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Automatisierte algorithmische Marketmaker

Besteuerung einer neuen passiven Einnahmequelle für (Retail-)Anleger

  • Author: Alex Uschatz
  • Category of articles: Articles
  • Field of law: E-Taxation und FinanceOnline
  • Citation: Alex Uschatz, Automatisierte algorithmische Marketmaker, in: Jusletter IT Oktober
Das Orderbuchmodell traditioneller Börsen erhält Konkurrenz von einer dezentralen Lösung, dem Automated Market Maker (AMM), dessen Vorteile insbesondere Retail-Anlegern zugutekommen könnte. Dieser Artikel beleuchtet einerseits Bedeutung sowie Funktionsweise von AMMs und andererseits die steuerrechtlichen Implikationen für Privatanleger, welche sich diese neue «Software» zu Nutze machen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. AMMs und ihre Bedeutung
  • 2. Funktionsweise von AMMs
  • 3. Qualifikation der Einkünfte aus Marketmaking
  • 3.1. Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit
  • 3.2. Ertrag beweglichen (Privat-)Vermögens?
  • 3.3. Einkunft aus privater Vermögensverwaltung
  • 3.4. Fazit
  • 4. Vermögenssteuer
  • 5. Verrechnungssteuer
  • 6. Stempelsteuern
  • 7. Mehrwertsteuer
  • 8. Konklusion

1.

AMMs und ihre Bedeutung ^

[1]

Wer börsenkotierte Wertpapiere zu erwerben oder veräussern gedenkt, ist auf Marktliquidität angewiesen. Sichergestellt wird diese traditionellerweise durch professionelle Marktteilnehmer (Market Maker [vgl. Art. 41 FINIG]), welche im Orderbuch der Börse An- und Verkaufspreise stellen.

[2]

Die Blockchain-Technologie ermöglicht nun aber eine vollständige Automatisierung dieses als Marketmaking bezeichneten Prozesses der Sicherstellung von Marktliquidität. Bezeichnenderweise spricht man im Zusammenhang mit den eingesetzten Computerprogrammen von Automated Market Maker (AMM).

[3]

Marketmaking ist ein Zweig der Finanzindustrie, mit dem sich gutes Geld verdienen lässt.1 Weil Handelsplätze herkömmlicherweise bloss einem beschränkten Kreis staatlich überwachter Institute zugänglich sind (vgl. Art. 34 FinfraG),2 sich Bucheffekten nicht zum dezentralen peer-to-peer Handel eignen3 und sich traditionelles Marketmaking nicht als völlig anspruchslos erweist, blieben die Marketmaking-Aktivitäten bisher auf professionelle Dienstleister beschränkt.

[4]

Digitale Vermögenswerte eignen sich hingegen perfekt für dezentralen peer-to-peer Handel.4 Unter Zuhilfenahme von AMMs können wirtschaftlich interessante Marketmaking-Operationen zudem durchgeführt werden, ohne über besonderes Fachwissen oder eine professionelle Organisation zu verfügen (zur Funktionsweise von AMMs s. Kap. 2). Es ist daher wenig erstaunlich, dass sich AMMs grosser Beliebtheit erfreuen. Ca. 17% sämtlichen Handelsvolumens digitaler Vermögenswerte (100% = ca. $ 23 Mia. 24h-Handelsvolumen) wird bereits dezentral peer-to-peer über AMMs abgewickelt.5

[5]

Damit wird es auch für Steuerberater und -behörden wichtiger, zu verstehen, um was es sich bei AMMs handelt und wie Einkünfte im Zusammenhang mit AMMs steuerlich einzuordnen sind.

2.

