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Die Auswirkungen der Social Webs auf die Zukunft der Suchmaschinen

  • Author: Bernd Schauer
  • Category: Recension
  • Region: Austria
  • Field of law: Semantic web and social web
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2009
  • Citation: Bernd Schauer, Die Auswirkungen der Social Webs auf die Zukunft der Suchmaschinen, in: Jusletter IT 1 September 2009
Social Webs haben eine dominante Stellung im Internet eingenommen und gehören heute neben E-mail und Suchmaschinen zu den wichtigsten Diensten. Der Beitrag beleuchtet, welchen Einfluss Social Webs auf die Suchmaschinen genommen haben.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Ausgangslage
  • 2. Probleme für Suchmaschinen
  • 3. Resümee

1.

Ausgangslage ^

[1]

Social Webs zählen heute zu den meistbesuchten Sites im Internet. Sie haben in den letzten Jahren erheblich dazu beigetragen, dass sich das Verhalten der Nutzer grundlegend geändert hat. «Social Web» ist als Überbegriff für eine neue Form des Webs zu verstehen, bei der Anwender sowohl als Verfasser als auch Konsument von Informationen in einer Person tätig werden.1 Die Verwendung verschiedener Rollen ermöglicht es dem Einzelnen, den größtmöglichen Nutzen aus dem Medium zu schlagen. Jeder Anwender hat die Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung des Webs teilzuhaben. Die Interaktionsmöglichkeiten der Nutzer, z.B. in Form von Blogs, Foto-/Video-Tauschbörsen oder Social Communities sind Kennzeichen dieser neuen Entwicklung des Webs 2.0.

[2]

«Contentlastige» Angebote mit zielgruppenorientierten Informationen zählen in der heutigen Internetwelt zu den beliebtesten Anwendungen, gerade bei den Internetusern des Social Webs. Nach einer aktuellen Studie, bei der rund 100 Experten und über 6.000 Konsumenten über die Online-Nutzung befragt wurden, liegen Online-Nachschlagewerke in der Gunst der Anwender in Führung, gefolgt von Bewertungsportalen, Video- und Fototauschbörsen und Social Communities.2

[3]

Gerade bei den unter 30jährigen Internetusern sind diese Dienste sehr beliebt - «Social Communities3» haben in dieser Zielgruppe enorme Zuwächse in den letzten Jahren erzielt.4 Diese Plattformen werden von der Internetgeneration vorwiegend dazu genutzt, um mit anderen Mitgliedern, Freunden oder Kollegen in Kontakt zu treten bzw. zu bleiben und um eine Vielzahl von persönlichen Informationen, Fotos oder Hinweisen über ihre laufenden Aktivitäten auf diesen Plattformen anderen Usern, ihren «Freunden» zur Verfügung zu stellen. Einige Anbieter schaffen auch die Möglichkeit, kleine «Plugins» und Anwendungen in die Social Community-Plattformen einzubinden, um damit die Nutzungsmöglichkeiten zu erweitern.5

[4]

Eine Ursache für die Verbreitung der Social Webs ist auch das Wachstum des Breitbandinternets. Mobile Breitbandzugänge führen dazu, dass von überall auf die Anwendungen der Social Webs zugegriffen werden kann.6 Das Breitband-Internet ist somit ein Garant für die weitere Entwicklung der globalen Informationsgesellschaft geworden. Je ausgeprägter die Möglichkeiten sind, per Breitband-Internet in Kontakt zu treten, zu kommunizieren, zu handeln oder Informationen auszutauschen, desto größer sind auch die Auswirkungen auf die globale Informationsgesellschaft. Regional betrachtet ist die Verbreitung der Social Web-Anwendungen in den USA am weitesten fortgeschritten, Europa hinkt in diesem Bereich der Entwicklung noch hinten nach.7

[5]

