Jusletter IT

Die Macht der Community: Stolpersteine für Unternehmen im Social Web

  • Authors: Thomas Grechenig / Peter Leitner
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Commerce
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Thomas Grechenig / Peter Leitner, Die Macht der Community: Stolpersteine für Unternehmen im Social Web, in: Jusletter IT 1 September 2010
Social Web Anwendungen erleben auch weiterhin ein anhaltendes Wachstum, wobei monatlich neue Rekordmeldungen aus der Welt von Facebook, Twitter und Co vermeldet werden. Social Media Services werden von der Internetcommunity immer stärker wahrgenommen und somit zum fixen Bestandteil für kommunikative, kollaborative und interaktive Prozesse im privaten und beruflichen Alltag. Viele Unternehmen, vor allem im Bereich des Electronic Commerce, haben längst das Potential des Social Web realisiert und setzen unterschiedliche Anwendungen der neuen Generation mit Erfolg ein. Dadurch lassen sich interne Effizienzsteigerungen bei operativen Prozessen erreichen, aber auch extern ausgerichtete Prozesse im Bereich des Marketing und der Kommunikation mit Stakeholdern optimieren. Social Media Marketing, vor allem im Bereich des Social Commerce, nimmt dabei einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Viele Unternehmen unterschätzen dabei jedoch die Macht der Community, sodass viele Kampagnen schon im Vorfeld scheitern oder im schlimmsten Falle sogar negative Effekte auslösen. Dieser Beitrag beschreibt die Möglichkeiten der aktiven Nutzung des Social Web durch Unternehmen und widmet sich schwerpunktmäßig den möglichen Stolpersteinen und Gefahren, die es bereits im Vorfeld zu berücksichtigen und zu vermeiden gilt. Illustriert wird dies durch die Präsentation ausgewählter realer Fallbeispiele, die mögliche negative Auswirkungen schlecht oder falsch umgesetzter Aktionen im Social Web verdeutlichen. Im Kontext dieser Fallstudien werden relevante rechtliche Aspekte und Entscheidungen diskutiert. Ein Fazit und finale Empfehlungen für Unternehmen, die im Social Web agieren, bilden den Abschluss dieses Beitrages.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Stolpersteine für Unternehmen im Social Web
  • 2. Ausgewählte Fallbeispiele
  • 2.1. Calvin Klein: Falsche Freunde verbreiten verdeckte Werbung
  • 2.2. Jack Wolfskin: Abmahnungen von Privatanbietern wegen Pfotendesigns
  • 2.3. Belkin: Gekaufte Produktbewertungen führen zu Empörung bei Konsumenten
  • 2.4. Burger King, KFC und Domino’s Pizza: Mitarbeiterskandale bei Fastfood-Ketten
  • 3. Fazit und Empfehlungen für Unternehmen

1.

Stolpersteine für Unternehmen im Social Web ^

[1]

Die Eroberung des Social Web durch die Massen schreitet voran, und so sind auch aktuell im Jahr 2010 die starken Zuwachsraten bei den führenden Social Networks wie Facebook oder MySpace ungebrochen. Auch im Bereich der Social Media Plattformen wie Flickr oder YouTube werden laufend neue Zugriffsrekorde vermeldet. Auch Unternehmen integrieren sich immer stärker im Social Web und haben die neuen Services und Plattformen längst als starkes Kommunikations- und Werbemedium zur Erreichung von potentiellen und bestehenden Kunden erkannt. Dadurch zählt das Online Marketing mit seinen unterschiedlichen Ausprägungsformen zu den aktuell am stärksten wachsenden Wirtschaftsbereichen. Viele Unternehmen im Bereich des Electronic Commerce nutzen das Potential des Social Web für neue Verkaufskonzepte und generieren damit zum Teil bereits größere Umsätze als klassische Internethändler. Durch die vielen neuen Instrumente des Social Webs können auch kleine Unternehmen ihre Produkte schnell und kostengünstig präsentieren und durch geschickte Einbindung der Kunden neue Märkte erobern. Neben all den Vorteilen und Wachstumschancen, die das Social Web bietet, ergeben sich jedoch für Unternehmen auch potentielle Risiken und Gefahren. Bedingt durch das Kollektiv, welches durch die große Masse an Usern gebildet werden kann, erfahren Unternehmen immer öfter den Widerstand und die unzensierte Meinung der Social Web Community. Dieser Aspekt ist auch entscheidend für geplante Online Kampagnen oder sonstige Aktivitäten im Social Web und muss von einem Unternehmen vorab einkalkuliert und strategisch betrachtet werden. Unüberlegte Handlungen und Vorgehensweisen führen sehr schnell zu einem Image- und Vertrauensverlust innerhalb der Online Community und rufen in weiterer Folge auch die klassischen Medien auf den Plan. Eine internationale Studie1 von Weber Shandwick belegt, dass sich Unternehmen der Risiken und Gefahren in diesem Bereich nicht immer bewusst sind. Demnach gaben 2009 von 703 befragten Führungskräften rund zwei Drittel an, besorgt zu sein, dass das Unternehmen einen Imageschaden erleiden könnte. Neue Medien wurden jedoch nur von 38 % als potentielle Gefahrenquelle genannt.

