktuelle Pandemie darstellt. Zudem werden ethische Standards bei dem neu aufkommenden Themenfeld „Resilienz in der Verwaltung“ wichtig sein, um eine solche Resilienz nicht nur auf einer formellen, faktisch ausgeübten Ebene herbeizuführen, sondern auch auf einer materiellen, zwecksetzenden Ebene.
Bei dem zweiten Themenfeld der Beziehung zwischen Mensch und Maschine wird ethisches Verwaltungshandeln in Zukunft sogar noch wichtiger werden. Durch den Einsatz von smarten Objekten, cyberphysischen Systemen, IoT-Plattformen und künstlicher Intelligenz wird sich nicht nur das operative Verwaltungshandeln verändern.9 Hierbei werden sich die relevanten Akteure schließlich auch fragen müssen, ob alles, was technisch umsetzbar ist, auch im Interesse der Bürger ist. Um die möglichen disruptiven Folgen einer zunehmenden Digitalisierung abzufedern, wird es für die öffentliche Verwaltung unabdingbar sein, sich mit ethischen Fragestellungen bei der Datenerhebung, -verarbeitung und -übertragung auseinanderzusetzen. Das Datenethikkonzept einer Kommune muss genau an dieser Notwendigkeit sowie beim ethischen Grundverständnis in der Verwaltung ansetzen. Es soll einen Beitrag dazu leisten, den öffentlichen Sektor und insbesondere die kommunale Ebene für die künftigen Entwicklungen in dem Bereich der Verwaltungsethik zu unterstützen.
3.
Literaturanalyse: Datenethik und erste Datenethikkonzepte ^
Vielerorts bilden Daten eine immer wichtigere und wertvollere Arbeitsgrundlage, sowohl für Unternehmen als auch für die öffentliche Verwaltung. Die Erhebung und Nutzung von Daten birgt jedoch Gefahren, denen mit grundlegenden Konzepten begegnet werden muss. Der Schutz des Einzelnen vor einem Missbrauch personenbezogener Daten führte seit den 1960er Jahren zur Datenschutzgesetzgebung. Heute steht dabei die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen im Vordergrund. Jeder Mensch soll nicht durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinen Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt werden. Zugleich soll jeder Mensch grundsätzlich selbst entscheiden können, wem wann welche seiner persönlichen Daten zugänglich sein sollen. Der Ansatz der Informationssicherheit dient dagegen dazu, Informationssysteme vor Angriffen Dritter zu schützen, um deren Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität sicherzustellen. So sollen Gefahren oder Bedrohungen verhindert, wirtschaftliche Verluste vermieden und Risiken minimiert werden.
Die zunehmende Vernetzung über das Internet der Daten, der Dinge, der Dienste und das taktile Internet eröffnet im Umgang mit Datenbeständen neuartige Möglichkeiten. Die gleichzeitigen Fortschritte bei der Analyse großer Datenbestände und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz erweitern bestehende Einsatzszenarien. Diese können allerdings zu einem ethisch zweifelhaften Verhalten im Umgang mit Daten führen, mit dem sich die Datenethik auseinandersetzt. Bei dieser Wissenschaft handelt es sich um einen Zweig der angewandten Ethik, die moralische Probleme untersucht und bewertet sowie die Werturteile im Zusammenhang mit Daten, Algorithmen und entsprechenden Praktiken beschreibt, um moralisch gute Lösungen zu formulieren und zu unterstützen. Ihr Ziel ist es, eine verantwortungsvolle und nachhaltige Nutzung von Daten zum Nutzen der Menschen und der Gesellschaft zu fördern und sicherzustellen, dass das durch Daten gewonnene Wissen nicht gegen die legitimen Interessen eines Einzelnen oder einer Gruppe verwendet wird.10
