1.
Thema ^
Die «demokratische Republik» (Art. 1 B-VG) bestellt ihre1 wesentlichen Organe durch in aller Regel unmittelbare2 Wahl. Als zulässige Modi sehen die entsprechenden Gesetze die «Wahlkarte» vor. Diese wiederum umfasst – seit dem Wahlrechtsänderungsgesetz 20073 – auch die «Briefwahl»4 ,nicht jedoch auch schon dieelektronische Wahl .5 Diesbezüglich gibt es vielmehr erst einebegleitende Entschließung des Nationalrates aus dervergangenen Legislaturperiode.6
Welche höherrangigen rechtlichen Vorgaben hätte der Wahlgesetzgeber bei einer Einführung des Modus der elektronischen Wahl, insbesondere des Wählens auf Distanz, zu beachten?
2.1.
Notwendigkeit einer Änderung einfachen Bundesverfassungsrechts ^
2.2.
Determinanten übergeordneten Rechts ^
Im Folgenden soll allerdings – mit besonderem Blick auf den hier interessierendenModus elektronischer Wahl – vor allem nachinnerstaatlichen Determinanten gefragt werden, also, angesichts der Zweistufigkeit des österreichischen Bundesverfassungsrechts, nach solchen, die sich spezifisch aus der bundesverfassungsrechtlichenGrundordnung ergeben.
2.2.1.
Prinzip der Egalität und damit untrennbar verbundene Prinzipien ^
Vor allem das Prinzip der «Gleichheit » – verstanden als «Egalität »20 – dürfte bereits durch dasdemokratische Bauprinzip vorgegeben, also derAbänderbarkeit durch einfaches BVG entzogen , sein.21 Auch die Grundsätze der «Allgemeinheit »22 und der «Freiheit »23 scheinen damit aberuntrennbar verbunden zu sein, da jede Beeinträchtigung dieser letzteren beiden Grundsätze zwingend eine Ungleichheit der Ausübung des Wahlrechts24 bewirkte.
2.2.2.
Instrumentelle Prinzipien ^
Demgegenüber kommt der Garantie der «Geheimheit » –nur des Inhalts , nicht aber auch des Datums der (Nicht-)Teilnahme25 – wohl lediglich26 eininstrumenteller Stellenwert zu.27 Allerdings mag dieses Instrument für egalitäre, demokratische Wahlen28 jedenfallsmittlerweile29 derartregelmäßig alsunverzichtbar erscheinen30 , dass auch diesem, in Art. 26 Abs. 1 B-VGvon Anfang an31 ausdrücklich genannten Grundsatz als solchem grundordnungsrechtlicher Charakter zukommen könnte. Diese Frage ist jedoch insofern weniger brisant, als, wie bemerkt, der Grundsatz der Geheimheit auch (schon)völkerrechtlich verankert und daher vom österreichischen Wahlgesetzgeberjedenfalls zubeachten ist.
Auch die beiden – gleichfalls instrumentellen32 – Grundsätze der«Unmittelbarkeit» und der«Persönlichkeit» waren aber bereits in derStammfassung des Art. 26 B-VG enthalten; demnachkönnte es sichauch hiebei um letztlich wesentliche Ausprägungen desdemokratischen Bauprinzips handeln.
Entgegen dem semantischen Anschein33 richtet sich jedoch das Gebot der «Unmittelbarkeit»lediglich gegen eine vordem vorgesehen gewesene34 Mediatisierung durch «Wahlmänner»35 , hat also mit der hier interessierenden Thematikgar nichts zu tun36 und bleibt daher im Folgenden außer Betracht. Der – in internationalen Zusammenhängen nicht bekannte –eigentümliche Grundsatz der «Persönlichkeit» führt dagegen in das «Herz» der österreichischen Diskussion und sei daher hier als erster näher beleuchtet:
3.1.
Vorgeschichte in der Monarchie ^
Auch das Gebot der «Persönlichkeit» der Wahl enthältursprünglich nicht ein Verbot räumlicher Distanz der Stimmabgabe, sondern betrifft lediglich die Frage der Zulässigkeit derAusübung mittels Vollmacht .37 Grund für dieses Gebot dürfte (schon) damals38 dieVermeidung des Stimmenkaufs gewesen sein.39 Damit harmoniert dieeinzig für diehöchste Wählerklasse zugelasseneAusnahme – ebenso wie die retrospektiv kurioseVerpflichtung zur Briefwahl40 , gleichfallsnur in dieser Wählerklasse41 – durchaus.42
Mit der Einführung des gleichen Wahlrechts normierte aber der erste Satz des§ 5 der RRWO 1907einheitlich : «Das Wahlrecht kannnur persönlich ausgeübt werden.»43 Im unmittelbaren Anschluss daran ordnete sodann§ 6 leg cit rigide undausnahmslos an:«Der Wahlberechtigte übt sein Wahlrecht in jener Gemeinde aus, in welcher er am Tage der Ausschreibung der Wahl … seinen Wohnsitz hat.»
