1.
Einleitung ^
Mit zwei am 28.04.2011 vom Nationalrat beschlossenen Gesetzen, dem Änderungsgesetz zum Telekommunikationsgesetz 20031 und dem Änderungsgesetz zur Strafprozessordnung und zum Sicherheitspolizeigesetz2, wird auch in Österreich die Richtlinie 2006/24/EG umgesetzt. Die Gesetze werden allerdings erst zum 01.04.2012 in Kraft treten, § 136 a Abs. 4 TKG -neu-, § 514 Abs. 15 StPO -neu-, § 94 Abs. 30 SPG -neu-.
2.
Erwägungen des Gesetzgebers ^
- die mit der Vorratsdatenspeicherung verbundenen Grundrechtseingriffe so gering wie möglich – und damit verhältnismäßig zum verfolgten Zweck auszugestalten,
- die Datensicherheit bestmöglich zu gewährleisten,
- Vorsorge für datenschutzrechtliche Informationspflichten zu treffen,
- Rechtsmittel für die grundrechtlichen Interessen vorzusehen,
- datenschutzrechtliche Kontrollen vorzusehen und
- die Auswirkungen auf die TK-Betreiber grundrechtskonform zu gestalten.5
Hinsichtlich der Dauer der Speicherung ist die in Art. 6 der Richtlinie 2006/24EG (Vorratsdatenrichtlinie) vorgegebene Mindestdauer von sechs Monaten vorgesehen, § 102 a Abs. 1 TKG -neu-, weil die überwiegende Anzahl der polizeilichen Anfragen in den ersten drei Monaten der Speicherfrist eingehen würden.6
3.
Grundzüge der gesetzlichen Regelung ^
- Förderung der Aufklärung und Verfolgung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist und der Anschlussinhaber zustimmt,
- Förderung der Aufklärung und Verfolgung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Daten des Beschuldigten ermittelt werden können,
- wenn aufgrund bestimmter Tatsachen zu erwarten ist, dass dadurch der Aufenthalt eines flüchtigen abwesenden Beschuldigten, der einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung dringend verdächtig ist, ermittelt werden kann.
(2) Anbietern von Internet-Zugangsdiensten obliegt die Speicherung folgender Daten:
1. Name, Anschrift und Teilnehmerkennung des Teilnehmers, dem eine öffentliche IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone zugewiesen war;
2. Datum und Uhrzeit der Zuteilung und des Entzugs einer öffentlichen IP-Adresse bei einem Internet-Zugangsdienst unter Angabe der zugrundeliegenden Zeitzone;
3. die Rufnummer des anrufenden Anschlusses für den Zugang über Wählanschluss;
4. die eindeutige Kennung des Anschlusses, über den der Internet-Zugang erfolgt ist.
(3) Anbietern öffentlicher Telefondienste einschließlich Internet-Telefondiensten obliegt die Speicherung folgender Daten:
1. Teilnehmernummer oder andere Kennung des anrufenden und des angerufenen Anschlusses;
2. bei Zusatzdiensten wie Rufweiterleitung oder Rufumleitung die Teilnehmernummer, an die der Anruf geleitet wird;
3. Name und Anschrift des anrufenden und des angerufenen Teilnehmers;
4. Datum, Uhrzeit des Beginns und Dauer eines Kommunikationsvorganges unter Angabe der zugrundeliegenden Zeitzone;
5. die Art des in Anspruch genommenen Dienstes (Anrufe, Zusatzdienste und Mitteilungs- und Multimediadienste).
6. Bei Mobilfunknetzen zudem
a) der internationalen Mobilteilnehmerkennung (IMSI) des anrufenden und des angerufenen Anschlusses;
b) der internationalen Mobilfunkgerätekennung (IMEI) des anrufenden und des angerufenen Anschlusses;
c) Datum und Uhrzeit der ersten Aktivierung des Dienstes und die Standortkennung (Cell-ID), an dem der Dienst aktiviert wurde, wenn es sich um vorbezahlte anonyme Dienste handelt;
d) der Standortkennung (Cell-ID) bei Beginn einer Verbindung.
(4) Anbietern von E-Mail-Diensten obliegt die Speicherung folgender Daten:
1. die einem Teilnehmer zugewiesene Teilnehmerkennung;
2. Name und Anschrift des Teilnehmers, dem eine E-Mail-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war;
3. bei Versenden einer E-Mail die E-Mail-Adresse und die öffentliche IP-Adresse des Absenders sowie die E-Mail-Adresse jedes Empfängers der E-Mail;
4. beim Empfang einer E-Mail und deren Zustellung in ein elektronisches Postfach die E-Mail-Adresse des Absenders und des Empfängers der Nachricht sowie die öffentliche IP-Adresse der letztübermittelnden Kommunikationsnetzeinrichtung;
5. bei An- und Abmeldung beim E-Mail-Dienst Datum, Uhrzeit, Teilnehmerkennung und öffentliche IP-Adresse des Teilnehmers unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone.
