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Die Qualifikation der Rechtsverhältnisse zwischen den Akteuren der elektronischen Zustellung

  • Author: Bernhard Horn
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government, Open Government
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2012
  • Citation: Bernhard Horn, Die Qualifikation der Rechtsverhältnisse zwischen den Akteuren der elektronischen Zustellung, in: Jusletter IT 29 February 2012
Auch nach der Novelle des ZustG durch das BGBl. 5/2008 ist die h.L. bis heute der Ansicht, dass durch die Anmeldung eines potentiellen Empfängers bei einem elektronischen Zustelldienst ein Vertragsverhältnis zwischen diesem und dem Betreiber des Zustelldienstes begründet werde. Umgekehrt werde jedoch zwischen dem Zustelldienst und der zustellenden Behörde kein derartiges privatrechtliches Vertragsverhältnis begründet. Die Annahme einer solchen rechtlichen Konstruktion führt in der Praxis jedoch zu rechtlichen Inkonsequenzen und damit verbunden zu Fragen, die es zu diskutieren wert sind. Weiters sieht das Gesetz vor, dass der Ermittlungs- und Zustelldienst die Verrechnungsleistung zu erbringen hat, im Zuge derer in periodischen Abständen sämtliche durchgeführten Zustellungen aller Zustelldienste zentral gegenüber allen elektronisch zustellenden Behörden zu verrechnen sind. Jedoch finden sich weder in den Materialien noch in der Literatur Anhaltspunkte, welche privatrechtlichen Rechtsverhältnisse diesen zu erbringenden Leistungen zu Grunde liegen. Der Beitrag befasst sich umfassend mit der Analyse und Diskussion der Qualifikation der rechtlichen Beziehungen zwischen den Akteuren und versucht Lösungsvorschläge zu erarbeiten, welche sowohl mit den öffentlichrechtlichen als auch privatrechtlichen Grundsätzen harmonieren.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Die Akteure im elektronischen Zustellsystem
  • 2.1. Der Zustelldienst
  • 2.2. Der Empfänger/Kunde
  • 2.3. Die zustellende Behörde
  • 2.4. Der Zustellkopf
  • 3. Die Leistungen im elektronischen Zustellsystem
  • 3.1. Das Zustellverfahren im Allgemeinen
  • 3.2. Die Zentrale Speicherleistung, Ermittlungsleistung und Aktualisierungsleistung
  • 3.3. Die Zustellleistung
  • 3.4. Die Verrechnungsleistung
  • 3.5. Die Verpflichtung zur Leistung des Entgelts
  • 4. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Zustelldienst und seinen Kunden
  • 4.1. Das Rechtsverhältnis zur Erbringung der Zustellleistung
  • 4.2. Die rechtliche Qualifikation der Anmeldung beim Zustelldienst
  • 5. Die Qualifikation der Vertragsverhältnisse zwischen den Akteuren
  • 5.1. Der Vertragstyp im Verhältnis zwischen Behörde und Zustelldienst
  • 5.2. Der Vertragstyp zur Erbringung der Ermittlungs- und Verrechnungsleistung
  • 6. Zusammenfassung
  • 7. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]
Vor nunmehr schon geraumer Zeit traten mit 1. März 2004 die Bestimmungen des 3. Abschnitts des ZustG über die elektronische Zustellung behördlicher Dokumente in Kraft, welche von diesem Zeitpunkt an die Zustellung verwaltungsbehördlicher1 Dokumente auch durch einen elektronischen Zustelldienst ermöglichen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt wurde mit den durch das BGBl. 10/2004 geschaffenen Regelungen des 3. Abschnitts einerseits die Architektur des elektronischen Zustellsystems rechtlich vorgezeichnet und andererseits ein Rechtsrahmen geschaffen, welcher die kompetitive Teilnahme mehrerer elektronischer Zustelldienste ermöglicht. Nähere Anhaltspunkte, wie dieses vorgezeichnete Zustellsystem vertraglich konkret zu implementieren ist bzw. in welcher Rechtsbeziehung die einzelnen Akteure zueinander stehen, finden sich – bis auf wenige Ausnahmen – jedoch kaum. Im Folgenden soll nun ein Überblick über die Akteure und die Funktionalität des elektronischen Zustellsystems gegeben werden, sowie Überlegungen angestellt werden, wie das vom ZustG vorgezeichnete System rechtlich implementiert bzw. die Rechtsverhältnisse zwischen den Akteuren qualifiziert werden könnten.

2.

