1.
Serviceorientierte Architekturen als Gestaltungsparadigma ^
[1]
Der Begriff serviceorientierte Architektur (SOA) kennzeichnet ein Paradigma, ein Denkmuster, zur Gestaltung von IT-Architekturen. Gleichzeitig wird eine SOA aber auch als Managementkonzept verstanden, mit dem auf geänderte Marktverhältnisse effektiv und effizient reagiert werden soll. Durch diese Zielsetzung werden die Bereiche Betriebswirtschaft und Technik nicht nur adressiert, sie werden auch konzeptuell miteinander verwoben. Häufig genannte Forderungen hinsichtlich der Gestaltung einer SOA – auch für das E-Government – sind insbesondere:
- Erhöhung der fachlichen und technischen Interoperabilität (Walser 2008): Dieses Ziel kann durch den Einsatz fachlicher und technischer Standards auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen (Kühn et al 2009) erreicht werden. Zum Beispiel durch XML-Spezifikationen für den Datentransfer, Web Services, REST oder UDDI-Serviceverzeichnis.
- Vermeidung von Abhängigkeiten und Redundanzen: Dieser Forderung kann i.d.R. durch eine Entkopplung von Abhängigkeiten nachgekommen werden.
- Einfachere und schnellere Anpassung bzw. Neuentwicklung von teil- oder vollautomatisierten Prozessen: Damit werden Flexibilität, Agilität (Scherrer 2008) und Time-to-Market (Marktorientierung) aber auch Wandlungsfähigkeit (Sudhoff et al. 2006) adressiert.
[2]
Wenn in Umfragen nach den Zielen von SOA-Projekten gefragt wird, nimmt die Steigerung der geschäftlichen Flexibilität regelmäßig eine Top-Position ein (Martin 2010). Weitere häufig genannte Ziele sind die Optimierung der internen Prozesse, eine verkürzte Zeitspanne Time-to-Market sowie eine Steigerung des Innovationsgrades. Diese Ziele werden in der Literatur auch als Wertbeitrag bzw. Wertschöpfungsbeitrag einer SOA zum Unternehmenserfolg diskutiert (z.B. Alter et al. 2009). Die hierarchische Einordnung einer SOA zwischen geschäftlichen Zielen und technischen Rahmenbedingungen lässt sich – stark vereinfacht – wie folgt charakterisieren:
- Business Process Management – BPM: Fachliche Modellierung (Prozessorientierung)
- Serviceorientierte Architektur – SOA: Fachliche und technische Standards (Serviceorientierung)
- Enterprise Application Integration – EAI: Entfernte Funktionsaufrufe (Nachrichtenorientierung)
[3]
Diese Positionierung zwischen informationstechnischen Grundlagen und Managementansätzen wirft auch Fragen nach der Priorisierung von Wertigkeiten einer SOA an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Informatik auf. Insbesondere dann, wenn es gilt Nutzenpotenziale zu heben. Der Wertbeitrag der Geschäftsprozesse an die Geschäftsarchitektur ist so ein Nutzen und definiert sich i.d.R. durch eine Verkürzung von Prozessdurchlaufzeiten. Der Wertbeitrag einer SOA an die Geschäftsprozesse wird durch einen positiven Einfluss auf die Geschäftsprozesse generiert.
[4]
Internationale SOA-Experten formulierten 2009 das sog. SOA-Manifest. Dieses priorisiert zunächst sechs zentrale Aussagen, die Autoren nennen sieWerte . Durch eine Gewichtung dieser Aussagen wird das Denkmuster SOA konkretisiert, qualitative Aussagen werden getroffen:
- Geschäftswert über technische Strategie
- Strategische Ziele über projektspezifischen Nutzen
- Immanente Interoperabilität über maßgeschneiderte Integration
- Gemeinsam verwendete Services über zweckgebundene Implementierungen
- Flexibilität über Optimierung
- Evolutionäre Vervollkommnung über Streben nach anfänglicher Perfektion
[5]
Die ersten beiden Werteaussagen fasst Josuttis (2010) prägnant so zusammen:«Projekte sind uns wichtig, noch wichtiger sind uns aber Strategien, und am wichtigsten ist der Mehrwert für unser Geschäft.» Die Generierung dieses Mehrwerts ist auch eine der Herausforderungen an eine SOA aus Management-Sicht und kann anhand von Fallbeispielen aufgezeigt werden. Dem Ziel dieses Beitrages folgend wird im Kontext der gestaltungsorientierten Wirtschaftsinformatik (Karagiannis 2010) die folgendeForschungsfrage bearbeitet:Durch welchen methodischen Ansatz kann die allgemeine Übertragbarkeit von Erfahrungen aus der Fertigungsindustrie auf das E-Government unterstützt werden?