3.2.1.
§ 28 KNVWO ^
§ 28 derKNVWO44 1918 hielt am vorgefundenen Bestand fest, ersetzte jedoch die «Legitimationskarten»45 durch eine Personenstandsurkunde. Anhand des «Motivenbericht[s] … des Staatskanzlers»46 klar erkennbares Motiv dieserVerschärfung war die Verhütung von «Wahlschwindel», also wohl (weiterhin) von «Stimmenkauf». Bedenkt man die jedenfalls damals existente finanzielle Bedürftigkeit weiter Kreise ebenso wie die finanzielle Potenz zumindest einiger Weniger, dann wird klar, dass gerade auch § 28 KNVWO 1918 im Kerngeradewegs daraufabzielte , die – damals noch keineswegs gefestigte –Egalität des Wahlrechts47 zu sichern.
3.2.2.
VfSlg 10.412 ^
Im Kontext einer – seinerzeit mittels einfachen Landesgesetzes48 einzuführen versuchten – «Wahl mit Wahlbrief» hielt 1985 der VfGH fest, dass «ein ‚persönliches’ Wahlrecht» iSd. B-VG «diephysische Präsenz des Wählers … zur Teilnahme an der Wahl notwendig voraussetzt.» Aus der damaligen Begründung49 ergibt sich zugleich deutlich, dass es sich bei diesem Grundsatz – in zumindest gleicher Weise wie bei jenem der «Geheimheit»50 – für den VfGH (weiterhin) um eineninstrumentellen Grundsatz51 handelt(e).
3.2.3.
Novelle BGBl 1992/470 ^
Nur wenige Jahre nach VfSlg 10.412 wurden dem damaligen Art. 26 Abs. 6 B-VG mit Novelle BGBl 1992/47052 nachstehende Sätze angefügt:
Bereits damit erfolgte einegrundsätzliche Umwälzung der Perspektive. Denn zwar war aus dem Passus «Stimmabgabe im Ausland» der Umkehrschluss zu ziehen, imInland sei diephysische Präsenz vor der Wahlbehörde (weiterhin)zweifelsfrei angeordnet53 , trachteten die damals in § 60 NRWO idF. BGBl. 1992/471 normierten Alternativen dem für das Inland gebotenen Standard in ihrerMehrzahl54 möglichst nahe zu kommen55 und war schließlich eine Abänderung des § 60 NRWO nur unter Bedingungen, diesonst für die Erzeugung vonVerfassungsrecht vorgesehen sind, zulässig. Gleichwohl handelte es sich jedoch bei § 60 NRWO geradenicht um formelles Bundesverfassungsrecht .56 Damit war aber, untervordergründiger Aufrechterhaltung des von VfSlg 10.412 postulierten Zustandes (imInland ), diesem – jedenfallssoweit , als es sich um den Grundsatz der«Persönlichkeit» handelt – inverfassungs rechtlicher Hinsicht bereitsder Boden entzogen :
Denn die Novelle 1992 hat ja den Wahlgrundsatz der«Persönlichkeit» in Art. 26Abs. 1 B-VG formell vollkommenunangetastet gelassen, so dass sich dieser hinkünftigauch auf die «Stimmabgabe im Ausland» bezog.57 Ohne Widersprüchlichkeit ist daherbereits seit damals dieser Grundsatznicht mehr in dererweiterten , auch die Frage «physischer Präsenz» umfassenden Weiseverstehbar .58
3.2.4.
Die Wahlrechtsreform 2007 ^
Vor dem gerade herausgestellten Hintergrund der Bedeutung bereits der Wahlrechtsreform 1992 verwundert es nicht, dass die neuerliche Änderung des Art. 26 Abs. 6 B-VG – womit einerseits, wie bereits erwähnt, die Alternative zur Stimmabgabe im Wahllokal auf den Modus der «Briefwahl» beschränkt, andererseits aber dieser Modusauch für das Inland geöffnet wurde – in den Materialien59 keinen großen Niederschlag gefunden hat, zumal ja – mit der dem Wahlberechtigten nach demdritten Satz auferlegten Verpflichtung – nunmehr sehr klar zum Ausdruck gebracht wurde, diezugelassene Alternative dürfe den Grundsatz der «Persönlichkeit» (sowie desjenigen der «Geheimheit»)nicht durchbrechen .
