Jusletter IT

Justiz 3.0

  • Authors: Christian Gesek / Martin Schneider / Martin Hackl / Thomas Gottwald
  • Category of articles: Legal Informatics
  • Field of law: Legal Informatics
  • DOI: 10.38023/6b62e008-39c5-49bf-9ccf-360ba5a07d4f
  • Citation: Christian Gesek / Martin Schneider / Martin Hackl / Thomas Gottwald, Justiz 3.0, in: Jusletter IT 29 June 2023
The use of technology has been changing the processes in the Austrian justice system for over 40 years now. If we look at the entire legal sector, there are also clear parallels in the associated evolutionary steps of Legal Tech. With the strategic initiative Justice 3.0, the Federal Ministry of Justice has been working since 2013 on fully digital workflows and the digital workplaces required for this, with the close involvement of practitioners. The article offers an insight into the status quo of digitisation in the justice system, an outlook on future developments and the corresponding strategic considerations.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einführung und Historie
  • 2. Gemeinsame Prinzipien
  • 3. Aktueller Stand der Arbeiten
  • 4. Der «eCourt» der Zukunft
  • 5. Verfahrensmanagement Vorher – Nachher
  • 6. Ausblick für eine digitale Justiz
  • 7. Die Rolle von künstlicher Intelligenz
  • 8. Justiz-IT und Legal Tech im Gleichschritt
  • 9. eJustiz-Strategie
  • 10. Schlusswort und Würdigung des Jubilars

1.

Einführung und Historie ^

[1]

Die österreichische Justiz-IT blickt mittlerweile auf eine erfolgreiche, bereits mehrere Jahrzehnte umspannende Geschichte zurück. Die Anfänge reichen zurück bis in die Achtzigerjahre, als mit der Umstellung des Grundbuchs auf ADV die ersten Schritte unternommen wurden.

[2]

Ermutigt durch den Erfolg dieses ersten Projekts wurde die IT-Landschaft im Verlauf der nächsten Jahre und Jahrzehnte um weitere Anwendungen und Services ergänzt.

[3]

Es waren dies unter anderem das elektronische Firmenbuch, das elektronische Unterhaltsvorschussverfahren, die Verfahrensautomation Justiz als zentrale Registeranwendung mit zahlreichen Zusatzfunktionen wie automationsunterstützte Gebührenverwaltung und zentrale Zustellung, ebenso die Ediktsdatei als Plattform für Veröffentlichungen oder die Kommunikationsschiene des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV).

[4]

Bereits in dieser frühen Phase der Automatisierung wurden im Rahmen von universitären Lehrveranstaltungen die Studentinnen und Studenten auf die digitale Justiz vorbereitet. Dies war schon deshalb von erheblicher Bedeutung, weil schon bei den frühen Anwendungen nie der Status quo automatisiert wurde, sondern stets auch die Verfahren auf die Möglichkeiten der Informationstechnik hin optimiert wurden, womit zwangsläufig Rechtsänderungen verbunden waren. Damals wurde auch der Satz „Einsatz der Informationstechnik als Hebel zur Erneuerung der Justiz“ geprägt.

[5]

Auch im Bereich des Strafvollzuges wurde mit den Anwendungen der Integrierten Vollzugs- und Wirtschaftsverwaltungen wertvolle Unterstützung geleistet.

[6]

All dies sind Elemente, die heute aus dem Betrieb der Justiz nicht mehr wegzudenken sind und maßgeblich zum reibungslosen Funktionieren beitragen.

[7]

Die stetig steigende Schlagzahl technischer und methodischer Innovationen brachte es unweigerlich mit sich, dass viele der Anwendungen funktional und technisch als nicht mehr zeitgemäß und damit erneuerungsbedürftig betrachtet werden mussten.

[8]

Verschärfend kam hinzu, dass bereits in den vergangenen Jahren auch in der Justiz ein Anwachsen von digitalen Inhalten zu verzeichnen war, für das jedoch keine adäquate Unterstützung etabliert war: gerade im Bereich justizinterner Zusammenarbeit, also bei der Abbildung von Workflow-Prozessen und des Dokumentenmanagements, wurde das Korsett der bestehenden Lösungen immer stärker spürbar.

[9]

Schlussendlich tat sich gerade in jüngerer Vergangenheit dramatisch beschleunigt eine immer breitere Schere zwischen dem zur Verfügung stehenden Budget und wachsenden Anforderungen auf, die es notwendig machte, am Puls aktueller Entwicklungen weiter zu denken und verbesserte Lösungen zur Verfügung zu stellen.

[10]

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wurde im Jahr 2013 die strategische Initiative Justiz 3.0 ins Leben gerufen, die, kurz gefasst, die bestmögliche Optimierung der vorhandenen IT-Unterstützung des Justizbetriebes bis hin zur vollständig digitalen Akten- und Verfahrensführung anstrebt.

[11]

In der Phase eins dieser Initiative wurden mehr als hundert Justizmitarbeiter aus allen Bereichen, sowohl Entscheidungsorgane als auch Kanzleimitarbeiter, Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher, in Arbeitsgruppen einbezogen. In diesen Arbeitsgruppen wurden die wichtigsten funktionalen Geschäftsfelder der Justiz, wie zum Beispiel «Entscheidungen und Verfügungen», «Aktenlauf», aber auch «Eingangs- und Ausgangsprozesse» einer Ist-Betrachtung unterzogen.

