Jusletter IT

Einführung zum Schwerpunkt wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken

  • Authors: Angela Dovifat / Dagmar Lück-Schneider / Ralf Klischewski / Maria A. Wimmer
  • Category: Short Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2011
  • Citation: Angela Dovifat / Dagmar Lück-Schneider / Ralf Klischewski / Maria A. Wimmer, Einführung zum Schwerpunkt wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken, in: Jusletter IT 24 February 2011
Dieser Beitrag liefert eine kurze Zusammenfassung über die Vorträge Schwerpunkts «Wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken» im Rahmen des IRIS 2011. Fokus des diesjährigen Workshops: Methoden und Vorgehensmodelle für die Gestaltung von Verwaltungsprozessen, Potenziale durch verwaltungsübergreifendes Prozessmanagement, Benchmarking und Prozessmodellierung.
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Der von der Fachgruppe Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik (GI) organisierte Workshop «Wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken» ist mittlerweile ein traditionelles Angebot zum Wissens- und Erfahrungsaustausch auf der IRIS geworden. Das allgemeine Motto der diesjährigen IRIS – Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts – prägte auch die Themenstellungen für den Aufruf zu Beiträgen für den Workshop, der stets durch Beiträge aus der Forschung und Darstellungen aus der Praxis gestaltet wird. Drei Themenschwerpunkte standen besonders im Fokus des diesjährigen Calls:
  • Methoden und Vorgehensmodelle für die Gestaltung von
  • Verwaltungsprozessen,
  • Potenziale durch verwaltungsübergreifendes Prozessmanagement,
    Benchmarking und Prozessmodellierung.
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Bezüglich gelebter Methoden und Vorgehensmodelle für die Gestaltung von Verwaltungsprozessen interessierten insbesondere Beiträge zum Status quo mit Fokus auf europäische Projekte. Sind beispielsweise bestimmte Methoden und Vorgehensmodelle für eine ( öffentliche Institutionen Europas überspannende ( Zusammenarbeit besonders gut oder eher weniger geeignet und auf welcher Basis wird der bewertete Nutzen ermittelt? Ebenso wurde nach Erfahrungen und wegweisenden Einsichten aus überregionalen und europäischen Projekten zum Geschäftsprozessmanagement sowie Verbesserungspotenzialen oder aber auch Problemen gefragt.
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Eine wichtige Zielrichtung des Geschäftsprozessmanagements ist es, Prozessoptimierungspotenziale aufzuspüren. Entsprechend zielte ein weiterer Themenblock im Aufruf auf genau solche Potenziale, die durch verwaltungsübergreifendes Prozessmanagement ermittelt werden können, ab. Denn gerade Schnittstellen zwischen verschiedenen Verwaltungen sind oft für lange Prozesszeiten oder Medienbrüche verantwortlich. In diesem Kontext waren architektonische Lösungen, Austauschstandards und Konzepte gefragt, die hier Vereinfachungen und damit Effizienzsteigerungen versprechen.
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Zudem wirken europäische Gesetzesinitiativen wie z.B. die EU-Dienstleistungsrichtlinie oder Entwicklungen im Bereich des E-Procurement und E-Justice auf die Ausgestaltung der Verwaltungsprozesse. Hieraus entstandene neue Ansätze waren daher genauso wie solche, die auf andere europäische Anstöße zurückgehen, gefragt. Darüber hinaus bleibt zu verfolgen, wie sich generell ein europäischer Wissensaustausch über regionale und/oder nationale Grenzen hinweg unterstützen lässt.