4.1.
Allgemeines ^
Dieses Verhältnis zwischen Abs. 1 und Abs. 6 des Art. 26 B-VG enthält nur dann keinen Widerspruch, wenn einerseits der Grundsatz der «Persönlichkeit» (ebenso wie der der «Geheimheit») gegenwärtig nur (mehr) einen solchen Inhalt, der mit dem Modus der «Briefwahl»nicht schon a priorikollidiert , aufweist, andererseits aber dieser Modus auch nicht bewirkt, dass dessen Inanspruchnahmediese Grundsätze , und damit das, wie gezeigt, dahinterstehende,grundordnungsrechtliche Prinzip der Egalität60 , durchbräche; maW:
Der Grundsatz der «Persönlichkeit» kann einerseits sinnvollerweisenur noch bedeuten, dass «durch die Gestaltung des Wahlverfahrens … auch dafür zu sorgen [ist], dassEinflüsse dritter Personen auf die Stimmabgabe nach Möglichkeit ausgeschlossen werden»61 ; andererseits ist dieser (damit ohnedies, gegenüber dem unmittelbaren status quo ante, bereits reduzierte) Gehalt dann aber auch auf interpretativem Wege wohlnicht mehr weiter (etwa auf das Ausgangsniveau62 )zurückdrängbar , und zwar selbst dann nicht, wenn dies zugunsten eines anderen Grundsatzes, wie namentlich desjenigen der «Allgemeinheit», erstrebt würde.63 Gegenläufige Wirkungen sind hier alsonicht einfach gegeneinander «abzuwägen»64 , sondern es ist eineausreichende Erfüllungsämtlicher Prinzipien geboten.65
4.2.
Konkrete Folgerungen ^
Der bereits angesprochene dritte Satz des Art. 26 Abs. 6 B-VG zeigt, dassder einfache Bundesverfassungs gesetzgeberselbst den instrumentellen Wahlrechtsgrundsatz der «Persönlichkeit» (ebenso wie den der «Geheimheit») – und damit aber letztlich das der bundesverfassungsrechtlichenGrundordnung zugehörigePrinzip der wahlrechtlichen Egalität als solches – bei dem Modus der «Briefwahl»in größerer Gefahr als beim traditionellen Modus sieht.66 Gerade in einer derartigen bereitsex ante erkanntenGefährdungssituation erscheint es aberkaum als adäquat67 , sich zur Sicherung des Rechtszustandeseinzig auf das in diesem Satz vorgeseheneMittel – eine (eidesstattliche)Erklärung des Wahlberechtigten selbst – zu verlassen, zumal sich bereits ohne diffizile empirische Forschungen – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit68 – Personengruppen (in nicht vernachlässigbarer quantitativer Stärke) benennen lassen, derenstrukturelle Abhängigkeit in ihrer täglichen Lebensführung von Dritten so erheblich ist, dass der Schutz des Wahlrechtsinsoweit einerstärkeren Gewährleistung, als im Modus der «Briefwahl» gegenwärtig vorgesehen, bedürfte, namentlich Minderjährige69 , Besachwalterte70 , Pflegebedürftige71 und Sektenangehörige.72 Konsequenterweise dürfte sich daher wohl der einfache Wahlgesetzgeber jedenfallsnicht hinsichtlichsämtlicher Konstellationen ausschließlich auf Art. 26 Abs. 6, dritten Satz, B-VG verlassen73 , sondern er hätte erforderlichenfallsergänzend vorzusorgen .74
4.3.
Folgerungen speziell für Internet-Voting ^
Was hier im Kontext der Briefwahl ausgeführt wurde, lässt sich – angesichts derinsoweit vollkommen vergleichbaren Situation derDistanz zum Wahllokal – auf die rechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Internet-Voting vollständig übertragen.
Hinsichtlich der technischen Besonderheiten des Internet-Voting sei hier jedoch noch ein zusätzlicher Gesichtspunkt angesprochen:
5.1.