[2]

Dieser Beitrag soll über die möglichen Stolpersteine für Unternehmen informieren und anhand von selektiv gewählten Fallbeispielen die möglichen Auswirkungen von unüberlegten Handlungen im Social Web verdeutlichen. Zudem werden am Ende Empfehlungen zur Erkennung und Vermeidung potentieller Risiken aufgezeigt. Dadurch soll internetorientierten Unternehmen die Ableitung von eigenen Strategien und wirksamen Maßnahmen erleichtert werden.

2.

Ausgewählte Fallbeispiele ^

[3]

Eine detaillierte Untersuchung von 32 realen Fallbeispielen lieferte aufschlussreiche Details hinsichtlich der Stolpersteine für Unternehmen im Social Web. Um mögliche Gefahren und Risiken mitsamt ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Charakteristika besser einschätzen zu können, werden im folgenden Abschnitt einige ausgewählte Fallbeispiele der letzten Jahre vorgestellt. Dabei wird jeder Fall chronologisch beschrieben sowie die resultierenden Konsequenzen hervorgehoben.

2.1.

Calvin Klein: Falsche Freunde verbreiten verdeckte Werbung ^

[4]

Im Jahr 2007 stellte Calvin Klein ein neues Parfum mit dem Namen «ckIN2U» vor, welches speziell die neue Generation von Nutzern des Web 2.0 ansprechen sollte. Auch im deutschsprachigen Raum wurde das neue Produkt eingeführt und auf einer eigens dafür eingerichteten Website2 beworben. Zur gleichen Zeit fanden sich in populären deutschen Weblogs Kommentare von fünf Bloggern, die auch Links auf deren eigene Blogs hinterließen. Die Bloggerszene wurde jedoch zunehmend misstrauisch, recherchierte und sammelte Daten über die vermeintlichen Blogger, die sie auf bekannten Social Media Sites wie YouTube, Flickr, MySpace oder Technorati in ihren Profile hinterließen. Auf den diversen Plattformen wurde in teils subversiver Form auch immer wieder auf den neuen Duft von Calvin Klein hingewiesen. Dies ging soweit, dass sogar eigene Domains für einen Blog reserviert wurden, auf dem der Begriff «technosexual» erläutert wurde, der wie sich später herausstellte, ebenfalls zuvor vom Parfumanbieter rechtlich geschützt wurde. Die fünf Akteure waren auch auf den diversen Websites durch gegenseitige Linkfreundschaften verknüpft. Diese gezielten Aktionen wirkten nicht authentisch und machten den Blogger Alexander Svensson (Wortfeld) misstrauisch, welche Absichten die Blogger mit ihren Kommentaren überhaupt verfolgen. Weitere Gemeinsamkeiten der fünf Blogger waren Blogeinträge, wie beispielsweise «in2 Hörspiele», «in2 Musik» oder «what are you in234 . Anschließend stellte der Blogger Svensson gemeinsam mit dem Blogger Marco Maas (The Maastrix) Nachforschungen darüber an und entdeckten, dass in den deutschsprachigen Webblogs seit März 2007 gezielt mit verschleierten Botschaften für das Parfum geworben wurde.5 Die genauen Recherchen führten zu der deutschen Agentur DKD, welche hinter der versteckten Online Kampagne stand.

[5]