4.
Kritische Würdigung der neuen Regelung ^
4.1.
Ausreichende Bestimmtheit des Gesetzes ^
4.2.
Verhältnismäßigkeit ^
4.3.
Amtsverschwiegenheit und Vorratsdaten ^
5.
5. Zusammenfassung ^
- 1 BGBl. Teil I Nr. 27 vom 18.05.2011, S. 1–7.
- 2 BGBl. Teil I Nr. 33 vom 20.05.2011, S. 1–4.
- 3 Vorblatt zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes, Vorblatt zur Änderung der Strafprozessordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes, http://www.ispa.at/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=uploads/media/20110328_TKG-VORBLATT_01.pdf&t=1323775959&hash=8f673b7698a4534f1a8c80f97ab3490a, http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_01075/fname_206859.pdf, Abfrage 12.12.2011.
- 4 http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vfgh/JFR_09969773_02G00037_01/JFR_09969773_02G00037_01.pdf, Abruf 13.07.2011.
- 5 Vorblatt zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, Abschnitt D, 2.
- 6 Vorblatt zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, Abschnitt D, 2.; siehe auch Bericht der Kommission vom 18. April 2011 an den Rat und das Europäische Parlament – Bewertungsbericht zur Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung (Richtlinie 2006/24/EG) (KOM(2011) 225 endg.) S. 18, http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/ LexUriServ.do?uri=COM:2011:0225:FIN:DE:PDF, Abruf 12.12.2011.
- 7 Richtlinie 2006/24 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, ABl. L 105 S. 54 ff. vom 13.04.2006.
- 8 Vorblatt zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, Abschnitt D, 1.
- 9 Urteil des EGMR vom 28. April 2005, Buck gegen Deutschland, Ziffer 44, http://www.jurathek.de/showdocument_print.php?session=0&ID=7613, Abfrage 30.06.2011.
- 10 Siehe dazu auch Urteil des deutschen BVerfG vom 02.03.2010, 1 BVR 256/08 -, Rd.-Nr. 211: „Die Aussagekraft dieser Daten ist weitreichend. Je nach Nutzung von Telekommunikationsdiensten seitens der Betroffenen lassen sich schon aus den Daten selbst – und erst recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen dienen – tiefe Einblicke in das soziale Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden Bürgers gewinnen. Zwar werden mit einer Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung, wie in § 113a TKG vorgesehen, nur die Verbindungsdaten (Zeitpunkt, Dauer, beteiligte Anschlüsse sowie – bei der Mobiltelefonie – der Standort) festgehalten, nicht aber auch der Inhalt der Kommunikation. Auch aus diesen Daten lassen sich jedoch bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüsse ziehen. Adressaten (deren Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen, Institutionen oder Interessenverbänden oder die von ihnen angebotenen Leistungen), Daten, Uhrzeit und Ort von Telefongesprächen erlauben, wenn sie über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, in ihrer Kombination detaillierte Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zugehörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen und Schwächen derjenigen, deren Verbindungsdaten ausgewertet werden. Einen Vertraulichkeitsschutz gibt es insoweit nicht. Je nach Nutzung der Telekommunikation und künftig in zunehmender Dichte kann eine solche Speicherung die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers ermöglichen. Bezogen auf Gruppen und Verbände erlauben die Daten überdies unter Umständen die Aufdeckung von internen Einflussstrukturen und Entscheidungsabläufen.“http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20100302_1bvr025608.html, Abfrage 30.06.2011.
- 11 Urteil vom 06.09.1978, Klass gegen Deutschland, Ziffer 42, http://www.eugrz.info/pdf/EGMR31.pdf, Abfrage 30.06.2011.
- 12 Siehe vorstehendes Zitat, Ziffer 71, ebenso Urteil vom 04.12.2008, Malone gegen Großbritannien, Ziffer 103, EuGRZ 2009, S. 299 ff. (311).
- 13 Urteil des deutschen BVerfG vom 02.03.2010, 1 BvR 256/08 -, Rd.-Nr. 211, Leitsätze Nr. 5 und, http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20100302_1bvr025608.html, Abfrage 30.06.2011.
- 14 BVerfG aaO., Rd.-Nr. 231.
- 15 Vorblatt zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, Abschnitt D, 1.
- 16 Vorblatt zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, Zu § 102 a Abs. 1.
- 17 Vorblatt zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, Zu § 93 Abs. 5.
- 18 Urteil des EGMR vom 23.03.1998, Kopp gg. Schweiz, ÖJZ 1999, S. 115 ff.
- 19 Spielmann, Das anwaltliche Berufsgeheimnis in der Rechtsprechung des EGMR, Österr. Anwaltsblatt 2010, S. 346 ff. (352).