Bei den Anwendungen ist auch bemerkenswert, daß die größte Verbreitung derzeit regional-übergreifende Anwendungen mit «Usergenerated-Content» haben, wie z.B. Blogs8 , Podcasts, Wikis, gefolgt von Online-Communities und Mash-Ups.9 Die wachsende Lokalisierung der Anwendungen ist ebenfalls signifikant für die aktuelle Entwicklung. Die Bedeutung von Online-Content mit Bezug zum unmittelbaren lokalen und regionalen Umfeld der Nutzer (sog. «Local Content») wird in Zukunft noch deutlicher zunehmen. Insbesondere zielgruppenoptimierten Portalen, die lokale Dienste anbieten, wird enormes Potential zuerkannt, da durch diese Art der Spezialisierung ein besonderer Mehrwert für die Nutzer entsteht.10

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Bemerkenswert ist ferner, dass die Betreiber derartiger Plattformen ihre Leistungen heute nicht mehr nur aus bloßer «Liebhaberei» anbieten, die Plattformen haben ausgefeilte Business-Pläne und Werbekonzepte, die in der Zukunft zu verstärkten Werbeeinnahmen führen sollten.

[7]

Die Interaktion und Kommunikation zwischen Institutionen wie z.B. Unternehmen und Individuen wird durch derartige Plattformen in Zukunft noch wesentlich erleichtert. Gerade für das Direktmarketing im Internet ist dieser Trend von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung. Je größer die Nutzerzahlen von Social Web-Anwendungen und je beliebter diese Plattformen werden, desto stärker wird der Druck für die Unternehmen. Sie müssen sich ebenfalls mit diesen neuen Anwendungen beschäftigen, um ihre Zielgruppen auch auf diese Weise zu erreichen. Den neuen Möglichkeiten des Web 2.0 bzw. des modernen «Mitmachnetzes» kann man sich nicht mehr im E-Commerce entziehen.

[8]

Auch bei den Medien sind Veränderungen festzustellen – gerade die Verflechtung von Offline- und Onlinemedien und die gegenseitige Integration von Inhalten wird immer stärker. Traditionelle Meinungsführer wie Tageszeitungen oder Fachmagazine werden in Zukunft nach Ansicht der in der Studie befragten Experten dagegen nur im geringeren Maße substituiert. Vielmehr werden Social Webs und Communities die klassischen redaktionellen Inhalte von Zeitungen und Magazinen zunehmend ergänzen.11 Online-Nachschlagewerke und Bewertungsportale werden hierbei ebenfalls eine gewichtige Rolle spielen.

[9]

Das Social Web führt auch im sozialen Umfeld zu Veränderungen. So wird erwartet, dass künftig wirtschaftliche und soziale Veränderungen in einem höheren Maße als bisher von einer vernetzten Community ausgehen werden. Das sog. «User Empowerment12», d.h. zunehmende die Macht- und Einflusseinflussnahme der Nutzer, wird in der Gesellschaft an Bedeutung gewinnen. Vorschläge zu gesellschaftspolitischen Entwicklungen, die Teilnahme am politischen Geschehen, Ideen für die Produkt- und Inhaltsgestaltung oder konstruktive Kritik zur Verbesserung bestehender Angebote werden wohl in Zukunft verstärkt über diese Internet-Plattformen kommuniziert werden.

2.

Probleme für Suchmaschinen ^

[10]

Die wachsende Bedeutung der Social Web-Anwendungen hat natürlich im Bereich der Suchmaschinen dazu geführt, dass der zu durchsuchende Content im Internet stark zugenommen hat. Das Auffinden von «relevanten» Informationen in Suchmaschinen wird immer schwieriger. Suchmaschinen, die heute Inhalte in ihrem Suchindex aufnehmen, sind dabei auch mit der zunehmenden Medienvielfalt im Internet konfrontiert: es gibt heute nicht nur Informationen in Textform, sondern auch in Bild-, in Video- oder in Audio-Form. Gerade Social Web-Anwendungen bedienen sich unterschiedlicher Medien. Relevante Informationen durchsuchbar zu machen, wird daher immer schwieriger.