Die Aufdeckung der Kampagne mitsamt den Fake-Kommentaren in diversen Blogs führte zu einem negativen Echo innerhalb der gesamten deutschsprachigen Blogosphäre. Beispielsweise ärgerte sich Robert Basic (Basic Thinking Blog), einer der meistzitierten deutschen Blogger, über die Kommentare der fiktiven Mirjam in seinem Blog und kam sich «benutzt» vor. Ein anderer bekannter Blogger Mario Sixtus ging noch einen Schritt weiter und stellten dem Unternehmen eine Rechnung für die Veröffentlichung von getarnter Werbung innerhalb der Kommentarbereiche seines Blogs aus, da er ausdrücklich auf das Verbot jeder Form von Werbung in den Kommentaren hingewiesen hatte. Als sich dann auch noch Spiegel Online6 mit einem ausführlichen Artikel zu der Kampagne zu Wort meldete, sahen sich die Verantwortlichen bei Calvin Klein veranlasst, die Kampagne sofort zu stoppen. Beiträge im TV und weiteren Blogs nahmen sich ebenso des Falles an und vermerken in Zusammenhang mit Viralem Marketing, dass es sich dabei bei fehlender Kennzeichnung um unlauteren Wettbewerb handelt.7 Auch einige Rechtsexperten widmen sich der Problematik in Zusammenhang mit Viralem Marketing und neuen Formen der Online-Werbung und weisen dabei explizit auf die rechtliche Grauzone im Bereich dieser neuen Werbeformen hin.8 Selbst heute noch, rund 3 Jahre nach der Kampagne, sind auf diversen Blogs und Profilseiten der fiktiven Akteure schriftliche Entschuldigungen der Produzenten zu lesen.9

2.2.

Jack Wolfskin: Abmahnungen von Privatanbietern wegen Pfotendesigns ^

[6]

Der Anbieter von Outdoor-Ausrüstung Jack Wolfskin mahnte ohne Vorwarnung Hobby-Künstler und -Designer ab, die selbstgebastelte Produkte wie Ohrstecker, Taschenspiegel oder Sticker auf DaWanda, einer großen C2C Social Shopping Plattform, verkauften. Die Abmahnungen begründete das Unternehmen damit, dass auf den selbstgemachten Handarbeiten Pfotenmuster zu erkennen waren, welche jedoch Erkennungszeichen und Bestandteil der Corporate Identity des Unternehmens darstellen. Deshalb beanspruchte Jack Wolfskin das Markenrecht für alle Pfotendesigns für sich und sah durch die Anbieter der privaten Handarbeiten seine Markenrechte verletzt. Jack Wolfskin beanstandete die Markenrechtsverletzung direkt beim Plattformbetreiber DaWanda für insgesamt 43 Produkte. Die Plattformbetreiber haben diese Produkte entfernt, obwohl sie die Beanstandungen nicht in jedem Fall nachvollziehen konnten.10

[7]

Im Oktober 2009 verschickte eine vom Unternehmen beauftragte Anwaltskanzlei zusätzlich Abmahnungen mit angehängter Kostenaufschlüsselung an die Kleinanbieter bei DaWanda. Die errechneten Strafzahlungen bzw. Gebühren unterschieden sich nur geringfügig und lagen je zwischen 850 und 1000 Euro. Die Kanzlei versuchte durch Abmahnungen und den immer schärferen Ton, die Beklagten einzuschüchtern und zur Zahlung zu bewegen, was auch führende Medien auf den Fall aufmerksam machte.11 Bei Nichteinbezahlung innerhalb einer vorgegeben Frist wurde mit gerichtlichen Schritten gedroht. Jack Wolfskin ließ durch die Pressestelle kurze Zeit später eine Stellungnahme veröffentlichen, in der die Vorgehensweise gegen Kleinanbieter gerechtfertigt wurde.12

[8]

Bei den Betroffenen und innerhalb der Netzwelt stieß das Vorgehen von Jack Wolfskin auf vollkommenes Unverständnis. Es wurde damit argumentiert, dass die die selbstgemachten Produkte nicht jenen von Jack Wolfskin ähneln und viele andere Angebote mit ähnlichem Pfoten-Design von Jack Wolfskin nicht beanstandet wurden. Kurz darauf bekam Jack Wolfskin den Druck der Social Web Community zu spüren. Führende Blogs (z.B. Werbeblogger) berichteten über den Fall und stellten sich auf die Seite der Privatanbieter von Handarbeiten.13 Innerhalb von 2 Tagen wurden die Ereignisse in mehr als 70 Blogs diskutiert, und von den meisten Bloggern bekam das Unternehmen zum Teil vernichtende Kritik zum harten Vorgehen gegen die Kleinanbieter. Da der Druck aus der Internetwelt immer stärker wurde, lenkte Jack Wolfskin letztendlich doch ein und so erklärte der Geschäftsführer von Jack Wolfskin: "Die zum Teil heftige Kritik unserer Kunden in den aktuellen Fällen der DaWanda-Anbieter nehmen wir ernst und zum Anlass, unser Vorgehen kritisch zu hinterfragen".14 Die Abmahnungen wurden zurückgenommen und das Unternehmen betrachtete den Fall durch das Entfernen der beanstandeten Produkte auf DaWanda somit als erledigt.