Die Akteure im elektronischen Zustellsystem ^

[2]
Das ZustG definiert für das elektronische Zustellsystem eine Reihe von Rollen, welchen innerhalb dieses verteilten Systems jeweils eine unterschiedliche Funktion zukommt. Bei einer Rolle handelt es sich nicht um eine konkrete (natürliche oder juristische) Person, sondern um ein Bündel von Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Berechtigungen bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eines elektronischen Zustellvorgangs. Eine Person kann dabei auch mehrere Rollen einnehmen.

2.1.

Der Zustelldienst ^

[3]
Zentraler Dreh- und Angelpunkt bei der elektronischen Zustellung ist der Zustelldienst i.S.d. § 2 Z 7 ZustG. Er übernimmt im Anwendungsbereich des 3. Abschnitts die Durchführung der Zustellvorgänge im Auftrag der zustellenden Behörden. Der Zustelldienst trägt somit die Verantwortung dafür, dass das elektronische Dokument rechtskonform an den Empfänger zugestellt wird.

2.2.

Der Empfänger/Kunde ^

[4]
Es kann jedoch an einen Empfänger nur dann elektronisch zugestellt werden, wenn dieser Kunde eines Zustelldienstes ist. § 2 Z 9 ZustG definiert den Kunden als eine „Person, gegenüber der sich ein elektronischer Zustelldienst zur Zustellung behördlicher Dokumente verpflichtet hat“. Das bedeutet, dass der Empfänger eines elektronisch zuzustellenden Dokuments gem. § 33 Abs. 1 ZustG bei einem Zustelldienst „angemeldet“ und somit dessen „Kunde“ sein muss, damit die Behörde eine elektronische Zustellung an diesen Empfänger (§ 2 Z 1 ZustG) verfügen kann.

2.3.

Die zustellende Behörde ^

[5]
Initiator eines elektronischen Zustellvorgangs ist somit die zustellende Behörde durch Beauftragung eines Zustelldienstes mit der elektronischen Zustellung, welche von diesem in der Folge rechtskonform durchzuführen ist. Damit eine Behörde eine elektronische Zustellung verfügen bzw. beauftragen kann, ist es notwendig zuvor in Erfahrung zu bringen, ob der Empfänger überhaupt bei einem elektronischen Zustelldienst angemeldet ist und ggf. bei welchem. Konnte ein Zustelldienst identifiziert werden, bei welchem der Empfänger als Kunde angemeldet ist, so übergibt die Behörde diesem das elektronische Dokument zur Durchführung des Zustellvorgangs.

2.4.

Der Zustellkopf ^

[6]
Die Beauskunftung, ob ein Empfänger bei einem elektronischen Zustelldienst angemeldet ist oder nicht, erfolgt für alle Behörden zentral durch den Ermittlungs- und Zustelldienst i.S.d. § 32 ZustG (EuZD), wobei jene technische Komponente, welche die in § 29 Abs. 2 ZustG definierten Leistungen erbringt, als „Zustellkopf“2 bezeichnet wird. Der EuZD ist somit selbst ein gem. § 30 ZustG zugelassener Zustelldienst, der jedoch zusätzlich die technische Implementierung des Zustellkopfs betreibt und dessen Funktionalität den Akteuren im Zustellsystem zur Verfügung stellt. Der Zustellkopf übernimmt somit die zentrale Verwaltung aller bei allen Zustelldiensten angemeldeten Kunden. Er ist somit eine Art „zentrales Adressbuch“, bei welchem Behörden Informationen über die elektronische Zustellbarkeit an einen bestimmten Empfänger abfragen können, bevor eine solche verfügt bzw. beauftragt wird. Sollte der Empfänger bei keinem elektronischen Zustelldienst angemeldet sein, so kann eine Zustellung mit Zustellnachweis nur mittels physischer Zustellung erfolgen.
[7]
Um die Aktualität des Datenbestandes beim Zustellkopf aktuell halten zu können, ist jeder Zustelldienst verpflichtet, Änderungen in seinem eigenen Kundendatenbestand auch dem Zustellkopf mitzuteilen. Darüber hinaus übernimmt der Zustellkopf die zentrale Verrechnung aller durchgeführten Zustellungen gegenüber den jeweiligen Behörden und die entsprechende Weiterleitung der Entgelte.

3.

