1.
Einleitung ^
Seit Ende 2008 steht in Deutschland die Version 2.0 von XDOMEA zur Verfügung1 . XDOMEA ist der XÖV-Datenaustauschstandard für die IT-gestützte Weitergabe, den Austausch und die Aussonderung von Schriftgut zwischen und innerhalb von Behörden. In der aktuellen Version des Standards sind im Vergleich zu XDOMEA 1.0 neben strukturellen Anpassungen folgende funktionalen Erweiterungen vorgenommen worden:
- die Abbildung von Geschäftsganginformationen sowie weiteren Bearbeitungs- und Protokollinformationen,
- die Einbindung fach- bzw. anwendungsspezifischer Informationen,
- die Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten auf die Aussonderung und den Prozess der Anbietung und Übergabe behördlichen Schriftguts an die zuständigen Archive (Integration von XArchiv),
- die Einbindung elektronisch signierter Dokumente und
- die Unterstützung einer Schnittstelle zwischen Fachverfahren und Dokumentenmanagement- (DMS) und Vorgangsbearbeitungssystemen (VBS).
Die Entwicklung von XDOMEA 2.0 hat sich an den Phasen und Methoden des XÖV-Frameworks2 orientiert. Mit dem objektorientierten und nachrichtenbasierten Aufbau von XDOMEA sowie der Berücksichtigung von XÖV-Kernkomponenten (z.B. Name, Anschrift, Behördenkennung, Organisationseinheit) des DOL-Vorhabens Standardisierung wird die bedarfsgerechte Auswahl der genutzten Elemente und Anwendungsfälle von XDOMEA ermöglicht («nicht jeder muss alles nutzen»).
Abbildung 1 verdeutlicht den objektorientierten Aufbau von XDOMEA 2.0 am Beispiel des Objekts «Vorgang».
Abbildung 1: Objektorientierte Struktur von XDOMEA 2.0 am Beispiel des Objekts «Vorgang»
Abbildung 2 und Abbildung 3 verdeutlichen am Beispiel der Nachrichtengruppe «Information austauschen» den Aufbau der Nachrichten in XDOMEA 2.0. Für die verschiedenen Nachrichtengruppen wurden Aktivitäten beschrieben, auf deren Basis die auszutauschenden Nachrichten modelliert wurden.
Eine vollständige Beschreibung von XDOMEA 2.0 befindet sich in der Spezifikation3 .
Mit der Weiterentwicklung von XDOMEA sind nun nahezu alle Austauschszenarien zwischen Kommunikationspartnern bis hin zur Unterstützung der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie möglich. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Fachverfahrensschnittstelle zur Unterstützung der Austausch- und Ablageprozesse zwischen Fachverfahren und DMS/VBS.
2.
Notwendigkeit, Vorteile und Beispiel für die Anwendung der FV-Schnittstelle ^
Die kommunalen Verwaltungen in Deutschland besitzen eine sehr hohe Durchdringung mit jeweils eigenständigen Fachverfahren, die für eine spezielle Fachaufgabe konzipiert und realisiert wurden. Die eingesetzten Fachverfahren verfügen jedoch in aller Regel nicht über Dokumentenmanagementfunktionalität, die zur Führung der elektronischen Akte erforderlich ist, so dass durchgängige elektronische Prozesse derzeit nur selten möglich sind.
An dieser Stelle setzt die Fachverfahrensschnittstelle an und stellt eine funktionale Kopplung zwischen Fachverfahren und DMS her (vgl. Abbildung 4).