[12]

Darauf aufbauend wurde – befeuert durch Best-practice-Beispiele aus dem internationalen Umfeld – die Vision eines künftigen «Soll» entwickelt, das heißt ein idealtypisches Bild der künftigen IT-Unterstützung für das jeweilige Geschäftsfeld gezeichnet. Die daraus abgeleiteten Handlungsfelder wurden in Form von Verbesserungspotentialen festgehalten, sodass letztlich zu jedem Geschäftsfeld ein gemeinsames Bild zu den erforderlichen Transformationsmaßnahmen vorlag.

[13]

Ebenso beteiligt waren in dieser ersten, etwas länger als ein Jahr dauernden Phase sämtliche hochrangigen Vertreter der Justizverwaltung sowie der Standesvertretungen.

[14]

Im Sommer 2014 konnte schließlich ein Endbericht vorgelegt werden, der einerseits das gemeinsame, im nächsten Kapitel skizzierte Verständnis der künftigen Ausrichtung festhielt, andererseits aber auch Grundlage für konkrete Umsetzungsschritte war. In einer ersten Umsetzungsphase dieser Roadmap wurden letztlich die wesentlichen Grundelemente der erforderlichen Querschnittskomponenten entwickelt, sodass im Dezember 2016 der Pilotbetrieb an vier Gerichten gestartet werden konnte.

[15]

Das Jahr 2017 war geprägt von einer permanenten Verbesserung von Stabilität und Performance des Gesamtsystems, aber auch vom laufenden Einholen von Feedback und Anregungen der Pilotanwender, die evaluiert und in den Anwendungen umgesetzt wurden. Zusätzlich war aber bereits der weitere Pilotbetrieb in der Gattung Cg am Handelsgericht Wien im Fokus, für den ebenfalls technische und funktionale Erweiterungen notwendig waren.

[16]

Im April 2018 konnte plangemäß auch dieser Pilot gestartet werden, aus dem wiederum Erfahrungsgewinn und neue Impulse für die stetige Weiterentwicklung und Verbesserung der Lösungen gewonnen wurden.

[17]

Parallel dazu wurden im ersten Halbjahr 2018 die mittel- und langfristigen Ziele einer Digitalisierung justizintern mit den Fachsektionen erarbeitet und schließlich im dritten Quartal in Form eines Vortrages an den Ministerrat festgehalten.

[18]

Das Jahr 2019 stand in weiterer Folge im Fokus des Rollouts der digitalen Aktenführung an weiteren Gerichten, wodurch sich die Gesamtanzahl an Gerichten mit digitaler Aktenführung im Zivilverfahren verdoppelte.

[19]

Mit der verbesserten budgetären und personellen Ausstattung seit dem Jahr 2020 wurden weitere große Fortschritte mit der Strategischen Initiative Justiz 3.0 erzielt. Dabei hat uns auch die COVID-19-Pandemie gezeigt, dass die österreichische Justiz auf einem sehr guten Weg ist.

[20]

Anfang 2022 konnte das strafrechtliche Ermittlungsverfahren an allen Staatsanwaltschaften inklusive angeschlossener Haft- und Rechtsschutzrichter vollständig digitalisiert werden.

[21]

Nachdem nunmehr auch der Rollout des strafrechtlichen Hauptverfahrens auf Ebene der Landesgerichte im Rahmen der Digitalisierungsoffensive Justiz 3.0 erfolgreich abgeschlossen werden konnte und der Rollout auf Ebene der Bezirksgerichte plangemäß fortschreitet, wird die Gesamtumstellung des Strafverfahrens bis Mitte 2023 verfolgt. Die Gesamtumstellung des Zivilverfahrens auf Ebene der Landes- und Bezirksgerichte wurde bereits im ersten Quartal 2023 abgeschlossen. Die Vorbereitung der digitalen Aktenführung im Rechtsmittelverfahren läuft bereits. Die gesamte bundesweite Umstellung aller Gattungen (Exekution, Insolvenz, Außerstreit etc.) auf die elektronische Aktenführung ist bis Ende 2025 geplant.

Abbildung 1.

2.

Gemeinsame Prinzipien ^

[22]

Als wichtige Eckpfeiler der damit eingeleiteten Digitalen Transformation der Justiz gelten weiterhin die zu Beginn der Initiative gemeinsam definierten Digitalisierungsprinzipien.

[23]

Zentrales Element ist das Bekenntnis zum vollständig digital geführten Akt in der Justiz:

[24]

Damit verbunden sind die Optionen des ortsunabhängigen Zugriffs auf alle Verfahrensinhalte – ein Zugriff, der auch parallel durch mehrere Berechtigte erfolgen kann und bereits dadurch großes Potenzial für die künftige Beschleunigung von Verfahren in sich trägt.

[25]

Ein auch im bisherigen Pilotbetrieb bestätigter wesentlicher Vorteil ist in den mit digitalen Inhalten verbundenen Möglichkeiten der Durchsuchbarkeit, Bearbeitung, Weiterverwendung und vielfältigen Strukturierbarkeit des Akteninhaltes zu sehen. Gerade diese Elemente ermöglichen es erst, besonders umfangreiche Akteninhalte effizient zu verwalten.

