Jusletter IT

Das elektronische Zustellsystem aus Sicht der Versendung

  • Authors: Roman Trabitsch / Gerald Fischer / Thomas Grechenig / Bernhard Horn
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government, E-Justice
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Roman Trabitsch / Gerald Fischer / Thomas Grechenig / Bernhard Horn, Das elektronische Zustellsystem aus Sicht der Versendung, in: Jusletter IT 1 September 2010
Vor nunmehr über 2 Jahren trat mit 1. Jänner 2008 das Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007 (BGBl. I Nr. 5/2008) in Kraft, durch welches insbesondere auch der III. Abschnitt des ZustG, der die elektronische Zustellung regelt, einer grundlegenden Novellierung unterzogen wurde. Ziel dieser Neuerungen war es vor allem, die Attraktivität der Nutzung einer elektronischen Zustellung sowohl auf Bürger- als auch auf Behördenseite zu fördern. Für Bürger soll dadurch eine einfach zu handhabende Möglichkeit zur Verfügung gestellt werden, elektronische Schriftstücke ohne viel Aufwand zeit- und ortsunabhängig empfangen zu können. Auf Behördenseite soll dieses gesetzlich gestaltete elektronische «Zustellsystem» zu einer nicht unwesentlichen Reduktion unmittelbarer als auch mittelbarer Kosten führen. Insbesondere für den Fall ist erhebliches Einsprungspotential zu erkennen, in welchem bereits ein behördeninternes elektronisches Aktenmanagementsystem (ELAK-System) etabliert wurde und durch automatische Zuordnung des elektronischen Rückscheins zum entsprechenden Akt eine durchgehend medienbruchfreie Zustellung ermöglicht werden kann. Darüber hinaus sieht das ZustG auch die Möglichkeit einer verbindlichen Übermittlung von Dokumenten durch Private vor, was einerseits im Bereich von E-Government im Zuge der Privatwirtschaftsverwaltung (z.B. E-Procurement) relevant ist, aber auch für den Bereich des E-Commerce von wesentlicher Bedeutung sein kann.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Die einzelnen «Leistungen» im Zustellsystem
  • 2. Der Übergangszustelldienst
  • 3. Die nachweisliche Zusendung im Auftrag von Privaten
  • 4. Die Anfrage beim Zustellkopf
  • 4.1. Zulässige Suchparameter in einer Anfrage
  • 4.2. Arten von Abfragen
  • 4.3. Die Antwort des Zustellkopfes
  • 5. Die Übergabe an den Zustelldienst
  • 6. Die vereinfachte Zustellung ohne Zustellnachweis
  • 6.1. Zustellung über das elektronische Zustellsystem der Behörde
  • 6.1.1. Anforderungen an das Registrierungsverfahren beim Kommunikationssystem
  • 6.1.2. Datensicherheitstechnische Vorkehrungen
  • 6.1.3. Beurteilung
  • 6.1.4. Explizite Angabe der elektronischen Zustelladresse
  • 6.1.5. Angabe im anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren
  • 6.1.6. Beurteilung
  • 7. Fazit
  • 8. Quellen

1.

Die einzelnen «Leistungen» im Zustellsystem ^

[1]

Grundsätzlich gibt es im Zustellsystem zwei Arten von Zustelldiensten: (einfache) Zustelldienste und den Ermittlungs- und Zustelldienst, wobei letzterer im gesamten Zustellsystem nur ein einziges Mal existieren darf. Diesem Ermittlungs- und Zustelldienst kommt gem. § 29 Abs. 2 ZustG eine spezielle Rolle zu, da dieser eine Art «Verzeichnisdienst» (in der Praxis als «Zustellkopf» bezeichnet) zu führen hat, welcher einem Versender die Abfrage erlaubt, ob eine bestimmte Person, an welche zugestellt werden soll, überhaupt bei irgendeinem zugelassenen Zustelldienst angemeldet ist («Ermittlungsleistung»). Ist der Empfänger bei einem oder mehreren Zustelldiensten registriert und eine Zustellung an diesen nicht auf Grund von temporärer Abwesenheit ausgeschlossen (§ 33 Abs. 2 ZustG), so erfolgt eine Rückmeldung mit den entsprechenden Zustellinformationen, ansonsten eine negative Antwort (§ 34 Abs. 1 ZustG). Im Anschluss ist das zuzustellende Dokument an den entsprechenden Zustelldienst weiterzuleiten. Wurden vom Empfänger Daten zur inhaltlichen Verschlüsselung zuzustellender Dokumente hinterlegt, so sind diese vor Übermittlung an den Zustelldienst entsprechend zu verschlüsseln. Ist ein Empfänger bei mehreren Zustelldiensten registriert, so ist jenem der Vorzug zu geben, bei welchem Daten zur Verschlüsselung hinterlegt wurden (§ 34 Abs. 3 ZustG). Wurden bei mehreren Zustelldiensten Verschlüsselungsdaten hinterlegt, liegt die Auswahl im Ermessen der Behörde.

