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Die Open Database License am Beispiel von OpenStreetMap

  • Authors: Michael Dominik Marti / Simon Schlauri
  • Category of articles: TechLawNews by Ronzani Schlauri Attorneys
  • Field of law: IP-Law, Contract Law
  • DOI: 10.38023/f5f73cd2-a7c9-4f72-b0d2-c6092fc8aca4
  • Citation: Michael Dominik Marti / Simon Schlauri, Die Open Database License am Beispiel von OpenStreetMap, in: Jusletter IT 30 March 2023

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Urheberrechtsschutz an Kartendaten?
  • 2. Zustandekommen des Lizenzvertrages
  • 3. Zulässige Nutzungsformen gemäss ODbL
  • 4. Pflichten bei der Nutzung von ODbL-lizenziertem Material
  • 5. Was, wenn das Copyleft im Weg ist?
[1]

OpenStreetMap1 (OSM) ist ein Angebot von qualitativ hochstehenden Kartendaten, die mittels CrowdSourcing durch Freiwillige erstellt werden und unter der Open Database License (ODbL) der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Trägerschaft ist die OpenStreetMap Foundation mit Sitz in Cambridge, England.

[2]

Die Daten von OSM stehen einerseits als Datenbank, andererseits aber auch als durch Menschen wahrnehmbare Kartengrafiken zur Verfügung. Basierend auf OSM ist es möglich, Apps und Webseiten zu erstellen, welche Kartenansichten einsetzen. Die Karten können dabei durch eigene Inhalte ergänzt werden. Ein bekanntes Beispiel ist die App «Komoot», mit der man Wanderungen planen kann.

[3]

Die vorliegende Darstellung führt in die Nutzung von OSM-Daten in Kombination mit eigenen, die OSM-Karten ergänzenden Inhalten ein. Dabei zeigt sie  urheber- und lizenzrechtliche Besonderheiten auf. Sie basiert auf einem Gutachten, das Ronzani Schlauri Anwälte in Kooperation mit dem Institut für Public Sector Transformation (IPSD) der Berner Fachhochschule für das Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) erstellen durften.

1.

Urheberrechtsschutz an Kartendaten? ^

[4]

Die erste Frage ist, ob Kartendaten überhaupt urheberrechtlich geschützt sind – handelt es sich doch prima facie um die Wiedergabe der realen Verhältnisse, die nicht dem menschlichen Geist entspringen und damit nicht urheberrechtlich schützbar sind (Art. 2 Urheberrechtsgesetz, URG).

[5]

Genau besehen sind Karten als Abstraktion der realen Verhältnisse jedoch zumindest Ausfluss eines von Menschen durchgeführten Auswahlvorgangs. Personen, die im Rahmen des «CrowdSourcing» zu OSM beitragen, haben ein gewisses Auswahlermessen, welche Informationen sie in die Karte aufnehmen, und welche nicht, gleich dem Auswahlermessen der Herausgeberschaft eines Lexikons, die entscheidet, zu welchen Themen Artikel erscheinen sollen.

[6]

Dieses Auswahlermessen reicht aus, um einen Urheberrechtsschutz an der Datenbank zumindest insofern zu begründen, als es sich dabei um eine bewusst ausgewählte Zusammenstellung von Information handelt (Sammelwerk im Sinne von Art. 4 URG).2

2.

Zustandekommen des Lizenzvertrages ^

[7]

Das Zustandekommen von Lizenzverträgen über Open Content, Open Data und Open Source folgt einem eher unüblichen Schema: Während nach Art. 1 Obligationenrecht (OR) bekanntlich übereinstimmende gegenseitige Willensäusserungen der Parteien notwendig sind, damit ein Vertrag zustande kommt, können die Daten beispielsweise bei OSM verwendet werden, ohne dazu vorher gegenüber den Lizenzgebern eine Willenserklärung abzugeben. Insbesondere kann – gestützt auf die Open Database License – auch ein Dritter eine Kopie der Datenbank im Internet zur Nutzung anbieten, bei deren Nutzung gar kein Kontakt mehr zwischen Lizenznehmer bzw. Lizenznehmerin und der lizenzgebenden OSM Foundation mehr besteht. Gemäss Art. 6 OR kommt jedoch auch ein Vertrag ohne Annahmeerklärung zustande, wenn aufgrund der besonderen Natur des Geschäfts oder der Umstände eine solche nicht zu erwarten ist. Hiervon kann bei freien Lizenzen, wie auch der ODbL, ausgegangen werden.3

3.

Zulässige Nutzungsformen gemäss ODbL ^

[8]

Die ODbL gewährt dem Lizenznehmer eine weltweite, unentgeltliche, nicht-exklusive und unter definierten Voraussetzungen kündbare Lizenz zur Nutzung der Datenbank. Dieses Recht umfasst ausdrücklich auch das Recht zur kommerziellen Nutzung; es werden keine Tätigkeitsbereiche ausgeschlossen. Diese sehr weit gefasste Nutzung ist in allen heute bekannten und unbekannten Medien und Formaten möglich (Art. 3.1 Abs. 1 ODbL).