Die Auffassung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes ^
Tatsächlich stützt sich das dBVerfG aber weder auf die angegebenen Stellen des dGG als solche, noch aber auch auf überpositives Recht, sondern auf die«verfassungsmäßigen Grundentscheidungen für Demokratie, Republik und Rechtsstaat» .77
Diese «Grundentscheidungen» bestehen aber, als solche, (gerade) auch nach österreichischem Verfassungsrecht, als Bestandteile der bundesverfassungsrechtlichen Grundordnung.78
Demnach kann die Auffassung des dBVerfG gerade auch für die Auslegung des österreichischen Bundesverfassungsrechts, näherhin der Grundordnung,grundsätzliches Interesse beanspruchen.
5.2.
Umlegung auf Österreich ^
Jedenfalls nach gegenwärtigem Stand der Durchdringung des normativen Gehalts derösterreichischen bundesverfassungsrechtlichenGrundordnung79 besteht aber m.E.kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, etwa auf der Grundlage des demokratischen oder des republikanischen Bauprinzips zu fordern, dass «dieKontrolle des Wahlverfahrens eine Angelegenheit undAufgabe der Bürger sein»80 müsse. Wohl aber wird man aus demrechtsstaatlichen Bauprinzip ableiten können, dass gerade auch «die Kontrolle des Wahlverfahrens» – eine gegenwärtig ausdrücklich demVfGH nachArt. 141 Abs. 1 lit. a B-VG überwiesene Aufgabe – «überhaupt durch ein – … genügend unabhängiges … –Gericht besorgt» werde.81 Aus diesem –grundordnungsrechtlichen – Erfordernis gerichtlicher Kontrolle lässt sich aber dann auch immerhin eingrundordnungsrechtliches Verbot einersolchen Ausgestaltung des Wahlverfahrens82 ableiten, die dem betreffendenGericht keine effektive Nachprüfung ermöglicht.
6.
Literatur ^
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Alexander Balthasar, Ministerialrat im Bundeskanzleramt/Präsidium, Sektionsleitung, 1014 Wien AT
Alexander.Balthasar@bka.gv.at
- 1 Die «in Österreich» direkt zu wählenden Abgeordneten zum EP (Art. 23a Abs. 1 B-VG), sind nach Art. 14 Abs. 2 EUV idF Lissabonnicht mehr , wie noch nach Art. 190 Abs. 1 EGV, Vertreterdes österreichischen Volkes.
- 2 Nur der Bundesrat wird mittelbar (im Wege der Landtage) gewählt (Art. 35 Abs. 1 B-VG).
- 3 BGBl I Nr 28.
- 4 § 10 Abs. 2ff BPräsWG, § 60 NRWO (gegebenenfalls iVm § 8 VbefrG bzw § 8 VabG).
- 5 Zulässig sind jedoch bereits derzeit a) die Verständigung über die «Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts im Weg der Briefwahl» seitens der Gemeinde «per E-Mail» (§ 5a Abs. 5 BPräsWG bzw § 39 Abs. 2 NRWO) und b) die Stellung des Antrages auf Ausstellung einer Wahlkarte «per Internet», insbesondere mittels digitaler Signatur (§ 5a Abs. 4 und 5 BPräsWG bzw § 39 Abs. 1 und 2 NRWO).
- 6 E 22, XXIII. GP, angenommen am 5.6.2007, Text beigelegt dem AB 129 Blg. NR XXIII. GP.
- 7 Auf die Bestellung der Organe dernichtterritorialen (dh «sonstigen»)Selbstverwaltung sind die Grundsätze des Art. 26 Abs. 1 B-VGjedenfalls nicht tel quel anzuwenden (vgl bereitsKorinek , Selbstverwaltung 221ff; VfSlg 17.951, uVw auf VfSlg 17.023; auch der rezente Art. 120c Abs. 1 B-VG idF. BGBl. I 2008/2 sieht [weiterhin] nur,recht unbestimmt , vor, dass «die Organe der Selbstverwaltungskörper … aus dem Kreis ihrer Mitgliedernach demokratischen Grundsätzen zu bilden [sind]»).
- 8 Hiezu tritt, allenfalls, noch § 3 des Verbotsgesetzes 1947, BGBl Nr. 25 (vgl VfSlg 10.705, 12.646).
- 9 Vgl.Mayer , B-VG 196f;Schreiner , Art. 26 B-V, Rz 22. Siehe auch unten FN 22 sowie, zur Stammfassung,Balthasar , Grundordnung, 345f.
- 10 Explizit erst seit BGBl I 2007/27. Zur Relevanz dieser rezenten Einführung siehe unten FN 23.