Auch aus diesen Gründen hat die deutsche Bundesregierung 2018 eine unabhängige Datenethikkommission eingerichtet. Diese erhielt den Auftrag, innerhalb eines Jahres ethische Maßstäbe und Leitlinien sowie konkrete Handlungsempfehlungen für den Schutz des Einzelnen, die Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Sicherung und Förderung des Wohlstands im Informationszeitalter zu entwickeln.11 Im Herbst 2019 hat sie ihren Abschlussbericht vorgelegt. Dieser enthielt Ausführungen zu allgemeinen ethischen und rechtlichen Grundsätzen und Prinzipien sowie Handlungsempfehlungen zu Anforderungen an die Nutzung personenbezogener Daten sowie zur Verbesserung des kontrollierten Zugangs zu personenbezogenen Daten. Darüber hinaus wurde auf Datenzugangsdebatten jenseits des Personenbezugs eingegangen.12
Ein Datenethikkonzept hat nach Vorstellungen der deutschen Bundesregierung demnach die orientierende Aufgabe, ethische Maßstäbe und Leitlinien sowie konkrete Handlungsempfehlungen für den Schutz des Einzelnen, die Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Sicherung und Förderung des Wohlstands in Zeiten der Digitalisierung zusammenzutragen. Die britische Regierung fokussiert sich mit ihrem 2018 verabschiedeten und 2020 überarbeiteten Datenethikrahmenwerk auf die Mitarbeitenden in den Behörden. Sie hat einen Leitfaden für alle Organisationen des öffentlichen Sektors vorgelegt, damit diese angemessen und verantwortungsvoll Daten bei der Planung, Umsetzung und Bewertung einer neuen Politik, eines Programms oder Verwaltungsleistungen nutzen. Dazu wird auf Transparenz, Rechenschaftspflicht und Fairness als übergreifende Prinzipien gesetzt. Konkrete Handlungsvorschläge umfassen den Blick auf den öffentlichen Nutzen und den Bedarf, die Einbindung vielfältiger Expertise, die Einhaltung von Recht und Gesetz, die Reflektion von Qualität und Grenzen vorliegender Daten und die Reflektion politischer Implikationen.13
Aus dem Blickwinkel einer Stadt, welche die Digitalisierung vor Ort aktiv gestalten möchte, kann ein Datenethikkonzept aber auch anderen Zielen dienen. So hat sich die Stadt Eindhoven 2017 mit ihrer „Smart Society Charter“ in erster Linie Architekturprinzipien und Richtlinien zum Internet der Dinge gegeben. Diese umfassen den Datenschutz, offene Daten und offene Schnittstellen, offene Standards, ein möglichst breites Teilen, Modularität, Sicherheit und soziale Verantwortung.14 Die „Digitalstadt Darmstadt“ hat sich einen eigenen Ethik- und Technologiebeirat berufen. Dieser beschloss 2019 „ethische Leitplanken für die Entwicklung der Stadt Darmstadt zur Digitalstadt“. Diese Richtlinien umfassen eine Gemeinwohlverpflichtung, die demokratische Kontrolle, Verantwortung und Transparenz, einen diskriminierungs- und barrierefreien Zugang zu Dienstleistungen, die Souveränität von Stadt und Bürgerschaft, den Datenschutz, die Veröffentlichung von Daten, eine Technikfolgenabschätzung, Nachhaltigkeit sowie die Gewährleistung der Infrastruktursicherheit.15 Die Stadt Barcelona erarbeitete sich 2019 im Rahmen ihrer ethischen digitalen Standards ein eigenes Manifest zu technologischer Souveränität und den digitalen Rechten von Städten. Dieses Manifest thematisiert die technologische Souveränität der Städte, digitale Rechte der Bürger, freie Software, offene Daten, offene Standards, offene Dokument- und Datenformate und offene Kommunikationsprotokolle, gemeinsame Entwicklung, Bürgerbeteiligung und Mitgestaltung sowie Transparenz, Auditierbarkeit, Sicherheit und Datenschutz.16 Damit lässt sich in einem Zwischenfazit festhalten, dass es unterschiedliche Zielvorstellungen sowie Wege und Ansätze gibt, wie ein ethisch angemessener, verantwortungsvoller und nachhaltiger Umgang staatlicher Akteure mit Daten zum Nutzen von Verwaltung, Bürgern und Gesellschaft realisiert werden kann. In einem Datenethikkonzept lassen sich ethisch geeignete Wege, Maßnahmen und Leitlinien zum Umgang mit Daten, Datenverarbeitung und Datenspeicherung für eine Organisation festhalten.
4.
