1.
Synthetisches Leben ^
Was zunächst Assoziationen zu literarischen Vorläufern dieses Themas weckt5 , bedeutet – zumindest, was den derzeitigen Status der Synthetischen Biologie betrifft – die Behandlung u.a. folgender Probleme:
- Wie kann man sich der grundlegenden Frage der Biologie – «Was ist Leben?» – in einem operationalen Sinn annähern? (Um etwas bauen zu können, muss man es (zumindest in seinen Grundzügen) verstehen).
- Was sind die Minimalanweisungen für Leben? Mit anderen Worten: Wie schaut das Minimalgenom aus, das gerade noch ausreicht, alle wesentlichen Eigenschaften von Leben zu kodieren (autonome Replikation, Stoffwechsel, Wachstum, Reizverarbeitung, etc.).
- Welche modulare genetische Einheiten lassen sich identifizieren, die sich (analog zu elektronischen Schaltkreisen) zu größeren Einheiten zusammenschalten lassen, um dann bestimmte Aufgaben zu erfüllen?
- Sind lebende Systeme auch mit anderen als den in der Natur vorkommenden Biomolekülen denk- und konstruierbar?
Die Perspektiven, die die Proponenten der Synthetischen Biologie skizzieren, sind in der Tat atemberaubend, die genannten Anwendungsfelder vielfältig6 : künstliche biologische Systeme zur Energieversorgung (treibstoffproduzierende Bakterien, photosynthetisierende Dachziegel, photosynthetisierende Menschen), als Biosensoren (z.B. zum Aufspüren von TNT in Minenfeldern), Bioreaktoren (z.B. zum Abbau von toxischen Stoffen), Biocomputer (molekulare Turingmaschine), in der Medizin (nachwachsende Organe, medikamentenproduzierende Gewebe), als neuartige Materialien (selbst-reparierend, nachwachsend, auf Kommando die Form ändernd), u.v.a.m.7 Bisher erzielte Ergebnisse der Synthetischen Biologie umfassen zum Beispiel
- die Konzipierung und Herstellung sogenannter Xenonukleinsäuren (XNAs), welche die DNA als informationstragendes Makromolekül ersetzen. XNAs können sich von DNA beispielsweise in der chemischen Struktur der Nukleotide, deren Anzahl und der Struktur des Rückgrats unterscheiden, was einerseits erlaubt, das genetische Alphabet zu erweitern und andererseits eine Möglichkeit zur Absicherung vor ungewolltem genetischem Austausch künstlicher Biosysteme mit natürlichen Organismen darstellt8 .
- das Design und die chemische Synthese eines kompletten bakteriellen Genoms und dessen Verwendung zur Herstellung einer sich selbst replizierenden künstlichen Bakterienvariante9 ,10 ,11 . Um das künstliche Genom von natürlichen unterscheiden zu können, wurden bestimmte verschlüsselte Erkennungssequenzen («watermarks») in das Genom integriert und machten das künstliche Bakterium damit zum ersten Organismus, dessen Bauplan eine Webadresse, die Namen seiner Schöpfer sowie drei Zitate (von James Joyce, Robert Oppenheimer und Richard Feynman) enthält.12
- die Erstellung eines standardisierten Inventars an molekularbiologischen Bauteilen, die für die Allgemeinheit frei verfügbar sein sollen und damit kreative Entwicklungen im Bereich der Synthetischen Biologie vorantreiben sollen13 ,14 . So werden beispielsweise beim jährlich stattfindenden iGEM-Wettbewerb die besten Entwürfe von Biosystemen prämiert, die aus diesen Bauteilen zusammengesetzt sind.15
- etwas weiter gefasst auch eine begleitend geführte Diskussion ethischer und anderer gesellschaftlich relevanter Aspekte der Synthetischen Biologie16 .
2.
Personal Genome Sequencing ^
3.
Proteindesign ^
Markus Wiederstein, Assistenzprofessor, Universität Salzburg, Fachbereich Molekulare Biologie, Center of Applied Molecular Engineering, Hellbrunnerstraße 34, 5020 Salzburg, AT
markII@came.sbg.ac.at ;www.came.sbg.ac.at
- 1 So finden wir in heutigen Organismen die verschiedensten Varianten von asexueller Reproduktion, sexueller Reproduktion, Parthenogenese, Generationswechsel u.a.m.
- 2 syntheticbiology.org , aufgerufen 14. Januar 2011 (2011).
- 3 Schmidt, M., Kelle, A., Ganguli-Mitra, A., & Vriend, H.d. (Hrsg.), Synthetic Biology: The technoscience and its societal consequences, Springer, Dortrecht (2009).
- 4 Endy, D., Foundations for engineering biology. In: Nature, Heft 438, S. 449-453 (2005).
- 5 Vgl. Mary Shelleys Frankenstein, den Homunculus des Mittelalters, das Golem-Motiv in der jüdischen Literatur, aber auch «Elementarteilchen» von Michel Houellebecq, List Taschenbücher, München (2001).