[6]
Einen argumentativen Rahmen, innerhalb dessen diese Frage beantwortet werden kann, geben die 14Prinzipien vor, mit denen die Autoren des SOA-Manifests ihr Wertesystem untermauern:
1. | Respektiere die Sozial- und Machtstruktur der Organisation. |
2. | Erkenne an, dass SOA letztlich Veränderung auf vielen Ebenen bedeutet. |
3. | Der Bereich, in dem SOA eingeführt wird, kann unterschiedlich ausfallen. Halte die Aufwände in einem überschaubaren und sinnvollen Rahmen. |
4. | Produkte und Standards alleine werden weder SOA liefern noch das serviceorientierte Paradigma umsetzen |
5. | SOA kann mit unterschiedlichen Technologien und Standards umgesetzt werden. |
6. | Etabliere einheitliche Unternehmensstandards und -richtlinien auf der Basis von Industrie- und De-facto-Standards sowie Standards der SOA-Gemeinde. |
7. | Strebe nach außen Einheitlichkeit an, aber lasse nach innen Vielfalt zu. |
8. | Identifiziere Services durch Zusammenarbeit zwischen fachlichen und technischen Interessenvertretern. |
9. | Maximiere die Anwendbarkeit von Services durch Berücksichtigung der derzeitigen und zukünftigen Anwendungsgebiete. |
10. | Stelle sicher, dass Services fachlichen Anforderungen und Zielen dienen. |
11. | Services und deren Ausgestaltung sollten sich anhand der Art und Weise, wie sie wirklich genutzt werden, entwickeln. |
12. | Trenne die verschiedenen Aspekte eines Systems, die sich unterschiedlich häufig ändern. |
13. | Reduziere implizite Abhängigkeiten und publiziere alle externen Abhängigkeiten, um Robustheit zu fördern und die Auswirkungen von Veränderungen zu reduzieren. |
14. | Organisiere jeden Service auf jeder Abstraktionsebene in oder anhand einer zusammenhängenden und überschaubaren Funktionseinheit. |
[7]
Diese Prinzipien sind zwar für die Orientierung wichtig, sie erlauben aber nicht im Sinne eines Kriteriensystems die Ähnlichkeit von Projekten zu erkennen und zu messen. Um die gewünschte Übertragbarkeit operationalisieren zu können, bedarf es eines Ordnungsrahmens, mit dessen Hilfe Gemeinsamkeiten auf unterschiedlichen Ebenen dargestellt und kommuniziert werden können.
[8]
Der weitere Inhalt dieses Beitrages gliedert sich wie folgt: In Kapitel 2 werden zunächst verwandte Arbeiten in Bezug auf Flexibilität und Agilität diskutiert und in der Folge das Business Engineering Modell (Österle & Blessing 2000) als Denkrahmen für eine szenarienübergreifende Betrachtung vorgestellt. In Kapitel 3 werden anhand einer Fallstudie aus der Automobilindustrie ökonomische Nutzenpotenziale qualitativ-empirisch diskutiert. Die gewonnenen Erkenntnisse werden in Kapitel 0 über eine Klassifizierung des Wertbeitrages auf das E-Government übertragen.
2.
Effizienz durch Flexibilität und Agilität ^
[9]
Aus Management-Sicht soll durch eine SOA die IT -Landschaft eines Unternehmens derart gestaltet werden, dass notwendige Änderungen, die in der Regel auf geänderten Marktverhältnissen bzw. Kundenbedürfnissen beruhen, möglichst schnell, flexibel und mit möglichst geringem Aufwand – effizient – umgesetzt werden können. Der Vorteil, der daraus resultiert mit einem Produkt oder einer Dienstleistung schneller am Markt zu sein als der Mitbewerb, ist zumeist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Agilität und Flexibilität sind daher als ökonomische Nutzenpotenziale zu sehen.