Die Überlegungen zur Konzeption der Fachverfahrensschnittstelle gehen von der Annahme aus, dass es für kommunale Behörden weder ökonomisch noch technologisch sinnvoll ist, die vielen Fachverfahren einzeln mittels proprietärer Schnittstellen anzubinden. Die Fachverfahrensschnittstelle hingegen soll einen Standard etablieren, dessen Nutzung für alle Beteiligten – Benutzer, Anwenderorganisationen, DMS- und Fachverfahrenshersteller – u. a. ökonomischen Nutzen verspricht:
Aus Sicht der verschiedenen Beteiligten ergeben sich durch die Nutzung der Fachverfahrensschnittstelle folgende Vorteile:
- Benutzer : Für alle Beteiligten stellt ein zentrales DMS eine über ein Berechtigungskonzept integrierte Sicht auf den Dokumentenbestand zu einzelnen Geschäftsvorfällen bereit. Ebenso von Relevanz ist das leichte Wechseln zwischen der Arbeit im Fachverfahren und im DMS. Schließlich können Arbeitsprozesse durchgängig über die Grenzen einzelner Fachverfahren hinaus elektronisch unterstützt werden. Benutzer sind entscheidend für den Erfolg von DMS-Projekten, weil ihre Akzeptanz bzw. Ablehnung zur Nutzung bzw. Nichtnutzung eines DMS führt.
- Anwenderorganisation : Behörden sind verpflichtet, auch elektronisches Schriftgut aktenmäßig aufzubewahren. Angesichts der Vielzahl von Fachverfahren insbesondere im kommunalen Bereich ist eine proprietäre Anbindung jedes einzelnen Fachverfahrens weder wirtschaftlich noch technologisch machbar bzw. sinnvoll.
Die Fachverfahrensschnittstelle geht davon aus, dass es innerhalb der IT-Infrastruktur einer Behörde die Aufgabe eines DMS ist,zentral die revisionssichere, aktenmäßige Ablage und Verwaltung von elektronischem Schriftgut bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist sicherzustellen. Daher muss das DMS als Dokumentendienst durch alle in der Behörde eingesetzten Fachverfahren angesprochen werden können.
Zusätzlich ergibt sich der Vorteil, die technologische Plattform für die revisionssichere Ablage, das DMS, leichter auswechseln zu können. - DMS-Hersteller: Standards können nur erfolgreich etabliert werden, wenn sie durch die Produkthersteller auf breiter Front akzeptiert werden. Die Hersteller von DMS profitieren von einer standardisierten Fachverfahrensschnittstelle, weil sie den Aufwand für die Entwicklung und Pflege einer Vielzahl von proprietären Schnittstellen zu einzelnen Fachverfahren erheblich reduzieren hilft.
- Fachverfahrenshersteller : Fachverfahrenshersteller profitieren von einer standardisierten Fachverfahrensschnittstelle, weil so weder die Notwendigkeit entsteht, DMS-Funktionalität in die eigenen Fachverfahren zu integrieren und zu pflegen noch eine Vielzahl von proprietären Schnittstellen zu DMS zu pflegen sind.
Um eine rasche Umsetzung zu ermöglichen und die Akzeptanz von Fachverfahrens- wie DMS-Herstellern zu erreichen, wird bei der Schnittstelle zwischen Basis und erweiterter Funktionalität unterschieden:
- Die Basisfunktionalität bietet grundlegende Funktionen zum Ablegen, Modifizieren und Löschen von Dokumenten und Containerobjekten (Akten, Vorgänge etc.) im DMS. Dazu gehören z.B. folgende Funktionen:
- Schriftgutobjekt anlegen/abrufen/aktualisieren (Akten, Vorgänge, Ordner, Gruppen/Strukturen)
- Vertretung aktivieren/deaktivieren
- Zuständigkeit ändern
- Gesamtprotokoll ablegen
- zdA-verfügen
- Für die erweiterte Funktionalität ist z.B. auch geplant
- das Anlegen eines Fachverfahrensdatensatzes,
- die Suche im Fachverfahren,
- den Export bzw. das Aus- und Einchecken von Objekten,
- das Erstellen von Postausgängen und die
- Synchronisation von DMS und Fachverfahren für ein ggf. notwendiges Recovery.
