1.
Motivation ^
2.
Business Rule Management ^
Für das BRM lassen sich zwei wesentliche Leitlinien identifizieren. Die organisatorische Leitlinie, die auf die Business Rule Group um Ross in den 1990er Jahren zurückgeht2 und die IT-Leitlinie, die sich auf die Expertensysteme der 1970er Jahre gründet. Beide Ansätze führen eine friedliche Koexistenz. Hersteller von Business Rule Management Software – die eine Weiterentwicklung regelbasierter Expertensysteme darstellt – profitieren3 direkt von einem gesteigerten Problembewusstsein und den Problemlösungsansätzen der organisatorischen Leitlinie. Sie gehören deshalb zu deren wesentlichen Sponsoren.4 BRM ist keineswegs ein neues Thema. Es hat jedoch bisher bei weitem nicht die Aufmerksamkeit anderer Ansätze wie Service Orientierte Architekturen (SOA) oder Business Process Management (BPM) erhalten.
2.1.
Business Rules ^
Abbildung 1 skizziert ein initiales Business-Rules-Modell.6 Auf einer konzeptionellen Ebene definieren sogenannte Structural Business Rules, was unter dem Geschäft verstanden wird, z.B. was eine Rechnung ist. Innerhalb dieser Struktur reagieren die sogenannten Operational Business Rules dynamisch auf neue Gegebenheiten und determinieren das Verhalten des Geschäftes. Die konzeptionellen Regeln können sowohl zur Steuerung von Menschen als auch zur Steuerung von Informationssystemen – und damit mittelbar auch zur Steuerung von Maschinen und weiterem Gerät – dienen. Damit frei über die Art der Implementierung entschieden werden kann, muss für die Konzeption eine implementierungsunabhängige Modellierung verwendet werden. Sollen Business Rules zur Menschenführung eingesetzt werden, sind dementsprechende Aspekte zu beachteten, z.B. müssen die Business Rules für die Adressaten verständlich sein. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass diese Adressaten denkfähig sind. Es obliegt dem Führungssystem des Geschäftes, die Einhaltung dieser Business Rules sicherzustellen. Werden die Business Rules zur Steuerung von Informationssystemen verwendet, müssen sie exakt auf die Semantik und die Syntax der relevanten Informationssysteme ausgerichtet werden. Eine Rechnung ist in diesem Fall eher eine Objektstruktur mit Attributen und Funktionen.
2.2.
Business Rules und Prozesse ^
- Ein Stammkunde zahlt 100€.
- Ein Nicht-Stammkunde zahlt 200€.
- Ein Fahrer muss einen gültigen Führerschein haben.
2.3.
Automatisierte Business Rules ^
Für automatisierte Business Rules werden Sprachen verwendet, die auf Nicht-Implementierungsexperten zugeschnitten sind – dennoch erfordern sie eine exakte Syntax, da automatisierte Business Rules auch durch die maschinelle10 Anwendungsumgebung verstanden werden müssen.
2.4.
Standards für Business Rules ^
Die OMG stellt in Form von Semantics of Business Vocabulary and Business Rules (SBVR)13 und des Business Motivation Models (BMM)14 zwei Sprachspezifikationen zur Verfügung, die Business Rules thematisieren. SBVR unterstützt die Erstellung von Geschäftsvokabularen und darauf aufbauend von Geschäftsfakten und Business Rules, die für definierte semantische Gemeinschaften gültig sind. SBVR ist sehr mächtig und nicht unbedingt intuitiv verwendbar. Insbesondere die überwiegende Nutzung von Text erfordert – gegenüber der Nutzung weniger, einfacher, grafischer Elemente, z.B. bei EPK – eine tiefere Auseinandersetzung mit der Methode. Dass die Einfachheit der Modellierung von EPK auch deren Missbrauch fördern kann, wurde bereits bei der Gegenüberstellung von Business Rules und Prozessen angeführt. Die relative Schwierigkeit von SBVR kann demnach auch Vorteile mit sich bringen.
3.
Ausblick ^
- Rationale; das System als Ganzes und seine Bestandteile müssen begründet sein, dazu dient beispielsweise das BMM.
- Presentation; Business Rules können auf unterschiedliche Weise dargestellt werden oder in Erscheinung treten, z.B. in Form expliziter WENN-DANN-Regeln, aber auch als Prozessdarstellungen oder als Aushang an der Wand.17
- Conceptual; Business Rules müssen so gestaltet werden, dass sie mit externen Regelwerken konform sind und leicht angepasst werden können. Sie nutzen ein eindeutiges Vokabular. Allerdings können Business Rules einer unterschiedlichen Logik unterworfen sein, z.B. bedingt durch deren Implementierung. Beispielsweise SBVR und RIF sind hier einzuordnen.
- Implementation; die Implementierung kann sowohl durch Informationssysteme als auch durch Menschen erfolgen. Manche Business Rules sind für eine bestimmte Implementierungsform prädestiniert, bei anderen kann frei darüber entschieden werden.