[26]

Eine weitere Säule stellt der künftig noch verstärkt anzustrebende Ausbau der elektronischen Kommunikation dar, wobei neben der bereits in der Vergangenheit im Fokus stehenden externen Ausrichtung auch der justizinterne Informationsaustausch forciert werden soll.

3.

Aktueller Stand der Arbeiten ^

[27]

Mit Stand Mai 2023 werden in insgesamt 157 Gerichten und Staatsanwaltschaften Verfahren mit Justiz 3.0 digital geführt. Diese Möglichkeit besteht in Sozial- und Arbeitsrechtsverfahren, in Handelssachen, in allgemeinen Zivilsachen am Landesgericht und Bezirksgericht, Justizverwaltungssachen, in staatsanwaltschaftlichen St-, uT- und BAZ-Verfahren zuzüglich in Haft- und Rechtsschutzsachen sowie im strafrechtlichen Hauptverfahren an allen Landesgerichten und einem Großteil der Bezirksgerichte. Darüber hinaus werden durch den Obersten Gerichtshof auch Akten in Präsidialsachen digital geführt. Insgesamt arbeiten rund 4.100 Anwenderinnen und Anwender mit dem neuen System. Mit Stand Mai 2023 wurden mehr als eine Million Akten ausschließlich digital geführt und mehr als 275.000 Verhandlungen in speziell ausgerüsteten Verhandlungssälen in digital geführten Verfahren abgehalten.

[28]

Während Justiz 3.0 im Bereich der Gerichte aktuell das Ziel der Einführung einer digitalen Aktenführung verfolgt, wurden im Strafvollzug einzelne Grundregister umgestellt und unmittelbar auf alle 27 Justizanstalten ausgerollt. Durch geringfügige Anpassung vorhandener Komponenten (wie Aufgabenverwaltung oder Aktensystem) werden künftig auch im Strafvollzug einzelne Verfahren bzw. der Insassen- und Verwaltungsakt als solches vollständig digital abgebildet.

Abbildung 2.

4.

Der «eCourt» der Zukunft ^

[29]

Eine der zentralen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung in der Justiz ist die Ausstattung von Verhandlungssälen, welche vielfältige Anforderungen zu unterstützen hat und andererseits aber auch besonders einfach in der Bedienung sein muss.

Abbildung 3.

[30]

Wie in seinem Arbeitszimmer findet der Richter im Verhandlungssaal zwei Monitore vor: das Entscheidungsorgan verlässt damit sein Büro, nimmt seinen Tablet-PC mit und steckt diesen im Verhandlungssaal über einen Magnetstecker an. Er findet damit automatisch auch im Saal die gewohnte Arbeitsumgebung vor.

[31]

An der Rückwand hinter der Richterbank kann ein Großbildschirm angebracht werden, der in den Fällen zum Einsatz kommt, wo der Verhandlungsöffentlichkeit bestimmte Akteninhalte präsentiert werden sollen. Diese Möglichkeit besteht auch vorne am Vernehmungsstand über einen kleineren Monitor, wo dem jeweiligen Verfahrensbeteiligten Akteninhalte gezeigt werden können.

[32]

In Abhängigkeit von räumlichen Gegebenheiten und nach laufenden Rückmeldungen aus der Praxis werden auch den Parteien und ihren Vertretern Monitore an den jeweiligen Tischen zur Verfügung gestellt werden.

[33]

Gesteuert wird diese Infrastruktur über ein Touch-Panel zur Mediensteuerung, sodass mit einer einfachen Matrix Eingangssignal und Ausgangsmedium gewählt werden können. Zusätzlich steht ein Multifunktionsgerät zur Verfügung, das sowohl Scannen als auch Kopieren und Drucken ermöglicht. Damit ist auch für Verfahrenssituationen Vorsorge getroffen, in denen Papier entweder vorgelegt wird oder gedruckt werden soll.

5.

Verfahrensmanagement Vorher – Nachher ^

Abbildung 4.

[34]

Im bisherigen Arbeitsumfeld wurde auf einem Bildschirm auf Basis des Papieraktes die Verfahrensautomation Justiz als Registeranwendung aufgerufen, der gesamte Posteingang bzw. Akteneingang und -ausgang war in Papier vorhanden.

Abbildung 5.

[35]

Mit der Digitalisierung stehen jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter zwei Großbildschirme zur Verfügung, wobei diese für Entscheidungsorgane mit Touch-Funktion ausgestattet sind. Der PC wird ersetzt durch einen sogenannten Tablet-PC, der die Vorteile größerer Mobilität und auch ortsunabhängigen Arbeitens mit sich bringt.

Abbildung 6.

[36]

Auf diesen Bildschirmen wird dann das Task-System, das heißt das digitale Ein- und Auslauffach, aufgerufen.

[37]

Diese Aufgabenverwaltung stellt rollen- und organisationsspezifische Sichten auf zu bearbeitende Eingangsstücke und Akten unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Geschäftsverteilung zur Verfügung.

[38]

Durch Funktionen wie Tagging, Notizen und Stapelbildungen werden verschiedenste Organisationsformen unterstützt, sodass die Arbeit in «großen» und «kleinen» Abteilungen effizient und rasch erfolgen kann.

Abbildung 7.

[39]

Nach Anwählen einer Aufgabe öffnet sich – vom Benutzer frei zu definieren – im Fall der Kanzlei z.B. das Aktensystem, das heißt der Ersatz für den herkömmlichen Papierakt, auf dem zweiten Schirm die Registeranwendung Verfahrensautomation Justiz.