Funktionsweise von AMMs ^

[6]

Gewisse Blockchains, wie z.B. Ethereum, ermöglichen es, dass auf ihnen autonome, d.h. sich automatisch selbst ausführende Computerprogramme (sog. smart contract) verankert werden.6 AMMs sind ein Anwendungsbeispiel solcher autonomen Computerprogramme (daher die Bezeichnung «Automatisierter Marketmaker»).7

[7]

Einem AMM liegt stets ein sog. Liquidity-Pool zugrunde. Die im Pool befindlichen digitalen Assets stellen die Marktliquidität sicher. Gepoolt werden stets mindestens zwei verschiedene digitale Vermögenswerte. Der AMM steuert den Pool nach algorithmischen Grundsätzen (daher die Terminologie «Algorithmischer Marketmaker»), welche sicherstellen, dass der Poolinhalt stets zu marktkonformen Preisen ge- und verkauft werden kann. Der AMM erhebt bei jeder über den Pool abgewickelten Handelstransaktion eine Gebühr, welche den Liquiditätsprovidern zugutekommt.8

[8]

Die Nutzung von AMMs kommt für Liquiditätsprovider allerdings nicht ohne Risiken.9 In der Praxis kaum vermeiden lässt sich insbesondere das als Impermanent Loss bekannte Phänomen, wonach es bei jeder Preisbewegung der gepoolten Vermögenswerte zu einer poolimmanenten Ineffizienz kommt, welche die Rendite der Liquiditätsprovider schmälert. Nur wenn sich die Preise der verschiedenen gepoolten Assets proportional gleich verändern (was äusserst selten der Fall ist), materialisiert sich der Verlust nicht. Weil bis zum Rückzug aus dem Pool die (geringfügige) Chance besteht, dass die Preise der gepoolten Assets wieder in ihr Ursprungsverhältnis zurückkehren, wird der Impermanent Loss erst dann realisiert bzw. permanent, wenn der Liquiditätsprovider den Pool verlässt, bevor die Preise der gepoolten Vermögenswerte zu ihrem ursprünglichen Verhältnis zurückgefunden haben.10

3.

Qualifikation der Einkünfte aus Marketmaking ^

[9]

Unter Einsatz der gewonnen technischen Erkenntnisse soll nun der Frage auf den Grund gegangen werden, wie Einkünfte aus privaten Marketmaking-Aktivitäten zu besteuern sind. Hierfür muss das Einkommen zunächst qualifiziert werden.

3.1.

Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ^

[10]

Gemäss Lehre und Praxis liegt eine selbständige Erwerbstätigkeit vor, wenn durch Einsatz von Arbeitsleistung und Kapital in frei gewählter Organisation, auf eigenes Risiko, anhaltend, planmässig und nach aussen sichtbar zum Zweck der Gewinnerzielung am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen wird.11

[11]

Wer sich eines AMM bedient, um eine Marketmaking-Tätigkeit auszuüben, hat dank der automatischen Transaktionsabwicklung durch die Software keine nennenswerten eigenen Aufwände. Dies spricht klar gegen das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit.

[12]

Mit Bezug auf das Staking von Kryptowährungen hat die ESTV zudem Folgendes konkretisiert: Wer das Staking von Kryptowährungen passiv über einen Staking-Pool betreibt, d.h. wer im Netzwerk nicht selbst aktiv als Validator von Transaktionen auftritt, wird – zu Recht12 – nicht als selbständig Erwerbender qualifiziert.13 Wer bloss Kapital zur Verfügung stellt und keine eigenständige Arbeitsleistung erbringt, weil sich der «Pool» um die automatisierte Einkommensgenerierung kümmert, entfaltet mangels eigener Arbeitsleistung keine selbständige Erwerbstätigkeit.

[13]

Gleich müsste es sich – zumindest auf den ersten Blick – verhalten, wenn ein Steuerpflichtiger Marketmaking-Aktivitäten über einen Liquidity-Pool entfaltet. Die ganze Arbeit wird nämlich – wie beleuchtet wurde (Kap. 2) – nicht vom Steuerpflichtigen, sondern vom Pool/AMM betrieben. Der Steuerpflichtige stellt dem Pool/AMM bloss das nötige Kapital zur Verfügung.

[14]

Allerdings gibt es doch einen (feinen) Unterschied zwischen Staking- und Liquidity-Pool. Wer Kryptowährungen einem Staking-Pool zur Verfügung stellt, delegiert den (mehr oder weniger) aufwändigen Betrieb eines Validatorknotens an Dritte. Wer hingegen einem Liquidity-Pool beitritt, wird selbst zum Marketmaker.