[9]

Dieses Beispiel verdeutlicht sehr gut, wie man im Social Web sehr schnell einen Imageschaden durch unangemessene Vorgehensweise hervorrufen kann. Der dadurch entstehende Schaden ist für ein Unternehmen zumeist größer als jener, der durch eine vermeintliche Markenrechtsverletzung gedroht hätte. Den entstandenen Imageschaden durch die negative Berichterstattung hätte Jack Wolfskin sicherlich verhindern können, wenn zuerst das Gespräch mit den Kleinanbietern gesucht worden wäre, anstatt diese gleich zu Zahlungen aufzufordern.

2.3.

Belkin: Gekaufte Produktbewertungen führen zu Empörung bei Konsumenten ^

[10]

Das Unternehmen Belkin, ein Hersteller von Computer-Hardware und IT-Zubehör, machte Schlagzeilen, als ein Mitarbeiter Aufträge für positive Produktbewertungen in Online-Jobbörsen ausgeschrieben hatte. Anfang 2009 hat der für die Unternehmensentwicklung zuständige Mitarbeiter über die Amazon Ausschreibungsbörse «Mechanical Turk» 65 Cent für jede positive Produktbewertung eines Routers von Belkin angeboten.15 Laut einem bekannten Blog (Daily Background) wurden auf ähnlichen Plattformen durch denselben Mitarbeiter von Belkin ähnliche Aufträge ausgeschrieben.16 Der angesprochene Router wurde auf Amazon von 19 Usern bewertet, wobei 17 User das Produkt mit nur einem von fünf Sternen bewerteten. Diese besonders schlechten Kritiken dürften Anlass für diese gezielte Aktion des Mitarbeiters gewesen sein. Innerhalb kürzester Zeit nach Bekanntwerden der Vorfälle rund um Belkin berichteten renommierte Online Medien ausführlich über die Ereignisse. Auch auf der Suchseite von Google nahm dieser Fall die vordersten Plätze bei einer Suche nach dem besagten Router von Belkin ein, wodurch für das Unternehmen ein klarer Imageverlust entstand.17 Als Folge der Ereignisse und der Berichterstattung in den Blogs und Online Medien sank der Preis des Routers kurzzeitig von 219 auf 69 Dollar und es entstand dem Unternehmen somit auch ein erheblicher finanzieller Schaden. Der Firmenchef von Belkin äußerte sich daraufhin in einer Stellungnahme zu dem Fall und versicherte, dass das Unternehmen derartige Vorgehensweisen ablehne und es sich dabei um einen Einzelfall handle. Zudem bedauerte er den Vorfall sehr und ließ alle derartigen Ausschreibungen entfernen.18

[11]

Dennoch kehrte keine Ruhe innerhalb der Social Web Community ein und Blogger begannen weitere, bedenkliche Aktivitäten des Konzerns aufzudecken. Gizmodo sprach mit einem anonymen Mitarbeiter des Unternehmens und entdeckte, dass die besagten Vorfälle rund um die gekauften Bewertungen für den Router nur die Spitze des Eisbergs sind. So wurden nach Aussagen des Informanten alle Mitarbeiter systematisch dazu angehalten, besondere Maßnahmen zu ergreifen, um gute Produktbewertungen und Pressemitteilungen zu erhalten. Laut Gizmodo wurden nicht nur Produktbewertungen manipuliert, sondern sogar Konkurrenzprodukte gezielt und absichtlich negativ bewertet. Blogger erhielten Produkte mit manipulierter Firmware zugeschickt, die bekannte Bugs versteckt hatten, um dadurch Testresultate zu manipulieren.19

[12]

Aufgrund der weiteren bekannt gewordenen Vorfälle und Aktionen der Firma Belkin entstand ein zusätzlicher Imageschaden für das Unternehmen und machte die Pressearbeit der vergangenen Jahre innerhalb kürzester Zeit zunichte. Die Praxis zeigt, dass dieses Unternehmen keinen Einzelfall darstellt. Gerade bei Amazon verdeutlicht sich diese Problematik im Bereich der Rezensionen. Oftmals werden diese durch unternehmenseigene Mitarbeiter verfasst und Produkte der Konkurrenz gezielt schlecht bewertet. Hat ein Unternehmen zu unlauteren Maßnahmen bei der Bewertung von Produkten gegriffen, so lassen sich die negativen Folgen durch eine rasche Reaktion maximal eindämmen, aber nicht verhindern. Zudem werden Kunden auf lange Zeit verunsichert.

2.4.