Gewählte Methodik: Kollaborative Erarbeitung eines Datenethikkonzepts ^
Im Rahmen der Vertragsverhandlungen im BMBF-Projekt „Zukunftsstadt Ulm – Dritte Phase“ kam im Winter 2019, parallel zu den ersten Sitzungen der Datenethikkommission der Bundesregierung, der Wunsch des Zuwendungsgebers und dessen Beirats auf, mit einem Datenethikkonzept eine angemessene Grundlage für alle datenbasierten Vorhaben in der Stadt Ulm zu legen. Insbesondere mit der sich in Konzeption und Umsetzung befindlichen Datenplattform bewegt sich die Stadt in Bereichen, die bisher im Rahmen einer Folgenabschätzung kaum reflektiert wurden. Der Verfasser sagte der Stadt Ulm in diesen Verhandlungen zu, ein Datenethikkonzept zu entwickeln, sobald die Datenethikkommission im Herbst 2019 ihre Empfehlungen vorgelegt habe. Zur eigenen Vorbereitung ließ er seine Studierenden an der Zeppelin Universität im Fall Semester (September – November 2019) recherchieren. Im Rahmen einer projektorientierten Lehrveranstaltung, zusammen mit der Smart Government Akademie Bodensee, übernahm Leoni Lübbert die weiterführende Aufgabe, gemeinsam mit der Stadt Friedrichshafen einen ersten Entwurf für ein Datenethikkonzept zu erarbeiten. Sie sollte sich mit Datenethik befassen und eigene Vorschläge aus Bürgersicht für einen ethisch korrekten Umgang mit Daten erarbeiten. Ausgangsbasis waren die Ethikkonzepte der Städte Eindhoven und Darmstadt. Aus diesen Vorlagen erstellte sie eine erste Skizze. Dieser Entwurf wurde in einem vierstündigen Workshop am 09. Oktober 2019 mit Vertretern des sich in Gründung befindlichen Amtes für Digitalisierung und Studierenden intensiv diskutiert. Es wurden Erwartungen der Stadt Friedrichshafen aufgenommen und gemeinsam weiterentwickelt. Impulse aus dem Bericht der Datenethikkommission flossen ebenso in ihre Überlegungen ein. Am 15. November 2019 präsentierte Frau Lübbert Mitarbeitenden der Städte Friedrichshafen, Ulm, Konstanz und Ravensburg ihre Forschungsergebnisse mit einem Poster und einer Präsentation. Im Rahmen dieser Semesterabschlussveranstaltung wurden die Resultate intensiv diskutiert und äußerst positiv bewertet. Frau Lübbert schlug vor, Datenethikkonzepte gemeinsam mit den Bürgern zu entwickeln, damit sich alle relevanten Stakeholdergruppen einbringen, eigene Vorschläge vorlegen und ihre Präferenzen mitteilen können. Insbesondere der Wunsch nach einem niederschwelligen Zugang und einer für Bürger verständlichen Aufbereitung wurde gelobt. Zugleich trage es dazu bei, gleichzeitig Unsicherheiten und Sorgen vor einem Überwachungsstaat abzubauen und Vertrauen aufzubauen. Zudem sei dieses Vorgehen gut auf andere Städte übertragbar und hilft dabei den Diskurs über die Digitalisierung zu führen. Der Verfasser schlug im Rahmen der Abschlussveranstaltung, ganz im Sinne von Open Access, allen anwesenden Städten vor, ihnen den Entwurf zeitnah zukommen zu lassen, so dass sie sich eigenverantwortlich innerhalb ihrer Stadt und auf dieser Grundlage an eine weitere Konkretisierung und Beschlussfassung machen können. Zugleich prognostizierte er, dass trotz einer identischen Grundlage zu Beginn alle beschlossenen Varianten doch sehr unterschiedlich ausfallen werden. Die Städte nahmen dieses Angebot dankend an. Bisher hatte noch keine der genannten Städte ein eigenes Datenethikkonzept entwickelt. Die gewählte Vorgehensweise half ihnen, einen solchen Prozess anzugehen und dessen Realisierung zu beschleunigen.
Ulm muss 2020 im Rahmen des Fördervorhabens Zukunftsstadt Ulm ein Datenethikkonzept vorlegen. Daher setzten sich im Januar 2020 der Oberbürgermeister, der Leiter der Zentralstelle und die Leiterin der Geschäftsstelle Digitale Agenda mit dem Verfasser zusammen, um zu beraten, was mit einem Datenethikkonzept bezweckt und welche Vorgehensweise für die Erstellung eines Datenethikkonzepts gewählt werden soll, das dann vom Gemeinderat beschlossen werden muss. Die Idee eines Beirats nach Darmstädter Vorbild, in dem sich Juristen oder Ethiker damit beschäftigen, wurde ebenso wie die Beauftragung einer juristischen Kanzlei verworfen. Grund dafür war, dass diese Vorhaben zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde, ohne ein passendes Ergebnis zu garantieren. Der bürgerorientierte Aufschlag der Zeppelin Universität besaß dagegen den Charme, dass ein Entwurf schon vorlag, selbst wenn dieser noch an die Anforderungen der Stadt Ulm anzupassen war. Mit dem Oberbürgermeister wurde beschlossen, diesen Weg unter Einbindung des Rechtsamts und aller Dezernenten zu gehen. In mehreren Sitzungen im Frühjahr 2020 wurde der vorliegende Entwurf konkretisiert, erweitert, angepasst und um Elemente aus dem Manifest der Stadt Barcelona17 ergänzt.
