1.
VCD – Grundlagen und Vision ^
Bieter in öffentlichen Beschaffungsverfahren müssen zum Nachweis ihrer Eignung bzw. Qualifikation Informationen und Nachweise bereitstellen, die anschließend von den ausschreibenden Stellen gegen die jeweils gültigen Vergaberichtlinien geprüft werden. Derzeit müssen Bieter die Informationen, welche Nachweise und Qualifikationen sie beibringen müssen, um sich bewerben zu können, selbst erschließen, sowie die Auswahl geeigneter Services, welche die benötigten Nachweise (analog, digital) ausstellen, selbst vornehmen.
Unterstützung bietet zukünftig das Virtual Company Dossier (VCD). Als VCD bezeichnet wird einerseits ein Paket, das die Summe aller Nachweise enthält, die ein Bieter im Rahmen eines Vergabeverfahrens benötigt, um seine Qualifikation nachzuweisen. Andererseits ist das VCD eine Applikation, die es den Bietern ermöglicht, die benötigten Nachweise, einem Regelwerk folgend, zu einem elektronischen Sammel-Container zusammenzufassen. Das rechtliche Regelwerk dokumentiert, welche Nachweise vom spezifischen Bieter erbracht werden müssen.
Das VCD ist eine international vollständige kompatible Lösung, die nicht nur Unterstützung bei nationalen Vergabeverfahren bietet, sondern auch bei der Teilnahme an internationalen Vergabeverfahren. Von Vorteil ist dies nicht nur für die Bieter, sondern auch für die ausschreibenden Stellen. Diese können das mit zusätzlichen Metadaten versehene Eigungsnachweispaket automatisch auswerten bzw. automatisch interpretieren und sparen somit Zeit und Kosten.
Eine Schlüsselvoraussetzung auf dem Weg zu europaweit einheitlichen Beschaffungsverfahren ist die Schaffung von Interoperabililität auf rechtlicher, organisatorischer, technischer und semantischer Ebene. Weiters müssen Sprachbarrieren bezwungen, Antworten auf unterschiedliche rechtliche Fragestellungen gefunden und finanzielle sowie politische Konsequenzen beachtet werden.
2.
Die osSso-Maschine ^
Das Herz der österreichischen VCD-Implementierung, osSso (one stop Semantic service orchestration), basiert auf der Idee einer semantisch angereicherten Service-orientierten Architektur, kurz SSOA. In einer semantischen SOA können Services automatisch orchestriert werden, da die Services ihre benötigten Input-Daten und die erwarteten Output-Daten kennen, sodass jedes Service menschen- und maschineninterpretierbar ist. Angenommen, ein Bieter möchte sich auf eine Ausschreibung bewerben. Er wird dazu aufgefordert, personenbezogene sowie ausschreibungsspezifische Daten einzugeben. Diese Daten sowie bereits erfasste Daten und existierende Nachweise aus früheren Bewerbungsverfahren, werden in der VCD-Applikation als RDF-Graph gespeichert (siehe Abbildung 1).
Zu Beginn gleicht die osSso-Maschine den Input-Graph mit dem gesetzlichen Regelwerk ab (1), und berechnet den Ziel-Graph, der die fehlenden Informationen beinhaltet (2). Danach identifiziert die osSso-Maschine die geeigneten Services, um den Input-Graph in den Ziel-Graph transformieren zu können (3). In einem vierten Schritt wird die optimale Teilmenge an Services ausgewählt (4). Diese Services werden anschließend zu einer Servicekette zusammengefügt und an die VCD-Execution-Engine übermittelt (5).
Der osSso-Ansatz vermeidet vordefinierte Regeln und Ausführungsprozesse. Dies macht den osSso-Ansatz flexibel hinsichtlich Änderungen im Recht oder der Einführung neuer Services. Die vom Bieter spezifisch benötigten Nachweise werden «on-the-fly» identifiziert und eine optimale Servicekette, betreffend Kosten und/oder Zeit, wird bereitgestellt.
Josef Makolm, Abteilungsleiter, Bundesministerium für Finanzen, Hintere Zollamtsstraße 4, 1030 Wien
josef.makolm@bmf.gv.at
Doris Ipsmiller, Geschäftsführerin, m2n consulting and development gmbh
Götzwiesenstraße 6 / Knagg, 3033 Maria Anzbach
ipsmiller@m2n.at
Silke Weiß, Organisatorin, Bundesministerium für Finanzen, Hintere Zollamtsstraße 4
1030 Wien
silke.weiss@bmf.gv.at