[15]

Marketmaker stellen die Liquidität eines Handelsplatzes sicher, indem sie für eigene Rechnung mit Vermögenswerten handeln und Kurse für diese Vermögenswerte stellen (vgl. Art. 41 lit. c FINIG). Der Marketmaker qualifiziert damit grundsätzlich als Wertschriftenhändler. Zur Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom gewerbsmässigen Wertschriftenhandel kommen spezifische Abgrenzungskriterien zum Einsatz.14

[16]

Wer einem Liquidity-Pool beitritt, wird die safe haven-Kriterien gemäss KS 3615 regelmässig nicht vollständig erfüllen können. Marketmaking ist mit erhöhten Handelsaktivitäten verbunden, womit verkürzte Haltedauer und erhöhtes Transaktionsvolumen einhergehen.

[17]

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kommt für die Abgrenzung privater Vermögensverwaltung vom gewerbsmässigen Wertschriftenhandel folgenden Kriterien erhöhtes Gewicht zu:16

  • Höhe des Transaktionsvolumens
  • Einsatz von Fremdkapital
[18]

Das erhöhte Transaktionsvolumen, welches mit der Entfaltung von Marketmaking-Aktivitäten einhergeht, erhält gemäss BGer also erhöhtes Gewicht. Immerhin haben es die Liquiditätsprovider aber in der Hand, sicherzustellen, dass kein Fremdkapital eingesetzt wird.

[19]

Unter Berücksichtigung, dass es den Liquiditätsprovidern an eigenem Arbeitsaufwand fehlt (s. oben), spricht nach hier vertretener Ansicht vieles gerade dann gegen die Annahme eines gewerbsmässigen Wertschriftenhandels, wenn keine Fremdmittel zum Einsatz kommen. Auch die damit erzielte Gleichbehandlung mit Staking-Pools ist grundsätzlich zu begrüssen.

[20]

Sollte aus der Entfaltung von Marketmaking-Operationen dennoch auf eine selbständige Erwerbstätigkeit geschlossen werden, muss der betroffene Steuerpflichtige mindestens über Ein- und Ausgaben, Vermögenslage und Privatentnahmen sowie -einlagen Buch führen (Art. 957 Abs. 2 Ziff. 1 OR, Art. 125 Abs. 2 lit. b DBG). Der Einnahmenüberschuss bzw. der Vermögensstandgewinn aus dem Betrieb des Unternehmens unterliegt der Einkommenssteuer (Art. 18 DBG, Art. 8 StHG)17 und der AHV (Art. 3 Abs. 1 AHVG). Zu den steuerbaren Einkünften zählen insb. die Erlöse aus der Veräusserung der im Liquidity-Pool befindlichen Assets (Art. 18 Abs. 2 DBG, Art. 8 Abs. 1 StHG), aber auch die vereinnahmten Transaktionsgebühren. Im Gegenzug sind sämtliche Verluste aus der Geschäftstätigkeit abzugsfähig (Art. 27 Abs. 2 lit. b DBG, Art. 10 Abs. 1 lit. c StHG), was auch den eingetretenen und verbuchten Impermanent Loss mitumfasst.

3.2.

Ertrag beweglichen (Privat-)Vermögens? ^

[21]

Lehnt man das Vorliegen von Einkommen aus gewerbsmässigem Wertschriftenhandel ab, stellt sich die Frage, ob eine Form von Vermögensertrag vorliegt. Von Art. 20 Abs. 1 Ingress DBG bzw. Art. 7 Abs. 1 StHG als Vermögensertrag erfasst werden grundsätzlich sämtliche Wertzuflüsse, die dem Steuerpflichtigen von aussen als Entgelt für das Zurverfügungstellen von Vermögenswerten zufliessen.18

[22]

Gemäss Friedrich/Di Giulio kann das Verhältnis zwischen Liquiditätsprovider und Liquidity-Pool/AMM mit einem partiarischen Darlehensverhältnis verglichen werden. Begründet wird dies damit, dass man als Liquiditätsprovider sowohl beim partiarischen Darlehen als auch bei der Entfaltung von dezentralen Marketmaking-Aktivitäten am Erfolg des Borgers bzw. Liquidity-Pools beteiligt ist und keinen fixen Zins erhält. Dass der Liquidity-Pool keine eigene Rechtspersönlichkeit aufweist, halten die beiden Autoren für unschädlich. Aus den getätigten Überlegungen wird schliesslich abgeleitet, dass man die Einkünfte aus dezentralem Marketmaking zu Steuerzwecken aufschlüsseln muss in19