- 11 Art. 26 B-VG, Rz 48.
- 12 «Sinngemäß» anzuwenden auch für die Wahl des EP (Art. 23a Abs. 4), des BPräs. (Art. 60 Abs. 1 B-VG), der LT (Art. 95 Abs. 4 B-VG) und der Gemeinderäte (Art. 117 Abs. 2 B-VG) sowie auf Volksabstimmungen und Volksbefragungen (Art. 46 Abs. 3 [gegebenenfalls iVm. Art. 49b Abs. 3] B-VG).
- 13 In § 39 Abs. 4 und 5 NRWO ist dagegen, inelektronischem Kontext, von «E-Mail » bzw «digitalerSignatur », die Rede (siehe oben FN 5).
-
14
Vgl. nicht nur die ausführliche Diskussion der «Stimmgebung im Wege des Internet» beiSchreiner , Art. 26
B-VG, Rz 57, deutlich getrennt von der Diskussion der «Briefwahl» (aaO., Rz 55), sondern insbesondere auch die bereits oben (FN 6) erwähnte Entschließung des NR. - 15 Vgl. sinngemäß erst unlängst VfGH 17.6.2008, Zl. G 187/07.
- 16 Siehe näherBalthasar , Grenzen.
- 17 Vgl. Art. 25 IPBPR, Art. 3 1. ZP EMRK, sowie, wenngleich unmittelbar lediglich bezogen auf das EP, Art. 14 Abs. 3 EUV und Art. 39 Abs. 2 EU-Grundrechte-Charta.
- 18 Gerade bei multilateralen StV ist die Dynamik dem Abschluss erstnachfolgender Interpretation («living instrument») nicht zu vernachlässigen. Demnach sind gerade hier pro futuro Ergebnisse aus der internationalen Diskussion betreffend Vereinbarkeit dieser Grundsätze mit Internet-Voting zu erwarten, die dann auch auf Österreich umlegbar sein werden.
- 19 Zumindest, solange sich Österreich diesen völkerrechtlichen Bindungen nicht entzieht.
- 20 Diese war bereits ganz zu Beginn der «demokratischen Republik» dem damaligen (Grund-)Gesetzgeber ein zentrales – und demnach wiederholt normiertes (vgl. bereits § 1 des Beschlusses StGBl 1918/1, sodann Art. 9f des Gesetzes StGBl. 1918/5, Art. II des Gesetzes StGBl. 1918/114) – Anliegen.
- 21 Vgl.Balthasar , Grundordnung 259ff, 265f (do FN 1233), 311f, 315f, sowie, resümierend, 341ff.
- 22 Zwar in Art. 9 des Gesetzes StGBl. 1918/5, (bis heute) jedoch nicht in Art. 26 Abs. 1 B-VG angeführt, wohl, weil dieses Prinzip gesonderter Erwähnung nur so lange wert erschien, als zwar ein «allgemeines», aber kein «gleiches» Wahlrecht bestand (vgl. auchHolzinger , Art. 26 B-VG, Rz 41). Überdies steht, bei skrupulöser Betrachtung, ja der positiven Normierung der «Allgemeinheit» in Art. 26 Abs. 1 B-VG der in Abs. 5 normierteAusschluss tatbestand entgegen.
- 23 In der erst rezenten Einfügung (siehe oben FN 10) sollte keine normative Änderung, sondern lediglich die Explizierungdes implizit bereits immer gegolten Habenden erblickt werden.
- 24 IS einer Diskriminierung der überhaupt aus der «Allgemeinheit» der Partizipation bzw. zumindest zu einer «unfreien» Wahl Gedrängten gegenüber all jenen, bei denen dies nicht der Fall sein sollte.
- 25 Dieses im Gegenteil möglichst zuverlässig zu erheben ist ja, sub titulo Verhinderung der mehrfachen Stimmabgabe, gerade unverzichtbareVoraussetzung derGewährleistung der Egalität des Wahlrechtes.
- 26 Das Attribut «lediglich» trügt etwas, da Instrumenten zwarkein Eigenwert zukommt, ihr Stellenwert aber auf jenen – idR.höheren –Wert bezogen ist, dem sie instrumentell zugeordnet sind; daher haben sie geradewegs im Umfange ihrer Sinnhaftigkeit dann aber aucham – idRhöheren –Bestandsschutz dieses höheren WertesAnteil .
- 27 So im Kern bereits richtig etwaSchreiner , Art. 26 B-VG Rz 55.