- 6 Vgl. Interviews auf SYNBIOSAFE,www.synbiosafe.eu/index.php?page=expert-interviews , aufgerufen 15. Januar 2011 (2007).
- 7 syntheticbiology.org/Applications.html , aufgerufen 15. Januar 2011 (2003).
- 8 Schmidt, M., Xenobiology: a new form of life as the ultimate biosafety tool. In: Bioessays, Heft 32, S. 322-331 (2010).
- 9 Gibson, D.G. et al., Complete chemical synthesis, assembly, and cloning of a Mycoplasma genitalium genome. In: Science, Heft 319, S. 1215-1220 (2008).
- 10 Gibson, D.G. et al., Creation of a bacterial cell controlled by a chemically synthesized genome. In: Science, Heft 329, S. 52-56 (2010).
- 11 Vgl.www.ted.com/talks/craig_venter_is_on_the_verge_of_creating_synthetic_life.html , aufgerufen 15. Januar 2011 (2008), undwww.ted.com/talks/craig_venter_unveils_synthetic_life.htm, aufgerufen 15.1.2011 (2010) .
- 12 Die Entschlüsselung ist mittlerweile mehrmals gelungen, siehe z.B.www.arcfn.com/2010/06/using-arc-to-decode-venters-secret-dna.html , aufgerufen 15. Januar 2011 (2010).
- 13 Vgl. The BioBricks Foundation,bbf.openwetware.org , aufgerufen 15. Januar 2011 (2005), und Registry of Standard Biological Parts,partsregistry.org , aufgerufen 15. Januar 2011 (2003).
- 14 Canton, B., Labno, A., & Endy, D., Refinement and standardization of synthetic biological parts and devices. In: Nature Biotechnology, Heft 26, S. 787-793 (2008).
- 15 Vlg. IGEM – Synthetic Biology based on standard parts,ung.igem.org , aufgerufen 15. Januar 2011 (2003).
- 16 Schmidt, M. (Hrsg.), Societal aspects of synthetic biology. In: Systems and Synthetic Biology, Heft 3, special issue (2009). Vgl. auchwww.synbiosafe.eu (2007) undwww.cisynbio.com (2009), beide aufgerufen 15. Januar 2011 (2007).
- 17 Randerson, J. Revealed: the lax laws that could allow assembly of deadly virus DNA. In: The Guardian, 14. Juni 2006.
- 18 Ledford, H., Garage biotech: Life hackers. In: Nature, Heft 467, S. 650-652 (2010).
- 19 Siehe z.B.Reichle, I., Art in the Age of Technoscience: Genetic Engineering, Robotics, and Artificial Life in Contemporary Art. Springer, Wien (2009).
- 20 The Tissue Culture and Art Project,tcaproject.org , aufgerufen 16. Januar 2011 (2009). Das Thema wurde auch von Douglas Adams in seinem Roman «Das Restaurant am Ende des Universums» (1982) aufgegriffen, in dem ein ethisch bedenkenloses Fleischgericht in Form einer speziellen Kuhzüchtung auftritt, die den ausdrücklichen Wunsch äußert, gegessen zu werden.
- 21 Vgl.www.ornl.gov/sci/techresources/Human_Genome/home.shtml , aufgerufen 17. Januar 2011 (2010).
- 22 Siehe z.B.www.23andme.com ,www.navigenics.com ,www.decodeme.com ,knome.com , alle aufgerufen 17. Januar 2011.
- 23 Vgl. Personal Genome Project,www.personalgenomes.org , aufgerufen 17. Januar 2011 (2006).
- 24 Powers, R., Das Buch Ich #9, Fischer, Frankfurt a.M. (2010).
- 25 In den USA versucht man dies beispielsweise über den Genetic Information Nondiscrimination Act zu regeln, siehewww.gpo.gov/fdsys/pkg/PLAW-110publ233/content-detail.html , aufgerufen 18. Januar 2011 (2008).
- 26 Human Microbiome Project,nihroadmap.nih.gov/hmp , aufgerufen 18. Januar 2011 (2011).
- 27 Savage, D.C., Microbial ecology of the gastrointestinal tract. In: Annual Review of Microbiology, Heft 31, S. 107-133 (1977).
- 28 Vgl. Canadian Microbiome Initiative,www.cihr.ca/e/39940.html , aufgerufen 18. Januar 2011 (2009).
- 29 Turnbaugh, P.J. et al., The human microbiome project. In: Nature, Heft 449, S.804-810 (2007).
- 30 Stanisław Lem vergleicht dies mit der Schaffung von Neologismen; siehe dazu seine Bemerkungen in: Prognose über die Entwicklung der Biologie bis zum Jahr 2040. In:Lem, S., Science fiction: ein hoffnungsloser Fall mit Ausnahmen, Suhrkamp, Frankfurt a.M., S. 177 (1987).
- 31 Vgl. z.B.Grünberg, R., Serrano, L., Strategies for protein synthetic biology. In: Nucleic Acids Research, Heft 38, S. 2663-2675 (2010).