Abbildung 8.

[40]

Für das Entscheidungsorgan öffnet sich nach Anklicken der jeweiligen Aufgabe das Aktensystem, das heißt die digitale Abbildung des Akteninhalts. Durch das elektronische Integrationsportal wird sogar eine Verbindung zur jeweils betreffenden Dokumentenstelle im Aktensystem hergestellt, die Grund für die Zuweisung des Akts an die Justizmitarbeiterin oder an den Justizmitarbeiter war.

Abbildung 9.

[41]

Im digitalen Akt bestehen dann sämtliche Möglichkeiten der Bearbeitung, Kommentierung sowie des Setzens von Lesezeichen, die auch in der Papierwelt Verwendung finden, aber mit zusätzlicher Funktionalität, so z.B. der Möglichkeit, diese Anmerkungen für Zwecke der Akteneinsicht wieder auszublenden oder sich auf Basis dieser bereits erfolgten Bearbeitung des Akteninhalts Übersichten, also zielgerichtete Strukturierungen der Dokumente (z.B. für eine bestimmte Verhandlung oder einen Entscheidungsentwurf) automatisch bilden zu lassen.

Abbildung 10.

[42]

Für das Entscheidungsorgan wird zusätzlich zum digitalen Akt auf dem zweiten Bildschirm beispielsweise die Textverarbeitung für Entscheidungsentwürfe, für Protokolle oder ähnliches geöffnet.

Abbildung 11.

[43]

Als weiterer Vorteil der justizinternen digitalen Aktenführung stehen die digitalen Akten den berechtigten Parteien auch unmittelbar und rund um die Uhr im Wege der elektronischen Akteneinsicht zur Verfügung. Einzelne Akten können selbstverständlich gänzlich oder teilweise (durch Einschränkung einzelner Ordnungsnummern) von der elektronischen Akteneinsicht ausgenommen werden.

6.

Ausblick für eine digitale Justiz ^

[44]

Da die Digitalisierung eine Vielzahl an Möglichkeiten in unterschiedlichsten Bereichen mit sich bringt, ist der Fokussierung auf wesentliche Ziele sowie einer Schärfung derselbigen besondere Priorität zuzuerkennen, um eine entsprechende Zielverfolgung und -erreichung sicherzustellen. Diese Ziele können anhand mehrere Dimensionen kategorisiert werden, wobei sich eine grundlegende Unterscheidung nach internem und externem Fokus bewährt.

[45]

Daran anknüpfend lassen sich aus Sicht der Justiz folgende Wertschöpfungsbereiche ableiten:

[46]

Digitaler Kunde (externer Fokus; Imperativ: „Digitalisiere die Kundenerfahrung“): Einsatz digitaler Technologien für Verfahrensbeteiligte der Justiz (z.B. Bürger, Rechtsanwälte, Notare, Insassen),

[47]

Digitale Justiz (interner Fokus; Imperativ „Digitalisiere die Justiz“): Kostensenkung und Prozessoptimierung durch Digitalisierung der internen Prozesse (z.B. durch Softwareeinsatz),

[48]

Neue digitale Services (Imperativ „Bestehende Services «disrupten»“): Entwicklung neuartiger Services durch Digitalisierung.

[49]

Gemäß diesen Wertschöpfungsbereichen wurden entsprechende Schwerpunkte der Digitalisierung abgeleitet. Diese können wie folgt eingeordnet werden:

[50]

Digitaler Kunde: Aufbau einer Bürgerservice-Plattform mit interaktiven Verfahrensservices,

[51]

Digitaler Kunde: Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV),

[52]

Digitale Justiz: Ausbau des digitalen Verfahrensmanagements durch Justiz 3.0,

[53]

Digitale Justiz: Digitalisierung von Verwaltungsverfahren wie dem elektronischem Bildungsmanagement,

[54]

Neue digitale Services: Verbesserung der Sicherheit im Strafvollzug durch Detektoren, Sensoren und Videoanalyse,

[55]

Neue digitale Services: Einführung digitaler Werkzeuge im Strafverfahren, wie Verhandlungsaufzeichnung sowie Analysewerkzeuge.

[56]

Versucht man daraus ein Zielbild einer digitalen Justiz zu zeichnen, so lassen sich einige markante Merkmale erkennen – eine Grundvoraussetzung stellt aber in jedem Fall ein digital geführter Akt dar, weil nur damit weitere digitale Funktionen den nötigen Anknüpfungspunkt vorfinden und ihre vollen Vorteile entfalten können.

Abbildung 12.

[57]

Im Zivilverfahren sollen daher neben einer flächendeckenden digitalen Aktenführung und einer begleitenden Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) auf weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer verstärkt die Möglichkeiten zur Unterstützung des Entscheidungsorgans durch künstliche Intelligenz genutzt werden. Dies soll durch vorbereitende Rechtsrecherchen, Anbringen von Annotationen auf Dokumenten oder durch vorgeschlagene Aktenstrukturierungen erfolgen. Letztlich ist das Entscheidungsorgan durch Entscheidungsvorschläge (wie bereits im Mahnverfahren vorhanden) zu unterstützen.