Burger King, KFC und Domino’s Pizza: Mitarbeiterskandale bei Fastfood-Ketten ^

[13]

Auch führende Fastfood-Ketten bekamen bereits die Breitenwirksamkeit des Social Web zu spüren. Konkret gab es bei den Unternehmen Burger King, KFC und Domino's Pizza ähnliche Vorfälle, wo Mitarbeiter unappetitliche Videos anfertigten und diese in weiterer Folge auf Social Media Plattformen veröffentlicht wurden. Die Welle der Empörung, die durch die Web Community ging, war dabei jedes Mal enorm und ein entsprechender Imageschaden nicht mehr abzuwenden.

[14]

Im August 2008 tauchte ein Video auf der Social Networking Plattform MySpace auf, das einen Mitarbeiter von Burger King beim Baden in einem Waschbecken eines Restaurants zeigt. Dieses Video wurde durch diesen Mitarbeiter, welcher sich selbst als «Mr. Unstable» bezeichnet, im Internet veröffentlicht. Während dieser Mitarbeiter im Stahlwaschbecken ein Schaumbad nahm, wurde er von anderen Mitarbeitern beobachtet und gefilmt. Sogar einer der Filialleiter des Burger King Restaurants in Bundesstaat Ohio soll laut WDTN anwesend gewesen sein. Letztendlich wurde die Gesundheitsbehörde auf dieses Video aufmerksam und leitete daraufhin Ermittlungen gegen die entsprechende Burger King Filiale ein. In letzter Konsequenz entließ Burger King alle betroffenen Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung und versuchte durch eine veröffentlichte Stellungnahme den entstandenen Imageschaden zu begrenzen.20

[15]

Im Dezember 2008 wurde ein ähnlicher Fall bei der Fastfood Kette KFC bekannt. Drei jungendliche Mitarbeiterinnen einer Filiale in Kalifornien beschlossen in der Wanne, wo die Teller gespült werden, im Bikini ein Bad zu nehmen. Diese schossen eine Reihe von Fotos, welche von einer der Mitarbeiterinnen ebenfalls auf MySpace im Album «KFC Moments» veröffentlicht wurden. Der Sender NBC strahlte eine Berichterstattung zu den Ereignissen aus und konfrontierte einige Tage später die überraschte Filialleiterin vor laufender Kamera mit den Fotos. Die Managerin des Restaurants erklärte, dass sie während des Vorfalles nicht persönlich anwesend war. Die betroffenen Mitarbeiterinnen wurden suspendiert und einen Tag später offiziell entlassen. Der Pressesprecher von KFC erklärte, dass das Unternehmen bei solchen Vorfällen keine Toleranz kenne und vom betroffenen Franchisenehmer sofort alle Maßnahmen zur Trennung von den verantwortlichen Mitarbeitern verlange. Auch dieser Fall erregte durch Blogbeiträge und Onlineartikel große Aufmerksamkeit im Social Web.21

[16]

Im April 2009 wurde auch bei der amerikanischen Kette Domino's Pizza ein ähnlicher Vorfall im Social Web publik. Zwei Mitarbeiter filmten und veröffentlichten auf YouTube ein Video, wie sie bei der Zubereitung von Essen für Kunden Nasensekret auf den Sandwiches verteilten.22 Innerhalb weniger Tage verbreitete sich das Video rasend schnell im Social Web und erreichte in kürzester Zeit mehr als eine Million Views auf YouTube.23 Die Ereignisse entwickelten sich mehr und mehr zu einem PR-Desaster für das Unternehmen. Domino's Pizza reagierte vergleichsweise schnell auf die Ereignisse, sprach eine fristlose Kündigung gegen die betroffenen Mitarbeiter aus und erwirkte einen Haftbefehl gegen die zwei ehemaligen Mitarbeiter.24 Sie wurden von den lokalen Behörden festgenommen und für das Servieren und Verteilen von verdorbenem Essen belangt. Die Wahrnehmung der Qualität des Essens wandelte sich bei den Verbrauchern innerhalb weniger Tage vom Positiven ins Negative um, wie Online-Befragungen von etwa 1.000 Verbrauchern beim amerikanischen Marktforscher YouGov ergaben. Dieser Fall führt auch anderen Unternehmen sehr gut vor Augen, wie schwer es ist, den entstandenen Imageverlust im Social Web zu korrigieren.

[17]

Die beschriebenen Fälle von Burger King, KFC und Domino's Pizza zeigen sehr deutlich, dass falsches Verhalten von einzelnen Mitarbeitern durch die Verbreitung im Social Web innerhalb kürzester Zeit einen irreparablen Imageschaden für die betroffenen Unternehmen herbeiführen kann. Der finanzielle Aufwand für die Imagekorrektur, der oftmals durch ein einziges Video hervorgerufen wurde, erreicht dabei sehr schnell Millionenbeträge, und zudem kommt es durch den fallbedingten Umsatzrückgang zu weitaus größeren finanziellen Verlusten.

