Jusletter IT

Ausbildungskonzepte zur Verbesserung juristischer Informationskompetenz

  • Authors: Bettina Mielke / Christian Wolff
  • Category: Short Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Rechtsinformation & Juristische Suchtechnologien
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2012
  • Citation: Bettina Mielke / Christian Wolff, Ausbildungskonzepte zur Verbesserung juristischer Informationskompetenz, in: Jusletter IT 29 February 2012
Die derzeitigen Ausbildungsangebote zur Verbesserung der juristischen Informationskompetenz sind bislang sehr heterogen. Im Kern dienen sie vor allem der Vermittlung von Kenntnissen im Bereich der juristischen Datenbanken und ihren Suchmöglichkeiten. Zudem handelt es sich meist um freiwillige Veranstaltungen, die erfahrungsgemäß nur einen Teil der Studierenden erreichen. Um den Herausforderungen einer sich wandelnden Medienwelt und den damit einhergehenden Änderungen im Informationsverhalten gerecht zu werden, sollte man sich um umfassendere Konzepte zur Vermittlung von juristischer Informationskompetenz bemühen. Auch im juristischen Bereich erscheinen solche Bemühungen angesichts der umfassenden digitalen Transformation der juristischen Fachinformation unerlässlich.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einführung
  • 2. Ausbildungsangebote
  • 2.1. Unterrichtsform
  • 2.2. Inhalte
  • 2.3. Träger der Ausbildungsangebote
  • 2.4. Curriculare Verankerung
  • 3. Änderungen im Informationsverhalten
  • 4. Randbedingungen zukünftiger juristischer Arbeitsumgebungen
  • 5. Anforderungen an ein Ausbildungskonzept
  • 5.1. Inhaltliche Anforderungen im Kernbereich Fachinformation
  • 5.2. Möglichkeiten der Umsetzung
  • 6. Ausblick

1.

Einführung ^

[1]
Ausgehend vom Tagungsmotto Transformation juristischer Sprachen wollen wir der Frage nachgehen, ob und inwiefern diese Entwicklung die juristische Ausbildung beeinflusst. Wenn nämlich zunehmend eine vielschichtiger werdende Repräsentation juristischer Inhalte insbesondere durch die sich wandelnde Angebotsstruktur der juristischen Fachinformation und der Informationsformate den Umgang mit dem Recht prägt, sind dafür möglicherweise andere Kompetenzen als in der überschaubaren Medienwelt traditioneller gedruckter juristischer Fachinformation erforderlich.
[2]
In einem ersten Schritt geben wir einen Überblick zu den derzeitigen Ausbildungsangeboten zur Informationskompetenz in der juristischen Ausbildung in Österreich und Deutschland anhand ausgewählter Beispiele. Zumindest in Deutschland existieren bisher weder standardisierte Curricula noch etablierte Vermittlungsmethoden. Weiterhin wird uns auch die Frage beschäftigen, ob die bisherigen Angebote mit dem tatsächlichen Informationsverhalten der Studierenden korrespondieren und ob sich ggf. schon daraus Anhaltspunkte für Verbesserungspotentiale ableiten lassen. Im nächsten Schritt skizzieren wir die Randbedingungen zukünftiger juristischer Arbeitsumgebungen, um den Bedarf an weiterführenden Instrumenten zur Verbesserung der juristischen Informationskompetenz auszuloten und darauf ein erstes Ausbildungskonzept aufzubauen. Wir gehen davon aus, dass angesichts der gewandelten Arbeitsbedingungen die Ausbildung im Bereich der Informationskompetenz grundsätzlich in den rechtswissenschaftlichen Studiengängen verankert werden sollte.

2.