[58]

Die Vorteile der internen Digitalisierung mit Justiz 3.0 werden seit November 2020 durch das neu in Betrieb genommene Serviceportal „JustizOnline“ (justizonline.gv.at) – welches unterschiedlichste digitale Services wie Akteneinsicht und Verfahrensstandabfrage anbietet – auch nach „außen“ weitergegeben.

[59]

Die zentrale Idee hinter JustizOnline besteht darin, die Justiz für alle Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen leichter zugänglich zu machen. Dies wurde durch die Entwicklung einer modernen Plattform und nutzenstiftender digitaler Services erreicht. Es entfallen einerseits bisher notwendige Wege zu Gericht, andererseits können rasch Informationen und Antworten zu juristischen Fragen des Alltags bereitgestellt werden.

[60]

Die Möglichkeit einer elektronischen Akteneinsicht besteht grundsätzlich schon seit 2004, war allerdings eingeschränkt auf Parteienvertreterinnen und Parteienvertreter in Zivil- und Exekutionsverfahren. Im Zuge der Arbeiten von Justiz 3.0 und der Möglichkeit einer vollständig digitalen Aktenführung wurde die elektronische Akteneinsicht komplett überarbeitet, verbessert und an die Bedürfnisse der Abfrageberechtigten, die nun auch die Bürgerinnen und Bürger umfassen, angepasst. Der Gerichtsakt wird nun vollständig wiedergegeben, inklusive aller Schriftsätze, Beilagen und vom Entscheidungsorgan getroffener Verfügungen.

[61]

Die geplanten Erweiterungsschritte von JustizOnline reichen bis weit in die Zukunft. Neben der Anbindung des Firmen- und Grundbuchs für Register- und Akteneinsicht sowie unmittelbaren digitalen Services („Meine Liegenschaften“) stehen auch elektronische Zahlungsmöglichkeiten von Gerichtsgebühren sowie Anmeldungen von Gläubigerinteressen in Insolvenzverfahren auf der Agenda.

Abbildung 13.

[62]

Als weiteres zukunftsweisendes Digitalisierungsprojekt wird aktuell auch der Einsatz von IT-Expertinnen und IT-Experten im Strafverfahren forciert. Die fortschreitende Digitalisierung in allen Lebensbereichen führt nicht nur zu einem verstärkten Bedarf an IT-Expertise, sondern erfordert auch zunehmend Unterstützungswerkzeuge zur effizienten Speicherung, Analyse und Auswertung großer Datenmengen in Strafverfahren. Neben der Aufstockung der personellen Kapazitäten wird dazu die für Analysen erforderliche Infrastruktur in einem für das gesamte Bundesgebiet tätigen Justiz-Forensikzentrum gebündelt.

[63]

Durch die Ausweitung der digitalen Aktenführung auf das Strafverfahren werden Abläufe zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft vereinfacht und die Möglichkeit für eine elektronische Akteneinsicht eröffnet. Im Zuge dessen wird auch der elektronische Rechtsverkehr (ERV) weiter ausgebaut.

[64]

Die professionalisierte Aufzeichnung von Hauptverhandlungen im Strafverfahren erlaubt gemeinsam mit intelligenten Markierungen und Transkripten auch ohne schriftliche Protokolle einen raschen und kompakten Überblick zu Sachverhalten.

Abbildung 14.

[65]

Im Bereich des Strafvollzugs soll durch den Einsatz von IKT die Kommunikation im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben automatisiert überwacht und damit die Sicherheit erhöht werden. Durch den Einsatz von Detektoren, Videoüberwachung bzw. auch Indoor-Tracking soll nicht nur der missbräuchliche Einsatz von Smartphones u.ä. verhindert werden, sondern auch die Basis für die Klassifizierung von Insassen anhand von Bewegungsmustern und Kontakten gelegt werden.

[66]

Durch die Einbeziehung von Insassen in das digitale Vollzugsmanagement soll das sicherheitstechnische Management von bereits vorhandenen IKT-Geräten bei Insassen verbessert sowie die nachhaltige Resozialisierung von Insassen gefördert werden. Gamification-Ansätze sollen dabei Anreize für einen adäquaten Umgang, Sport bzw. Bildung schaffen, welche in Kombination mit Tele-Medizin die Betreuungskosten senken sollen.

[67]

Durch den flächendeckenden Ausbau des elektronischen Vollzugsmanagements sollen Abläufe transparent und nachvollziehbar gestaltet werden und zu einer Entlastung der Justizwachebeamten von Routinetätigkeiten beitragen.

[68]

Schlussendlich müssen all diese Initiativen und Projekte unter dem Schirm eines koordinierten und abgestimmten Gesamtkonzeptes ihren Platz finden, der e-Justiz-Strategie.

7.

Die Rolle von künstlicher Intelligenz ^

[69]

Künstliche Intelligenz [KI; englisch „Artificial Intelligence“ (AI)] nimmt sowohl in der Wirtschaft als auch in Justiz-Systemen eine immer zentralere Rolle ein. Die Europäische Kommission für die Effizienz der Justiz (CEPEJ) hat daher im Rahmen ihrer Arbeitsgruppe «Cyberjustice and AI» eine Übersicht zu Einsatzgebieten von KI in den europäischen Justiz-Systemen erstellt und hält diese auch laufend aktuell.

Abbildung 15.