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Auch durch in den vergangenen Jahren gehaltene Beiträge auf der IRIS wurde ersichtlich, dass sich zunehmend Verwaltungen mit der Modellierung und dem Management ihrer Prozesse befassen. Im Prozessmanagementkreislauf stellt sich dann automatisch die Frage nach einer Bewertung der Prozesse. Die Frage ist aber nicht nur zur kontinuierlichen Verbesserung wichtig, sondern auch beim Vergleich von Vorgehensweisen unterschiedlicher Institutionen, die ähnliche oder sogar gleiche Prozesse zu bewältigen haben, interessant. Damit tangiert man in Deutschland zudem ein recht aktuelles Thema: der Gesetzgeber regt durch die am 1. August 2009 in Kraft getretenen Artikel 91c und 91d des Grundgesetzes einerseits zur verstärkten informationstechnologischen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern an. Andererseits werden Vergleichsstudien zur Feststellung und Förderung der Leistungsfähigkeit ihrer Verwaltungen eingefordert. Es liegt nahe, ein ähnliches Vorgehen für Europa zu entwickeln.
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Vor diesem Hintergrund ist es weiterhin von besonderem Interesse, Lösungen zu finden, die eine Basis zum automatischen Aufspüren von Prozessgleichheiten oder Prozessähnlichkeiten unterstützen. Überlegungen und Lösungsansätze, wie das jeweils spezifische Umfeld einschließlich der spezifischen Gesetzesgrundlagen berücksichtigt werden könnte und müsste, könnten auch in Richtung Wiederverwendung von Prozesspatterns und Prozessbausteinen gehen.
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Wenngleich für die Einreichung nicht zwingend eine der vorgegebenen Themenstellungen berücksichtigt werden musste, so befassen sich letztendlich doch alle Beiträge mit Aspekten, die auch und gerade für eine verwaltungsübergreifende Zusammenarbeit wesentlich sind.
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So thematisieren die ersten drei Beiträge des Workshops Ergebnisse gegenwärtiger aktueller Forschungsprojekte.
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Der erste Beitrag vonMartin Brüggemeier, Peter Schilling und Sirko Schulz reflektiert vor allem Erfahrungen mit dem Prozesskettenansatz, die bei der Durchführung des vom deutschen BMI geförderten Projektes «Prozessketten zwischen Wirtschaft und Verwaltung – Los 3: Informations- und Meldepflichten für Arbeitgeber» gesammelt wurden. Ausgehend von Erfordernissen, die sich für Arbeitgeber im Rahmen ihrer Meldepflichten ergeben, werden generelle Aussagen für und Typologisierungsmöglichkeiten von B2G-Prozessen aufgezeigt. Dabei werden vor allem Erkenntnisse thematisiert, die einen praktischen Nutzen für ähnliche aktuelle oder zukünftige Projekte versprechen. Ferner werden forschungsperspektivische Überlegungen angestellt, die auch als Impulse für die Entwicklung einer informationsbasierten Produktionstheorie vernetzt arbeitender Verwaltungen verstanden werden können.
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André Göbel stellt Aktivitäten im kommunalen Prozessmanagement von Kommunen ab 10.000 Einwohner zur Umsetzung der europäischen Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLR) vor. Er zeigt, dass es einerseits noch konkreter Maßnahmen zur Analyse der Geschäftsprozesse und zur Etablierung eines fachübergreifenden Geschäftsprozessdenkens bedarf, dass aber andererseits inzwischen ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung von Prozessmanagement und die Wichtigkeit von Geschäftsprozessoptimierung im Bereich der Kommunalverwaltung besteht.
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Dass dies nicht nur auf kommunaler Ebene der Fall ist, zeigt der praxisnahe Beitrag vonVolker Conlé . Er erläutert Entwicklungen im Bundesland Berlin. Vorgestellt wird eine auf Web 2.0-Technologien basierende Portallösung, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Senatsverwaltung einen Austausch über ihre Geschäftsprozessmanagement-Aktivitäten und ihre Modellierungen über eine Datenbanklösung ermöglicht. Dabei geht er sowohl auf Schwierigkeiten in der Akzeptanz solcher Wissensplattformen und die Erfordernis spezieller Konzepte hierfür ein, als auch auf Überlegungen, mit welchen Metadaten Prozessrecherchen auf der Datenbank unterstützt werden können.
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Sowohl ein Wissensaustausch als auch Analysen vorliegender Prozesslösungen können zu Optimierungen führen. Kennzahlen wiederum verweisen auf Art und Umfang einer Optimierung. Dies sind die Themen, denen die Beiträge des zweiten Blocks des Workshops gewidmet sind.