Die Leistungen im elektronischen Zustellsystem ^

[8]
§ 29 ZustG definiert eine Reihe von Leistungen, welche entweder von jedem zugelassenen Zustelldienst (Abs. 1) oder nur vom Zustellkopf (Abs. 2) zu erbringen sind. Für die Zustell-, Ermittlungs- und Verrechnungsleistung wurden Legaldefinitionen in das ZustG aufgenommen, jedoch finden sich noch weitere zu erbringende Leistungen.

3.1.

Das Zustellverfahren im Allgemeinen ^

[9]
Damit an einen Empfänger elektronisch zugestellt werden kann, muss sich dieser gem. § 33 Abs. 1 ZustG einmalig bei einem zugelassenen Zustelldienst seiner Wahl anmelden. Dies erfolgt i. d. R. unter Verwendung der Bürgerkarte (§ 2 Z 10 E-GovG). Unmittelbar im Anschluss leitet der Zustelldienst die Kundendaten an den Zustellkopf weiter, wodurch dieser stets über aktuelle Daten verfügt.
[10]
Möchte nun eine Behörde eine elektronische Zustellung beauftragen, so stellt sie zuerst beim Zustellkopf eine Anfrage, ob der Empfänger überhaupt bei einem elektronischen Zustelldienst angemeldet ist und ggf. bei welchem bzw. welchen. Im Anschluss übergibt sie das zuzustellende Dokument über eine definierte Schnittstelle an den gewählten Zustelldienst. Dieser verständigt den Empfänger über das Bereitliegen eines zuzustellenden Dokuments. Der Empfänger loggt sich nun unter Verwendung seiner Bürgerkarte bei diesem Zustelldienst ein und bestätigt so durch elektronische Signierung des Zustellnachweises die Übernahme aller neu bereitliegenden Dokumente. Der Zustellnachweis wird nun unmittelbar an all jene Behörden weitergeleitet, für welche zum Zeitpunkt des Logins Dokumente zur Abholung bereit lagen. Im Anschluss kann der Empfänger die bereitliegenden Dokumente einsehen oder lokal speichern.

3.2.

Die Zentrale Speicherleistung, Ermittlungsleistung und Aktualisierungsleistung ^

[11]
Das ZustG sieht in § 29 Abs. 2 Z 1 vor, dass der Zustellkopf als eine Art „zentrales Adressbuch“ die Kundendaten aller Kunden aller Zustelldienste durch Erbringung der Zentralen Speicherleistung verwaltet. Dies bedeutet, dass der Zustellkopf zentral speichert, welcher konkrete Kunde bei welchem bzw. welchen Zustelldienst(en) angemeldet ist. Dadurch ist es möglich, durch eine einzige Abfrage in Erfahrung zu bringen, ob eine bestimmte Person überhaupt bei einem elektronischen Zustelldienst angemeldet ist und ggf. bei welchem (Ermittlungsleistung i.S.d. § 29 Abs. 2 Z 2 ZustG). Dadurch kann die absendende Behörde unmittelbar entscheiden, ob eine elektronische Zustellung an den Empfänger überhaupt möglich ist und gegebenenfalls welchem Zustelldienst sie das zuzustellende Dokument zur Durchführung des Zustellvorgangs übergeben möchte.
[12]
Damit dem Zustellkopf jederzeit eine akkurate Beauskunftung möglich ist, ist es nahe liegender Weise notwendig, dass die Daten im Zustellkopf stets aktuell gehalten werden. So verpflichtet § 29 Abs. 1 Z 1 ZustG jeden Zustelldienst dazu, Neuanmeldungen von Kunden oder Änderungen in den Daten bestehender Kunden unmittelbar an den Zustellkopf zu melden und so eine Aktualisierung seines Datenbestandes zu veranlassen (Aktualisierungsleistung). Warum diese Regelung nicht vorsieht, dass auch Abmeldungen von Kunden gem. § 33 Abs. 3 ZustG an den Zustellkopf zu melden sind, ist nicht nachvollziehbar.

3.3.