3.

Fazit und Empfehlungen für Unternehmen ^

[18]

Die vorgestellten Realbeispiele verdeutlichen, dass es für Unternehmen immer wichtiger wird, sich mit den Charakteristika und Eigenheiten des Social Web auseinanderzusetzen. Gerade für sehr stark kundenorientierte Unternehmen, die den Massenmarkt bedienen, stellt das Social Web eine große Herausforderung dar. Die Beispiele zeigen, dass oftmals die Handlung eines einzigen Mitarbeiters ausreicht, um ein ganzes Unternehmen in Verruf zu bringen und einen bleibenden Imageschaden zu verursachen. Zudem zeigen die Fallbeispiele, dass eine schlecht umgesetzte Online Kampagne mehr Negativwirkung als Werbewert erzeugen kann, besonders bei vorsätzlicher Täuschung der Web Community gehen die Wogen in den Blogs und sonstigen Online Medien hoch. Dieser Effekt tritt ebenso ein, wenn Unternehmen besonders offensiv oder hart gegen normale User vorgehen. Dabei ergreifen zumeist meinungsführende Blogger oder Online-Journalisten Partei für die Betroffenen und treten so oftmals eine mediale Lawine los, die das Image eines Unternehmens massiv gefährden kann. Zusätzlich kann neben dem Imageverlust auch ein erheblicher finanzieller Schaden einhergehen, welcher aufgrund eines Absatzrückganges von betroffenen Produkten ausgelöst wird. In rechtlicher Hinsicht können sich Klagen und längerfristige Rechtsstreitigkeiten ergeben, wenn Unternehmen beispielsweise gegen die vorgegebenen Nutzungsregeln von Social Media Plattformen verstoßen. Aus den genannten Gründen ist es deshalb für Unternehmen besonders wichtig, entsprechende Regeln einzuhalten und diese schon im Vorfeld von geplanten Aktionen im Social Web zu berücksichtigen. Zusammenfassend werden nun folgende sieben Empfehlungen an Unternehmen abgegeben, die im Social Web agieren:


1) Social Web Strategie: Der allgemeinen Gesamtstrategie eines Unternehmens untergeordnet sollte eine spezifische Social Web Strategie vorgegeben werden. Die Führungspersonen im Unternehmen müssen entscheiden, welche mittel- und langfristigen Ziele im Social Web verfolgt werden und welche Schritte zu deren Erreichung notwendig sind. Eine weitere Aufgabe besteht darin, diese Strategie an alle Mitarbeiter zu kommunizieren, damit ein grundlegendes gemeinsames Verständnis über die Bedeutung und den Wert der sozialen Medien, einer strategischen Vernetzung der Unternehmensbereiche und nicht zuletzt eines festen Platzes in der gelebten Kultur eines Unternehmens vorherrscht.

2) Sensibilisierung: Die eigenen Mitarbeiter und alle sonstigen Personen, die im Namen eines Unternehmens im Social Web auftreten, müssen bereits im Vorfeld hinsichtlich möglicher Gefahren und Risiken sensibilisiert werden. Den Verantwortlichen muss bewusst gemacht werden, dass durch die Weitergabe von geheimen Informationen oder sonstigem Fehlverhalten für das Unternehmen ein enormer Imageverlust bzw. finanzieller Schaden entstehen kann.

3) Social Media Richtlinien: Es ist besonders wichtig für die einzelnen Bereiche eines Unternehmens, konkrete Social Media Richtlinien zu definieren, um den Mitarbeitern ein Regelwerk zur Verteilung von Inhalten im Social Web zu liefern. Darin sollte klar geklärt sein, welche Informationen eines Unternehmens über welche Plattformen nach außen getragen werden dürfen. In diesem Bereich sind durchaus auch Schulungen sinnvoll, um an konkreten Beispielen aufzuzeigen, was erlaubt ist und was nicht.

4) Kampagnenüberwachung: Speziell bei der Durchführung von Social Web Kampagnen ist es für ein Unternehmen ratsam, diese über die gesamte Zeit der Durchführung entsprechend zu überwachen. Dadurch wird gewährleistet, dass die Reaktionen der Web Community laufend erfasst und ausgewertet werden. Im Falle von besonderen Vorkommnissen oder Widerständen werden diese rasch erkannt, sodass die Kampagne entsprechend verändert oder gestoppt werden kann, bevor ein größerer Imageschaden entsteht.