[2]

Eine weitere Leistung, die der Ermittlungs- und Zustelldienst zu erbringen hat, ist die «Verrechnungsleistung»: Jeder Zustelldienst hat den «Zustellkopf» über erfolgreich durchgeführte Zustellungen zu informieren und dieser akkumuliert die entsprechenden Entgelte getrennt nach absendender Organisation und Zustelldienst. Im Anschluss wird jedem einzelnen Absender bzw. jeder versendenden Organisation nach Ablauf eines bestimmten zu vereinbarenden Zeitraumes eine Sammelrechnung übermittelt und das Inkasso der Zustellentgelte betrieben. Diese Entgelte werden im Anschluss entsprechend an die Zustelldienste weitergeleitet (§ 29 Abs. 2 Z 3 ZustG).

[3]

Jeder Zustelldienst hat die «Zustellleistung» gem. § 29 Abs. 1 ZustG zu erbringen: Diese umfasst die unmittelbare Weiterleitung von neuen oder geänderten Kundendaten an den Ermittlungs- und Zustelldienst, um den Verzeichnisdienst stets auf dem aktuellsten Stand zu halten, die Meldung temporärer Abwesenheiten von Empfängern, sowie die rechtsverbindliche Zustellung behördlicher Dokumente an diese.

2.

Der Übergangszustelldienst ^

[4]

§ 32 ZustG sieht vor, dass der Ermittlungs- und Zustelldienst im Zuge eines Vergabeverfahrens gem. BVergG 2006 zu bestimmen ist, in welchem sowohl die Zustellleistung (§ 29 Abs. 1 Z 1 – 9 ZustG) als auch die Leistungen gem. Abs. 2 in einem gemeinsamen Verfahren auszuschreiben sind. Der vom Zuschlagsempfänger gebotene Preis für die Erbringung der Zustellleistung ist im Internet zu veröffentlichen und auch für alle anderen zugelassenen Zustelldienste verbindlich, obwohl diese nicht Parteien des Vertrags sind. Ziel dieser Regelung ist es, eine marktorientierte Preisgestaltung auf Grund von Konkurrenz zwischen den zugelassenen Zustelldiensten zu erreichen1.

[5]

Da eine solche Ausschreibung bis zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht stattgefunden hat, sind die Leistungen des § 29 Abs. 2 ZustG vom so genannten «Übergangszustelldienst» kostenlos zu erbringen, welcher beim Bundeskanzleramt eingerichtet ist und die Aufgaben des Zustellkopfs wahrnimmt. Dieser wäre auch berechtigt, Zustellleistungen oder Zusendungen im Auftrag von Privaten vorzunehmen (§ 32 Abs. 2 ZustG), wovon bisher aber kein Gebraucht gemacht wurde.

[6]

Den Zeitpunkt, zu welchem diese Ausschreibung spätestens stattfinden muss, schreibt § 40 Abs. 6 ZustG ausdrücklich vor: Das Vergabeverfahren ist spätestens neun Monate, nachdem zumindest drei zugelassene elektronische Zustelldienste zuglassen worden sind, einzuleiten. Zwischenzeitlich ist dies der Fall, da mit Bescheid vom 13. 11. 2009 neben der Raiffeisen Informatik GmbH (https://www.meinbrief.at) und der Bundesrechenzentrum GmbH (https://www.brz-zustelldienst.at) auch die Telekom Austria TA AG (https://zustellung.telekom.at) als dritter elektronischer Zustelldienst zugelassen wurde. Daher muss bis Mitte August 2010 das Vergabeverfahren gem. § 32 ZustG eingeleitet werden, wodurch in nächster Zeit Auswirkungen auf die Kosten eines elektronischen Zustellvorgangs zu erwarten sein werden.