Im neu eingerichteten Kreativraum des Ulmer Verwaltungslabors sollte am 22. Juli 2020 ein offener Workshop für die Verwaltungsmitarbeitenden stattfinden, um auch deren Vorstellungen angemessen zu berücksichtigen. Im Vorfeld gab es von Seiten des Verschwörhauses, einer lokalen Anlaufstelle für die Zivilgesellschaft zur Digitalisierung von Stadt und Region, zahlreiche kritische Anmerkungen zum vorliegenden Entwurf. Insbesondere wurde bemängelt, dass der Aufschlag nicht weitreichend genug sei. Überlegungen aus dem britischen Datenethikrahmenwerk18 zur Nutzung von Daten bei der Planung, Umsetzung und Bewertung neuer Programme und Verwaltungsleistungen und damit datenwissenschaftliche Überlegungen seien bisher kaum berücksichtigt worden. Ein vorbereitender Austausch führte dazu, dass dem skeptischen Meinungsführer vorgeschlagen wurde, er möge doch Umformulierungen, Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge direkt im aktuellen Entwurf vornehmen. So kamen zahlreiche Änderungsvorschläge mit signifikanter Blickfeldweitung zusammen. Gemeinsam wurden die Entwürfe in weiteren Runden besprochen, geschärft und finalisiert. Im Workshop am 22. Juli 2020 konnte in größerer Runde ein substantiell überarbeiteter Vorschlag besprochen und um weitere Forderungen ergänzt werden. Die danach vorliegende Fassung sprengte vom Umfang her die Erwartungen. So musste eine weitere Konsolidierung vorgenommen werden, damit die Punkte weiter kurz und verständlich, gleichzeitig aber auch politisch durchsetzbar bleiben. Die vollständig überarbeitete Version des Datenethikkonzeptes wurde Ende Juli 2020 dem Oberbürgermeister und seinen Dezernenten präsentiert, die diese Ende August 2020 für die Behandlung im Gemeinderat freigaben. Am 08. Oktober 2020 wurde das Konzept vom Ulmer Gemeinderat in der folgenden Form (Kapitel 5) beschlossen und veröffentlicht.
Das Datenethikkonzept beinhaltet ethische Leitlinien für die Konzeption, Programmierung und den Betrieb sowie für die Nutzung von Daten, Anwendungen und IT-Systemen durch die Stadt Ulm. Das Konzept setzt ethische Grundsätze und Werteversprechen der Stadtverwaltung Ulm für den Umgang mit städtischen Daten. Die Stadt Ulm verfolgt mit dem Konzept das Ziel, die Digitalisierung gebrauchstauglich zur Stärkung des Gemeinwohls zu nutzen. Negative Auswüchse gilt es durch ethische Leitlinien zu verhindern. Im Zentrum des Verständnisses stehen die Ulmer Bevölkerung, gelebte Bürgerorientierung sowie die Generierung von Mehrwerten für Stadt, Region und Gesellschaft.
Die Stadt Ulm ist sich bewusst, dass ein Datenethikkonzept allein kein Garant für gemeinwohlorientiertes Handeln sowie den Einbezug und Schutz vulnerabler Gruppen bedeutet. Es kann lediglich Leitlinie und Grundsatz für den weiteren Umgang sein und bedarf ständiger Reflexion aller Beteiligten und ihrer Ziele.
Digitale Techniken haben das Potential die städtische Erbringung von Verwaltungsleistungen effizienter und bürgerorientierter zu gestalten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Technik kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck öffentliche Aufgaben wahrzunehmen ist.
Das Datenethikkonzept gilt für das Handeln der Stadtverwaltung. Die Stadt Ulm wirkt bei ihren Beteiligungen auf eine Übernahme des Datenethikkonzepts hin. Im Rahmen ihres Engagements in Gremien, Verbänden und Unternehmen verpflichtet sich die Stadt Ulm, dass die Inhalte des Datenethikkonzepts auch dort vertreten werden. Der ethische Ordnungsrahmen dieses Handelns ist im Grundgesetz, insbesondere in den Grundrechten, und in den europarechtlichen Vorgaben, namentlich der DSGVO, niedergelegt. Darüber hinaus gelten die einschlägige Gesetzgebung und Verfahrensregeln, die sich auf die Verwendung von Daten beziehen.
5.1.