Die Zustellleistung ^

[13]
Mit der Erbringung der Zustellleistung erfolgt die tatsächliche Übergabe des zuzustellenden Dokuments in den (elektronischen) Machtbereich des Empfängers durch den Zustelldienst. Sie ist in § 29 Abs. 1 ZustG definiert und umfasst eine Reihe von Teilleistungen, welche in den einzelnen Ziffern aufgelistet sind. Die Erbringung der Zustellleistung stellt somit analog zur physischen Zustellung jenen Vorgang dar, mit welchem das zuzustellende Dokument derart in den Machtbereich des Empfängers gebracht wird, sodass dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit Kenntnis vom Inhalt des zuzustellenden Dokuments erlangen kann.
[14]
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich die einzelnen Teilleistungen der Zustellleistung (i.w.S.) in 3 verschiedene Kategorien einteilen lassen, welche sich wesentlich im rechtlichen Grund ihrer Erbringung unterscheiden: Die erste Gruppe an Teilleistungen bilden die Allgemeinen Leistungen (Ziffern 1, 2, 3 und 6), welche unabhängig von der Beauftragung einer elektronischen Zustellung für den Erhalt der Zulassung bereits von Gesetzes wegen zu erbringen sind. Die zweite Gruppe bilden die Zustellleistung i.e.S. (Ziffern 4, 5, 7, 8 und 9), welche unmittelbare Teilprozessschritte bei der Ausführung des Zustellvorgangs darstellen. Sie werden daher nur dann erbracht, wenn der Zustelldienst tatsächlich mit der Durchführung eines Zustellvorgangs beauftragt wird. Die Erbringung dieser Teilleistungen wird somit von jener Behörde veranlasst, welche die elektronische Zustellung verfügt und die Durchführung des Zustellvorgangs durch den Zustelldienst beauftragt hat. Die dritte Gruppe von Zustellteilleistungen bilden die Leistungen auf Anforderung des Empfängers (Ziffern 10 und 11). Sie werden lediglich aufgrund einer Beauftragung durch den Empfänger erbracht.

3.4.

Die Verrechnungsleistung ^

[15]
Die Verrechnungsleistung besteht gem. § 29 Abs. 2 Z 3 ZustG darin, dass der EuZD die Verrechnungsdaten von allen zugelassenen Zustelldiensten zentral sammelt, entsprechend den zustellenden Behörden akkumuliert und jeder dieser Behörden das Zustellentgelt für alle Zustelldienste gesammelt in Rechnung stellt. Jede Behörde leistet in der Folge an den EuZD, welcher die erhaltenen Entgelte entsprechend an die jeweiligen Zustelldienste weiterleitet. Der EuZD stellt somit eine Art zentralen „Mittelsmann“ für die Verrechnung und Bezahlung der angefallenen Zustellentgelte dar. Weitere Regelungen, welche konkreten zivilrechtlichen Rechtsnormen für die Erbringung der Verrechnungsleistung zur Anwendung kommen sollen, trifft das ZustG nicht.

3.5.

Die Verpflichtung zur Leistung des Entgelts ^

[16]
§ 29 ZustG trifft detaillierte Regelungen, welcher Akteur für welche Teilleistung das Entgelt zu entrichten hat: Für die Zustellleistung (i.w.S.) und die Verrechnungsleistung hat jene Behörde das Entgelt zu leisten, welche die Zustellung beauftragt hat. Die Ermittlungsleistung ist unentgeltlich zu erbringen.
[17]
Das Entgelt für die Erbringung der Teilleistung gem. Ziffer 10 hat der Empfänger zu entrichten. Eine Regelung, welcher Akteur das Entgelt für die Erbringung der Teilleistung gem. Ziffer 11 zu leisten hat, wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 20113 jedoch nicht getroffen. Da diese Leistung vom Zustelldienst einerseits nicht zwangsläufig und wenn dann nur auf Anforderung des Empfängers erbracht werden muss (arg „sofern […] anbietet“), wird davon auszugehen sein, dass diese nicht notwendigerweise kostenlos erbracht werden muss. Diese Ansicht lässt sich damit argumentierten, dass durch eine solche Weiterleitung die Infrastruktur des Zustelldienstes belastet wird und dieser auch Aufwand in Form der Weiterleitung der Empfangsbestätigung vom ERV an die zustellende Behörde hat. Auch den EB4 ist keine gegenteilige Aussage zu entnehmen. Da gute Gründe für das Vorliegen einer echten Lücke sprechen, wird analog zu § 29 Abs. 1 lS ZustG davon auszugehen sein, dass der Empfänger das Entgelt für die Leistung gem. Ziffer 11 zu erbringen hat.

4.

