Jusletter IT

Zur Dualität von Rechtsinformatik und Informationsrecht

  • Author: Herbert Fiedler
  • Category: Short Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal informatics and administration informatics
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2011
  • Citation: Herbert Fiedler, Zur Dualität von Rechtsinformatik und Informationsrecht, in: Jusletter IT 24 February 2011
Anfänge und Gründungsprozesse von Rechtsinformatik und Informationsrecht als Disziplinen werden dargestellt. Mit dem Hintergrund der seitherigen Entwicklung und aktueller Diskussionen wird deren Verhältnis als eine Art von «Dualität» angesprochen. Dies bietet zugleich Anknüpfungspunkte für Verallgemeinerungen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. «Rechtsinformatik» und «Informationsrecht» – Anfänge und Aktualität
  • 2. IKT-gestützte Implementierung von Recht – und deren rechtliche Regelung; Dualität ihrer Theorien
  • 3. Rechtsinformatik i.e.S.; Rechtsinformatik i.w.S. als Integrationsdisziplin
  • 4. Dualitätsbeziehungen, allgemein
  • 5. Identifizierung und Untersuchung von Dualitätsbeziehungen als Aufgabe

1.

«Rechtsinformatik» und «Informationsrecht» – Anfänge und Aktualität ^

[1]
Rechtsinformatik und Informationsrecht sind Disziplinen, deren Beziehung seit ihrer Gründung angesprochen wird. So erstmalig von H. Fiedler in seiner 5-teiligen Aufsatzreihe «Automation im Recht und juristische Informatik» in JuS (Juristische Schulung) 1970/1971. Dort wurde erstmalig der Juristischen Informatik ein «Informationsrecht» (im objektiven Sinne, für ein Rechtsgebiet) gegenübergestellt1 . Dies dokumentierten 1976 W. Egloff und G. Werckmeister2 mit einer ausführlichen Darstellung der ursprünglichen Konzeption eines «Informationsrechts» in diesem Sinne bei H. Fiedler a.a.O. Dabei ist hervorzuheben, dass
  • hier nicht ein «Informationsrecht» als subjektives Recht gemeint ist, sondern ein (neuartiges) Gebiet des objektiven Rechts,
und, dass
  • dieses mit dessen Theorie nicht der juristischen Informatik (Rechtsinformatik) subsumiert, sondern dieser gerade explizit gegenübergestellt wird.
[2]
Seitdem wird die Beziehung der beiden Disziplinen immer wieder thematisiert, im Rahmen der IRIS z.B. von M. Herberger 20053 und neuestens ausführlich von E. Hilgendorf 20094 . Dies hat durchaus strategische Bedeutung für die weitere Entwicklung von Rechtsinformatik und Informationsrecht, einschließlich ihrer Namensgebung. Hier soll deren Beziehung als enge Verschränkung in einer Art von «Dualität» identifiziert werden.

2.

IKT-gestützte Implementierung von Recht – und deren rechtliche Regelung; Dualität ihrer Theorien ^

[3]
Grundlegend ist inzwischen insbesondere, dass in der Zeit der IKT das Recht immer stärker auf die Art seiner informationstechnischen Unterstützung («Implementierung») angewiesen ist und dadurch bestimmt wird. Diese IKT-technische Implementierung erlangt dadurch so große Eigenbedeutung, dass sie ihrerseits weitgehend rechtlichen Regelungen unterworfen wird (z.B. mit dem Hintergrund des Datenschutzes). Damit schließt sich ein Kreis von Regulationen. Auf der Ebene wissenschaftlicher Bearbeitung induziert dies eine enge Verschränkung («Dualität») der Disziplinen Rechtsinformatik und Informationsrecht5 . Diese Ebene von Theorie und Disziplinen bildet den Schwerpunkt des gegenwärtigen Beitrags.

3.

Rechtsinformatik i.e.S.; Rechtsinformatik i.w.S. als Integrationsdisziplin ^

[4]
In Parenthese: Dieser Sachverhalt scheint die Rechtsinformatik gegenüber anderen Disziplinen angewandter Informatik (z.B. Medizin-, Wirtschaftsinformatik) auszuzeichnen. Hier ergibt sich auch durch ein Dualitätspostulat ein Prinzip zur sinnvollen Bestimmung eines Kernbereichs Informationsrecht (Recht der IKT-Implementierung des Rechts) innerhalb der weiteren Zuständigkeit der Rechtsinformatik. Der Klarheit halber kann man dann dem Informationsrecht eine Rechtsinformatik «i.e.S.» (Anwendung der Informatik im Recht) gegenüberstellen und schließlich beide als Rechtsinformatik «i.w.S.» zusammenfassen. Dies ist das Konzept einer Rechtsinformatik als «Integrationsdiziplin» (i.S. von Fiedler6 ). Vgl. auch die Gestaltung in der deutschen «Gesellschaft für Informatik» (GI): Der Klarheit halber werden «Rechtsinformatik» und «Informationsrecht» nebeneinander gestellt, aber in gemeinsamen Gliederungen behandelt. Dem versuchte insbesondere die Initiative «Zweite Geburt der Rechtsinformatik» von Fiedler (1993) gerecht zu werden, welche jedoch damals kaum Resonanz fand.