Ausbildungsangebote ^

[3]
Es geht im Folgenden nicht um eine vollständige Erfassung oder Kartierung der vielfältigen Ausbildungsangebote im deutschsprachigen Bereich, sondern um eine Übersicht zu typischen Veranstaltungsformen und ihren Inhalten sowie deren curricularer Verankerung. Die Bandbreite soll beispielhaft anhand einiger deutscher sowie einer österreichischen Universität illustriert werden.
[4]
Universität Heidelberg: Die Universität Heidelberg bietet eine zweistündige Einzelveranstaltung unter dem Titel „Professionelle Informationsrecherche im Fach Jura - Juris und Beck-online“ an.1
[5]
Universität Konstanz: Die Universitätsbibliothek Konstanz veranstaltet einerseits in Kooperation mit dem Fachbereich Rechtswissenschaft Schulungen zu verschiedenen Themenbereichen, z.B. „Informationskompetenz für Juristen – Europarecht“ (Dauer: 90 Minuten) oder „Informationskompetenz für Juristen – Weitere Datenbanken: Beck-Online, Jurion (früher: LexisNexis-Recht) etc.“ (Dauer: 90 Minuten), andererseits aber auch semesterbegleitende zweistündige Kurse „Informationskompetenz für Juristen: Juristische Fachinformation für Studium und Beruf“ bzw. „Nutzung juristischer Fachdatenbanken in Studium und Beruf“.2
[6]
Universität Innsbruck: Hier wird eine semesterbegleitende Vorlesung „Juristische Informations- und Arbeitstechnik“ im Umfang von zwei Semesterwochenstunden angeboten. Neben der Arbeit mit juristischen Datenbanken wie RIS und RDB und der systematischen Analyse von Rechercheergebnissen mit Hilfe von Textverarbeitungsprogrammen behandelt die Lehrveranstaltung auch juristische Schreib-, Zitations- und Präsentationstechniken. Die Vorlesung wird durch Übungen, Demonstrationen und Exkursionen begleitet und ist eine Pflichtvorlesung im ersten Studienabschnitt.3
[7]
Universität Potsdam: Im Rahmen der curricular verankerten Lehrveranstaltungen zum Erwerb interdisziplinärer Schlüsselqualifikationen findet ein semesterbegleitender zweistündiger Kurs „Recherchieren in juristischen Fachdatenbanken“ statt, der auf die Einführung in gängige Datenbankangebote wie juris und Beck-Online, auf die Suchmöglichkeiten im Web sowie auf die Vermittlung von Recherchestrategien fokussiert.4
[8]
Universität Regensburg: Ein weiteres Beispiel für ein curricular verankertes Ausbildungsprogramm ist die Studieneinheit „Informationskompetenz“, die an der Universität Regensburg in Kooperation von Universitätsbibliothek und dem Lehrstuhl für Medieninformatik entwickelt und angeboten wird und die zukünftig (Sommersemester 2012) auch im Rahmen der Kurse im Bereich Schlüsselqualifikationen der juristischen Fakultät angeboten werden soll.5
[9]
Als Programm für ein semesterbegleitendes Angebot sind beispielsweise in Regenburg folgende Themenschwerpunkte (Themenübersicht für den Kurs im Sommersemester 2012) vorgesehen:6
  1. Informationskompetenz und ihre Bedeutung im Wissenschaftsbetrieb in Theorie und Praxis
  2. Informationsdienstleistungen einer wissenschaftlichen Bibliothek am Beispiel der UB Regensburg
  3. Recherchestrategien bei der Suche im Internet
  4. Einführung in Datenbankstrukturen
  5. Literaturrecherche in Datenbanken
  6. Nutzung elektronischer Zeitschriften
  7. Urheberrecht und Bibliothek
  8. Professionelle Katalogrecherche I
  9. Professionelle Katalogrecherche II
  10. Literaturverwaltungssysteme in Theorie und Praxis
  11. Nutzung sozialer Software in der Informationsbeschaffung und Information Behaviour
  12. Elektronisches Publizieren / Publikationsserver
[10]
Neben den genannten Universitäten finden sich ähnliche Angebote an anderen Hochschulen. Darüber hinaus ist aber festzustellen, dass zahlreiche Universitäten keine entsprechenden fachspezifischen Schulungsangebote vorsehen.7
[11]
Auf der Basis oben angeführter Beispiele ergeben sich als Beschreibungskategorien neben den Inhalten insbesondere die Unterrichtsform, die Träger des Ausbildungsprogramms sowie die curriculare Verankerung der Informationskompetenzausbildung.