Das Rechtsverhältnis zwischen dem Zustelldienst und seinen Kunden ^

[18]
Lediglich bezüglich des Rechtsverhältnisses zwischen dem Zustelldienst und seinen Kunden finden sich im Gesetz bzw. den Materialien Anhaltspunkte. Gem. § 28 Abs. 1 Z 1 ZustG i.d.F BGBl. 10/2004 war jeder Zustelldienst zur „Führung eines Verzeichnisses jener Personen, die mit dem Zustelldienst vertraglich vereinbart haben, dass er an sie nach den näheren Bestimmungen dieses Bundesgesetzes behördliche Dokumente zustellt“ verpflichtet. Somit musste nach dieser Regelung ein privatrechtliches Vertragsverhältnis zwischen dem Zustelldienst und seinen Kunden über die Erbringung der Zustellleistung begründet werden. Auch die EB5 sehen die Notwendigkeit der Begründung eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen dem Zustelldienst und seinen Kunden vor und gehen sogar noch weiter, indem ausgeführt wird, dass zwischen den zustellenden Behörden und dem jeweiligen beauftragten Zustelldienst eben kein solches nötig wäre („[…] obwohl sie [Anm.: die zustellenden Behörden] nicht Vertragspartner aller dieser Zustelldienste sind – dies ist vielmehr der Bürger, der sich bei einem – ‚seinem’ – Zustelldienst anmeldet“6 ). Auch die h.L.7 schließt sich ohne weitere Begründung dieser Ansicht an. Die eingangs zitierte Regelung des § 28 ZustG a.F. wurde zwar mit dem BGBl 5/2008 beseitigt, jedoch geht auch die aktuell gültige Legaldefinition des „Kunden“ (§ 2 Z 9 ZustG) davon aus, dass sich der Zustelldienst gegenüber seinen Kunden zur Zustellung behördlicher Dokumente verpflichtet hat. Als Kunde in diesem Sinne kann auf Grund einer Zusammenschau mit § 33 ZustG jedoch nur der potentielle Empfänger eines Dokuments gesehen werden, nicht jedoch eine Behörde als Absender.

4.1.

Das Rechtsverhältnis zur Erbringung der Zustellleistung ^

[19]
Die Problematik einer solchen rechtlichen Konstruktion ist jedoch, dass diese mit den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts nur schwer vereinbar ist. Der Zustelldienst tritt bei der Durchführung des Zustellvorgangs gem. § 4 ZustG als Organ der Behörde auf, wodurch dessen Handeln unmittelbar der Behörde zuzurechnen ist. Da der Zustelldienst nur für einzelne hoheitlich zu besorgende Tätigkeiten – nämlich die Durchführung des Zustellvorgangs – herangezogen wird, handelt dieser als (bloß) funktionelles Organ der Behörde und somit als ihr „verlängerter Arm“.8 Eine solche funktionelle Organstellung benötigt jedoch eine rechtliche Grundlage, die sich entweder aus einem Bescheid oder einem Vertrag ergeben kann. Da der Zustelldienst lediglich mit einem unselbständigen Teilakt eines gesamten Hoheitsakts betraut wird, tritt dieser lediglich als unselbständiger Verwaltungshelfer auf.9 Somit ist die Begründung eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen zustellender Behörde und dem Zustelldienst – analog zur physischen Zustellung – jedenfalls notwendig. Bei einer solchen Vertragskonstruktion lässt sich weiters auch zivilrechtlich schlüssig erklären, warum die zustellende Behörde die Pflicht zur Leistung des Zustellentgelts trifft (vgl. § 29 Abs. 1 aE ZustG).
[20]
Folgt man dieser Ansicht, so ist nun aber nicht erkennbar, welchen Inhalt das Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Zustelldienst in der Folge haben soll. Die Verpflichtung des Zustelldienstes zur Erbringung der Zustellleistung ergibt sich allein aus seinem Vertragsverhältnis mit der zustellenden Behörde. Umgekehrt kann sich der Zustelldienst aber auch nicht gegenüber seinen Kunden zur Zustellung behördlicher Dokumente verpflichten, da es ausschließlich im Ermessen der hoheitlich agierenden Behörde liegt, welche Art der Zustellung (physisch oder elektronisch) sie gem. § 5 ZustG verfügt und mit welchem Zustelldienst sie konkret eine vertragliche Vereinbarung über die Durchführung des Zustellvorgangs abschließt, sofern der Empfänger bei mehreren angemeldet ist. Eine derartige Vereinbarung zwischen Kunde und Zustelldienst wäre m. M. n. aufgrund ursprünglicher rechtlicher Unmöglichkeit gem. § 878 Satz 1 ABGB nichtig. Geht man somit von der Mimimalvariante der elektronischen Zustellung i.S.d. § 29 Abs. 1 ZustG aus, so bleibt diesbezüglich neben dem Vertrag zwischen Behörde und Zustelldienst kein Spielraum für weitere zivilrechtliche Vereinbarungen.
[21]
Darüber hinaus unterwirft § 29 Abs. 6 lS ZustG die Zustelldienste einem Kontrahierungszwang, wodurch keine Behörde nach Belieben vom Leistungsangebot ausgeschlossen werden kann. Die „üblichen Bedingungen“, zu welchen Verträge unter Kontrahierungszwang mit jedermann abzuschließen sind,10 ergeben sich für alle Zustelldienste aus dem gem. § 32 Abs. 1 ZustG durchzuführenden Ausschreibungsverfahren.