[70]

Auch in der aktuellen österreichischen eJustice-Strategie wird „künstliche Intelligenz“ als eine Kerntechnologie der Zukunft für die Justiz angesehen und – wie in der Abbildung ersichtlich – bereits erfolgreich für unterstützende Routinetätigkeiten erfolgreich eingesetzt. Um das Schlagwort KI etwas greifbarer zu machen, wird diese in der nachfolgender Grafik in ihren Teilaspekten dargestellt.

Abbildung 16.

[71]

Einige dieser Technologien finden bereits heute Anwendung in unterschiedlichen Justiz-Tools. Beispielsweise werden im Bereich „Knowledge Discovery“ mittels „Natural Language Processing“ semantische Zusammenhänge aus Texten und Bildern extrahiert werden. Ebenso ist es möglich, Informationen mittels „Machine Learning“ zu sortieren, zu klassifizieren und zu filtern. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist das Anonymisieren von Textstellen, wie es unter anderem vor der Veröffentlichung von Gerichtsurteilen zu erfolgen hat. Dazu werden die relevanten Textpassagen ebenso mittels „Natural Language Processing“ erkannt, klassifiziert und anschließend bei Bedarf anonymisiert werden.

[72]

Technisch ist dazu seit 2018 ein auf die spezifischen Bedürfnisse der Justiz «trainiertes» KI-Service im Einsatz, welches Schritt für Schritt auf weitere Einsatzbereiche ausgeweitet werden kann. Zum Status quo wird KI in zwei Teilbereichen eingesetzt, wobei hier allen voran Algorithmen aus den Bereichen Machine Learning bzw. Deep Learning zum Einsatz gebracht werden:

[73]

Schritt 1: KI zur Erleichterung der Datenerfassung (Erzeugung von Erfassungsvorschlägen),

[74]

Schritt 2: KI zur Optimierung interner Workflows (Erkennen von Zuständigkeiten).

[75]

Die bisher gewonnenen Erfahrungen zeigen dabei das beachtliche Automatisierungspotential durch den Einsatz von KI. In weiterer Folge ist daher ein weiterer Ausbau in komplexeren Aufgabenstellungen naheliegend:

[76]

Schritt 3: KI zur Entscheidungsunterstützung (kontextbezogene Rechtsrecherche),

[77]

Schritt 4: Einsatz von KI zur vollständigen Abbildung ausgewählter Verfahrensschritte.

[78]

Angesichts des großen Potenzials von KI und der Möglichkeit von „selbstlernenden Algorithmen“ gilt es, einen Ordnungs- und Steuerungsrahmen für KI-Anwendungen zu finden, der die Risiken in kritischen Bereichen bestmöglich eingrenzt. Es müssen jedenfalls Vorkehrungen getroffen werden, um diskriminierende Ergebnisse zu vermeiden. Es können nämlich auch in KI-Systemen Voreingenommenheiten („unconscious bias“) Eingang finden (z.B. Auswertung von Videomaterial durch KI-Systeme, die womöglich Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe eher herausfiltern als andere). Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich sicherzustellen, dass KI-Anwendungen alle Grundrechte respektieren. KI kann viele Rechte beeinträchtigen, insbesondere auch den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz. Die KI-Reglementierung muss dies berücksichtigen und wirksame Schutzmechanismen schaffen.

8.

Justiz-IT und Legal Tech im Gleichschritt ^

[79]

Die „Digitalisierung“ ist heutzutage allgegenwärtig – nicht nur im geschäftlichen Umfeld, sondern auch in Freizeit und Privatleben: besucht man Konzerte und öffentliche Ereignisse, ist man ringsum von Menschen umgeben, welche versuchen, die Momente mit digitalen Mitteln für sich festzuhalten. Digital Austria hat diesen weitreichenden Umstand in folgendem Statement zusammengefasst: „Die Digitalisierung hat die Art, wie wir leben, verändert und sie wird es auch weiterhin tun. In einem Ausmaß, das wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Digitalisierung betrifft uns alle – alle Lebensbereiche.“

[80]

Demzufolge beeinflusst die Digitalisierung auch bereits seit längerer Zeit den Rechtsbereich. Dabei werden diesbezügliche Maßnahmen vielfach unter dem Titel „Legal Tech“ zusammengefasst. Damit lohnt sich auch ein näherer Blick auf die Entwicklung von Legal Tech sowie im Vergleich dazu die Entwicklung der Rechtsinformatik in der österreichischen Justiz. Beginnend ab 1980 gab es in der IKT der österreichischen Justiz einige wenige monolithische Fachapplikationen, deren Aufgabe klassische Datenverarbeitungen waren. Dass die österreichische Justiz mit dem IKT-Einsatz stets ihrer Zeit voraus war, ist nicht zuletzt daran zu erkennen, dass bereits in dieser frühen Phase der Rechtsinformatik der elektronische Rechtsverkehr (ERV) ins Leben gerufen wurde – eine Zielsetzung, welche viele andere Länder in Europa noch vor sich haben. Dieser Zeitraum wird dabei gerne unter dem Titel „Justiz 1.0“ eingeordnet und erstreckt sich bis ins Jahr 2000. Nahezu zeitgleich dazu werden in der Literatur unter dem Titel „Legal Tech 1.0“ Software-Lösungen zur Organisation und Unterstützung von Arbeitsläufen genannt, die hauptsächlich auf Support-Funktionen abzielten.