[7]

Bis zur Erteilung des Zuschlages ist das Entgelt gesetzlich mit € 0,33 pro erfolgreich durchgeführten Zustellvorgang fixiert. Dieser Betrag ergibt sich aus der Hälfte des Standardtarifs für Briefsendungen zzgl. USt (€ 0,55 / 2 * 1,2). Nach einer Zuschlagerteilung ist für alle Zustelldienste jener Tarif verbindlich, welcher vom Bestbieter für die Erbringung der Zustellleistung geboten wurde.

3.

Die nachweisliche Zusendung im Auftrag von Privaten ^

[8]

Grundsätzlich ist das ZustG nur für die Zustellung behördlicher Dokumente von Gerichten und Verwaltungsbehörden im Zuge der Hoheitsverwaltung anwendbar (§ 1 ZustG), jedoch sieht § 29 Abs. 3 ZustG vor, dass zugelassene Zustelldienste auch die nachweisliche Zusendung von Dokumenten im Auftrag von Privaten auf privatrechtlicher Basis anbieten können. Um eine solche Dienstleistung anbieten zu können, ist der Ermittlungs- und Zustelldienst gesetzlich dazu verpflichtet, die Ermittlungsleistung auch in solchen Fällen wie bei der Zustellung hoheitlicher Dokumente zu erbringen. Auf diese Weise wird einerseits Behörden die Möglichkeit eingeräumt, Dokumente auch im Zuge der Privatwirtschaftsverwaltung rechtsverbindlich und unleugbar zu übermitteln, andererseits bringt diese Regelung aber auch nicht unerhebliche Vorteile für den Bereich des E-Commerce mit sich. Bei einer Ermittlungsanfrage an den Zustellkopf muss jedoch explizit angegeben werden, dass eine private Zusendung erfolgen soll. Dies kann entweder durch Angabe eines entsprechenden Parameters im GET-Request geschehen («…?private=true»), durch Angabe im HTTP-Header (Private: true) oder bei Bulk-Abfragen durch Setzen des Attributsprivate="true" im XML-Root-Element «BulkQuery».

[9]

Welche Leistungen zu welchen Preisen vom Zustelldienst im Auftrag Privater zu erbringen sind, richtet sich jedoch einzig und alleine nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen Absender und Zustelldienst. Auch wenn der Empfänger beim Zustelldienst zum Empfang behördlicher Dokumente angemeldet ist, muss er dem Empfang von Dokumenten, welche im Auftrag Privater versendet werden, zuvor ausdrücklich zustimmen.

4.

Die Anfrage beim Zustellkopf ^

[10]

Bevor das erste Mal eine Abfrage beim Zustellkopf abgesetzt werden kann, ist eine einmalige Anmeldung durch den potentiellen Versender bei diesem nötig. Bei einer solchen Anmeldung sind die Organisationsdaten, Name, Adresse und E-Mail-Adresse einer Kontaktperson und eine Rechnungsadresse, sofern diese nicht von der Kontaktadresse abweicht, anzugeben. Am Ende muss noch ein Zertifikat des Absenders in Form einer Datei angehängt werden, welches in Zukunft zur Client-Authentifizierung benötigt wird, da eine Abfrage beim Zustellkopf nur über eine gesicherte HTTPs-Verbindung möglich ist. Auf der Informationsseite des Zustellkopfes findet sich eine Liste aller aktuell akzeptierten Zertifizierungsdiensteanbieter. Behörden oder Dienstleister für Behörden müssen sich in ihrem Zertifikat ihre «Verwaltungseigenschaft» bzw. «Dienstleistereigenschaft» explizit als so genannte Zertifikatserweiterung eintragen lassen.2

4.1.

Zulässige Suchparameter in einer Anfrage ^

[11]

Für eine Anfrage beim Zustellkopf, ob bzw. bei welchem Zustelldienst der gewünschte Empfänger registriert ist, sind nur gewisse Parameter zulässig, welche in § 33 Abs. 1 Z 1 – 5 ZustG taxativ aufgezählt werden. Je nach dem, ob nach einer natürlichen oder juristischen Person gesucht werden soll oder ob der anfragenden Fachapplikation das Zustell-bPK bekannt ist, müssen im Zuge einer Anfrage ganz bestimmte Parameter übergeben werden. Eine «globale» Informationsabfrage nach vereinzelten Kriterien (wie beispielsweise nur dem Nachnamen «Maier») oder die Verwendung von Wildcards ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich.