4.2.

Die rechtliche Qualifikation der Anmeldung beim Zustelldienst ^

[22]

Eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen dem Zustelldienst und seinen Kunden ist m. M. n. auch dafür nicht notwendig, um potentiell elektronisch zuzustellenden Behörden die Einwilligung in den Erhalt elektronischer behördlicher Dokumente kundzutun. § 1 Abs. 1 E-GovG räumt dem Bürger grundsätzlich Wahlfreiheit bezüglich der Kommunikationsart für Anbringen an Behörden ein. Dies gilt analog auch für Zustellungen durch Behörden.11 Mit der Anmeldung bei einem Zustelldienst gem. § 33 Abs. 1 ZustG und der daraus resultierenden Aufnahme der Kundendaten in den Zustellkopf gibt der Bürger somit gegenüber jeder elektronisch zustellwilligen Behörde seine Einwilligung in den Erhalt elektronischer Dokumente ab, wodurch dem Zustellkopf Botenfunktion zukommt. Somit kann der Zustellkopf auch als Verzeichnis all jener Personen gesehen werden, welche in den elektronischen Erhalt behördlicher Dokumente eingewilligt haben. Eine solche Einwilligungserklärung kann jedoch nur als öffentlich-rechtliche Erklärung12 gegenüber der potentiell (elektronisch) zustellenden Behörde gedeutet werden und nicht als privatrechtliche Willenserklärung gegenüber einem Dritten, dem Zustelldienst. Dass neben der Erbringung der Zustellleistung zwischen dem Kunden und dem Zustelldienst die Erbringung weiterer Leistungen vertraglich vereinbart werden kann, ist nicht nur nahe liegend sondern auch explizit geregelt (§ 29 Abs. 3 1. Satz ZustG). Dies betrifft dann jedoch nur das Verhältnis zwischen diesen beiden Parteien.

5.

Die Qualifikation der Vertragsverhältnisse zwischen den Akteuren ^

[23]
Weiters ergeben sich weder aus dem Gesetz noch aus den Materialien Anhaltspunkte dafür, welcher Vertragstyp den Rechtsverhältnissen zwischen den Akteuren zugrunde zu legen ist. Wie bereits in Kapitel 4 ausgeführt, ist jedenfalls ein Vertrag zwischen der zustellenden Behörde und dem Zustelldienst über die Erbringung der Zustellleistung notwendig. Dass auch für die Erbringung der Ermittlungs- und Verrechnungsleistung sowohl zwischen zustellenden Behörden und dem EuZD als auch zwischen dem EuZD und den einzelnen Zustelldiensten vertragliche Vereinbarungen notwendig sind, ergibt sich aus der Spezifikation ZUSERECH, welche gem. § 3 Abs. 1 Z 7 ZustDV einen normativen Bestandteil dieser Verordnung darstellt. Bezüglich der Leistungen gem. § 29 Abs. 2 ZustG trifft den EuZD ebenfalls Kontrahierungszwang (arg „hat […] zu erbringen“). Da eine allgemeingültige Aussage, welcher Vertragstyp bei der Begründung eines Vertragsverhältnisses zwischen zwei Parteien im Einzelfall konkret zur Verwendung kommt, nicht möglich ist, müssen sich die folgenden Erörterungen auf allgemeine Ausführungen beschränken.

5.1.