[11]

Die unterschiedlichen Möglichkeiten der Interaktionen in Social Web-Anwendungen werden aber auf der anderen Seite auch zunehmend missbraucht: Spammer nutzen derartige Applikationen, um beispielsweise Kontaktdaten von Anwendern zu gewinnen, andererseits um in den Anwendungen u.a. die Kommentarfunktion für Werbung, Links, etc. zu nutzen.13

[12]

Diese Veränderungen im Web haben dazu geführt, dass in den letzten beiden Jahren neue Suchmaschinen entstanden sind, die sich u.a. auch der Vorteile der Social Webs bedienen. Zusätzliche Interaktionsmöglichkeiten für die Anwender werden zunehmend in die Suchapplikationen aufgenommen, um damit aussagekräftigere Ergebnisse zu bekommen.14 Gerade für das Ranking von Ergebnissen könnte die Einbindung von Bewertungen einer Community oder die Berücksichtigung von persönlichen Vorlieben im Rahmen einer personalisierten Suche zu einer besseren Trefferqualität führen. Die Verbesserung der Personalisierungsfunktionen für eine individuell angepasste Suche ist eine Herausforderung für die Suchmaschinenanbieter, insbesondere wenn «unpassende» personalisierte Ergebnisse vermieden werden soll.15 Für den Anwender muss es transparent sein, wann seine Ergebnisse personalisiert sind – natürlich soll er auch zwischen personalisierten und Standardergebnissen umschalten können.

[13]

Neue Suchmaschinenanbieter versuchen auch, sich zunehmend auf bestimmte Inhalte zu spezialisieren, um Informationen im Web, in Videos16, in Blogs17, Warenkatalogen18 oder in Personenverzeichnissen19, etc. zugänglich zu machen. Auch die etablierten Suchmaschinenhersteller bieten mittlerweile eigene Spezialsuchmaschinen.20

[14]

Neben der Medienvielfalt wird für viele Suchdienste künftig auch das «Verstehen» und «Beantworten» von Fragen des Anwenders eine große Herausforderung sein, die neben den Schwierigkeiten einer Spracherkennung oder der Vielfalt der Sprachen zu bewältigen ist. Man denke hier nur an den Fall, wenn ein Internetnutzer mittels Spracheingabe per Mikrofon seine Suchmaschine im Internet aufruft, um das aktuelle Wetter oder die Börsenkurse abzufragen. Wesentlich wird es für die Suchmaschinen sein, die Bedeutung von Wörtern und Texten in ihrem Zusammenhang korrekt zu erkennen und diese richtig zu bewerten. Ferner gilt es Techniken zu entwickeln, um nicht-textuelle Inhalte wie Bilder, Videos oder Musik in die Suche nach Worten zu integrieren und damit leichter auffindbar zu machen.

[15]

Die Zukunft der Suchmaschinen liegt somit auch in der Entwicklung semantischer Technologien21 und künstlicher (Sprach-)Intelligenz. Mit deren Hilfe sollen die Server verstehen lernen, welche Art von Inhalten sie bearbeiten und indizieren. Erst dann wird man als Anwender richtige Antworten auf Fragen und nicht nur eine mehr oder weniger passende Aufreihung von relevanten Weblinks erhalten. Google hat bereits erste semantische Techniken in seine Suche integriert.22 So schlägt die Suchmaschine bei der Eingabe von Anfragen gleich alternative Begriffe vor, die bessere Treffer liefern sollen. Investiert wird auch in die automatische maschinelle Übersetzung. Nutzer, die auf Deutsch suchen, können dadurch etwa passende englische Inhalte als Treffer automatisch übersetzt erhalten. Allerdings sind die Ergebnisse der Übersetzungssysteme bisher eher schlecht. Eine der Schwierigkeiten für die Systeme ist es, dass die Übersetzungsprogramme kaum die eigentliche Bedeutung eines Textes erfassen können.