  • steuerbare Erträge- und
  • steuerlich irrelevante Kapitalgewinne/-verluste aus der Wertveränderung der im Pool befindlichen Vermögenswerte, worunter auch der Impermanent Loss fällt.
[23]

Wenn man wie Friedrich/Di Giulio davon ausginge, die Nutzung eines AMM zur Renditegenerierung sei mit einem partiarischen Darlehen zu vergleichen, welches man dem AMM gewähre, so müssten sämtliche Zahlungen des AMM, welche über die Rückerstattung der Darlehensvaluta hinausgehen, als Ertrag qualifizieren.20 Warum es dennoch zu einer Aufschlüsselung der Einkünfte in Kapitalgewinn- und Ertragskomponente kommen soll, erschliesst sich dem Autor dieser Zeilen nicht. Das Vorliegen eines kombinierten Finanzprodukts, bei welchem man über eine Aufschlüsselung diskutieren könnte,21 wird – wohl zu Recht22 – nicht behauptet.

[24]

Dem Autor dieser Zeilen scheint die Argumentation von Friedrich/Di Giulio allerdings bereits im Kern problematisch. Zwischen natürlicher Person und nichts anderem als einer Software ein Vertragsverhältnis zu fingieren, setzt sich in Widerspruch zum fundamentalen zivilrechtlichen Rechtsgrundsatz, wonach Rechtsgeschäfte nur zwischen Rechtssubjekten abgeschlossen werden können.23 Ertrag kann zudem grundsätzlich nur darstellen, was von aussen, d.h. von einem anderen Rechtssubjekt (Schuldner), zufliesst (s. oben).

3.3.

Einkunft aus privater Vermögensverwaltung ^

[25]

Naheliegender als die Fiktion eines (Gebrauchsüberlassungs-)Vertrags zwischen Rechtssubjekt und Software ist es, den AMM auf ein rechtlich unbeachtliches Hilfsmittel des Steuerpflichtigen zu reduzieren, durch welches es «hindurchzublicken» gilt. Als rechtserheblich präsentiert sich demnach das Verhältnis zwischen den am smart contract beteiligten Rechtssubjekten (Liquiditätsprovider und Nutzer):24

Abbildung 2: Quelle Meyer/Schuppli, (Fn. 29), recht 2017, 204 ff., 218.

[26]

Zwischen Marketmaker (Liquiditätsprovider, welcher AMM-Software nutzt) und Nutzer finden Kauf- und Verkaufstransaktionen statt. Einkünfte und Verluste aus Handelsaktivitäten bleiben steuerlich unbeachtlich, solange nicht das Vorliegen gewerbsmässigen Wertschriftenhandels angenommen wird (Art. 16 Abs. 3 DBG bzw. Art. 7 Abs. 4 lit. b StHG). Wie dargelegt wurde (Kap. 3.1), spricht vieles für das Vorliegen von privater Vermögensverwaltung, wenn die Liquiditätsprovider keine Fremdmittel einsetzen.

3.4.

Fazit ^

[27]

Setzen Privatanleger keine Fremdmittel ein, stehen die Chancen gut, dass die Steuerbehörden aus einem Einsatz von AMMs nicht auf gewerbsmässiges Vorgehen schliessen werden. Marketmaking-Aktivitäten bestehen aus einer Vielzahl von Kaufs- und Verkaufstransaktionen. Einkünfte aus dem Kauf und Verkauf von Vermögenswerten stellen keine Form von Vermögensertrag dar. Vielmehr kommt es zur Realisierung entweder von Kapitalgewinnen oder aber von Kapitalverlusten, welche im Privatvermögen steuerlich unbeachtlich bleiben.

4.