Der Vertragstyp im Verhältnis zwischen Behörde und Zustelldienst ^

[24]
Aktuell existiert weder entsprechende Literatur noch Judikatur, welche sich mit der Frage auseinandersetzt, welchen Vertragstyp der Vertrag über die Erbringung der elektronischen Zustellleistung konkret darstellt. Der OGH hatte sich jedoch in einem Judikat mit der Frage auseinanderzusetzen, welchem Vertragstyp die Nutzung eines Mobilfunknetzes unterliegt und kam in Anlehnung an Zankl13 zusammengefasst zum Ergebnis, dass zwar immer die konkreten vertraglichen Umstände entscheidend seien, es sich bei einem solchen Vertrag jedoch in der Regel um einen Mischvertrag mit werkvertraglichen, mietvertraglichen und dienstvertraglichen Elementen handle, wobei jedoch „das prägende Leistungselement i.S.d. Überwiegens eines Elements bei Mischverträgen“ das der Gebrauchsüberlassung sei.14 Da es sich bei der Nutzung von technischen Komponenten des elektronischen Zustellsystems um einen rechtsqualitativ relativ ähnlichen Sachverhalt handelt, wird man die im Urteil angeführten Argumente des OGH auch hierfür heranziehen dürfen und zum Vorliegen eines Mischvertrags kommen. Die mietvertraglichen Elemente ergeben sich daraus, dass die Behörde das technische System des gewählten Zustelldienstes nur in der Form nutzen kann, wie es aktuell beschaffen ist. Jedoch wird m. M. n. davon auszugehen sein, dass im konkreten Fall das werkvertragliche Element überwiegen wird müssen, da es der Behörde geradezu auf eine erfolgsbezogene Leistung des Zustelldienstes ankommen wird, nämlich der rechtskonformen Zustellung der zuzustellenden Dokumente. Weiters wird der Zustelldienst nur für den Zeitraum der Durchführung des Zustellvorgangs als Organ der Behörde tätig, was ebenfalls gegen ein Dauerschuldverhältnis und somit gegen das Überwiegen der mietvertraglichen Elemente spricht.

5.2.

Der Vertragstyp zur Erbringung der Ermittlungs- und Verrechnungsleistung ^

[25]
Zur Erbringung der Ermittlungsleistung stellt der Zustellkopf eine standardisierte Schnittstelle zur Verfügung, über welche von der zustellenden Behörde die entsprechende Abfrage durchgeführt werden kann. Konkrete individuelle Leistungen erbringt der Zustellkopf diesbezüglich für die Behörde jedoch nicht. Aus den im vorhergehenden Kapitel ausgeführten Gründen wird man somit davon ausgehen können, dass auch der Erbringung der Ermittlungsleistung ein Mischvertrag zugrunde liegen wird. Aufbauend auf der Ermittlungsleistung erbringt der Zustellkopf auch die Verrechnungsleistung. Ziel dieser Leistung ist es, dass die Forderungen der Zustelldienste gegenüber den Behörden, für welche sie Zustellungen erbracht haben, auf einfache Art und Weise getilgt werden. Welche konkreten Tätigkeiten der EuZD sowohl für die Zustelldienste als auch für die Behörden durchführen muss, hängt wiederum von den konkreten Vereinbarungen zwischen den Parteien ab. Da die Tilgung fremder Forderungen ein rechtsgeschäftliches Tun darstellt, wird der zwischen diesen Parteien bestehende Mischervertrag für die Verrechnungsleistung um auftragsrechtliche Elemente gem. §§ 1002 ff ABGB zu ergänzen sein. Diese könnten beispielsweise darin bestehen, dass der EuZD stellvertretend für die einzelnen Zustelldienste oder als deren Bote die Entgeltforderungen periodisch gegenüber der jeweiligen Behörde gem. § 1417 ABGB fällig stellt, wobei diesem im ersten Fall Stellvertretungsbefugnis eingeräumt werden muss, welche gegenüber der Behörde z.B. durch die im Zuge der Verrechnungsleistung zu legenden Rechnungen offen gelegt werden könnte. Im Verhältnis zwischen Behörden und EuZD könnten derartige auftragsrechtliche Leistungen beispielsweise darin bestehen, dass der EuZD die fälligen Forderungen der Zustelldienste stellvertretend und zeitgerecht für die jeweilige Behörde erfüllt und dafür verantwortlich ist, den Eintritt von Verzugsfolgen zu verhindern. Die Behörde hat dem EuZD gem. § 1014 ABGB die dafür getätigten Aufwendungen zu ersetzen oder einen entsprechenden Vorschuss dafür zu leisten, wenn der EuZD nicht vorleisten möchte. Für die Erbringung der Verrechnungsleistung hat die Behörde dem EuZD Entgelt zu leisten (§ 29 Abs. 2 aE ZustG), wobei sich der Rechtsgrund dafür aus dem Vertragsverhältnis zwischen Behörde und EuZD ergibt.

6.