Privatsphäre sichern ^
Die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger steht an erster Stelle und wird gewahrt. Personenbezogene Daten gilt es zu schützen. Mit „Privacy by Design“ wird sichergestellt, dass bei der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten nur die erforderlichen Daten erhoben werden und diese sicher geschützt bleiben. Das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf niederschwellige Einsicht in städtisch über sie erhobene Daten mit Personenbezug im Sinne der DSGVO wird gewahrt.
Bei der Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Daten ist der Datenschutz von Anfang an zu berücksichtigen. Personenbezogene Daten unterliegen dem von der Verfassung und der ständigen Rechtsprechung garantierten Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung. Die Erfassung und gegebenenfalls Weitergabe von personenbezogenen Daten geschehen nicht zum Zwecke eines Verkaufs oder Erlangung einer geldwerten Leistung.
5.2.
Daten öffnen ^
Offene Daten sind sämtliche Datenbestände, die im Interesse der Allgemeinheit der Gesellschaft ohne jedwede Einschränkung zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur freien Weiterverwendung frei zugänglich gemacht werden. Offene städtische Daten sind ein notwendiges Element der technologischen Souveränität. Ziel städtischen Handelns muss es sein, diese Daten transparent, barrierefrei, vollständig, maschinell abrufbar und nachhaltig bereitzustellen. Innovationen und Verbesserungen des städtischen Zusammenlebens werden durch die offene Bereitstellung aller erhobenen, nicht-personenbezogenen städtischen Daten gefördert.
Das Ziel ist es, die Vorteile der Nutzung vorhandener Daten in vollem Maße auszuschöpfen, um Transparenz zu schaffen, Wissen zugänglich zu machen, Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen, vorhandene Verwaltungsleistungen zu verbessern, neue Erkenntnisse durch wissenschaftliche Auseinandersetzungen auf der Grundlage von Daten zu gewinnen und neue Betriebs- und Geschäftsmodelle zu ermöglichen.
5.3.
Weitergabe und Weiternutzung offener Daten sicherstellen ^
Die Stadt Ulm setzt darauf, dass die verbindliche Annahme von offenen Standards, Dokumenten- und Datenformaten und Kommunikationsprotokollen die Transparenz, die Koordination zwischen den städtischen Einrichtungen und die Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft verbessern wird.
Von einer hohen Verbreitung und Nutzung der Daten und Werke, die durch die Stadt Ulm und ihrer Beteiligungen oder in deren Auftrag erhoben und geschaffen werden, sollen Stadt, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft profitieren. Alles Weitere ist in einer Satzung zu regeln. Die Stadtverwaltung Ulm wird diese Grundsätze bei einer Weitergabe von Daten wahren.
5.4.
Abhängigkeiten vermeiden und Souveränität stärken ^
Die Stadt Ulm strebt größtmögliche technologische Souveränität an. Alle verwendeten Dienste und Produkte durch Drittanbieter sollen auf Grundlage von vereinbarten und offenen Standards entwickelt sein.
Die Nutzung von etablierten und breit anerkannten Standards stellt sicher, dass Dienste und Produkte kontinuierlich zum besten Nutzen der Stadt weiterentwickelt werden können. Abhängigkeiten von einzelnen Unternehmen sind zu vermeiden. Mit proprietären Schnittstellen und Austauschformaten kann diese Unabhängigkeit nicht gewährleistet werden. In begründeten Fällen kann jedoch proprietäre Software verwendet werden. Zur möglichen späteren Austauschbarkeit einzelner Komponenten sollen stets offene Schnittstellen und Austauschformate eingesetzt werden.
5.5.
Demokratische Kontrolle sichern ^
Die digitale Demokratie ermöglicht mehr Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung und Verwaltung von Städten und städtischen Dienstleistungen. Die Zielsetzung, Entwicklung, Durchführung und Nutzung von Digitalisierungsprojekten beraten und entscheiden innerhalb der von der Gemeindeordnung und der Hauptsatzung der Stadt Ulm vorgegebenen Grenzen der Gemeinderat und seine Ausschüsse.
5.6.
Transparenter Umgang mit Daten, Algorithmen und automatisierten Systemen ^
Die Verantwortung demokratisch gewählter Gremien für Entscheidungen der Stadt muss erhalten bleiben. Automatisierte Verfahren dürfen diese nicht ersetzen. Die Kriterien automatisierter Verwaltungsentscheidungen sind offenzulegen. Bei Kommunikationen der Stadt mit Bürgerinnen und Bürgern ist von vornherein klarzustellen, wenn eine Maschine eingesetzt wird oder Entscheidungen ohne Einbezug eines Mitarbeiters einzig durch technische Systeme getroffen werden.