4.2.

Arten von Abfragen ^

[12]

Weiters erlaubt der Zustellkopf verschiedene Arten von Anfragen: Einzelabfragen und Bulk-Abfragen. Eine Einzelabfrage erfolgt mittels einer einfachen GET-Abfrage, wobei die Suchkriterien einfach in der URL als Parameter übergeben werden. Eine Bulk-Abfrage erlaubt die Abfrage mehrerer Personen mittels eines XML-Containers, wobei jede beinhaltete «Einzel»-Abfrage mit einer eindeutigen ID versehen werden muss, um die Abfrageergebnisse entsprechend zuordnen zu können.

4.3.

Die Antwort des Zustellkopfes ^

[13]

Die Antwort des Zustellkopfs bildet ebenfalls eine XML-Struktur, welche entweder einen Fehlercode oder die Informationen gem. § 34 Abs 1 S 2 ZustG beinhaltet. Mögliche Fehler sind, dass keine Registrierung des Empfängers bei einem Zustelldienst vorliegt (404), mehrere Treffer erzielt wurden (403), ein Fehler in der Anfrage vorlag (410) oder ein interner Fehler im Zustellkopf auftrat (500). War eine Abfrage erfolgreich, so beinhaltet der XML-Container eine oder mehrere Server-Sektionen, wobei jede Sektion das verschlüsselte bPK des Empfängers für den Bereich «Zustellung» beinhaltet, die URL des Zustelldienstes, jene Dateiformate in Form eines MIME-Types, welche der Empfänger zu empfangen in der Lage oder bereit ist, und gegebenenfalls das Zertifikat des Empfängers im Standardformat X509. Ein solches, gegebenenfalls vorhandenes Zertifikat erlaubt es nun dem Absender, das dem Empfänger zu übermittelnde Dokument derart zu verschlüsseln, dass nur diesem eine Entschlüsselung möglich ist. Weiters kann nun jener Zustelldienst ausgewählt werden, bei welchem Verschlüsselungsinformationen vom Empfänger hinterlegt wurden und welchem somit gemäß § 34 Abs. 3 ZustG der Vorzug zu geben ist.

[14]

Erfolgt die Zusendung im Auftrag von Privaten, so wird anstatt des bPKs pro Zustelldienst eine eigene im gesamten Zustellsystem eindeutige ID vergeben, welche eine Art «Briefmarke» zur Identifikation des Empfängers und zu Verrechnungszwecken darstellt. Die ID besteht aus einem Token, einem Zeitstempel und einer im gesamten Zustellsystem eindeutigen Kennnummer des Empfängers («electronic delivery ID» oder kurz «edID»), wobei die Elemente durch :: getrennt und für den jeweiligen Zustelldienst gesondert verschlüsselt werden. Der Token wird per Zufallsgenerator definiert und dient der späteren Verrechnung. Der Zeitstempel dient der Feststellung durch den Zustelldienst, dass die «Briefmarke» nicht älter als 48 Stunden ist, danach verliert sie ihre Gültigkeit und darf nicht mehr akzeptiert werden. Die edID wird aus dem wbPK gem. § 14 f E-GovG, also dem bPK für den privatwirtschaftlichen Bereich des Empfängers, generiert, welches dem Zustelldienst auf Grund der Anmeldung des Empfängers mittels Bürgerkarte zur Verfügung steht und dem Zustellkopf entsprechend der Spezifikation ZUSEPUSH3 wie alle anderen Stammdaten sämtlicher potentieller Empfänger übermittelt werden muss. Nähere Informationen zur Durchführung einer Abfrage beim Zustellkopf finden sich in der Spezifikation ZUSEKOPF4 und zur Privatzusendung in ZUSEPRIV5 .

5.