4.

Dualitätsbeziehungen, allgemein ^

[5]
Die Bezeichnung «Dualität» (mit wesentlichen Gemeinsamkeiten) wird vielfältig gebraucht (wofür man hier einmal gut auf «Wikipedia» verweisen kann)7 . Am prägnantesten (und vorbildhaft) natürlich im Zusammenhang mit dem «Dualitätsprinzip» der projektiven Geometrie im Gebiet der Mathematik. Hier soll damit die Idee einer systematischen Verknüpfung zwischen symmetrisch-komplementären Bereichen verbunden werden, deren Wechselbeziehung dann ihre Behandlung im Rahmen einer gemeinsamen Theorie vorteilhaft macht, oder deren spezifische Wechselbeziehung sich im Rahmen einer übergreifenden Theorie herauskristallisiert.

5.

Identifizierung und Untersuchung von Dualitätsbeziehungen als Aufgabe ^

[6]
Beispiele für Dualitätsbeziehungen im gegenwärtigen Zusammenhang sind vielfach. So z.B. auch «Datenschutz und Datensicherung». Das «und» sollte hier nicht als Additionsoperator aufgefasst werden, sondern als Ausdruck für eine (zumindest teilweise) duale Verknüpfung. Allgemein dürfte das «und» in ähnlichen Verbindungen oft ein (nicht beabsichtigter) Hinweis auf noch nicht identifizierte Dualitätsbeziehungen sein (z.B. auch «Sicherheit und Freiheit»). Hier wird die These vertreten, dass die explizite Herausarbeitung von Dualitätsbeziehungen gerade im Bereich von Rechtsinformatik und Informationsrecht naheliegend ist und zu Erkenntnisfortschritten beitragen kann. Vgl. auch «Code is Law» (L. Lessig), «Der Staat im Cyberspace» (H. Fiedler, Informatik Spektrum 2001, S. 309ff.).



Herbert Fiedler, Prof. Dr. jur., Dr. rer.nat., Universität Bonn, Lehrstuhl für Juristische Informatik, allgemeine Rechtslehre und Strafrecht, Adenauerallee 24-42, 53113 Bonn, DE,herbert.fiedler@fit.fraunhofer.de ,www.jura.uni-bonn.de/fiedler


  1. 1 H. Fiedler, Elektronische Rechtsdokumentation und juristische Informationssysteme (3. Teil der Aufsatzreihe), JuS 1970, S. 607.
  2. 2 W. Egloff und G. Werckmeister, Kritik und Vorüberlegungen zum Gegenstandsbereich von Informationsrecht. In: W. Steinmüller (Hrsg.), Informationsrecht und Informationspolitik, München u. Wien 1976, S. 280-294 (S. 281).
  3. 3 M. Herberger, Rechtsinformatik: Anmerkungen zum Verständnis von Fach- und Forschungsgebiet, in: Effizienz von e-Lösungen in Staat und Gesellschaft (Tagungsband des 8. Internat. Rechtsinformatik Symposions IRIS 2005) Hrsg. v.E. Schweighofer u.a., Stuttgart usw. 2005, S. 29-34.
  4. 4 E. Hilgendorf, Informationsrecht als eigenständige Disziplin? Kritische Anmerkungen zu einigen Grundlagenfragen von Rechtsinformatik und Informationsrecht. In: Rechtsinformatik und Informationsrecht im Spannungsfeld von Recht, Informatik und Ökonomie (1. Wis.. Forum für Recht und Informatik), Hrsg. v.J. Taeger u.I. Vassilaki, Edewecht 2009, S. 1-12.
  5. 5 H. Fiedler, Modell und Modellbildung als Themen der juristischen Methodenlehre, in: e-Staat und e-Wirtschaft aus rechtlicher Sicht (Tagungsband des 9. Internat. Rechtsinformatik Symposions IRIS 2006) Hrsg. v.E. Schweighofer u.a., Stuttgart 2006, S. 275-281. Hier insbes. letzte der «Wiener Thesen»: «Informationsrecht als (insbes.) Recht der informationstechnischen Implementierung von Recht verschränkt sich (‹dual›) mit Rechtsinformatik ‹i.e.S.› (Rechtsinformatik ‹i.w.S.› als Integrationsdisziplin)», a.a.O.S.281.
  6. 6 H. Fiedler, Rechtsinformatik als Integrationsdisziplin, in: Zwischen Rechtstheorie und e-Government (Aktuelle Fragen der Rechtsinformatik 2003, Tagungsband, gewidmet Friedrich Lachmayer) Hrsg. v.E. Schweighofer u.a., Wien 2003, S. 33-41.
  7. 7 Wikipedia, Artikel Dualität bzw. Duality (usw.), besucht 2010.