Vermögenssteuer ^

[28]

Der Vermögenssteuer unterliegt das gesamte Reinvermögen, bewertet zum Verkehrswert per 31.12 (Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 StHG). Auch Kryptoassets unterliegen unstrittig der Vermögenssteuer.25 Bei der Zuordnung von Aktiven zum Vermögen eines Steuerpflichtigen ist grundsätzlich auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse abzustellen.26

[29]

Liquidity-Pools weisen keine Rechtspersönlichkeit auf und können daher nicht Träger von Eigentumsrechten sein. Die gepoolten Vermögenswerte sind vielmehr den Liquiditätsprovidern zuzuordnen, welche die Verfügungsmacht über ihre Vermögenswerte trotz Hingabe an den Pool nicht aufgeben, da sie sich jederzeit zum Rückzug ihrer Vermögenswerte aus Pool entschliessen können.

[30]

Liquidity-Pools weisen grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt in transparenter Art und Weise aus, wie hoch der Wert einer Position eines Liquiditätsproviders ist. Dieser vom Protokoll errechnete Wert entspricht dem Betrag, den der Liquiditätsprovider bei Saldierung seiner Position vom Pool erhalten würde. Dieser Wert unterliegt per Stichtag der Vermögenssteuer.

5.

Verrechnungssteuer ^

[31]

Wer das Vorliegen von Vermögensertrag ablehnt (s. Kap. 3.2), kann im dezentralen peer-to-peer Handel von digitalen Vermögenswerten von vornherein keinen Verrechnungssteuertatbestand erblicken (vgl. Art. 4 VStG). Kryptowährungen bilden allerdings ohnehin kein Anlageobjekt i.S.d. Katalogs von Art. 4 Abs. 1 lit. a–d VStG.27

6.

Stempelsteuern ^

[32]

Bei Kryptowährungen handelt es sich – analog anderer Devisen – ohnehin nicht um steuerbare Urkunden i.S.d. Katalogs von Art. 1 StG.

[33]

Im Rahmen der Entfaltung einer dezentralen Marketmaking-Aktivität wird zudem kein Nennwert von Beteiligungsrecht begründet oder erhöht (Art. 5 Abs. 1 lit. a StG). Berührungspunkte zur Emissionsabgabe sind damit keine ersichtlich.28

[34]

Wer über einen Schweizer Broker börsenkotierte Wertpapiere handelt, hat bereits mit der Umsatzabgabe (Art. 13 ff. StG) Bekanntschaft gemacht. Der dezentrale peer-to-peer Handel kommt allerdings gerade ohne Zwischenschaltung eines in Art. 13 Abs. 3 StG aufgezählten Effektenhändlers aus, womit auch der Umsatzabgabe die Grundlage entzogen ist.29

7.

Mehrwertsteuer ^

[35]

Der Inlandsteuer unterliegen im Inland gegen Entgelt erbrachte Leistungen (Art. 18 Abs. 1 MWSTG). Eine Leistung, die von der Steuer ausgenommen ist und für deren Versteuerung nicht nach Art. 22 MWSTG optiert wird, ist allerdings nicht steuerbar (Art. 21 Abs. 1 MWSTG). Gerade Leistungen im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs, worunter insbesondere Umsätze aus dem Devisen- und Wertpapierhandel fallen, sind von der Inlandsteuer ausgenommen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. d und e MWSTG). Auch ist in diesem Bereich ein Optieren für die Steuerpflicht ausgeschlossen (Art. 22 Abs. 2 lit. a MWSTG). Die ESTV stellt den Handel mit Kryptowährungen dem Handel mit traditionellen Devisen und den Handel mit tokenisierten Wertpapieren dem Handel mit traditionellen Wertpapieren – zu Recht – gleich.30 Die Leistungen der Liquiditätsprovider stellen daher kein Steuerobjekt der Inlandsteuer dar.

[36]

Leistungen im Bereich Geld- und Kapitalverkehr unterliegen auch nicht der Bezugs- (Art. 45a i.V.m. Art. 21 MWSTG) und Einfuhrsteuer (Art. 53 Abs. 1 lit. d MWSTG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 lit. b ZG i.V.m. Art. 13 lit. a ZV).

8.