Werkzeuge, Daten und Algorithmen sollen transparent und offen sein. Eine so gelebte Vorgehensweise ermöglicht es der Stadt Ulm und allen anderen, Ergebnisse und Arbeitsabläufe transparent nachvollziehbar und für Dritte reproduzierbar zu halten.
Bei allen datenbezogenen Entscheidungsmechanismen müssen der Ursprung der zugrundeliegenden Daten und die ihnen innewohnenden Verzerrungseffekte reflektiert werden.
5.7.
Sicherheit der Systeme gewährleisten ^
Die verwendeten technischen Systeme werden nach dem aktuellsten Stand der Technik und nach bestem Wissen und Gewissen vor Angriffen, Manipulation und unbefugtem Zugriff geschützt.
5.8.
Gemeinwohlverpflichtung, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung verankern ^
Das Entwickeln und das Erproben von neuen Technologien sowie das Kombinieren, Aggregieren und Interpretieren verschiedener Datenbestände können unerwartete und gegebenenfalls ungewollte Seiteneffekte produzieren. Der Digitalisierungsprozess muss daher zu jeder Zeit dem Gemeinwohl verpflichtet sein, ohne dabei Experimentierräume zu verhindern.
Ziel der digitalen Umgestaltung muss stets eine prozessuale, soziale, ökonomische und/oder ökologische Verbesserung der städtischen Verwaltungsleistungen und Angebote sein, sowohl für heutige wie auch künftige Generationen. Dies soll so wirtschaftlich und sparsam wie möglich erfolgen.
5.9.
Evaluierung und Sanktionen ^
Sobald der vorhandene rechtliche Rahmen, die Gesetze und das Ortsrecht durch neue, überlegenere Technologien überholt werden, müssen ethische Folgen nach bestem Wissen und Gewissen reflektiert und die Regeln mit den demokratisch legitimierten Gremien weiterentwickelt werden.
Das Datenethikkonzept und seine Einhaltung werden regelmäßig überprüft und gegebenenfalls nachgearbeitet. Dies umfasst eine externe Evaluierung.
Die Form möglicher Sanktionen wird in einer Erprobungsphase erarbeitet und danach implementiert.
6.
Ausblick: Wissenstransfer und kontinuierliche Weiterentwicklung ^
Das Datenethikkonzept der Stadt Ulm ergänzt die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz und zur Informationssicherheit. Als Selbstverpflichtung der Stadt Ulm und aller kommunalen Beteiligungen definiert es Leitlinien und Grenzen, wie und zu welchen Zwecken Daten durch die Stadt Ulm genutzt werden dürfen. Hierbei werden bestimmte Bereiche, wie der Verkauf personenbezogener Daten, generell ausgeschlossen. Gleichzeitig soll eine zielgerichtete und datenschutzkonforme Nutzung der Daten ermöglicht werden. „Die Ulmer Bürgerinnen und Bürger sollen Vertrauen in die zunehmende Digitalisierung ihrer Stadt haben, daher entwickeln wir selbst Leitlinien zum Umgang mit städtischen Daten.“ betont Oberbürgermeister Gunter Czisch in der dazugehörigen Pressemitteilung. Durch die transparente Festschreibung, zu welchen Zwecken Daten genutzt werden dürfen, können die Ulmer Bürgerinnen und Bürger die Nutzung ihrer Daten nachvollziehen. „Hiermit tritt die Stadt Ulm entschieden etwaigen Konzepten eines Überwachungsstaates entgegen. Letztlich kann die Digitalisierung der Stadt nur gelingen, wenn die Bürger diese unterstützen und auf ein rechtmäßiges wie ethisches Handeln vertrauen.“ erklärt Sabine Meigel, Leiterin der Geschäftsstelle Digitale Agenda. Hierfür wurde mit dem Beschluss des Gemeinderats ein wichtiger Grundstein gelegt.20
Dieser Beschluss und die Veröffentlichung des Datenethikkonzeptes im Oktober 2020 sorgten für Aufsehen. Nach der Veröffentlichung einer Pressemitteilung erreichten Nachfragen von Redaktionen, Städten und den kommunalen Spitzenverbänden sowohl die Stadt Ulm als auch das TOGI der Zeppelin Universität. Das Konzept ist über das Internet verfügbar und kann uneingeschränkt weiterverwendet werden. Dies ist auch ein Beitrag der Ulmer Akteure zum Wissenstransfer in andere Städte und Gemeinden, die nicht in den Genuss der begrenzten Fördermittel kamen, aber von den Ergebnissen der Förderung ebenso profitieren sollen. Der Zuwendungsgeber wünscht, dass sich viele Kommunen auf dieser Grundlage Gedanken über ein kommunales Datenethikkonzept machen. Alternativ könnten sie zwar auch bei Null beginnen und einen eigenen neuen Entwurf wagen. Dies dürfte jedoch einiges an Zeit erfordern und knappe Ressourcen unnötig binden.