5) Maßnahmenkatalog: Für den Fall, dass unerwartete Probleme in Zusammenhang mit dem Social Web auftreten, macht es Sinn, bereits vorab einen konkreten Maßnahmenkatalog zu entwickeln, um rasch handeln zu können. Kommt es beispielsweise zur Veröffentlichung von firmenschädigenden Content durch Mitarbeiter, so kann mit entsprechenden Maßnahmen sofort reagiert werden und ein drohender Imageverlust bereits anfänglich minimiert werden. Im Vorfeld erstellte Checklisten für konkrete Szenarien ermöglichen die blitzschnelle und zielgerichtete Einleitung von Maßnahmen bei auftretenden Problemstellungen im Social Web.

6) Kompromisslösungen: Gibt es in der Online Community Probleme mit einzelnen Usern oder werden von diesen beispielsweise unternehmensfeindliche Inhalte veröffentlicht, so sollte das betroffene Unternehmen genau abwägen, mit welchen rechtlichen Mitteln es gegen die Personen vorgeht. In den meisten Fällen ist es ratsam, vorrangig eine Kompromisslösung anzustreben und den direkten Kontakt mit den entsprechenden Verantwortlichen zu suchen. Greift man als Unternehmen einzelne Benutzer im Social Web mit unverhältnismäßigen Mitteln an, so kann es sehr leicht zu einem Solidarisierungseffekt von großen Teilen der Web Community kommen. Neben der direkten Kommunikation mit den Usern macht oftmals auch eine Kontaktaufnahme zum Plattformbetreiber Sinn, der eventuell die Rolle des Mediators übernehmen kann.

7) Expertenteam: Für den Unternehmensauftritt im Social Web sowie strategisch wichtige Kampagnen und Aktionen sollen entsprechende Fachexperten konsultiert werden. Zudem soll auch innerhalb des Unternehmens entsprechendes Experten-Know-How aufgebaut werden. Neue Trends werden dadurch rasch erkannt und können somit schnell ins eigene Unternehmen einfließen.
[19]

Die sieben identifizierten Empfehlungen sollen als grundlegende Inspiration für betroffene Unternehmen dienen und bedürfen einer individuellen Adaptierung an die jeweilige Situation. Da sich das Social Web sehr rasch weiterentwickelt, kommt der regelmäßigen Aktualisierung und Validierung der einzelnen Punkte in Kooperation mit entsprechenden Experten große Bedeutung zu.

 



Peter Leitner, Arbeitsgruppenleiter, Thomas Grechenig, Forschungsgruppenleiter
Technische Universität Wien, Forschungsgruppe Industrielle Software
Wiedner Hauptstraße 76/2/2
1040 Wien AT
peter.leitner@inso.tuwien.ac.at; thomas.grechenig@inso.tuwien.ac.at
 

 