Im Rahmen einer Ausschreibung eines DMS für den kommunalen Bereich in Rheinland-Pfalz und im Saarland wurde die Entwicklung der Fachverfahrensschnittstelle angestoßen und wesentlich vorangetrieben. Am Beispiel des Personenstandswesens wird im Folgenden skizziert, welche Aufgaben anfallen, wenn ein Fachverfahren mit Hilfe der XDOMEA-Fachverfahrensschnittstelle an DMS angebunden wird.
- Abbildung von Fachobjekten auf XDOMEA: Fachobjekte wie das Personenstandsregister mit seinen Jahrgängen, Haupteinträgen, Folgebeurkundungen, Hinweisen und Sperrvermerken sind auf die fünfstufige Objektstruktur von XDOMEA (Akte, Teilakte, Vorgang, Teilvorgang und Dokument) abzubilden. Ziel ist es dabei, bestehende Spielräume in der Organisation der Schriftgutobjekte zu reduzieren.
- Identifikation von fehlender Funktionalität: Über die in der Fachverfahrensschnittstelle normierte Funktionalität hinaus erfordert das Personenstandswesen die Möglichkeit, Sperren auf Registereinträgen zu setzen bzw. zurückzusetzen, neue Registereinträge zu signieren bzw. bei bestehenden die Signaturen zu prüfen. Hier ist in Abstimmung zwischen Anwendern, Aufsichtsbehörden, Fachverfahrensherstellern, DMS-Herstellern und dem Normierungsgremium eine Fortschreibung des XDOMEA-Standards abzustimmen und zum nächstmöglichen Zeitpunkt vorzunehmen.
- Fortschreibung von XDOMEA: Fortschreibungsbedarf entsteht nicht nur in Bezug auf fehlende Funktionalität. Es ist auch damit zu rechnen, dass mit Umsetzungsprojekten die Notwendigkeit zur Präzisierung des Standards zutage treten wird. Mit dem Betriebskonzept von XDOMEA werden u.a. dafür Prozesse zur Pflege des Standards vorgesehen.
- Anwendungsspezifischer Normierungsbedarf: Bei der Entwicklung von anwendungsspezifischen Schnittstellen entsteht darüber hinaus auch der Bedarf, fachliche Standards zu vereinbaren. Im Personenstandswesen betrifft das bspw. die Abbildung der Inhalte der Fachobjekte in XML-Datenstrukturen.
3.
Ausblick ^
Über das oben skizzierte Beispiel des Personenstandswesens hinaus ist eine Anbindung weiterer Fachverfahren an das kommunale DMS geplant, z. B. das Meldewesen und die Kfz-Zulassung.
Eine Reihe von Fachverfahrensherstellern zeigen Interesse an einer genormten DMS-Schnittstelle. Dazu trägt auch die gegenüber XDOMEA 1.0 deutlich breitere Abdeckung von Anwendungsbereichen bei. Von daher ist damit zu rechnen, dass in der nächsten Zeit die Erfahrungen mit dem Einsatz von XDOMEA 2.0 und seiner Fachverfahrensschnittstelle deutlich zunehmen werden. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich der Standard auf Basis der Praxiserfahrungen und -erfordernisse weiterentwickeln wird.
Siegfried Kaiser, Jeff Licker, Andreas Mayer, ITOB GmbH, Am Wingertsberg 14a, 6729 Ettringen, DE
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- 1 Die ITOB GmbH hat an der Erarbeitung des Standards im Rahmen der AG XDOMEA des Kooperationsausschusses Automatisierte Datenverarbeitung Bund, Länder und kommunaler Bereich (KoopA ADV) mitgewirkt.
- 2 Weitere Informationen zum XÖV-Framework und dem Deutschland-Online-Vorhaben (DOL) «Standardisierung» finden sich auf der Seite von www.standardisierung.deutschland-online.de.
- 3 Spezifikation, Schemadateien, Codierrichtlinien sowie weitergehende Information finden sich auf den Seitenwww.xdomea.de sowie www.xrepository.deutschland-online.de.