Die Städte Friedrichshafen, Konstanz und Ravensburg haben sich mit dem von Frau Lübbert vorgestellten Datenethikkonzept auseinandergesetzt und dieses stadtintern weiterentwickelt. Bis zum Dezember 2020 schaffte es aber keine dieser Städte ein vom Gemeinderat beschlossenes Datenethikkonzept vorzulegen. Die Stadt Ulm wird sich auf dem bisher Erreichten nicht ausruhen. Im Rahmen der Projekte Zukunftsstadt Ulm, Zukunftskommune Ulm und Smart City Ulm (Ulm4CleverCity) wird sie das Datenethikkonzept vorstellen, mit den Partnern und Beiräten reflektieren und anschließend angemessen weiterentwickeln. Zahlreiche Sensoren in der Stadt und die künftige Datenplattform bieten eine Infrastruktur, um Entscheidungen treffen und die Stadt effizienter und effektiver steuern zu können. Zwangsläufig stellt sich dabei immer wieder die Frage, wie und zu welchen Zwecken die Daten genutzt werden. Eine Öffnung smarter Datenbestände wäre hier vortrefflich. Eine Satzung der Stadt zur Weitergabe und Weiternutzung offener Daten und offener Werke gilt es in den kommenden Monaten aber noch zu erarbeiten.
7.
Reflektion zur Vorgehensweise und offenen Fragen 1 ^
Rund 12 Monate waren erforderlich, bis die Stadt Ulm ihr Datenethikkonzept beschlossen hatte. Bei Bedarf hätte der Prozess beschleunigt werden können. So aber liegt das Konzept rechtzeitig zum Start der Ulmer Datenplattform vor. Ganz bewusst wurde für den Entwurf nicht auf Juristen und Ethiker gesetzt. Dieser Weg wurde von der Stadt mit dem Argument verworfen, er würde wegen vielfältiger Meinungen und Sichtweisen sehr viel länger dauern. Die gewählte Vorgehensweise setzt auf bestehenden Datenethikkonzepten auf, reflektiert Bausteine aus einer Bürgersicht und einer städtischen Sicht und greift relevante Elemente auf. Gerade die Bürgersicht, in diesem Falle artikuliert durch Studierende der Zeppelin Universität und das Verschwörhaus, sorgt für einen signifikanten Unterschied. Die Anregungen aus der Mitarbeiterschaft der Stadt Ulm waren ebenso sehr hochwertig und erweiterten das Blickfeld. Die kollaborative Erarbeitung eines Datenethikkonzeptes hat sich damit bewährt. Nun muss es sich auch in der Umsetzung auszeichnen.
Ende 2020 liegen noch nicht viele kommunale Datenethikkonzepte vor. So lässt sich derzeit nicht abschätzen, welche der vorliegenden Konzepte wirklich weite Verbreitung finden werden. Der freie Zugang ist auf jeden Fall ein wichtiger Erfolgsfaktor zum Wissenstransfer. Es wäre wünschenswert, dass das vom Gemeinderat beschlossenes Datenethikkonzept auch Signalwirkungen weit über Ulm hinaus entwickelt.
8.
Literatur ^
- Datenethikkommission: Gutachten der Datenethikkommission – Kurzfassung, Datenethikkommission, Berlin 2019a.
- Datenethikkommission: Gutachten der Datenethikkommission, Datenethikkommission, Berlin 2019b.
- Deutscher Ethikrat: Themen, https://www.ethikrat.org/themen/alle-themen/ (Aufgerufen am 01. Dezember 2020), 2020.
- Floridi, Luciano und Taddeo, Mariarosaria: What is data ethics? Philosophical Transactions A, 374:20160360, S. 1-5, http://dx.doi.org/10.1098/rsta.2016.0360 (aufgerufen am: 14. November 2020), 2016.
- Papenfuß, Ulf: Public Corporate Governance, in: Christoph Reichard/Sylvia Veit/Göttrik Wewer (Hrsg.), Handbuch zur Verwaltungsreform, 5. Auflage, Wiesbaden, 2019.