[16]

Neben der Verbesserung der Suchtechnologien liegt ein weiterer Fokus im Ausbau der mobilen Suche und in der Förderung mobiler Endgeräte. Endgeräte wie das Google Phone (Android), Apples iPhone, etc. werden zunehmend zum «Taschen-PC», die Applikationen unterstützen, die bisher nur dem Internet-PC vorbehalten waren.23 Ein wesentlicher Unterschied zwischen der mobilen Suche und der Suche am PC ist natürlich das kleine Display am mobilen Endgerät, das die Darstellung nur weniger Ergebnisse zulässt. Manche Hersteller arbeiten aber hier auch an Verbesserungen.24 Mobile Suchdienste werden daher derzeit noch wenig genutzt. In den nächsten Jahren werden diese aber wohl eine noch größere Bedeutung erlangen.

3.

Resümee ^

[17]

Die Veränderungen des Webs, die durch das «Social Web» eingeleitet wurden, haben auch Einfluss auf die Suchmaschinen genommen. Das Internet wandelt sich immer stärker zu einem Medium, das in hohem Maße durch die Interaktion der Nutzer geprägt ist. Die Interaktionsmöglichkeiten werden dabei auch zunehmend mobil, mobile Breitbandzugänge erlauben dies bereits. Zu den wichtigsten Anwendungen im Social Web zählen heute Formen des C2C-Commerce, die Social Communities und Plattformen zum Austausch von Dateien wie Filme und Bilder zwischen den Anwendern. Das gesellschaftliche Leben der Internetgeneration wird zunehmend durch Online-Anwendungen des Social Web ergänzt und bereichert – die Teilnahme in Social Communities und das Führen eines Blogs gehören beinahe zu den Must-Haves dieser Generation. Für die Unternehmen wird das Social Web dagegen gleichzeitig zu einem immer wichtigeren Bestandteil des Marketings und der Kommunikation.



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  1. 1 Sog. «User Generated Content»; z.B. Informationen im XING/Facebook–Profil, eigene Videos in Youtube, etc.
  2. 2 Studie Deutschland Online 2007, online unter www.studie-deutschland-online.de/.
  3. 3 Vgl. XING, Facebook, MySpace, LinkedIn, Twitter, etc.
  4. 4 Vgl. dazu www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,572113,00.html.
  5. 5 Z.B. «Gadgets» für die Erweiterung von Facebook, www.facebook.com.
  6. 6 Vgl. Studie Deutschland Online 2007, 50 ff.
  7. 7 Vgl. Studie Deutschland Online 2007, 50 ff.
  8. 8 Vgl. dazu die Studie der Universität Leipzig – Blogs als neues Recherchetool: www.blogstudie2007.de.
  9. 9 Vgl. die Einbindung von Google Maps, Flickr, etc. in Websites über APIs, die in Kombination mit anderen Inhalten zu neuen Anwendungen führen; http://de.wikipedia.org/wiki/Mashup_(Internet).
  10. 10 Z.B. ein webbasierter Dienst, der einem Kunden das nächste Geschäft anzeigt, wo er zum günstigsten Preis einen PC kaufen kann, etc.
  11. 11 Vgl. Studie Deutschland Online 2007, 72 ff.
  12. 12 Vgl. www.studie-deutschland-online.de/do5/sdo_2007_de.pdf, Seite 38f.
  13. 13 Vgl. www.searchsecurity.de/themenbereiche/bedrohungen/phishing-und-spam/articles/177304/.
  14. 14 www.eurekster.comwww.socialmention.com.
  15. 15 Z.B. die Suche nach Detailinformationen zu einer Fotokamera nur in individuell festgelegten Websites; vgl. die Suchprofile unter www.rollyo.com/.
  16. 16 www.youtube.comwww.blinkx.com.
  17. 17 www.technorati.comwww.blog-sucher.dewww.blogato.de.
  18. 18 www.like.com.
  19. 19 www.wink.comwww.123people.atwww.spock.com.
  20. 20 Google Trendsuche, Google Local, Google Buchsuche, Google Patentsuche, etc.
  21. 21 Vgl. www.wolframalpha.com.
  22. 22 Vgl. dazu http://googlesystem.blogspot.com/2006/05/google-semantic-web-google-reads-your.html.
  23. 23 Vgl. Google Maps auf Mobiltelefonen, mobile Suchdienste aus SMS Basis, etc.
  24. 24 Z.B. Projektoren, die im Mobiltelefon eingebaut sind, etc.