Die Übergabe an den Zustelldienst ^

[15]

Im letzten Schritt muss die Nachricht (verschlüsselt oder unverschlüsselt) an den entsprechenden Zustelldienst übergeben werden (vgl. Kapitel 1), wobei die zu übermittelnde Nachricht und die zuzustellenden Dokumentdateien in einen Multipart-MIME-Container eingebettet werden müssen. Dafür stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: entweder wird jede Datei in einen eigenen MIME-Part eingebettet oder die Dokumentdateien werden in eine .ZIP-Datei gepackt, die Endung auf .ZUS geändert und in einem MIME-Part mit dem Typ «application/x-zus» abgelegt. Wurde vom Empfänger beim Zustelldienst kein Zertifikat zur Verschlüsselung hinterlegt, so kann dieser Container nun in der Form mittels SOAP an den Zustelldienst übermittelt werden. Anderenfalls muss der Container vorher noch verschlüsselt und die so generierte CMS-Datei ihrerseits wiederum in einen MIME-Container mit dem Typ «application/x-pkcs7-mime» abgelegt werden, bevor eine Versendung erfolgen darf. Durch Übergabe eines entsprechenden Parameters kann der Absender entscheiden, wie er vom Zustelldienst allfällige Benachrichtigungen erhalten möchte. Solche können an ein Webservice, ein elektronisches Postfach bei einem Zustelldienst oder an eine schlichte E-Mail-Adresse übermittelt werden. Um eine Zuordnung zum entsprechenden Akt zu ermöglichen, muss das Zustellstück vom Absender mit einer eindeutigen Kennung versehen werden.

[16]

Im Zuge dieser Übermittlung sind – insbesondere bei der privaten Zustellung – noch eine Reihe weiterer Parameter zu übergeben, wobei in diesem Zusammenhang auf die Spezifikation ZUSEMSG6 verwiesen werden muss.

6.

Die vereinfachte Zustellung ohne Zustellnachweis ^

[17]

Grundsätzlich können auch behördliche Zustellungen, für welche kein Zustellnachweis benötigt wird, über einen Zustelldienst durchgeführt werden, wobei für diesen Fall vereinfachte Regelungen hinsichtlich der Verständigung des Empfängers gelten (§ 36 ZustG). Doch bietet auch § 37 ZustG praktisch sehr einfache und komfortable Möglichkeiten, behördliche Dokumente rechtsverbindlich zuzustellen, ohne dass die innerbehördliche Infrastruktur vorerst an das elektronische Zustellsystem angebunden werden müsste.

6.1.

Zustellung über das elektronische Zustellsystem der Behörde ^

[18]

Von der Behörde kann ein eigenes Kommunikationssystem betrieben werden, bei welchem sich der Empfänger einmalig registriert und welches in der Folge die zuzustellenden Dokumente zum Download via Internet bereit hält. Bei dieser Art der Zustellung gilt diese am dritten Werktag nach dem erstmaligen Bereithalten eines Dokuments als bewirkt. Eine Zustellung über ein solches behördliches Kommunikationssystem muss aber dann unterbleiben, wenn der Empfänger bei einem Zustelldienst registriert ist, was zuvor durch Abfrage beim Zustellkopf zwingend festzustellen ist (§ 37 Abs. 2 ZustG). Vgl. dazu Kapitel 4.

6.1.1.

Anforderungen an das Registrierungsverfahren beim Kommunikationssystem ^

[19]

Da derart zur Abholung bereit gehaltene Dokumente regelmäßig auch personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSG 2000 beinhalten, darf eine Zugriffsmöglichkeit gem. § 3 Abs. 1 E-GovG erst dann eingeräumt werden, wenn die eindeutige Identität (§ 2 Z 2 E-GovG) der zugreifenden Person und die Authentizität des Begehrens (§ 2 Z 5 E-GovG) nachgewiesen wurde. Der Nachweis der Authentizität wird in diesem Kontext kein Problem darstellen, da nicht daran zu zweifeln ist, dass eine Person, welche sich an einem System zur Abholung behördlicher Dokumente anmeldet, sich auch von deren Inhalt Kenntnis verschaffen möchte. Unter «eindeutiger Identität» versteht das Gesetz ein oder mehrere Merkmale, welche eine unverwechselbare Unterscheidung einer Person von allen anderen bewirkt. Das E-GovG sieht dafür primär das Konzept der Bürgerkarte vor, jedoch können auch andere Verfahren zum Einsatz kommen, welche einen ähnlich hohen Standard an Verlässlichkeit gewährleisten.7 Soll eine Authentifizierung beim Kommunikationssystem mittels einer Kombination aus eindeutigem Benutzernamen und individuellem Passwort erfolgen, so ist ein Verfahren bereitzustellen, welches hinreichende Sicherheit dahingehend gewährleistet, dass der entsprechende Benutzername tatsächlich nur an jene Person vergeben wird, welche sie zu sein vorgibt und dass das zugehörige Passwort einzig und allein dieser Person zur Kenntnis gelangt.