[10]
Die qualitativen Eigenschaften Flexibilität und Agilität werden von unterschiedlichen Autoren unterschiedlich definiert. Eine schnellere Erneuerung im Allgemeinen, die Reduktion von Abhängigkeiten einzelner Anbieter oder eine schnellere Reaktionszeit auf externe Schocks (Fiedler & Seufert 2009a) sind ausgewählte Konkretisierungen von Flexibilität. Aier (2009) versteht unter Flexibilität die bessere Anpassbarkeit an bereits zur Entwicklungszeit spezifizierbare Anpassungsbedarfe. Fiedler & Seufert (2007) weisen darauf hin, dass eine Erhöhung der Agilität dann vorliegt, wenn Prozessdurchlaufzeiten verkürzt werden können. Agilität ist dem zufolge näher an der Schnittstelle zum Markt angesiedelt als Flexibilität. Aier & Saat (2010) diskutieren ein Framework zur Ermittlung des Wertbeitrags einer SOA aus technischer Sicht. Müller et al (2008) präsentierten ein Wirkungsmodell, in dem 40 Modellelemente identifiziert und in Wirkungsketten miteinander verknüpft wurden.
[11]
Hinsichtlich eines Bewertungsansatzes für serviceorientierte Architekturen unterscheiden Stutz & Aier (2008) zwischen den strategischen ZielenEffizienz undEffektivität , die ihnen als Ausgangsbasis für die strukturierte Ableitung von Architekturzielen dienen. Im Fall von Effizienz sind diesFlexibilität ,Agilität undTime-to-Market . Hinsichtlich Effektivität werden von diesen AutorenFunktionalität ,IT/Business-Alignment ,fachlicher Unterstützungsgrad undNachhaltigkeit diskutiert.
[12]
Diese Ableitung architekturrelevanter Attribute aus fachlichen Geschäftsanforderungen folgt einem Top-down-Ansatz, der sowohl hinsichtlich Gestaltung als auch bezüglich der Bewertung von serviceorientierten Architekturen, als gängige Lehrmeinung akzeptiert wird. Dennoch kommt es in der Praxis vor, dass SOA-Lösungen von der Technik (Bottom-up) getrieben werden. Dies trifft insbesondere auf Integrationsarchitekturen zu, die durchaus evolutionär entstehen können. Daher erscheint es legitim, die Wirkungsbeziehungen zwischen technischen Gestaltungsoptionen und strategischen Zielen wie Effizienz und Effektivität ausgehend von der Systemebene zu betrachten.
[13]
Alternativ zu Müller et al (2008) sowie Stutz & Aier (2008) wird in dieser Arbeit ein einfacheres aber bewährtes Modell vorgestellt, das auf die «Building Blocks» fokussiert und anhand dessen ausgewählte ökonomische Nutzenpotenziale und ihre Wirkungsbeziehungen ebenenübergreifend dargestellt und diskutiert werden können.
2.1.
Business Engineering als Denkrahmen ^
[14]
Um die angestrebte Übertragbarkeit von Erfahrungen aus der Fertigungsindustrie auf das E-Government zu ermöglichen, wird im Folgenden das Business Engineering Modell vorgeschlagen. Das Business Engineering Modell ist als Denkrahmen zu verstehen, der betriebswirtschaftliches und informationstechnisches Wissen zusammenbringt und dieses mit Aspekten der Transformation, von Darstellungsmitteln über Vorgehensmodelle bis hin zu kulturellen und politischen Gesichtspunkten verbindet. Es definiert Konstruktionsregeln für die Planung und Beschreibung geschäftlicher Lösungen bzw. für die Wertschöpfung eines Unternehmens und kann helfen, einzelne Projekte und Projektaktivitäten im Gesamtzusammenhang besser zu verstehen (Österle & Blessing 2000). Seine Unterteilung in Planungsebene (Geschäftsstrategie), Ausführungsebene (Geschäftsprozesse) sowie Systemebene (Informations- und Kommunikationssysteme) kann als Hierarchie verstanden werden, die keine ausschließliche Top-down-Vorgehensweise vorschreibt. Dies ist deshalb wichtig, da die Informationstechnologie (IT) im Allgemeinen als Enabler für das Business gilt. Im Speziellen trifft dies auch auf serviceorientierte Architekturen zu.