2.1.

Unterrichtsform ^

[12]
An Unterrichtsformen finden sich neben Einzelveranstaltungen zu spezifischen Themen (z.B. „Einführung in die Literaturrecherche in der Datenbank XY“, „Einführung in die Katalogrecherche für Juristen“) seltener semesterbegleitende Kurse sowie Blockveranstaltungen. Ein Volumen von zwei Semesterwochenstunden wird dabei kaum überschritten.
[13]
Neuere Lehr-/Lernformen, die Informationskompetenz als E-Learning-Kurs anbieten, gibt es seit einigen Jahren8 , allerdings nicht in fachspezifischer und auf die Rechtswissenschaft zugeschnittener Form. Zu nennen sind hier das DISCUS-Lernprogramm der Technischen Universität Hamburg-Harburg9 oder der im Rahmen der Virtuellen Hochschule Bayern angebotene Kurs zur Informationskompetenz10 , der Studierenden an allen bayerischen Hochschulen offensteht.

2.2.

Inhalte ^

[14]
Die derzeitigen Ausbildungskonzepte11 fachspezifischer Schulungen zur juristischen Informationskompetenz bieten im Kern neben einer Schulung im Umgang mit den lokalen und überregionalen Online-Bibliothekskatalogen eine Einführung in die verschiedenen juristischen Datenbanken mit ihren jeweiligen Suchmöglichkeiten, wie juris oder Beck-Online in Deutschland oder RIS und RDB in Österreich. Dazu kommt meist (aber nicht immer12 ) ein Überblick zu den frei zugänglichen juristischen Angeboten im Internet sowie den besonderen Recherchemöglichkeiten im Web. Im Vordergrund der Ausbildungskonzepte steht aber nicht selten eine Beschränkung auf die Recherche in den juristischen Datenbanken. Dies dürfte unter anderem auch mit dem Stellenwert der Recherchemöglichkeiten in der juristischen Fachliteratur zusammenhängen. So findet sich beispielsweise in einem aktuellen Aufsatz einer juristischen Ausbildungszeitschrift zum Thema Literatursuche: „Wertvolle Helfer sind auch verschiedene fachspezifische Datenbanken und Zeitschriftenkataloge. Vor einer unsystematischen Durchforstung des Internets mit Suchmaschinen ist hingegen abzuraten. Hier ist weder die Qualität, Überprüfbarkeit noch Seriosität der gefundenen Quellen abgesichert, vor allem können sie zu einseitigen Ergebnissen führen und Zeit fressen.“13 Diese Negation der tatsächlichen Recherchepraxis14 dürfte indes kaum weiterhelfen: Auch im offenen Web finden sich relevante Quellen und eine Verbesserung des Umgangs mit Suchmaschinen wie Google dürfte nicht unerheblich zur Informationskompetenz beitragen.
[15]
Um den „harten Kern“ der Datenbankrecherche gruppieren sich in unterschiedlicher Häufigkeit Themen wie
  • Grundlagen und Modelle der Informationskompetenz (Definition, Theorien, Modelle)
  • Medienkunde
  • Publikationsformen, deren Status und Beschaffung
  • Wissenschaftliches Schreiben, Zitiertechnik und Literaturverwaltung
  • Präsentationstechnik
  • Urheberrecht und unterschiedliche Publikationsmodelle, open access oder
  • Informations- und Wissensmanagement.
[16]
Der ganzheitliche Zyklus der Informationsverarbeitung, wie ihn gängige Modelle der Informationskompetenz15 beschreiben, und der von der Problemidentifikation („Fehlende Information“ – anomalous state of knowledge16 ) über die Quellenauswahl, die Recherche, Auswertung und Informationsaufbereitung bis hin zur kritischen Bewertung und Weitergabe reicht, wird von den Ausbildungsangeboten nur in wenigen Fällen thematisiert und vollständig abgedeckt.