[81]

Die nächste Evolutionsstufe „Justiz 2.0“ zwischen 2000 und 2015 machte sich der rasant wachsenden Internettechnologie zu Nutze. Wesentliche Verbesserungen waren die Vernetzung der Applikationen sowie eine maßgebliche Automatisierung von Geschäftsprozessen, z.B. durch die automatische Erstellung von Beschlussentwürfen. Unter dem Titel „Legal Tech 2.0“ werden auch hier sehr ähnlich dazu automatisierte Rechtsdienstleistungen verstanden – beispielsweise der Ersatz von Einzelschritten der juristischen Tätigkeit sowie die automatische Erstellung juristischer Dokumente wie Klagen und Beschlüsse.

[82]

Ab 2015 wurde mit „Justiz 3.0“ der jüngste Evolutionsschritt begangen, dessen Ende aktuell noch nicht absehbar ist. Dabei wird das Ziel einer vollständigen Digitalisierung von Verfahren verfolgt, wozu Benutzerschnittstellen mit besonders hoher User Experience sowie kognitive Technologien zum Einsatz gebracht werden. Passend dazu wird unter dem Titel „Legal Tech 3.0“ das Bestreben bezeichnet, ein virtuelles und mit künstlicher Intelligenz ausgestattetes Substitut (für Teile von) juristischer Arbeit zu schaffen.

[83]

Damit ist unschwer zu erkennen, dass die Entwicklung der gesamten Rechtsbranche starke Parallelen zur Entwicklung des IKT-Einsatzes in der österreichischen Justiz hat – ein Umstand, der bei näherer Betrachtung auch mehr als nachvollziehbar ist.

[84]

Im Laufe der letzten 40 Jahre wurden in der österreichischen Justiz eine Vielzahl unterschiedlicher Tools entwickelt, womit stets das Ziel verfolgt wurde, den Justizbediensteten die Arbeit zu erleichtern. Im Zentrum stehen dabei natürlich die Fachanwendungen wie beispielsweise: elektronischer Rechtsverkehr (ERV), Elektronisches Grundbuch (GB), Verfahrensautomation Justiz (VJ), Elektronische Integrierte Assistenz der Staatsanwaltschaften (EliAS).

[85]

Diese werden durch eine Reihe von Assistenzsystemen ergänzt: MOVE – Vorlagen-Assistent, Anonymisierungswerkzeuge, Aktenverteilsystem, Normfall Knowledge Discovery für eine Analyse von großen Datenmengen sowie die neu mit Justiz 3.0 geschaffenen Systeme eines digitalen Aktensystems und dem Taskmanagement.

«Digitalisierung passiert jetzt – mit oder ohne uns.»
[86]

Dass die Digitalisierung der Rechtsbranche in vollem Gange ist, zeigt auch ein Blick auf die in diesem Umfeld tätigen Vereine bzw. Institutionen, welche sich maßgeblich zum Ziel gesetzt haben, dass digitale Lösungen, Best Practices und Ideen einer breiten Community zugänglich gemacht werden. Wie bereits erwähnt, wird Digitalisierung zunehmenden Einfluss auf alle Lebensbereiche nach sich ziehen und wird diese mitunter radikal ändern. Erfahrungsgemäß gibt es stets unterschiedliche Herangehensweisen, wie man mit solchen Veränderungen umgeht. Eine besonders treffende Antwort gibt dazu „Burning Man“ mit folgendem Statement:

«The appropriate response to new technology is not to angrily retreat into the corner hissing and gnashing your teeth. It’s to ask: Okay, how should we use this?»
[87]

Und diese Frage, wie man sich diese neuen technologischen Möglichkeiten in der Justiz zu Nutze machen kann, hat sich die österreichische Justiz bereits im Jahr 2013 gestellt und unter dem Titel Justiz 3.0 die im Kapitel 1 beschriebene strategische Initiative ins Leben gerufen.

9.

eJustiz-Strategie ^

[88]

Die Digitalisierung beschleunigt den Veränderungsprozess der über Jahre hinweg hoch entwickelten IKT-Landschaft der Justiz zunehmend und erfordert Leitlinien und Strategien für eine kontrollierte Transformation. Seit 2006 fasst die für den IKT-Einsatz im Justizressort verantwortliche Abteilung III 3 (Rechtsinformatik und Informations- und Kommunikationstechnologie) die Ziele und Grundsätze dieser Transformation in Form einer IT-Strategie zusammen. Das Gesamtdokument ist unter justiz.gv.at frei abrufbar. Die Kernaussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

[89]

IT-Mission: Die Justiz-IT als zentraler und kompetenter Partner versteht sich als Hebel zur Erneuerung des Justizbetriebs, als moderner und international anerkannter IT-Dienstleister und setzt die Entwicklung des IT-Einsatzes in der österreichischen Justiz fort, um den IT-Wertbeitrag durch Nutzung innovativer Lösungen und Technologien zu steigern.

[90]

IT-Vision: Die Justiz-IT nutzt die Digitalisierung zur Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren sowie zur Bereitstellung zeitgemäßer Services und Zugangskanäle unter Sicherstellung eines optimierten Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Dazu stellen fachlich hochqualifizierte, motivierte IT-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter eine hohe Umsetzungsgeschwindigkeit von Anforderungen bei erforderlicher Qualität und Einhaltung der Vorgaben der Unternehmensarchitektur sicher.