Konklusion ^

[37]

Die Entwicklung von AMMs stellt nach hier vertretener Ansicht einen fundamentalen technischen Fortschritt dar, dessen Vorzüge insb. von Retail-Anlegern geerntet werden können. Die Nutzung ausgeklügelter Software steht der Annahme privater Vermögensverwaltung nicht entgegen. Die durch Software an den Tag gelegte Handelsaktivität ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen, der die Software einsetzt. Die aus der automatisierten Handelsaktivität resultierenden Kapitalgewinne und -verluste sind steuerlich unbeachtlich, wenn sich der Pflichtige im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung bewegt. Über die Vermögenssteuer kommt es zu einer gewissen Kompensation der Lücke, welche sich im Bereich privater Kapitalgewinne auftut. Weil aus blosser Handelsaktivität kein Vermögensertrag resultieren kann, greift die Verrechnungssteuer von vornherein nicht. Zur Erhebung der Umsatzabgabe fehlt es an der Beteiligung eines Effektenhändlers. Leistungen im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs unterliegen zudem grundsätzlich nicht der Mehrwertsteuer.

Alex Uschatz, Rechtsanwalt, ADB Altorfer Duss & Beilstein.

  1. 1 Market Maker kaufen die Effekten, für welche sie die Liquidität sicherstellen, günstiger ein, als sie diese verkaufen. Der dadurch entstehende, nicht selten kleine «Spread» zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis kann in Kombination mit hohen Volumina zu hoher Profitabilität führen (vgl. Andrew Bloomenthal, Market Maker Definition: What It Means and How They Make Money, 17. Dezember 2023, investopedia.com/terms/m/marketmaker.asp und Ian Bezek, Market Makers: Definition & How They Make Money, 9. November 2023, seekingalpha.com/article/4517979-what-are-market-makers).
  2. 2 Vgl. aber Art. 73c Abs. 1 lit. e FinfraG für Handelsplätze für digitale Vermögenswerte.
  3. 3 Über Bucheffekten kann nur durch Weisung an die Verwahrungsstelle verfügt werden (Art. 24 Abs. 1 lit. a BEG), womit bei jeder Handelstransaktion mind. eine (zentrale) Drittpartei involviert werden muss.
  4. 4 Digitale Vermögenswerte verbinden das Beste beider Welten. Wie Bucheffekten eignen sie sich zum massenweisen Handel, kommen aber im Gegensatz zu diesen ohne Mittelsmänner aus.
  5. 5 Vgl. defillama.com/dexs.
  6. 6 Vgl. Introduction to smart contracts, ethereum.org/developers/docs/smart-contracts.
  7. 7 Das Konzept der Smart Contracts geht auf Nick Szabo zurück, der «ein computerisiertes Transaktionsprotokoll, das die Bedingungen eines Vertrags ausführt» definierte (Nick Szabo, Smart Contracts, 1994, fon.hum.uva.nl/rob/Courses/InformationInSpeech/CDROM/Literature/LOTwinterschool2006/szabo.best.vwh.net/smart.contracts.html; Nick Szabo, The Idea of Smart Contracts, 1997, nakamotoinstitute.org/the-idea-of-smart-contracts/); Vitalik Buterin führte das Konzept weiter aus (vgl. Vitalik Buterin, Ethereum Whitepaper, A Next-Generation Smart Contract and Decentralized Application Platform, 2013, https://ethereum.org/en/whitepaper/).
  8. 8 Vgl. zum Ganzen z.B. Liquidity Pools & the Power of Automated Market Makers, medium.com/coinmonks/liquidity-pools-the-power-of-amms-7c77d1354fbd; Claude Humbel/Fabrice Eckert, Decentralized Exchanges: Grundlagen, Risiken und ausgewählte aufsichtsrechtliche Aspekte, SZW 2023, 10 ff., 14 ff. m.w.H.; David Meirich, Regulatorische Einordnung von Decentralized Finance, Diss. Zürich 2023, N 391 ff. m.w.H.; Alain Friedrich/Sandro Di Giulio, Steuern und Kryptovermögenswerte, Ausgewählte Fragen im Einkommens- und Vermögenssteuerrecht, StR 2022, 90 ff., 95 ff.