[9]

Die ODbL nennt in nicht abschliessender Weise einige Beispiele zulässiger Nutzungsweisen: das Extrahieren und Wiederverwenden (Art. 3.1.a ODbL), das Schaffen einer derivativen (Art. 3.1.b ODbL) oder auch einer kollektiven Datenbank (Art. 3.1.c ODbL; zu den Begriffen später mehr) sowie das Verteilen, Kommunizieren, Anzeigen, Leihen, Zugänglichmachen oder Vorführen in öffentlichem Rahmen mit beliebigen Mitteln und in beliebiger Form, und zwar von allen oder von Teilen der Daten.

4.

Pflichten bei der Nutzung von ODbL-lizenziertem Material ^

[10]

Der Lizenznehmer bzw. die Lizenznehmerin hat gemäss ODbL im Gegenzug zur Gewährung der Nutzungsrechte einige Regeln einzuhalten, bei deren Verletzung die Lizenz dahinfällt:

[11]

Zunächst ist auf die bei freien Lizenzen übliche Pflicht hinzuweisen, die bestehenden Lizenzhinweise zu verwenden (Art. 4.2 ODbL).

[12]

Die weiteren Pflichten variieren abhängig davon, ob mit den Daten eine, wie die Lizenz es bezeichnet, «derivative» oder eine «kollektive Datenbank» oder ein «produziertes Werk» geschaffen wird.

[13]

Eine derivative Datenbank ist gemäss Art. 1 ODbL «a database based upon the Database, and includes any translation, adaptation, arrangement, modification, or any other alteration of the Database or of a Substantial part of the Contents. This includes, but is not limited to, Extracting or Re-utilising the whole or a Substantial part of the Contents in a new Database.»

[14]

Eine derivative Datenbank liegt m.a.W. vor, wenn die Daten der Quelle mit zusätzlichen Daten des Lizenznehmers bzw. der Lizenznehmerin vermischt und zusammen in dieselbe Datenbank geschrieben werden.

[15]

Eine kollektive Datenbank ist demgegenüber gemäss Art. 1 ODbL eine «Database in unmodified form as part of a collection of independent databases in themselves that together are assembled into a collective whole.»

[16]

Sie liegt also vor, wenn die Daten der Quelle und die Daten des Lizenznehmers bzw. der Lizenznehmerin parallel in voneinander unabhängigen Datenbanken gespeichert bleiben. Erst beim Erstellen von durch Menschen wahrnehmbaren Werken (wie Grafiken; Art. 1 ODbL definiert dies als «produziertes Werk») aus den beiden Datenbanken werden die beiden Datenbanken kombiniert. Im Fall von Kartengrafiken kann man sich das gut so vorstellen, dass verschiedene «Layers» übereinander gelegt werden, also z.B. eine Ebene mit Wanderwegen, eine zweite Ebene mit Mountain-Bike Trails, und eine dritte Ebene mit Steigungsangaben, etc.

[17]

Wesentlich ist der Unterschied zwischen derivativer und kollektiver Datenbank insoweit, als die ODbL ihr strenges «Copyleft»-Regime nur bei derivativen Datenbanken zur Anwendung bringt: Werden ODbL-lizenzierte Daten mit neuen Daten zu einer derivativen Datenbank vermischt und öffentlich verwendet (ob direkt als Datenbank oder, indirekt, basierend auf der einmal vermischten Datenbank, als «produziertes Werk», Art. 4.4 Bst. c ODbL), muss die gesamte genutzte (derivative) Datenbank gemäss Art. 4.4 Bst. a ODbL erneut unter eine mit der ODbL kompatible Lizenz gestellt und gemäss Art. 4.6 und 4.7 ODbL als maschinenlesbare Kopie frei und ohne technische Einschränkungen zur Verfügung gestellt werden.

5.

Was, wenn das Copyleft im Weg ist? ^

[18]

Das strenge Copyleft der ODbL kann dann zu Schwierigkeiten führen, wenn an den einzumischenden Daten Drittrechte bestehen, oder wenn der Lizenznehmer oder die Lizenznehmerin die eigenen Daten aus anderen Gründen nicht frei zur Verfügung stellen will.

[19]

Der naheliegende, technisch aber etwas aufwendigere Ausweg besteht darin, die originale, unter ODbL lizenzierte Datenbank nicht mit den neuen Daten zu vermischen, sondern zwei gesonderte Datenbanken zu betreiben (die kollektive Datenbank). Selbst wenn man aus den beiden Datenbanken dann ein gemeinsames «produziertes Werk» generiert, im Fall von Karten also verschiedene Informations-Layers in einer Grafik zusammenfasst, löst dies das Copyleft gemäss ODbL nicht aus.

  1. 1 openstreetmap.org.
  2. 2 Zu Lexika in diesem Sinne statt vieler R. Hilty, Urheberrecht, 2. Aufl., Bern 2020, 96.
  3. 3 Zur gleichen Situation bei der Nutzung von Creative-Commons-lizenzierten Werken M. Bosshard, Das Creative-Commons-Lizenzsystem: alternativer Verwertungsansatz für Rechte an geistigem Eigentum im digitalen Zeitalter?, Kölliken 2013 = Diss. Zürich 2013, tinyurl.com/mr34k5su, 165.