6.1.2.

Datensicherheitstechnische Vorkehrungen ^

[20]

Selbstverständlich müssen auch beim Betrieb eines solchen Kommunikationssystems durch einen Auftraggeber öffentlichen Rechts (§ 5 DSG 2000) sämtliche datenschutzrechtlichen Bestimmungen – insbesondere auch jene der Datensicherheitsmaßnahmen gem. § 14 DSG – beachtet werden. Absatz 1 sieht ganz generell vor, dass je nach Art, Umfang und Zweck der Verwendung personenbezogener Daten entsprechend des aktuellen Stands der Technik und unter Beachtung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit sicherzustellen ist, dass solche Daten u.a. vor unbefugter Kenntnisnahme zu schützen sind. Daraus wird sich zum aktuellen Zeitpunkt jedenfalls die Verpflichtung ableiten lassen, dass bereits zu Beginn der Kommunikation mit dem Server, welcher das Kommunikationssystem bereitstellt, eine verschlüsselte SSL-Verbindung aufgebaut wird. Ansonsten würde der Vertraulichkeitsgrad der Zugangsdaten jenem einer offen liegenden Postkarte gleichkommen, da diese mit allgemein verfügbaren Tools leicht ausgespäht und in weiterer Folge missbräuchlich für eine Zugangsverschaffung zum Kommunikationssystem verwendet werden können. Dies würde in diametralem Widerspruch zu dem in § 1 Abs. 1 DSG 2000 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Wahrung der Geheimhaltung personenbezogener Daten stehen. Vor allem im behördlichen Kontext wird das Bestehen schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen in der Regel zu bejahen sein.

6.1.3.

Beurteilung ^

[21]

Ein Nachteil dieser Zustellmethode ist zweifelsfrei, dass sich jeder potentielle Empfänger beim Zustellsystem jeder einzelnen Behörde gesondert anmelden muss. Als Beispiel eines solchen Kommunikationssystems kann «FinanzOnline» genannt werden.8

6.1.4.

Explizite Angabe der elektronischen Zustelladresse ^

[22]

Einerseits muss die Zustelladresse explizit zum Zweck einer Zustellung behördlicher Dokumente an diese angegeben worden sein. Ob es zur Erfüllung dieser Voraussetzung ausreichend ist, wenn in einem Standardformular beispielsweise für ein Anbringen lediglich in einem entsprechenden Feld eine E-Mail-Adresse einzutragen ist, erscheint hinterfragenswert, da dies uE nicht zwangsläufig eine hinreichende Erklärung darstellen muss, an dieser Adresse auch behördliche Dokumente zugestellt erhalten zu wollen. Ob sich ein durchschnittlich sorgfältiger Bürger, welcher zur Angabe seiner «persönlichen Daten» inklusive einer E-Mail-Adresse aufgefordert wird, der Konsequenz bewusst ist, an dieser Adresse in der Folge auch behördliche Zustellungen zu erhalten, erscheint zweifelhaft. Oftmals verfügen Personen zwar über eine solche E-Mail-Adresse, welche sie jedoch nur sporadisch abrufen, tragen diese aber dennoch – beispielsweise der Vollständigkeit halber, in vorauseilendem Gehorsam der «Obrigkeit» gegenüber oder einfach nur aus Unwissenheit – in das entsprechende Feld ein. Eine im Sinne einer good Governance saubere Lösung wäre in diesem Zusammenhang zum Beispiel, eine entsprechende Auswahlmöglichkeit durch Ankreuzen oder Selektieren vorzusehen, auf Grund welcher explizit gewählt werden kann, ob Zustellungen «per Post», «per E-Mail» oder «per Fax» gewünscht werden. Die Erl9 sehen auch eine Angabe einer solchen elektronischen Zustelladresse im Briefkopf eines schriftlichen Anbringens als ausreichend, was jedoch nicht im Widerspruch zum vorher Gesagten steht. Gibt jemand eine solche Adresse aus Eigenem im Zuge einer Korrespondenz mit einer Behörde an, so wird nach allgemeinem Verständnis davon auszugehen sein, dass an solchen Adressen auch Antworten erwartet werden.