  1. 1 Vgl. Weber Shandwick, Reputations Online, Whitepaper, www.webershandwick.com/Default.aspx/Capabilities/ SpecialtyServices/ReputationManagement, aufgerufen: 17. Januar 2010 (2009).
  2. 2 Das Parfum wurde unter der Website www.ckin2u.com/ vorgestellt und international beworben.
  3. 3 Vgl. Svensson, A., Die Calvinisten (1), http://www.wortfeld.de/2007/04/die_calvinisten_1/ , aufgerufen: 13. Januar 2010 (2007).
  4. 4 Vgl. Svensson, A., Die Calvinisten (1), www.wortfeld.de/2007/04/die_calvinisten_1/ , aufgerufen: 13. Januar 2010 (2007).
  5. 5 Vgl. Maas, M., Die Calvinisten (2), www.themaastrix.net/?p=689 aufgerufen: 14. Januar 2010 (2007); sowie die Chronologie unter www.themaastrix.net/?page_id=696 aufgerufen 14. Januar 2010 (2007).
  6. 6 Vgl. Lischka, K., Fünf falsche Freunde, www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,475822,00.html aufgerufen: 17. Januar 2010 (2007).
  7. 7 Vgl. O.V., Nicht gekennzeichnetes virales Marketing, www.freeweb24.de/2007/04/28/nicht-gekennzeichnetes-virales-marketing-ist-unlauter/ aufgerufen: 17. Januar 2010 (2007).
  8. 8 Vgl. Ulbricht, C., Neues Marketing – und Werberecht, www.rechtzweinull.de/index.php?/archives/93-Neues-Marketing-und-Werberecht-Aktuelle-AEnderungen-des-UWG-und-deren-Auswirkungen.html aufgerufen: 17. Januar 2010 (2009); sowie Virales Marketing & Recht, www.rechtzweinull.de/index.php?/archives/102-Virales-Marketing-Werbung-in-einer-rechtlichen-Grauzone-Teil-1.html aufgerufen: 17. Januar 2010 (2009).
  9. 9 So findet sich beispielsweise unter www.technosexuell.de oder http://blogs.myspace.com/rautenbachenator der folgende Hinweis: Charaktere und Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden. Die Produzenten entschuldigen sich ausdrücklich bei allen, die den fiktiven Charakter der Personen und Handlungen nicht durchschaut haben und sich deshalb getäuscht fühlen könnten.
  10. 10 Vgl. Frickel, C., Abmahnwelle gegen Hobby-Designer,www.focus.de/digital/internet/jack-wolfskin-tatze-abmahnwelle-gegen-hobby-designer_aid_446159.html aufgerufen: 22.01.2010 (2009).
  11. 11 Vgl. Lischka, Konrad, Jack Wolfskin mahnt Bastler wegen Tatzen-Mustern ab, www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,655890,00.html aufgerufen: 22. Januar 2010 (2009).
  12. 12 Siehe Stellungnahme von Jack Wolfskin www.jack-wolfskin.com/Portaldata/1/Resources/company/Stellungnahme_Abmahnung_DaWanda-Anbietern_wegen_Markenrechtsverletzungen_19_Okt_09.pdf aufgerufen: 17. Januar 2010 (2009).
  13. 13 Vgl. Schwartz, R., Jack Wolfskin eröffnet den Abmahn-Herbst, www.werbeblogger.de/2009/10/17/jack-wolfskin-eroeffnet-den-abmahn-herbst/ aufgerufen: 22. Januar 2010 (2009).
  14. 14 Vgl. Knoke, F., Jack Wolfskin zieht die Krallen ein, www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,656935,00.html aufgerufen: 22. Januar 2010 (2009).
  15. 15 Vgl. Biggs, J., Belkin paying 65 cents for good reviews on NewEgg and Amazon?, www.crunchgear.com/2009/01/17/belkin-paying-65-cents-for-good-reviews-on-newegg-and-amazon/ aufgerufen: 24. Januar 2010 (2009).
  16. 16 Vgl. Parsa, A., Exclusive: Belkin’s Development Rep is Hiring People to Write Fake Positive Amazon Review, www.thedailybackground.com/2009/01/16/exclusive-belkins-development-rep-is-hiring-people-to-write-fake-positive-amazon-reviews/ aufgerufen: 24. Januar 2010 (2009).
  17. 17 Vgl. Wunschel, A., Brouhaha 05 Belkin bezahlt Produktbewertungen, www.brouhaha.de/2009/02/brouhaha-05-belkin-bezahlt-produktbewertungen/ aufgerufen: 25. Januar 2010 (2009).
  18. 18 Siehe Stellungnahme von Belkin unter: www.belkin.com/pressroom/letter.html aufgerufen: 25. Januar 2010 (2009).
  19. 19 Vgl. Chen, J., Belkin Employee Sheds Light On Belkin's Supposedly Dirty Practices, http://i.gizmodo.com/5134652/belkin-employee-sheds-light-on-belkins-supposedly-dirty-practices aufgerufen: 25. Januar 2010 (2009).
  20. 20 Vgl. Meg, M., Burger King Employee Takes Bath In Sink, Feels Wrath Of Health Department, http://consumerist.com/2008/08/burger-king-employee-takes-bath-in-sink-feels-wrath-of-health-department.html aufgerufen: 29. Januar 2010 (2008); sowie O.V., Burger King Workers Fired Over Video of Teen Bathing in Sink, www.foxnews.com/story/0,2933,402264,00.html aufgerufen: 29. Januar 2010 (2008).
  21. 21 Vgl. Dillon, N., Kentucky Fried Chicken trio photographed turning sink into hot tub, www.nydailynews.com/news/national/2008/12/11/20081211_ kentucky_fried_chicken_trio_photographed.html#ixzz0e1abqQt5 aufgerufen: 29. Januar 2010 (2008).
  22. 22 Vgl. Nelles, D., Popel auf der Pizza – Dominos Social Media Krise, www.ethority.de/weblog/2009/04/16/popel-auf-der-pizza-dominos-social-media-krise/ aufgerufen: 29. Januar 2010 (2009).
  23. 23 Vgl. Clifford, S., Video Prank at Domino’s Taints Brand, www.nytimes.com/2009/04/16/business/media/16dominos.html?_r=2&hp aufgerufen: 29. Januar 2010 (2009).
  24. 24 Siehe Stellungnahme von Domino’s Pizza unter: www.dominosbiz.com/Biz-Public-EN/Extras/Cares/ (2009).