[91]

Strategische Zielsetzungen:

Zeitgemäßes Service für Justiz-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, Bürgerinnen und Bürger und berufsmäßige Parteienvertreterinnen und -vertreter,

Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren durch Digitalisierung,

Erhöhung der Effizienz und Effektivität,

Mitgestaltung von europäischer E-Justiz-Strategie und nationalem e-Government,

plangemäße Umsetzung von IT-Projekten in erforderlicher Qualität,

Sicherheit und weitere qualitative Anforderungen der IT-Lösungen,

innovativer und kompetenter Partner der Fachbereiche,

positives Image der Justiz.

 

Fokusthemen der Zukunft:

Digitale Transformation,

Künstliche Intelligenz,

Legal Tech,

Management der Unternehmensarchitektur,

Demand- und Projektportfoliomanagement,

Innovationsmanagement,

Mobilität,

Open Source,

Cloud.

 

IT-Leitlinien:

Sicherstellen einer autonomen Justiz-IT («Interoperability»),

gerichtliche und behördliche Entscheidungen nicht ersetzen, sondern optimal unterstützen («Cognitive assistance»),

Nutzenmaximierung für die gesamte Justiz («Holisticity»),

langfristige Betrachtung bei Zieldefinition und Lösungsentwurf («Sustainability»),

Einbeziehung neuer Benutzergruppen, ohne bestehende zu benachteiligen («Digital by default»),

Verfahrensdaten höchstens einmal erfassen sowie Ausbau von Schnittstellen («Once only»).

10.

Schlusswort und Würdigung des Jubilars ^

[92]

Wir kennen Friedl Lachmayer seit vielen Jahren als weitsichtigem, kreativen, innovativen, konsequenten und stets hilfsbereiten Partner im Bundeskanzleramt, als Universitätsprofessor an der Universität Innsbruck und als Wissenschaftler im „Unruhestand“. Die Zusammenarbeit mit ihm war stets hervorragend und vor allem auch sehr befruchtend. Beispielgebend auch seine Zielstrebigkeit, die auch durch heftige Kritik nicht aus der Bahn geworfen werden konnte. Uns hat er auch immer wieder motiviert, nachdrücklich neue Ziele trotz aller Unbillen weiter zu verfolgen.

[93]

Exemplarisch sei dazu die „Story“ des „e-Rechts“ kurz zusammengefasst, die auch schon in anderen Beiträgen dieser Festschrift ausführlich dargestellt ist. Schon Ende der Neunzigerjahre hatten wir gemeinsam die Idee der rechtsverbindlichen Kundmachung von Gesetzen in einem elektronischen Bundesgesetzblatt. Was für das e-Grundbuch seit 1982 problemlos funktioniert, sollte wohl auch für das Bundesgesetzblatt gut sein. Diese Vorstellung präsentierten wir auf nationaler und auch auf europäischer Ebene und ernteten dafür zunächst schroffe Ablehnung und Häme. Es war schier ein Sakrileg und unvertretbares Risiko, den heiligen Gral der Rechtsordnung in die Niederungen der ach so unzuverlässigen und nur für Computerspiele tauglichen Elektronik zu bringen.

[94]

Beispielhaft für das damalige Verständnis sei auch erwähnt, dass der Vorschlag, einer Arbeitsgruppe des Europarats den Titel „e-Justiz“ zu geben, mit dem Argument, das könne man doch nicht mit dem damals schon bekannten „unsicheren und lächerlichen Spielzeug e-Mail“ gleichsetzen, abgelehnt wurde. Wenige Jahre später, im Jahr 2000 gab es dann auf einmal in London eine „e-Justiz“-Justizministerkonferenz des Europarats. So schnell kann es gehen.

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So war es auch mit dem „e-Recht“ in Österreich. Schon 2004 gab es unter der Federführung von Friedl Lachmayer die Kundmachung im elektronischen und rechtsverbindlichen Bundesgesetzblatt. Und nicht nur das. Das e-Bundesgesetzblatt wurde erst mit dem elektronischen Workflow vom ersten Referentenentwurf eines Gesetzes bis hin zur Kundmachung zum System „e-Recht“. Bei Verordnungen wurde der Prozess damit noch viel schneller: Nach der Genehmigung durch die Ministerin oder den Minister erscheint die Verordnung mit einem Klick vom Sekretariat im Bundesgesetzblatt und ist kundgemacht.

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Der gewaltige Verdienst und die Weitsicht von Friedl Lachmayer ist auch dadurch belegt, dass das Amtsblatt der Europäischen Union erst seit dem Jahr 2014 rechtsverbindlich elektronisch kundgemacht wird und dies für das deutsche Bundesgesetzblatt erst seit 2023, also zehn bis fast zwanzig Jahre später, der Fall ist.

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Abschließend ist Friedl Lachmayer für sein großartiges und nachhaltiges Wirken im Bereich der Rechtsinformatik zu würdigen und ihm zu danken. Herzlich zu danken ist ihm auch für die umsichtige Betreuung der Dissertation von Thomas Gottwald zum Einsatz der Informationstechnologie in der österreichischen Justiz in den Jahren 2009 bis 2012, in der Justiz 3.0 noch als Vision mit Umsetzungspotential dargestellt wurde.

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Wir wünschen Friedl Lachmayer zu seinem 80. Geburtstag alles Gute und noch viele weitere Bausteine für die Rechtsinformatik.