- 28 Kaum zufällig (vgl. nochFriedmann , Verfassung 140) findet sich eineexplizite Gewährleistung der «Geheimheit» der Wahl weder im StGG RGBl. 1867/141, noch in der RRWO 1873, ja noch nicht einmal in der (textlich so weit wie möglich der RRWO 1873 folgenden) RRWO 1907, sondernerstmals in Art. 9 des GesetzesStGBl. 1918/5.
- 29 Noch § 29 Abs. 2 RRWO 1873 idF unmittelbar vor der RRWO 1907 hatte für dieWahl der Wahlmänner (vorgesehen in bestimmten Teilen der Wählerklasse der Landgemeinden und der allgemeinen Wählerklasse, siehe gleich unten FN 34) alternativ zur schriftlichen Wahl mittels Stimmzettel auch diemündliche Abstimmung zugelassen, was wohl den damaligen, für zwingende Schriftlichkeitnicht ausreichenden Alphabetisierungsgrad weiter Teile der einfachen Bevölkerung widerspiegelte.
- 30 Vgl. auch die regelmäßige Anführung dieser Prinzipien in internationalen Instrumenten (siehe oben FN 17).
- 31 Erstmals in der «demokratischen Republik» in Art. 9 des Gesetzes StGBl. 1918/5 (siehe gerade oben FN 28).
- 32 So schonSchreiner , Art. 26 B-VG Rz 55;Schäffer , Briefwahl, 57.
- 33 An sich könnte man ja gerade hier an ein Verboträumlicher Distanz der Stimmabgabe denken.
- 34 § 7 lit. C StGG RGBl. 1867/141 idF. RGBl. 1896/168 iVm. den §§ 10 bis 11 RRWO 1873 (RGBl. Nr. 41, zuletzt idF. RGBl. 1896/169), betreffend die Wahl «in der Wählerklasse der Landgemeinden und in der allgemeinen Wählerklasse».
- 35 Vgl.Mayer , B-VG 197.
- 36 Schreiner (Art. 26 B-VG Rz 41f) hat allerdings erweiternd interpretiert, dass «zwischen der Stimmabgabe des Wählers und der Wahlentscheidung nicht ein gegenüber dem Wähler fremder Wille, sondern nur ein bereits im Voraus eindeutig bestimmter Ermittlungsvorgang zwischengeschaltet sein» dürfe; dies geht allerdings nicht über das hier aktuell dem Prinzip «Persönlichkeit» Entnommene (siehe unten das mit FN 61 belegte Zitat) hinaus und mag daher auf sich beruhen.
- 37 Vgl. § 12 RRWO 1873.
- 38 Siehe, zur Motivation des § 28 KNVWO 1918, gleich unten Punkt 3.2.1.
- 39 Vgl. den diesbezüglichen – einzigen – Hinweis beiFriedmann , Verfassung,140f.
- 40 § 53 RRWO 1873.
- 41 Nur in Tirol und in der Bukowina (jeweils geistlicher Großgrundbesitz).
- 42 Dort war ein Verkauf des Wahlrechts (zum Abgeordnetenhaus) am wenigsten zu erwarten.
- 43 Der zweite Satz: «Jeder Wahlberechtigte hat das Recht aufeine Stimme»begründete sichtlich auch den ersten Satz; maW: Die gesetzgeberischeAssoziation , die «persönliche Ausübung» mit dem «Recht» «jedes Wahlberechtigten» auf (jeweilsnur ) «eine Stimme» zuverknüpfen , weist deutlich auf die Ansicht schon des damaligen Wahlgesetzgebers, einenicht «persönliche Ausübung» gefährde «das» –egalitäre – «Recht auf eine Stimme», hin.
- 44 Gesetz vom 18.12. 1918 über die Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung, StGBl. Nr. 115.
- 45 § 14 iVm §§ 23, 26 RRWO 1907.
- 46 Abgedruckt beiKelsen , Verfassungsgesetze II, 96f (Hvm.).
- 47 Siehe oben FN 20.
- 48 NÖ Wahlordnung für Statutarstädte.
- 49 «Das im B-VG … für Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern expressis verbis verankerte Persönlichkeitsprinzip gebietet die Schaffung von Wahlordnungen, diezwingend sicherstellen ,daß alle zu zählendenStimmen wirklich von jenen Personen stammen , die sie abgaben.» (Hvm; dies ist ersichtlich das Motiv bereits des § 28 KNVWO).
- 50 Siehe oben (im Text bei) FN 27.