6.1.5.

Angabe im anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren ^

[23]

Als zweite Voraussetzung darf diese elektronische Adresse nur für Zustellungen in jenem Verfahren verwendet werden, bei dessen Einleitung oder in dessen Zusammenhang sie angegeben wurde. Dies bedeutet, dass solche Adressennicht verwendet werden dürfen, welche der Behörde im Zuge früherer oder parallel geführter Verfahren oder sonst wie (z.B. von der Homepage des Einschreiters) zur Kenntnis gelangten. Dies findet seine Begründung darin, dass in solchen Fällen nicht damit gerechnet werden kann, dass der Empfänger diese Adresse zum aktuellen Zeitpunkt (noch) regelmäßig abruft, geschweige denn bei dieser behördliche Zustellungen erwartet. Auch bei parallel geführten Verfahren ist dies u.A. zu berücksichtigen, da nicht festgestellt werden kann, welchen Stellenwert der Empfänger jedem einzelnen dieser Verfahren zumisst und je nachdem seine «Abruffrequenz» gestaltet. Es könnte beispielsweise auch sein, dass der Einschreiter im Zuge der Einleitung des jüngeren Verfahrens nicht mehr daran denkt, im ältern eine elektronische Zustelladresse angegeben zu haben und in Folge dessen ein physisches Erledigungsschreiben erwartet, ohne diese elektronische Zustelladresse zwischenzeitlich abzurufen, wodurch das Risiko von Fristenversäumnissen evident ist.

6.1.6.

Beurteilung ^

[24]

Nachteil dieser Zustellmethode ist zweifelsfrei, dass die Behörde keine Rückmeldung dahingehend erhält, ob die Zustellung tatsächlich bewirkt, frei von Übertragungsfehlern bewirkt bzw. zu welchem Zeitpunkt bewirkt wurde. § 37 Abs. 1 ZustG stellt zwar die Vermutung auf, dass das Dokument zum Zeitpunkt des Einlangens (offenbar anders als § 12 ECG erst beim tatsächlichen Abruf und nicht bereits beim Eingang beim Mailserver) beim Empfänger als zugestellt gilt. Diese Vermutung wird jedoch bereits bei Behauptung ihrer Unrichtigkeit durch den Empfänger gegenstandslos und die Behörde hat die Tatsache und den tatsächlichen Zeitpunkt der (übermittlungsfehlerfreien) Zustellung zu ermitteln und nachzuweisen. Anderenfalls ist die Behauptung der Nichtzustellung des Empfängers als richtig anzusehen.10

7.

Fazit ^

[25]

Zusammengefasst stehen einer Behörde im Rahmen der Hoheitsverwaltung nur zwei Möglichkeiten zur Zustellung mit Zustellnachweis zur Verfügung, nämlich die physische Zustellung oder die elektronische Zustellung mittels Zustelldienstes. Ist kein Zustellnachweis nötig, so kann neben einem Zustelldienst auch ein behördliches Kommunikationssystem oder eine Zustellung an einer elektronischen Zustelladresse in Anspruch genommen werden.

[26]

Grundsätzlich birgt der Einsatz elektronischer Zustellverfahren erhebliches Einsparungspotential in sich, einerseits durch verminderte unmittelbar entstehende Kosten pro Zustellvorgang, andererseits durch weniger Verwaltungsaufwand wie beispielsweise Kuvertierung, Frankierung und Versendung. Weitere Synergieeffekte ergeben sich auch für den Fall, wenn innerhalb der Behörde bereits ein elektronisches Aktenmanagementsystem etabliert ist und so zuzustellende Schriftstücke medienbruchfrei an Empfänger übermittelt werden können und auch die Zustellnachweise («Rückscheine») sofort automatisch den entsprechenden elektronischen Akten zugeordnet werden können. So können eine physische Rückübermittlung, gegebenenfalls das Einscannen und die manuelle Zuordnung zum entsprechenden Akt unterbleiben.

