1.
Differenzierung ^
2.
Die Quelle des Rechtsdenkens ^
Es gab zu Beginn des 20. Jahrhundert einen herausragenden Rechtswissenschaftler. Sein Name war Walter Pollack . Über ihn ist fast nichts bekannt. Er hat sich mit der Visualisierung des Rechts beschäftigt. Es gibt ein Buch von ihm. Es trägt den Titel: Perspektive und Symbol in Philosophie und Rechtswissenschaft (Pollack, 1912).
Dort hat er, kaum auffindbar, jene These aufgestellt, die 70 Jahre später von den Sprachwissenschaftlern Lakoff/Johnson populär gemacht wurde (Lakoff/Johnson, 1980). Er hat es damals so formuliert:
2.1.
Das Denken und die Metaphern ^
Sievergeuden meine Zeit.
Dieses Gerät wird Ihnen viel Zeitersparen.
Ich habe viel Zeit in diese Frauinvestiert.
Haben Sie noch viel Zeit?
2.2.
Das metaphorische Denken in der Rechtswissenschaft ^
2.2.1.
Das metaphorische Rechtsdenken am Beispiel des Strafrechts ^
Das metaphorische Rechtsdenken in der Strafrechtswissenschaft förderten bislang nur Wenige zu Tage. Einer der dazu beitrug war Franz v. Liszt . Er verwendete einst eine Metapher, um seinen Studierenden eine Hilfestellung beim Lernen zu geben (Hardtung, 2009). Er hat seinen Studierenden erklärt, dass das Verbrechen auf drei unterschiedlichen Ebenen zu prüfen sei. Das sei gleichsam die Struktur des Verbrechens. Diese Struktur findet sich nirgends im Gesetz. Sie ist eine wissenschaftliche Erfindung. Jeder Jurist kennt sie. Es geht um Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld. Man kann darüber streiten, ob dieser Aufbau zwei oder drei Ebenen hat. Es bleibt aber immer ein Aufbau, ein Gebäude.
2.2.2.
Das metaphorische Rechtsdenken am Beispiel der alic ^
Die actio libera in causa beschreibt zunächst nur einen besonderen Sachverhalt. Dabei geht es darum, dass sich der Täter zunächst betrinkt, um nachher im schuldunfähigen Zustand eine Straftat zu begehen. Diesen Sachverhalt kann man, wie es bei Hilgendorf zu sehen ist, leicht graphisch darstellen (Hilgendorf, 2008).
Die Frage ist, wie man dogmatisch den Wunsch begründen kann, dass man diesen Täter bestraft. Das Problem ist, dass die Schuld geradedann nicht vorliegt, wenn die Tatbestandsmäßigkeit gegeben ist. Im Strafrechtsdenken müsste man es aber eigentlich anders formulieren. Die Schuld liegt dort nicht vor, wo die Tatbestandsmäßigkeit vorliegt – davor aber schon. Auch das kann man graphisch formulieren. Auf Irritationen, die dadurch entstehen, dass der statische Aufbau mit der zeitlichen Dynamik des Sachverhalts kombiniert wird, kann hier nicht näher eingegangen werden. Der Leser ist dazu angehalten diese Irritation für die Lektüre dieses Beitrags zu verdrängen.
2.2.2.1.
Die kognitiven Lösungsmittel ^
2.2.2.2.
Begründungsmodelle ^
Beide Modelle setzen massive Eingriffe in die statische Konstruktion des Verbrechensaufbaus voraus. Deshalb – folgt man meiner These – werden Sie zunehmend abgelehnt. Die Strafrechtswissenschaft und auch die Strafrechtspraxis tendieren meines Erachtens – über längere Zeit gesehen – stets zur Restaurierung des mentalen Modells vom Verbrechensaufbau. Das zeigt sehr deutlich auch ein Beitrag von Hardtung (Hardtung, 2009), auf den ich gleich näher eingehen werde.
3.
Die Begründung einer Entscheidung – heute und morgen ^
Viele Handlungen sind aber derart komplex, dass diese nicht mehr in das statische Gebäude integriert werden können. Früher hat man sich in diesen Fällen mit dem Argument der Fragmentarität des Strafrechts geholfen. Das ist eine schöne Lösung. Heute wird mit einer Normenflut reagiert. Im Strafrecht etwa kommt es zu einer Explosion des Nebenstrafrechts. Jedes neue Gesetz, welches eine neue Materie regelt, wird mit Strafvorschriften flankiert. Viele der neue Normen funktionieren als strafrechtliche Auffangtatbestände (Volk, 2010). Vielleicht wäre es besser eine neue Theorie zu entwickeln, die nullum crimen, nulla poena sine lege und der Komplexität unserer Zeit auch gerecht werden können. Dadurch gäbe es auch ganz neue Begründungsmuster.
Wie wäre es daher mit einer neuen Theorie vom Verbrechen? Wie wäre es mit einem ganzen Strauß neuer Bilder vom Verbrechen? Eines dieser Bilder könnte die Bühne von Lachmayer sein (Lachmayer, 2002). Durch dieses Bild lassen sich vor allem situative Aspekte des Strafrechts durchdenken. Dabei geht es in erster Linie um Personen, Handlungen und deren Relationen. Die Tatherrschaftslehre von Roxin ließe sich dadurch einfach erklären (Roxin, 2006). Schon jetzt wird die Kernaussage der Tatherrschaftslehre – die Existenz von Haupt- und Nebenfiguren – faktisch durch ein Bühnenmodell erklärt (Wessels/Beulke, 2010).
4.
Vorbilder ^
Die Bildwissenschaft macht darauf aufmerksam, dass es seit längerem Theorien gibt, die besagt, dass sich die Wissenschaften an immer neuen gedanklichen Bildern fortentwickeln (Sachs-Hombach, 2006). Als Beispiel sei hier nur Rutherford genannt, welcher das planetarische Modell zur Erklärung des Atoms heranzog (Sachs-Hombach, 2006).
5.
Die Rolle der Rechtsinformatik ^
6.
Literatur ^
Hardtung (2009): Die Obstruktion der Konstruktion, Über die Bremswirkung gewohnter Denkmuster im Strafrecht, ZIS 13/2009, S. 795-812.
Hilgendorf (2008): dtv-Atlas Recht, Band 1, München: dtv.
Lachmayer, F. (2002): Die Visualisierung des Abstrakten, In: Schweighofer u.a., IT in Recht und Staat. Aktuelle Fragen der Rechtsinformatik (S. 309-317), Wien.
Lakoff/Johnson (1980): Metaphors We Live By, Chicago: The University of Chicago Press.
Pielenz (1993): Argumentation und Metapher, Frankfurt am Main.
Pollack (1912): Perspektive und Symbol in Philosophie und Rechtswissenschaft, Berlin: Walter Rothschild.
Röhl (2008): Allgemeine Rechtslehre, Köln: Heymanns.
Roxin (2006): Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, München: C.H. Beck.
Sachs-Hombach (2006): Das Bild als kommunikatives Medium, Köln: Halem-Verlag.
Volk (2010): Bildersprache in der Strafrechtsdogmatik, In: Dölling u.a., Verbrechen – Strafe – Resozialisierung (S. 369-380), Berlin: De Gruyter.
Wessels/Beulke (2010): Strafrecht. Allgemeiner Teil. Heidelberg: C.F. Müller.
Florian Holzer, Rechtsanwalt, Falkenstr. 42, 81541 München,holzer@rechtsvisualisierung.net ;www.rechtvisualisierung.net