  9. 9 Eine gute Übersicht vermitteln Humbel/Eckert, (Fn. 8), SZW 2023, 10 ff., 16 f.
  10. 10 Vgl. zum Ganzen Doncho Karaivanov, Impermanent Loss Explained With Examples & Math, 3. Mai 2021, https://chainbulletin.com/impermanent-loss-explained-with-examples-math.
  11. 11 Reich/von Ah, in: Martin Zweifel/Michael Beusch (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, DBG, 4. Aufl., Basel 2024, Art. 18 N 14; Peter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, Art. 1–48, 2. Aufl., Basel 2019, Art. 18 N 7; Yves Noël, in: Yves Noël/Florence Aubry Girardin (Hrsg.), Commentaire Romand, LIFD, 2. Aufl., Basel 2017, Art. 18 N 2.
  12. 12 Alex Uschatz, Das neue Krypto-Arbeitspapier der ESTV, StR 2022, 208 ff., 214 f.; Friedrich/Di Giulio, (Fn. 8), StR 2022, 90 ff., 102.
  13. 13 ESTV, Arbeitspapier «Kryptowährungen und Initial Coin/Token Offerings (ICOs/ITOs) als Gegenstand der Vermögens-, Einkommens- und Gewinnsteuer, der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben» vom 14. Dezember 2021, 5.
  14. 14 Vgl. insb. ESTV, KS 36 vom 27. Juli 2012, Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel.
  15. 15 ESTV, KS 36 vom 27. Juli 2012, Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel, Ziff. 3.
  16. 16 BGer, 23. Oktober 2009, 2C_868/2008, E. 2.7.
  17. 17 Reich/von Ah, (Fn. 11), Art. 18 N 17, 22.
  18. 18 Reich/Weidmann, in: Zweifel/Beusch (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, DBG, 4. Aufl., Basel 2024, Art. 20 N 4 m.w.H.
  19. 19 Vgl. zum Ganzen Friedrich/Di Giulio, (Fn. 8), StR 2022, 90 ff., 103 f.
  20. 20 Locher, (Fn. 11), Art. 20 N 22; Yves Noël, in: Noël/Aubry Girardin (Hrsg.), Commentaire Romand LIFD, 2. Aufl., Basel 2017, Art. 20 N 12; Reich/Weidmann, (Fn. 18), Art. 20 N 12 f.
  21. 21 ESTV, KS 15 vom 3. Oktober 2027, Obligationen und derivative Finanzinstrumente, Ziff. 3.4.
  22. 22 Neben dem (partiarischen) Darlehen ist insb. keine Optionskomponente erkennbar.
  23. 23 Vgl. nur Claire Huguenin, Obligationenrecht AT und BT, 3. Aufl., Zürich 2019, 40 f.
  24. 24 Vgl. Stephan D. Meyer/Benedikt Schuppli, «Smart Contracts» und deren Einordnung in das schweizerische Vertragsrecht, recht 2017, 204 ff., 218.
  25. 25 Vgl. nur ESTV, Arbeitspapier (Fn. 13), 4; Uschatz, (Fn. 12), StR 2022, 208 ff., 218; Friedrich/Di Giulio, (Fn. 8), StR 2022, 90 ff., 104 ff.
  26. 26 Teuscher/Lobsiger, in: Zweifel/Beusch (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, StGH, 4. Aufl., Basel 2022, Art. 13 N 8 m.w.H.
  27. 27 ESTV, Arbeitspapier (Fn. 13), 5.
  28. 28 Kryptowährungen stellen allerdings ohnehin keine steuerbaren Urkunden i.S.v. Art. 1 StG dar (ESTV, Arbeitspapier [Fn. 13], 5 f.).
  29. 29 Vgl. auch EFD, Bericht zu einem allfälligen Anpassungsbedarf des Steuerrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (DLT/Blockchain), 19. Juni 2020, 24.
  30. 30 MWST-Infos, 04 Steuerobjekt, Ziff. 2.7.3.4; Thomas Linder/Fredrik Dekker, MWST und Krypto-Token, NF 2020, 455 ff., 457; Stefan Oesterhelt/Manuel Dubach, Besteuerung von ICOs und Kryptowährungen, StR 2019, 772 ff., 774, 776 und 781.