Zusammenfassung ^

[26]
Grundsätzlich konnte gezeigt werden, dass die Anmeldung beim Zustelldienst an sich noch keinen zivilrechtlichen Vertrag begründen muss, sondern diese als öffentlich-rechtliche Erklärung die Einwilligung in den elektronischen Erhalt behördlicher Dokumente darstellt. Jedenfalls ist für die Durchführung einer Zustellung ein Vertrag zwischen zustellender Behörde und dem Zustelldienst notwendig, der die Grundlage für eine funktionale Organstellung bildet. Weiters konnte gezeigt werden, dass das ZustG mit seinem 3. Abschnitt sehr umfassend ein elektronisches Zustellsystem vorzeichnet, welches technisch als verteiltes System zu qualifizieren ist. Wie die Rechtsverhältnisse zur Erbringung der einzelnen Leistungen ausgestaltet werden, obliegt jedoch unter Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen der freien Parteienvereinbarung.

7.

Literatur ^

Dohr, Walter, Pollirer, Hans-Jürgen, & Weiss, Ernst, E-Government-Gesetz, Manz Verlag Wien (2004), ISBN 3-214-08672-3.

Feil, Erich, Zustellwesen5, Linde Verlag Wien (2006), ISBN 3-7073-0876-6.

Hengstschläger, Johannes, Verwaltungsverfahrensrecht4, Facultas.WUV Wien (2009), ISBN 978-3-7089-0283-8.

Koziol, Helmut, Welser, Rudolf, & Kletecka, Andreas, Bürgerliches Recht I13, Manz Verlag Wien (2006), ISBN 3-214-14708-0.

Larcher, Albin, Zustellrecht, Manz Verlag Wien (2010), ISBN 978-3-214-00680-8.

Raschauer, Bernhard, Allgemeines Verwaltungsrecht2, Springer Verlag Wien New York (2003), ISBN 3-211-40540-2.

Raschauer, Nicolas, Sander, Peter, & Wessely, Wolfgang (Hrsg.), Österreichisches Zustellrecht, Springer Verlag Wien New York (2007), ISBN 978-3-211-69917-1.

Reichstädter, Peter, Tauber, Arne, & Hollosi, Arno, Modell und Prozesse der elektronischen Zustellung (ZUSEMOD 1.3.1), http://reference.e-government.gv.at/Zustellung.351.0.html (10.1.2012).

Reichstädter, Peter, Rössler, Thomas, & Tauber, Arne, Modell und Prozesse der Zustellungs-Verrechnung (ZUSERECH 1.3.2). http://reference.e-government.gv.at/Zustellung.351.0.html (10.1.2012).

Thienel, Rudolf, Verwaltungsverfahrensrecht5, Verlag Österreich Wien (2009), ISBN 978-3-7046-5409-0.

Welser, Rudolf, Bürgerliches Recht II13, Manz Verlag Wien (2007), ISBN 978-3-214-14709-9.

Zankl, Wolfgang, Bürgerliches Recht, Facultas.wuv Wien (2010), ISBN 978-3-7089-0570-9.

Zankl, Wolfgang, Qualifikation und Dauer von Mobilfunkverträgen, ecolex (2005), 29.

  1. 1 Die Zustellung gerichtlicher Dokumente erfolgt nach wie vor gemäß den §§ 89a ff GOG (§ 28 Abs. 2 ZustG).
  2. 2 Vgl. Tauber/Rössler, Elektronische Zustellung – Zustellkopf – Schnittstellenspezifikation, ZUSEKOPF.
  3. 3 BGBl. I Nr. 111/2010.
  4. 4 Erl zur RV 981 BlgNr 24. GP, 44.
  5. 5 Erl zur RV 252 BlgNr 22. GP.
  6. 6 Erl zur RV 252 BlgNr 22. GP, 16 a.E.
  7. 7 Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht, 381; Feil, Zustellwesen, 87; Raschauer/Wessely/Sander, Österreichisches Zustellrecht, 190; Larcher, Zustellrecht, RZ 472; Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht, RZ 242c.
  8. 8 Vgl. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, RZ 109.
  9. 9 Vgl. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, RZ 119 f.
  10. 10 Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I, 141.
  11. 11 Dohr/Pollirer/Weiss, E-Government-Gesetz, 3; Vgl. Erl zur RV 294 BlgNR 23. GP, 2. 2. Punkt.
  12. 12 Vgl. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, RZ 1234 ff.
  13. 13 Zankl, Qualifikation und Dauer von Mobilfunkverträgen, ecolex (2005), 29.
  14. 14 OGH 6Ob69/05y vom 21.4.2005.