2.3.

Träger der Ausbildungsangebote ^

[17]
Im Regelfall sind die wissenschaftlichen Bibliotheken oder die Fachwissenschaften Träger entsprechender Veranstaltungen, oftmals auch in Kooperationen. Weitere Angebote erfolgen durch überregionale Infrastruktureinrichtungen im Bereich der Informationsversorgung. Im juristischen Bereich ist hier die virtuelle Fachbibliothek Recht (viFa Recht) zu nennen, die an der Staatsbibliothek zu Berlin angesiedelt ist.17 Außerdem haben einschlägige Informationszentren und Datenbankanbieter, in Deutschland etwa die juris GmbH in Saarbrücken, entsprechende Schulungsangebote. Neben traditionellen Vor-Ort-Schulungen haben sich hier mittlerweile auch Online-Angebote etabliert, so bietet die juris GmbH regelmäßig kostenlose Webinare an.18

2.4.

Curriculare Verankerung ^

[18]
Obwohl Studierende bei Befragungen angeben, dass sie Informationskompetenz als wichtige Schlüsselkompetenz für ihr Studium und ihre spätere berufliche Praxis ansehen und gleichzeitig schon seit Längerem Defizite in der Informationskompetenz sowohl bei Studierenden als auch bei Lehrenden bekannt sind,19 ist die curriculare Verankerung bisher nicht einheitlich geregelt und trotz eines möglichen Rekurses auf Schlüsselkompetenzen, deren Berücksichtigung im Studium das Deutsche Richtergesetz vorsieht (DRiG, siehe unten Kap. 5), nur in Ausnahmefällen gegeben. Damit bleibt die Ausbildung im Bereich der Informationskompetenz der freiwilligen Entscheidung der Studierenden überlassen, insbesondere wenn die Trägerschaft nicht in den Fakultäten, sondern bei zentralen Einrichtungen liegt.

3.

Änderungen im Informationsverhalten ^

[19]
Während die etablierten Publikationsformen der Rechtswissenschaft (Rechtsprechung und Aufsätze in Zeitschriften, Monographie, Lehrbuch, Kommentar) bisher erhalten geblieben sind und allenfalls durch parallele elektronische Fassungen ergänzt wurden, hat sich das Verhalten der Informationsgewinnung deutlich verändert. In einer empirischen Studie aus dem Jahr 2007 konnte gezeigt werde, dass im rechtswissenschaftlichen Bereich mittlerweile verstärkt auf allgemein verfügbare Suchinstrumente wie die Suchmaschine Google gesetzt wird.20 Eine Befragung von ca. 130 Rechtsreferendaren im OLG-Bezirk Nürnberg ergab, dass knapp 90% der Befragten Suchmaschinen für die Suche nach juristischer Fachinformation verwenden, wobei sich dies zu 99% auf die Suchmaschine Google beschränkt.21 Zudem zeigte sich, dass daneben ca. 60% der Befragten juristische Datenbanken zumindest gelegentlich zur Suche heranziehen.22

4.