- Runtime; Business Rules jeglicher Implementierungsform können gemeinsam in konkreten Situationen zum Einsatz kommen. Die Verknüpfung des Business Rule Management Systems mit Informationssystemen zur Laufzeit erfolgt über den sogenannten Working Memory, der potenzielle Business Rules und Ereignisse erhält, die Business Rules auslösen können, welche dann ihrerseits Aktionen verursachen. Sowohl die Quelle für Ereignisse als auch die Konsequenzen von Aktionen müssen nicht unbedingt innerhalb des Kontrollbereiches des Business Rule Management Systems liegen.
- Administration; alle Aspekte des Business Rule Management Systems - die Business Rules selber, ihre Implementierung, ihre Darstellung und die zugrunde liegende Logik - müssen konsistent verwaltet werden.
Für alle sechs Sichten und für deren gemeinsame Betrachtung existiert Forschungsbedarf, der über die Interessen einzelner Hersteller hinausgehen sollte und deshalb öffentlicher Förderung bedarf.
4.
Literatur ^
Becker, Jörg, Ahrendt, Christoph, Coners, André, Weiß, Burkhard, Winkelmann, Axel, Business Rule Based Extensions of a Semantic Process Modeling Language for Managing Business Process Compliance in the Financial Sector. In:
Fähnrich, K-P./Franczyk, B. (Hrsg.), Informatik 2010 Service Science – Neue Perspektiven für die Informatik Band 1, Lecturer Notes in Informatics (LNI) Proceedings, Leipzig, S. 201–206 (2010).
Business Rule Group, Defining Business Rules ~ What Are They Really?, http://www.businessrulesgroup.org/ first_paper/br01c0.htm aufgerufen 6.1.2012 (Erscheinungsjahr 1993).
Graham, Ian, Business Rules Management and Service Oriented Architecture A Pattern Language, Wiley, Chichester (2006).
Grob, Heinz Lothar, Bensberg, Frank, Coners André, Regelbasierte Steuerung von Geschäftsprozessen - Konzeption eines Ansatzes auf Basis von Process Mining. In: Wirtschaftsinformatik (4/2008), S. 268–281 (2008).
OMG, Business Motivation Model (BMM), v1.1, http://www.omg.org/spec/BMM/1.1/PDF aufgerufen 6.1.2012 (Erscheinungsjahr 2010).
OMG, Semantics of Business Vocabulary and Business Rules (SBVR), v1.0, http://www.omg.org/spec/SBVR/1.0/PDF aufgerufen 6.1.2012 (Erscheinungsjahr 2008).
Pitschke, Jürgen, Integrierte Unternehmensmodelle – SBVR in der Praxis anwenden. In: Fähnrich, K-P./Franczyk, B. (Hrsg.), Informatik 2010 Service Science – Neue Perspektiven für die Informatik Band 1, Lecturer Notes in Informatics (LNI) Proceedings, Leipzig, S. 188–194 (2010).
Resch, Olaf, Six Views on the Business Rule Management System. In: e-Journal of Practical Business Research, Ausgabe 11, http://www.e-journal-of-pbr.info/resch-six-views-business-rule-management-system aufgerufen 20.11.2010 (Erscheinungsjahr 2010a).
Resch, Olaf, Business-Rule-basierte Servicesteuerung. In: Fähnrich, K-P./Franczyk, B. (Hrsg.), Informatik 2010 Service Science – Neue Perspektiven für die Informatik Band 1, Lecturer Notes in Informatics (LNI) Proceedings, Leipzig, S. 187–188 (2010).
Resch, Olaf, Business-Rule-Management. In: wisu Das Wirtschaftsstudium (3/07), S. 317–321 (2007).
Resch, Olaf, Business Rule Management als Instrument des Software Reengineering. In: Softwaretechnik Trends, Vol. 25(2), http://pi.informatik.uni-siegen.de/stt/25_2/WSR05/PDF/29Resch.pdf aufgerufen 20.05.2005 (Erscheinungsjahr 2005).
W3C, RIF Overview, http://www.w3.org/TR/rif-overview aufgerufen 6.1.2012 (Erscheinungsjahr 2010).
- 1 „Geschäft“ ist im Sinne von Anwendungsbereich gemeint.
- 2 Vgl. Graham, I. (2006), S. 5 und Business Rule Group (1993).
- 3 ... vor allem in vertrieblicher Hinsicht ...
- 4 Vgl. z.B. die Sponsoren der letzten Business Rule Konferenz unter: http://www.businessrulesforum.com.
- 5 Vgl. Resch, O. (2007), S. 317 ff.
- 6 Vgl. Resch, O. (2010), S. 188.
- 7 Vgl. z.B. Becker, J. et al. (2010), S. 201 ff., Grob, H-L., Bensberg, F., Coners, A. (2008), S. 268 ff. und Pitschke, J. (2010), S. 188 ff.
- 8 Vgl. Grob, H-L., Bensberg, F., Coners, A. (2008), S. 268 ff. für einen Ansatz bei bestehenden Prozessen.
- 9 Vgl. Resch, O. (2005).
- 10 ... nicht denkfähige ...
- 11 Siehe z.B. http://www.theseus-programm.de.
- 12 Vgl. W3C (2010).
- 13 Vgl. OMG (2008).
- 14 Vgl. OMG (2010).
- 15 Siehe z.B. http://www.opaals.eu und http://ontorule-project.eu.
- 16 Vgl. Resch, O. (2010a).
- 17 ... wie z. B. dem Auszug aus dem Jungendschutzgesetz in Gaststätten.