Beim «Zero Rating» handelt es sich um eine Geschäftspraxis, bei der ein Internetprovider einen vergünstigten oder kostenlosen Tarif anwendet auf den mit bestimmten Anwendungen generierten Internetverkehr. Diese Daten werden m.a.W. nicht auf die im Rahmen des Basistarifs erworbene Datenmenge angerechnet. Dies spielt selbstverständlich nur für Tarife mit limitierten Datenvolumen eine Rolle; zu diesen gehören jedoch auch «Pseudo-Flatrates», bei denen nach Erreichen eines bestimmten Volumens der Datendurchsatz gedrosselt wird. Zero Rating wird oft, aber nicht immer, für Anwendungen angeboten, die vom Zugangsanbieter selber oder von Partnern dieses Zugangsanbieters angeboten werden.1
Zero Rating führt zu einer Diskriminierung der anderen Anwendungen im Netz des entsprechenden Internetproviders, zu Wettbewerbsverzerrungen, und damit zu einer Verletzung der sogenannten Netzneutralität.2 In drei aufsehenerregenden Entscheiden (C-854/19, C-5/20 und C-34/20) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im vergangenen September die bis dahin unklare Rechtslage bezüglich Zero Rating in der EU geklärt.
Das Gericht entschied im sogenannten Vorabentscheidungsverfahren auf Anfrage zweier deutscher Gerichte. Die beiden Gerichte wollten vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar sei, wenn ein Anbieter von Internetzugangsdiensten die Bandbreite limitiert bzw. Tethering (d.h. das Anbinden eines anderen Gerätes an das Mobiltelefon mit der Funktion «Mobile Hotspot») oder Roaming einschränkt, wenn der Kunde eine solche «Nulltarif-Option» wählt.
Im Fall eines Angebots von Vodafone galten die entsprechenden Zero-Rating-Angebote nur im Inland, aber nicht in Roaminggebieten. Zudem waren sie im Fall von Tethering ausser Kraft. Im Fall eines Angebots der Deutschen Telekom3 konnten Kunden eine Nulltarif-Option buchen, bei der das auf Audio- und Videostreaming von Contentpartnern der Deutschen Telekom entfallende Datenvolumen nicht auf das Inklusivdatenvolumen des Basistarifs angerechnet wurde.
In seinen Entscheidungen wies der EuGH darauf hin, dass bei einer derartigen Nulltarif-Option auf der Grundlage kommerzieller Erwägungen eine Unterscheidung innerhalb des Internetverkehrs vorgenommen werde. Eine solche Geschäftspraxis verstosse gegen die allgemeine, in der Verordnung über den Zugang zum offenen Internet4 aufgestellte Pflicht, den Verkehr ohne Diskriminierung oder Störung gleich zu behandeln, m.a.W. gegen die Netzneutralität.
In der Folge verbot auch die deutsche Bundesnetzagentur am 28. April 2022 Zero Rating: Die Deutsche Telekom und Vodafone dürfen ihre Zero-Rating-Optionen ab 1. Juli 2022 nicht weiter vermarkten und müssen bestehende Vertragsverhältnisse bis Ende März 2023 beenden.5
In der Schweiz ist Zero-Rating bereits seit dem Inkrafttreten von Art. 12e Fernmeldegesetzes am 1. Januar 2021 vollumfänglich verboten. Die entsprechende gesetzliche Grundlage ist, im Gegensatz zu jener der EU, unmissverständlich. Das BAKOM setzt das Verbot gegenüber Schweizer Internetprovidern denn auch durch.
- 1 Zum Ganzen etwa Heise Newsticker, 28.4.2022, Netzneutralität: Bundesnetzagentur verbietet Zero Rating, tinyurl.com/45y535yc; Heise Newsticker, 2.9.2021, EuGH: Zero Rating von Telekom und Vodafone verstösst gegen Netzneutralität, tinyurl.com/5x8m67z4; EuGH, Pressemitteilung 145/21, tinyurl.com/3j483t3k.
- 2 Zum Zero Rating vgl. bereits S. Schlauri, VG Köln: Deutsche Telekom verletzt die Netzneutralität, Jusletter IT, 4.12.2018, tinyurl.com/249x7c97. Zur Netzneutraliät allgemein S. Schlauri, Network Neutrality, Habil. Zürich 2010, tinyurl.com/ljp4med.
- 3 Zum vorangegangenen Eilentscheid des VG Köln S. Schlauri, VG Köln (vorstehende FN).
- 4 Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015.
- 5 Vgl. Heise Newsticker vom 28.04.2022 (FN 1).