- Prümm, Hans Paul: Verwaltungsethik in die akademische Ausbildung für die öffentliche Verwaltung! in: Dagmar Lück-Schneider und Denis Kirstein (Hrsg.): Verwaltungsethik – Selbstverständnis und Themenfelder in Lehre, Forschung und Praxis an der FHöD (Beiträge aus dem Fachbereich Allgemeine Verwaltung Nr. 17/2013), Berlin, HWR 2013, S. 19–64.
- Stadt Barcelona: Manifesto in favour of technological sovereignty and digital rights for cities, https://www.barcelona.cat/digitalstandards/manifesto/0.2/ (aufgerufen am: 14. November 2020), 2019.
- Stadt Darmstadt: Ethische Leitplanken für die Entwicklung Darmstadts zur Digitalstadt, https://www.digitalstadt-darmstadt.de/digitalstadt-darmstadt/beiraete/ (aufgerufen am: 14. November 2020), 2019.
- Stadt Eindhoven: Smart Society Charter, https://data.eindhoven.nl/explore/dataset/eindhoven-smart-society-iot-charter/information/ (aufgerufen am: 14. November 2020), 2017.
- Stadt Ulm und Zu: Gemeinderat beschließt Datenethikkonzept für die Stadt Ulm, Stadt Ulm, Ulm 2020.
- Stadt Ulm: Datenethikkonzept für die Stadt Ulm, https://www.zukunftsstadt-ulm.de/sites/default/files/downloads/ulm-201008-txt-datenethikkonzept-stadt-ulm-final.pdf (aufgerufen am: 14. November 2020), 2020.
- Tranberg, Pernille; Hasselbalch, Gry; Kofod Olsen, Birgitte und Søndergaard Byrne, Catrine: Data Ethics. Principles and Guidelines for Companies, Authorities & Organisations, 2018.
- UK Government: Data Ethics Framework, Department for Digital, Culture, Media & Sport, London, 2018.
- UK Government: Data Ethics Framework, Government Digital Service, London, 2020.
- von Lucke, Jörn: Disruptive Modernisierung von Staat und Verwaltung durch den gezielten Einsatz von smarten Objekten, cyberphysischen Systemen und künstlicher Intelligenz, Digitalisierung von Staat und Verwaltung - Gemeinsame Fachtagung Verwaltungsinformatik (FTVI) und Fachtagung Rechtsinformatik (FTRI) 2019, 2019 (291), S. 49–61.
- von Lucke, Jörn: Zukunftsstadt Ulm als Vorreiter für eine verantwortungsbewusste Digitalisierung, in: Erich Schweighofer, Walter Hötzendorfer, Franz Kummer und Ahti Saarenpää (Hrsg.): Verantwortungsbewusste Digitalisierung – Responsible Digitalization, 23. IRIS 2020, Editions Weblaw, Bern 2020, S. 319–326.
- Wüster, Kerstin: Verwaltungsethik – Einleitende Überlegungen und Forschungsfragen, in: Dagmar Lück-Schneider und Denis Kirstein (Hrsg.): Verwaltungsethik – Selbstverständnis und Themenfelder in Lehre, Forschung und Praxis an der FHöD (Beiträge aus dem Fachbereich Allgemeine Verwaltung Nr. 17/2013), Berlin, HWR 2013, S. 9–17.
- 1 Vgl. von Lucke 2020, S. 319–326.
- 2 Vgl. Stadt Ulm 2020.
- 3 Vgl. Prümm 2013, S. 22 ff.
- 4 Prümm 2013, S. 25.
- 5 Deutscher Ethikrat: https://www.ethikrat.org.
- 6 Expertenkommission Deutscher Public Corporate Governance-Musterkodex: https://pcg-musterkodex.de. Vgl. Papenfuss. 2019.
- 7 Vgl. Wüster 2013, S. 9.
- 8 Vgl. Deutscher Ethikrat 2020: https://www.ethikrat.org/themen/alle-themen/.
- 9 Vgl. von Lucke 2019.
- 10 Vgl. Floridi/Taddeo 2016 und Tranberg et al. 2018.
- 11 Vgl. Datenethikkommission 2019a, S. 5.
- 12 Vgl. Datenethikkommission 2019a und Datenethikkommission 2019b.
- 13 Vgl. UK Government 2018 und UK Government 2020.
- 14 Stadt Eindhoven 2017.
- 15 Stadt Darmstadt 2019.
- 16 Stadt Barcelona 2019.
- 17 Stadt Barcelona 2019.
- 18 Vgl. UK Government 2018.
- 19 Stadt Ulm 2020. Abschnitt 5 beinhaltet den Volltext des gesamten Datenethikkonzepts der Stadt Ulm.
- 20 Vgl. Stadt Ulm und ZU 2020.