- 51 Zur (damals freilich vom VfGH noch nicht behandelten) Konsequenz für den Rang dieses Grundsatzes siehe oben FN 26.
- 52 Vgl. zu dieser Rechtslage auchHolzinger , Art. 26 B-VG Rz 54f, sowieMayer , B-V, 198. Bemerkenswerterweise war diese Novelle durch ein anderes VfGH-Erkenntnis (VfSlg 12.023) angestoßen worden.
- 53 So denn auchHolzinger , Art. 26 B-VG Rz 56, unter Berufung bereits aufSchick ;Mayer , B-VG 198;Schreiner , Art. 26 B-VG Rz 55.
- 54 Am allerwenigsten traf dies naturgemäß für die in Abs. 4 zugelassenen zwei (seit BGBl. I 1998/161: einen) Zeugen zu, denenjede amtliche Eigenschaft (und damit auch vom Staatgeprüfte qualifizierte Vertrauenswürdigkeit )mangeln konnte.
- 55 Dies betonteMayer , B-VG 198.
- 56 Beispiele für die auch hier angewandt gewesene legistische Technik, ein formelleinfaches Bundesgesetz den für Verfassungsgesetze vorgesehenenerschwerten Erzeugungs- und damit auchÄnderungsbedingungen zu unterwerfen, finden sich immer wieder (vgl schon Strejcek, ZfV 1993, 432)..
- 57 Dieses Argument gewinnt besonderes Gewicht vor dem Hintergrund, dass der – in Art. 26Abs. 5 moderatdurchbrochene – Grundsatz der Allgemeinheit (gerade deshalb?)nicht in Abs. 1 aufscheint (vgl bereits oben FN 22).
- 58 Dies wurde zeitgenössisch, offenbar unter dem Eindruck des unmittelbaren Vorläufers, des § 62a NRWO idF. BGBl. 1990/148 (VB), unterschätzt (vgl. Strejcek, ZfV 1993, 433ff; Schick, ÖJZ 1994, 294f). Ausgehend von der im Text vertretenen Auffassung verbleibt daher nur die Alternative,bereits die Novelle 1992, als dem im weiten Sinne zu verstehenden, und der Grundordnung zuzuzählenden Grundsatz der «Persönlichkeit» widerstreitend,als grundordnungswidrig zu betrachten, hievon wird hier, auch angesichts des mittlerweile verstrichenen Zeitraumes, in dem der VfGH wohl eine Gelegenheit gefunden hätte, eine derart gravierende Rechtswidrigkeit aufzugreifen,nicht zugrundegelegt .
- 59 RV 94 Blg. NR XXIII. GP, AB 129 Blg. NR XXIII. GP.
- 60 Noch hinter diesem Prinzip dürfte – letztlich als Ausdruck des Konzepts einer spezifischen,politischen «Bürgerwürde» – das allgemeinere, weil keineswegs auf egalitäre Verhältnisse beschränkte,republikanische Postulat stehen, dass das zentrale staatsbürgerliche Mittel der Partizipation, das Mitwirkungsrecht an der Kreation der wichtigsten politischen Organe, dem einzelnen Staatsbürgernicht nur weder gewaltsam noch sonstgegen seinen Willen entwendet werden dürfe, sondern, dass auch der Einzelne selbstrechtlich gehindert sei, esmit seinem Willen zu veräußern, demnach es (und damit sich?)zur Ware zu machen. Vgl. sinngemäß, im Kontext der «Beleihung», zur Unzulässigkeit eines «Kaufs von imperium»,Balthasar , Grundordnung, 386, 393.
- 61 So bereits, schon kurz vor der Wahlrechtsreform 2007,Berka , Verfassungsrecht Rz 518 (Hvm.). Der Sache nach ebenso bereitsSchäffer , Briefwahl, 56: «Die persönliche, nicht delegierbare Willensentscheidung … ist das eigentlich Entscheidende.»
- 62 Siehe oben im Text zu FN 37.
- 63 Vgl. zur Komplementarität der Prinzipien der «Persönlichkeit» und der «Allgemeinheit», gerade im Kontext der Briefwahl,Schreiner , Art. 26 B-VG Rz 55, sowie schonWalter , System, 237.
- 64 So aberSchreiner , Art. 26 B-VG 55; vgl. auchHolzinger , Art. 26 B-VG, Rz 55.
