1.
Einleitung ^
2.1.
Vorläufer ^
2.2.
Sprechakttheorie nach Austin ^
2.3.
Weiterentwicklung durch Searle ^
3.1.
Rechtsakt ^
3.2.
Sprechakte in Gesetzen ^
3.3.
Direktiva ^
Direktiva können als gesetzliche Anordnungen oder Verbote auch explizit bezeichnet sein:36 «Angehörige der gehobenen medizinisch-technischen Dienste sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet » (§ 11c Abs 1 MTD-Gesetz); «Die freiberufliche Ausübung […] ohne Berufssitz ist verboten » (§ 8 Abs 4 MTD-Gesetz). Es kommt aber auch die Verwendung von indirekten illokutiven Indikatoren vor. Realisierungen der direktiven Sprechakte können so etwa durch Modalverben ausgedrückt werden, wie «können», «sollen», «dürfen» oder «müssen» («haben zu»)37 : «Eine Tätigkeit in den gehobenen medizinisch-technischen Diensten darf […] nur von Personen ausgeübt werden, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes hiezu berechtigt sind.» (§ 4. (1) Satz 1 MTD-Gesetz).; «Angehörige der gehobenen medizinisch-technischen Dienste haben […] die von ihnen gesetzten Maßnahmen zu dokumentieren.» (§ 11a Abs 1 MTD-Gesetz).
3.4.
Deklarativa ^
Searles nimmt die Klasse der Deklarativa38 , die die Existenz «gesellschaftlicher Institutionen» voraussetzen, als typisch für bestimmte juristische Sprechakte an: «Der Vollzug der Deklaration bringt durch nichts anderes als durch seinen Erfolg zustande, dass Wörter und Welt zueinander passen. […] Man beachte, dass […] eine außersprachliche Einrichtung im Spiel ist, ein System konstitutiver Regeln, das zu den konstitutiven Spielregeln hinzukommt, damit die Deklaration erfolgreich vollzogen werden kann. […] Nur dank solcher Einrichtungen wie […] dem Rechtswesen, […] dem Staat und besonderer Stellungen von Sprecher und Hörer in ihnen kann […] ernannt, vererbt oder Krieg erklärt werden. »39 Deklarative Sprechakte wirken dabei nicht unbedingt als «Erklärungen» im eigentlichen Sinn, sondern wie «Definitionen», in denen ein bestimmter Sprachgebrauch eine Rechtsinstitution schafft40 : «Der logopädisch-phoniatrisch-audiologische Dienst umfasst die eigenverantwortliche logopädische Befunderhebung und Behandlung von Sprach-, Sprech-, Stimm- und Hörstörungen sowie audiometrische Untersuchungen nach ärztlicher Anordnung» (§ 2 Abs 6 MTD-Gesetz); «Ein Anpassungslehrgang […] ist die Ausübung des entsprechenden gehobenen medizinisch-technischen Dienstes in Österreich unter der Verantwortung eines (einer) qualifizierten Berufsangehörigen an oder in Verbindung mit […] einem entsprechenden Fachhochschul-Bachelorstudiengang […]» (§ 6c Abs 1 MTD-Gesetz).
3.5.
Überschneidung von Assertiva und Deklarativa ^
Searle hat darauf hingewiesen, dass in einer Äußerung auch mehrere Sprechakte zugleich vollzogen werden können: «Oft tun wir mit ein und derselben Äußerung mehrere […] Sachen zugleich. »41 Als Beispiel führt er an, dass es häufig zu Überschneidungen von Assertiva und Deklarativa gibt: z.B. kann eine Äußerung, die sprachlich die «Indikatoren» für einen assertiven Sprechakt aufweist (Behauptung, Aussage) durchaus aber deklarative Funktionen haben.42 Eine Formulierung gibt sich sprachlich als Feststellung einer Tatsache, hat tatsächlich aber normative Funktion und ist im Kontext des Rechts keine einfachen Wort-Definition, sondern eine Deklaration mit normativer Wirkung.43 Beispielhaft sei die Bestimmung des § 3 Abs 2 MTD-G genannt: «Nicht vertrauenswürdig ist , wer […] wegen einer oder mehreren […] strafbaren Handlungen […] verurteilt wurde […].» Habermas schlägt eine Reduzierung der Sprechakttypen auf die Klassen imperative, konstative, expressive und regulative Sprechakte vor, um die Überschneidung von assertiven und deklarativen Sprechakten aufzuheben. Die Regulativa drücken dabei generell den normativen Sinn von interpersonalen Beziehungen aus.44
4.
Zusammenfassung ^
5.
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- 28 Arnauld, A.v. , Rechtssicherheit, S. 173 (2006).
- 29 Kelsen, H. , Was ist ein Rechtsakt?, ÖZÖR 1951/1952 263 ff. (264).
- 30 Kelsen, H. , Was ist ein Rechtsakt?, ÖZÖR 1951/1952 263 ff. (264).
- 31 Lachmayer, F. , Verfassungsprinzipien in juristischer und politischer Sicht, AnwBl 1993, 146 ff. (146).
- 32 Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz), BGBl. 1993/257 i.d.F. BGBl. I 2010/61.
- 33 s. FN 17.
- 34 Busse, D. , Recht als Text, S. 82 (1992).
- 35 Busse, D. , Recht als Text, S. 82 (1992).
- 36 Busse, D. , Recht als Text, S. 82 (1992).
- 37 Busse, D. , Recht als Text, S. 82 (1992).
- 38 Auf die Notwendigkeit der begrifflichen Differenzierung zwischen deklarativen Äußerungen im Sinne der Sprachaktthorie und sog. deklarativen Rechtsakten (rechtsbekundenden Rechtsakten, in Abgrenzung zu konstitutiven = rechtserzeugenden Rechtsakten) sei hingewiesen.
- 39 Searle, J.R. , Ausdruck und Bedeutung2, S. 37 f. (1990).
- 40 Busse ,D. , Recht als Text, S. 83 (1992).
- 41 Searle, J.R. , Ausdruck und Bedeutung2, S. 37 f. (1990).
- 42 Searle, J.R. , Ausdruck und Bedeutung2, 38 f. (1990).
- 43 Busse, D. , Recht als Text, S. 84 (1992).
- 44 Habermas, J. , Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung, S. 429, 435 f. (1981);Busse , Recht als Text, S. 85 (1992).