[15]
Als originärer Beitrag dieser Arbeit wird die Betrachtung der Wirkungsbeziehungen in Abbildung 1 ausgehend von der Systemebene in Richtung Strategieebene gesehen. Die Nutzenpotenziale Flexibilität und Time-to-Market werden in diesem Beispiel durch eine Reduzierung der Komplexität, beispielsweise durch Modularisierung, durch einen möglichst hohen Grad an Wiederverwendung und eine hohe Verfügbarkeit erreicht. Eine gezielte Wiederverwendung von Services verhindert unnötiges Vorhalten redundanter Funktionen und senkt somit die Entwicklungskosten- und Unterhaltskosten der IT-Infrastruktur (Alter et al. 2009). Eine hohe Verfügbarkeit wird i.d.R. erwartet, diese ist darüber hinaus auch geeignet Vertrauen zu schaffen und einen Kundennutzen zu stiften. Ein hoher Grad an Wiederverwendung unterstützt kurze Entwicklungszeiten und führt, zusammen mit der Beherrschung von Komplexität und einer hohen Verfügbarkeit, zu mehr Flexibilität und einer verkürzten Zeitspanne Time-to-Market. Durch die gezielte Wiederverwendung einzelner Services soll zudem die Harmonisierung SOA-basierter Anwendungslandschaften gefördert werden. Zu beachten ist jedoch, dass eine Optimierung auf Wiederverwendung erhöhten Entwicklungsaufwand erfordert. Das strategische Ziel der Effizienz, die ökonomische Nutzenpotenziale Agilität, Flexibilität und Time-to-Market sowie die systemtechnischen Gestaltungsziele einer kontrollierten Komplexität, Wiederverwendung und Verfügbarkeit werden den Ebenen des Business Engineering Modells zugeordnet:Strategieebene ,Geschäftsprozessebene undSystemebene .
[16]
Den in Abbildung 1 dargestellten systemtechnischen Gestaltungsoptionen (Wiederverwendung ,Verfügbarkeit ,kontrollierte Komplexität ) können weiter konkretisiert werden. Ein grundlegendes Prinzip, das eine kontrollierte Komplexität und damit Flexibilität unterstützt, ist z.B. die Trennung von Service- und Transportebene durch Web-Service-Schnittstellen. Eine kontrollierte Komplexität bedingt laut Stutz & Aier (2008) auchPortabilität ,Skalierbarkeit ,Modifizierbarkeit undIntegrität . Dazu kommt nach Meinung des Autors das Designprinzip der Modularität, das Flexibilisierung, Strukturierung und Generalisierung unterstützt. Als Qualitätsmerkmale einer möglichst hohen Verfügbarkeit könnenVerlässlichkeit undStabilität genannt werden. Mit der Wiederverwendung als Gestaltungsoption sind gemäß Stutz & Aier (2008)Redundanzreduktion ,Prozessunabhängigkeit undMultikanalfähigkeit verbunden.
Abbildung 1: Einordnung qualitativer Eigenschaften einer SOA in das Business Engineering Modell.
[17]
Die folgende Fallstudie zeigt, wie in der Automobilindustrie durch eine flexible serviceorientierte Integrationsarchitektur Entwicklungszyklen verkürzt und die Agilität der Geschäftsprozesse erhöht werden kann. Mit diesem Beispiel wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass unter dem allgemeinen Begriff SOA sowohl in der Literatur (Aier & Gleichauf 2008) als auch in der Praxis häufig serviceorientierte Integrationsarchitekturen diskutiert werden.
3.
Fallstudie «Digitale Fabrik» ^
[18]
Die Relevanz von Fallstudien als qualitativ-empirische Methodik für das E-Government ist groß. Um die Effizienz und Effektivität von E-Government zu steigern, fördert die Europäische Union seit 2000 den Austausch von sog. «Good Practices» zwischen den Mitgliedstaaten. Dazu wurde das Good Practice Framework (GPF) entwickelt, das 2005 ungefähr 300 Fallstudien umfasste und 2000 registrierte Mitglieder hatte. 2007 wurde diese Plattform überarbeitet, zu ePractice.eu umbenannt und mit weiteren Fallstudien ergänzt. Dies führte dazu, dass 2008 über 12.000 registrierte Mitglieder regelmäßig auf rund 785 Fallstudien zugreifen konnten (Hamida 2008).