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Die Prozessanalyse, dieMatthias Kegel vorstellt, erbrachte eine technologische Lösung, die zu einem Wegfall von Medienbrüchen zwischen Staatsanwaltschaft und Justizvollzugsanstalt beim (Geschäfts-)Prozess der Strafvollstreckung führte. Hierdurch konnten die Durchlaufzeiten des Prozesses sowie der hierfür erforderliche Verwaltungsaufwand deutlich reduziert werden. Die vorgestellte Lösung lässt sich auch auf andere E-Government-Prozesse übertragen.
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Claudia Lemke und Melanie Baier befassen sich mit der Strukturierung der Kernprozesse einer außeruniversitären Forschungseinrichtung als Voraussetzung zur Gestaltung von IT-Services. Hier geht es um die Schnittstelle Fachlichkeit – IT-Unterstützung, die einen wesentlichen Treiber für die Geschäftsprozessmodellierung darstellt. Für das Arbeitsfeld außeruniversitärer Forschungseinrichtungen wird mit der Methode des Geschäftsprozessmanagements Potenzialen für eine optimale IT-Unterstützung nachgegangen. Das Procedere kann durchaus als für andere Anwendungsfelder repräsentativ angesehen werden.
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Verschiedene Kennzahlen, die zur Bewertung der Effektivität und Effizienz von Prozessen aus der «IT-Infrastructure Library» (ITIL) hervorgehen, werden vonAntje Dietrich vorgestellt. Diese so genannten «Key-Performance-Indikatoren» (KPIs) bilden eine Grundlage für das Prozess-Controlling, das Messen der Prozessqualität und somit auch für das Aufstellen von Optimierungsansätzen. Der Beitrag greift aber auch weitere Steuerungskennzahlen auf und nimmt den Kulturwandel der öffentlichen Verwaltung, die den Bürger inzwischen als Kunden sieht, in den Blick.
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Die beiden letzten Vorträge des Workshops befassen sich mit Themenfeldern, die einen stärkeren Zukunftsbezug besitzen. Es ist davon auszugehen, dass neben stark strukturierten Prozessen zunehmend auch weniger strukturierte ins Blickfeld gelangen werden. Ein Ansatz hierzu können Ontologien sein. Zu diesem Themenfeld stellenDoris Ipsmiller, Sandra Tscheliesnig und Silke Weiß ihre im Rahmen des Projektes DYONIPOS ermittelten Erkenntnisse zur Nutzung von Ontologien für ein proaktives Management von Wissensprozessen vor. Dyonipos wird im österreichischen Bundesministerium für Finanzen eingesetzt.
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In eine ganz andere Richtung weist der letzte Beitrag. Er befasst sich mit Entwicklungen auf nationaler Ebene in Deutschland, die E-Government vorantreiben sollen. Der Beitrag vonDagmar Lück-Schneider und Wolfgang Schneider geht auf hierzu geschaffene neue Strukturen sowie auf die neue Nationale E-Government-Strategie des Bundes, der Länder und Kommunen in Deutschland ein und zieht Schlüsse für weitere Entwicklungen im Bereich des Geschäftsprozessmanagements für öffentliche Verwaltungen.



Dagmar Lück-Schneider, Professorin für Verwaltungsinformatik, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Fachbereich Allgemeine Verwaltung, Alt Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin, DE
dagmar.lueck-schneider@hwr-berlin.de ,www.hwr-berlin.de

Angela Dovifat, Vertretungsprofessorin für Public Management, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften I, Treskowallee 8, 10318 Berlin, DE
angela.dovifat@htw-berlin.de ,www.htw-berlin.de

Ralf Klischewski, Professor für Information Systems, German University in Cairo, Faculty of Management Technology, Al Tagamoa Al Khames, 11835 New Cairo City, EG,ralf.klischewski@guc.edu.eg , http://is.guc.edu.eg

Maria Wimmer, Professorin für Verwaltungsinformatik, Universität Koblenz-Landau, Fachbereich Informatik, Universitätsstr. 1, 56070 Koblenz, DE,wimmer@uni-koblenz.de, http://www.uni-koblenz.de/agvinf/