Dieser Beitrag geht auf drei wichtige Phasen der Wechselwirkung ein:
- die Gründungssituation in den 70er Jahren mit dem Entstehen zweier Disziplinen aus einer gemeinsamen Rechtsinformatik;
- die wachsende Bedeutung informationeller Garantien - die zweite Geburt der Rechtsinformatik in den Neunziger Jahren;
- die Entwicklung von E-Government und E-Governance.
1.
Die Gründungssituation ^
Historischer Ausgangspunkt war die Gründung der Rechtsinformatik, welche mit dem Jahr 1970 angesetzt werden kann (Fiedler 1970, Steinmüller 1970). Es herrschte das Verständnis einer Rechtsinformatik als Einheit, die gleichsam Rechts- und Verwaltungsinformatik ist. Dies wurde durch die Sicht einer Gemeinsamkeit von Normen und Vollzug gestützt und war zudem wegen der einheitlichen juristischen Ausbildung naheliegend. Allerdings muss gesagt werden, dass das Verhältnis sehr unausgewogen war, da dem Verwaltungsvollzug eine eher bescheidene Rolle zukam. Dies und das Vorliegen unterschiedlicher Interessensschwerpunkte führten zu einer Trennung in zwei Disziplinen. Man könnte auch von der normativen Kraft des Faktischen sprechen, denn es waren gerade die zahlreichen Entwicklungen der Praxis (gleichsam ein Anwendungsschub), welche zu einer eigenständigen Verwaltungsinformatik führten. Somit war der Verwaltungsvollzug mittels Informationstechnik ein Fragenkomplex sui generis geworden. Dabei muss man nur an die vielfache Faktoren bei Entwicklung und Betrieb denken, die alle bei Informationssystemen in öffentlichen Verwaltungen zu beachten sind.
Es ist schwer ein Datum zu nennen, da die Trennung eher ein langsames Auseinanderdriften war. So seien zur Illustration zwei Jahreszahlen genannt, welche das Werden einer eigenständigen Disziplin nach außen dokumentierten: so erschien die Zeitschrift «Öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung» seit 1971; 1974 erscheint ein erstes Buch «Verwaltungsautomation» (Brinckmann et al., 1974).
2.
Die wachsende Bedeutung informationeller Garantien ^
Es folgten Jahre rasante Entwicklung der Informationstechnik im Allgemeinen, aber auch die rasche Entfaltung der Verwaltungsinformatik im Besonderen. Zur Entwicklung der Verwaltungsinformatik sei auf (Reinermann, 1989) verwiesen.
Als Reaktion auf diese Entwicklungen ertönte ein unüberhörbarer Ruf nach rechtlichen Regelungen. Einige Beispiel für den Regelungsbedarf seien nachstehend aufgezählt: die Garantieleistung des Informationszuganges, der Datenschutz und der Schutz der informationellen Selbstbestimmung, die Sicherung von Authentizität, Vertraulichkeit und Verbindlichkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit der Systeme usw.
Die starke Wechselwirkung führte auch in der Rechtsinformatik selbst zu Änderungen Das ursprünglich herrschende Paradigma eines Schutzes vor dem Computer als Mittel der Mächtigen wurde durch ein neues ersetzt, nämlich dem Schutz der Informationsgesellschaft als heutige Lebensgrundlage. Einer der ersten, der dies monierte war Herbert Fiedler . Er hat in diesem Zusammenhang den Ausdruck einer zweiten Geburt der Rechtsinformatik geprägt.
3.
E-Government und E-Governance ^
Mit der Jahrhundertwende nahmen die Veränderungen weiter zu. Informationstechnologie brachte zuerst eine grundlegende Umwandlung des Wirtschaftslebens; in weiterer Folge kam es zur e-Transformation aller gesellschaftlichen Bereiche. Staat, Recht und Verwaltung werden ganz wesentlich betroffen. E-Government entwickelte sich in die Breite, wobei auf den Übersichtsartikel (Traunmüller, 2009) verwiesen sei.
Die Veränderung hat viele Triebkräfte. Sicher einmal ökonomische Chancen, aber auch Moden Visionen und Konzepte entfalten eine treibende Kraft. Hier seien einige genannt: Lebensstil in Mobilität und Multimedia, Ideen der Zivilgesellschaft und die Rhetorik der Wissensgesellschaft.
Es geht um technisch vermittelte Innovationen in allen Bereichen guten Regierens und Verwaltens, womit auch der Bereich Public Governance angesprochen ist. Folglich hat sich in der Modernisierung von Staat und Verwaltung E-Governance als weiterer Begriff neben E-Government etabliert. E-Government umfasst als innerste Zone die Modernisierung des ausführenden Staatshandelns in den öffentlichen Verwaltungen und in der Justiz. E-Governance betrifft die technisch vermittelte Innovationen zur Organisation und demokratischen Öffnung aller Phasen des politischen Prozesses. Im weiteren Sinn behandelt E-Governance auch die Umgewichtung der Rollen, welche bei der Sicherung des Gemeinwohls dem Staat und privaten Kräften zukommen. Zu letzteren zählt marktwirtschaftlicher Koordination und «zivilgesellschaftlicher» Organisation. Es sei aber betont, dass der Gebrauch der Begriffe im Fluss ist. So verwenden viele Autoren den Ausdruck e-Government im weiten Sinn, was dann E-Governance als Teil einschließt.
Die Rechtsinformatik hat zur Entwicklung von E-Governance wichtige Anstöße beigetragen. Irgendwie ist heute die weite Sicht der Rechtskybernetik wiederum gefragt. So gewinnen Ideen aus den 60er und 70er Jahren (Luhmann, Simitis, Fiedler, Steinmüller usw.) erneute Aktualität.
4.
Literatur ^
Brinckman, H., Grimmer, K., Lenk, K., Rave, D., Verwaltungsautomation. Darmstadt, (1974).
Fiedler, H., Automatisierung im Recht und juristische Informatik. In: Juristische Schulung 1970, S. 432-36, 552-56, 603-607, Juristische Schulung 1971, S. 67-71, 228-33 (1970/71).
Reinermann H., 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland - 4 EDV-Phasen in der öffentlichen Verwaltung, VOP 3, S. 126 (1989).
Steinmüller, W., EDV und Recht, Einführung in die Rechtsinformatik, J. Schweitzer Verlag, Berlin, (1970).
Traunmüller. R., E-Government - New Challenges Ahead. Keynote DEXA 2009. In: Scholl, H.J. et al. Electronic Government, Trauner Verlag, Linz, S. 215 - 222 (2009).
Roland Traunmüller, Institut für Informatik, Johannes Kepler Universität Linz