[19]
Nicht üblich ist jedoch der Einsatz von Fallstudien aus anderen Sektoren. Zudem wirft Makolm (2008) die Frage auf, ob E-Government von der hundertjährigen Erfahrung der Automobilindustrie lernen kann. Diese inspirierende Fragestellung diente dem Autor auch als Motivation, um Erkenntnisse aus der Digitalen Fabrik auf die digitale Wertschöpfung des Staates zu übertragen.
[20]
Unter dem BegriffDigitale Fabrik wird allgemein das virtuelle Abbild einer geplanten oder realen Fabrik verstanden, mit seinen Gebäuden, Einrichtungen, Anlagen und Fördersystemen sowie deren Wertschöpfungsprozessen in digitaler Form. Durch eineSimulation von Engineering-Prozessen können im Vorfeld der physischen Fahrzeugkonstruktion komplette Prozesse, zum Beispiel die Prüfung der Geometrie, mittels Simulation untersucht und optimiert werden. Dabei kommen mathematische Modelle zur Darstellung der Abläufe ebenso zum Einsatz wie Softwarewerkzeuge zur geometrischen Darstellung (Dietrich & Heilig 2009). Der virtuelle Prototypenbau zum Beispiel hat einen stark arbeitsteiligen Charakter, wo verschiedene Unternehmen mit spezialisierten Systemen über Unternehmensgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Die ökonomischen Vorteile einer Simulation resultieren aus einer frühzeitigen Kontrolle des virtuellen Produkts. Allfällige Fehler können dadurch rasch beseitigt, Zeit und Kosten gespart sowie die Qualität erhöht werden.
[21]
Ein TDM-System (Team Data Management) verwaltet Daten und Geometrien (3D-Zeichnungen), die im Rahmen des Computer Aided Engineerings (CAE), dieses umfasst die computerunterstützten Ingenieurleistungen Konstruktion und Berechnung, in CAD-Systemen (Computer Aided Design) erzeugt werden. Bei der geometrischen Integration, der sog. DMU-Integration (Digital Mock-Up), geht es in erster Linie um die digitale Montage, um Untersuchungen den Zusammenbau bestimmter Bauteilgruppen betreffend sowie um die Beherrschung komplexer Produktstrukturen außerhalb eines TDM-Systems. Eine serviceorientierte Integrationsarchitektur dient dabei als funktionales Bindeglied für den Daten- und Informationsaustausch zwischen dem TDM-System und der Simulationssoftware.
[22]
Das strategische Ziel der Effizienz wird in diesem Beispiel durch eine verkürzte Zeitspanne Time-to-Market unterstützt, da kostspielige physische Tests an Prototypen weitgehend durch digitale Simulationen ersetzt werden können. Durch eine flexible Integrationsarchitektur können zudem neue Fahrzeugprojekte ohne große Aufwende rasch und kostengünstig eingebunden werden.
[23]
Mithilfe des Modells aus Abbildung 1 kann der Wertschöpfungsbeitrag oder kurz Wertbeitrag dieses Fallbeispiels generisch dargestellt und diskutiert werden. Der Wertbeitrag bezieht sich auf das in Wertgrößen gemessene Ergebnis eines Prozesses an die Geschäftsarchitektur und damit zum Unternehmenswert. In Tabelle 1 werden mögliche Veränderungen, die dem statischen Modell aus Abbildung 1 zugrunde liegen, als Schichtenmodell mit dynamischen Indikatoren dargestellt. Veränderte Marktanforderungen bzw. Kundenbedürfnisse werden i.d.R. auch Anpassungen der Geschäftsprozesse erfordern. Wenn diese schnell und effizient erfolgen, wird auch ein Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg geleistet. Die notwendige Anpassung der Geschäftsprozesse wird jedoch auch eine Modifikation der serviceorientierten (Integrations-)Architektur erfordern.
Tabelle 1: Wertbeiträge und ihre Zusammenhänge im Kontext des Business Engineering Modells. Übertragung auf das E-Government
[24]
In einem ähnlich dynamischen Umfeld wie die Automobilindustrie findet sich auch das E-Government wieder. Was für große Konzerne die Globalisierung ist, das ist für das E-Government die Ausrichtung an Vorgaben der Europäischen Union (EU). Als gelungenes Praxisbeispiel sei auf das Projekt PEPPOL (www.peppol.eu) verwiesen, durch das eine europaweite Vernetzung von Auftraggebern und Lieferanten ermöglicht wird und das den effizienten elektronischen Beschaffungsprozess zum Inhalt hat (Götzl 2009).