- 65 Dies ist sogarmehr als ein bloßes Gebot zurOptimierung , also zur möglichsten Verringerung des für eine Abwägung verbleibenden Differenzraumes (vgl. hiezu, vor dem Hintergrund der deutschen Rechtslage,Alexy , Theorie, 100ff).
- 66 Die Existenz solcher Gefahren hat naturgemäß auchSchäffer (Briefwahl, 53) nicht geleugnet.
- 67 Vgl. schon VfSlg 10.412, wenngleich zum Grundsatz der «Geheimheit»; siehe auchMayer , B-VG 197,Gamper , Herausforderungen, 34f. Gerade gegenteiliger Meinung jedoch seinerzeitSchäffer , Briefwahl, 58, 74, unter Berufung auf die «demokratische Reife».
- 68 Mayer (Die Presse, 26.2.2009, 4) befürchtet etwa eine entsprechende Anordnung eines «Unternehmers» an seine «Mitarbeiter».
- 69 Seit eben der Wahlrechtsreform 2007 sind bereits «Männer und Frauen»(!), «die am Wahltag das16. Lebensjahr vollendet haben», aktiv wahlberechtigt (kritisch hiezuBalthasar , Grundordnung 346 f.). Die damit aufgerissene Diskrepanz zur zivilrechtlichen Eigenberechtigung bewirkt, dass Personen, die, als Minderjährige, ganz allgemeinzur Befolgung von Anordnungen ihrer Erziehungsberechtigten verpflichtet sind (§ 146a ABGB), für die Wahrung der Wahlrechtsgrundsätze im Sinne des dritten Satzes des Art. 26 Abs. 6 B-VGselbst verantwortlich gemacht werden (gerade für diesen Personenkreis ist die allgemeinere Warnung etwa vonOndrisek , Sicherheit 21, vor «Family Voting», dh «Anordnungen im Familienkreis», besonders einschlägig).
- 70 «Geistige Behinderung» ist bereits seit der Wahlrechtsreform 1992 «kein Wahlausschlussgrund» (citMayer , B-VG, 197) mehr. Kritisch hiezuBalthasar , Grundordnung 348 f.
- 71 Auf Angehörige dieser Personengruppe wird das in Art. 26 Abs. 6, erstem Satz, B-VG angeführte Tatbestandsmerkmal der Verhinderung «aus gesundheitlichen Gründen» regelmäßig zutreffen.
- 72 Dass sich – formell eigenberechtigte – Personen immer wieder freiwillig hinsichtlich ihrer gesamten, auch intimsten Lebensführung dem Willen anderer, oft charismatischer Persönlichkeiten unterwerfen, ist bekannt.
- 73 Dem Befund der letztlichen Grundordnungswidrigkeit des Art. 26 Abs. 6 B-VG entgeht man wohl nur um den im Text genannten Preis der Annahme seinerLückenhaftigkeit .
- 74 Etwa durch eine zumindest für bedenkliche Fälle vorgeseheneIndividualprüfung der Berechtigung zur Briefwahl, wie immer diese Prüfung verwaltungstechnisch ausgestaltet sein mag.
- 75 Siehe EuGRZ 2009, 129 ff.
- 76 Auch bezeichnet als «elektronische Wahlgeräte oder ‚Wahlcomputer’» (siehe Rz 1 dieses Urteils).
- 77 Rz 107.
- 78 Vgl. als Indiz des Minimalkonsenses, etwaMayer , B-VG 223.
- 79 Vgl. etwaÖhlinger, Verfassungsrecht Rz 62 ff.; Gamper , Herausforderungen 18 ff.;Balthasar , Grundordnung, insbes. 325 - 565.
- 80 Cit. Rz. 109 des genannten Urteils (FN 75).
- 81 Siehe näherBalthasar , Grundordnung 500 (insbes. auch do FN 2416, uHw. aufKelsen , wo der hohe Stellenwert der Zuweisung der Wahlprüfung an ein Gericht bereits zu Beginn der Republik deutlich wird).
- 82 Dieses (und damit die im Text getroffene Aussage) gilt freilich nur für die vonArt. 141 Abs. 1 lit. a B-VG erfassten Wahlen, also etwanicht für Wahlen solcher Organe der «sonstigen Selbstverwaltung» iSd. Art. 120a ff. B-VG, dienicht «satzungegebende Organe» einer «gesetzlichenberuflichen Vertretung» sind, wie etwa die Organe derÖH (siehe zur ÖH-Wahl 2009 näherBalthasar/Klausner , Internet-voting. Machbarkeit in Österreich? (in diesem Band), Punkt 3).