[27]

Darüber hinaus sieht das Zustellgesetz auch die Möglichkeit einer verbindlichen Zustellung von Schriftstücken Privater vor, was einerseits für den Bereich des E-Commerce von Bedeutung ist, als auch im Bereich des E-Government im Zuge der Privatwirtschaftsverwaltung (zB E-Procurement). Sinnvoll erscheint eine (verschlüsselte) elektronische Übermittlung vor allem für die Übermittlung von Verträgen, vertraulichen Dokumenten, sensiblen medizinischen Unterlagen, Rechnungen, Mahnungen, Kündigungen, Ausschreibungen, verbindlichen Angeboten oder deren Annahme.

[28]

Mit den entsprechenden gesetzlichen Reglungen und der Offenlegung sämtlicher technischer Spezifikationsdokumente auf der Plattform «E-Government Bund-Länder-Gemeinden»11 wurde in Österreich eine einheitliche und transparente Infrastruktur für elektronische Zustellungen geschaffen. Dadurch wird es Behörden ermöglicht, ihre Fachapplikationen einfach an das elektronische Zustellsystem anbinden zu können, Softwareanbieter können entsprechend kompatible Produkte anbieten, die auch Rechtskonformität garantieren, und für den Bürger wurde die Möglichkeit geschaffen, durch eine einmalige Anmeldung bei einem Zustelldienst sämtliche hoheitlichen oder fakultativ auch privatwirtschaftlichen Dokumente elektronisch empfangen zu können.

8.

Quellen ^

Thienel, Rudolf & Schulev-Steindl, Eva, Verwaltungsverfahrensrecht, Verlag Österreich, Wien (2009).
E-Government Bund-Länder-Gemeinden, Zustellung-Spezifikation Suite 1.3.0, abrufbar unter http://reference.e-government.gv.at/AG-II-ZUSE-Zustellung-Spezifik.1833.0.html, abgerufen 5. Januar 2010 (2010).
E-Government Bund-Länder-Gemeinden, Elektronische Zustellung – nachweisliche Zustellung im Auftrag von Privaten – Version 1.3.1, http://reference.e-government.gv.at/AG-II-ZUSEpriv-1-3-0.2196.0.html, abgerufen 5. Januar 2010 (2010).

 



Bernhard Horn, Roman Trabitsch, Projektassistenten, Research Industrial Systems IT-Engineering (RISE) GmbH, Am Concorde Park F, 2320 Schwechat, AT, bernhard.horn@rise-world.com romantrabitsch@rise-world.com

Gerald Fischer, Projektassistent, Forschungsgruppe INSO der TU Wien, Wiedner Hauptstraße 76/2/2, 1040 Wien, AT, gerald.fischer@inso.tuwien.ac.at
Thomas Grechenig, Universitätsprofessor, Leiter der Forschungsgruppe INSO der TU Wien, Wiedner Hauptstraße 76/2/2, 1040 Wien, AT, thomas.grechenig@inso.tuwien.ac.at

 

 

  1. 1 Vgl. Erl zur RV 252 BlgNR 22. GP, 16.
  2. 2 Vgl. Digitales Österreich, Zertifikatserweiterungen der öffentlichen Verwaltung, http://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=19383, abgerufen 5. Januar 2010.
  3. 3 Elektronische Zustellung – Push Protokoll, http://reference.e-government.gv.at, abgerufen 5. Januar 2010.
  4. 4 Elektronische Zustellung – Zustellkopf – Schnittstellenspezifikation, http://reference.e-government.gv.at, abgerufen 5. Januar 2010.
  5. 5 Elektronische Zustellung – Nachweisliche Zusendung im Auftrag von Privaten, http://reference.e-government.gv.at, abgerufen 5. Januar 2010.
  6. 6 Elektronische Zustellung – Message Spezifikation, http://reference.e-government.gv.at, abgerufen 5. 1. 2010.
  7. 7 Vgl. Erl zur RV 252 der BlgNR 22. GP, 6.
  8. 8 Vgl. Erl zur RV 294 der BlgNR 23. GP, 25.
  9. 9 Vgl. Erl zur RV 294 BlgNR 23. GP, 17.
  10. 10 Vgl. Thienel, R./Schulev-Steindl, E., Verwaltungsverfahrensrecht, Verlag Österreich, Wien, S. 387, 377 (2009).
  11. 11 http://reference.e-government.gv.at , abgerufen 5. 1. 2010.