[25]
Um eine Übertragung von Erkenntnissen aus der Automobilindustrie auf das E-Government vornehmen zu können, sind die gemeinsamen Eigenschaften zu suchen. Zur Darstellung und Kommunikation gemeinsamer «Building Blocks» wurde in diesem Beitrag auf das Business Engineering Modell zurückgegriffen. Die Relevanz des strategischen Ziels der Effizienz ist für beide Domänen gegeben, wenngleich Riedl (2008) die Wichtigkeit der Effektivität für das E-Government höher einschätzt als jene der Effizienz. Das gemeinsame Ziel «Effizienz» lässt den Analogieschluss zu, dass auch ökonomische Nutzenpotenziale in beiden Domänen über gemeinsame Eigenschaften eruiert werden können, was zukünftig aber empirisch noch gezeigt werden müsste.
[26]
Die Methode der Klassifizierung des Wertbeitrages, die Strukturierung nach bestimmten Ordnungsgesichtspunkten, ist eine Möglichkeit zur Übertragung von Erkenntnissen aus der «Digitalen Fabrik» auf das E-Government. Mirani & Lederer (1998) unterteilen den Wertbeitrag in folgende Kategorien:
- Strategische Vorteile: Wettbewerbsvorteil, strategische Übereinstimmung und Kundenbindung
- Informationsorientierter Nutzen: Zugang zu Information, Qualität der Information sowie Flexibilität der Information
- Transaktionsorientierter Nutzen: Effizienz der Kommunikation, Effizienz der Systementwicklung und Effizienz von Geschäftsabläufen
[27]
Die Kategorie «transaktionsorientierter Nutzen» zum Beispiel gibt konkrete Hinweise auf Potenziale für Effizienzgewinne in beiden Domänen und motiviert zu einer genaueren Betrachtung der Effizienz: Goeken et al. (2008) unterscheiden danach, wo der ökonomische Effekt wirksam wird. Beiinterner Effizienz findet sich der Effekt in der IT-Abteilung selbst, indem z.B. die Effizienz der Systementwicklung gesteigert und damit das IT-Budget direkt entlastet wird. Beiexterner Effizienz werden andere – fachliche – Geschäftsbereiche in ihrer Arbeit unterstützt und deren Produktivität durch IT-Services gesteigert.
[28]
Um die Übertragbarkeit von SOA-bezogenen Erfahrungen aus der «Digitalen Fabrik» oder aus anderen Sektoren der Wirtschaft auf das E-Government weiter verallgemeinern zu können, müssten neben der dynamischen Komponente Wertbeitrag (Tabelle 1) auch Gemeinsamkeiten zwischen den Geschäftsprozessen gesucht und gefunden werden. Ein Ansatzpunkt dazu könnte das Prinzip der Ereignissteuerung (Flieder 2010) sein, das insbesondere über den spezifischen Faktor Zeit einen direkten Einfluss auf die Effizienz hat.
4.
Zusammenfassung ^
[29]
In diesem Beitrag wurden die Wirkungsbeziehungen zwischen strategischen Zielen, ökonomischen Nutzenpotenzialen und technischen Gestaltungsoptionen von serviceorientierten Architekturen aufgezeigt. Durch eine Einordnung qualitativer Eigenschaften in das Business Engineering Modell wurde ein Denkrahmen geschaffen, anhand dessen eine vergleichende Diskussion über Domänengrenzen hinweg erleichtert wurde. Anhand einer Fallstudie aus der Automobilindustrie wurde qualitativ-empirisch dargestellt, wie die Forderung des Marktes nach einer verkürzten Zeitspanne Time-to-Market mithilfe einer serviceorientierten Integrationsarchitektur unterstützt werden konnte.
[30]
Der Wertbeitrag einer SOA zum Unternehmenserfolg manifestierte sich demnach insbesondere in einer flexiblen Gestaltung der Integrationsarchitektur, wodurch agile Geschäftsprozesse gefördert werden konnten. Dadurch wurde auch das strategische Ziel der Effizienz im Sinne einer Zeit- und Kostenoptimierung unterstützt. Anknüpfungspunkte an das E-Government wurden durch eine Kategorisierung des Wertbeitrages sowie durch eine tabellarische Darstellung einzelner Wertbeiträge im Kontext des Business Engineering Modells hergestellt.
5.
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