Randbedingungen zukünftiger juristischer Arbeitsumgebungen ^

[20]
Die Anforderungen an die Kenntnisse von Informations- und Kommunikationstechniken schreiten in allen juristischen Arbeitsumgebungen weiter fort. Man denke nur an die Entwicklungen im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs23 oder an die angesprochenen geänderten Bedingungen zur Beschaffung von Fachinformation. Daneben ergeben sich aufgrund der neuen Qualität der digitalen Daten ganz neue Möglichkeiten der Recherchierbarkeit, der Analysierbarkeit und Strukturierung, z.B. durch Hyperlinks und deren automatischer Auswertung. Daher sind nicht nur Kenntnisse zur effektiven Informationssuche, sondern auch Kompetenzen allgemein zum Informationsmanagement notwendig. Darüber hinaus ist zu fragen, inwieweit Rechtsfragen der Informationsbeschaffung und -verwendung wie Datenschutz, Datensicherheit oder Medienrecht Berücksichtigung finden sollten.
[21]
Trotz der Zunahme an Möglichkeiten im Umgang mit Informationen und den daraus resultierenden Anforderungen an die entsprechenden Kompetenzen werden Schulungsangebote nur sehr wenig in Anspruch genommen werden. So gaben die im Jahr 2007 befragten Rechtsreferendare an, dass sie im Umgang mit Datenbanken nicht geschult sind. Nur 8% haben eine Schulung für die Recherche in juristischen Datenbanken besucht.24 Zu ähnlichen Zahlen kam eine Befragung der Studierenden an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Sommersemester 2006, an der über 4.000 Studierende teilnahmen, darunter 286 Angehörige der Juristischen Fakultät.25 Auch hier gab die Mehrheit der Befragten (über 60%) an, noch nie ein Schulungsangebot der Bibliothek wahrgenommen zu haben, nicht einmal eine Bibliotheksführung.26 Zugleich ist es schwierig, sich die notwendigen Fertigkeiten im Selbststudium anzueignen, da auch in der Literatur zu juristischen Arbeitstechniken eine Auseinandersetzung mit der sinnvollen Nutzung von Informationssystemen nur sehr eingeschränkt stattfindet.27 Dies ist natürlich kein spezifisch juristisches Phänomen, erstaunt aber hier angesichts der Bedeutung der Informationsbeschaffung für viele juristische Berufe besonders. Nach ständiger Rechtsprechung in Deutschland besteht beispielsweise für Rechtsanwälte und Notare die Pflicht, sich über die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur anhand der amtlichen Sammlungen, sondern auch der einschlägigen Fachzeitschriften zu unterrichten und die üblichen Erläuterungsbücher auszuwerten, wobei bei ersichtlich in der Entwicklung begriffenen Rechtsgebieten auch Aufsatzliteratur und Spezialzeitschriften heranzuziehen sind.28

5.

Anforderungen an ein Ausbildungskonzept ^

[22]
Für zukünftige Ausbildungskonzepte sollte die Berücksichtigung des gesamten Nutzungszyklus wissenschaftlicher Information im Sinne der Modelle der Informationskompetenz im Mittelpunkt stehen (ganzheitliche Sicht der Informationskompetenz). Gleichzeitig sind sie so zu ergänzen, dass das tatsächliche Informationsverhalten (information behaviour) Berücksichtigung findet und zum Gegenstand der Ausbildung wird. Daneben sollten auch neuere Entwicklungen in den Bereichen Information Retrieval, Wissensmanagement und E-Learning aufgenommen werden:
  • Angemessene Unterstützung elektronischer Rechercheplattformen
  • Nutzung virtueller Forschungsumgebungen29 und kooperativer Modelle des wissenschaftlichen Informationsmanagement, insbesondere durch social software
  • Nutzung neuer integrierter Informationsangebote wie etwa discovery services30

 

 

[23]

Ein derartiges Modell könnte die traditionelle Informationskompetenz-Ausbildung, die bisher sehr stark die bibliothekarische Sicht der Fachinformation reflektiert (siehe nachfolgenden Abschnitt), näher an die Realität der Studierenden heranbringen und sie gleichzeitig für zukunftsweisende Entwicklungen öffnen.

5.1.

Inhaltliche Anforderungen im Kernbereich Fachinformation ^

[24]
Neben der oben genannten Flankierung müssen auch künftig die bekannten Schwerpunkte der Informationskompetenz-Ausbildung für den Umgang mit Fachinformation den Kern entsprechender Angebote bilden. Zu den Schwerpunkten sollten dabei folgende Aspekte gehören:

5.2.

Möglichkeiten der Umsetzung ^

[25]
Nur die curriculare Verankerung stellt die entsprechende Kompetenzausbildung sicher. Trotz der Vielzahl von Angeboten – das deutsche Netzwerk Informationskompetenz führt eine Statistik zu den bibliothekarischen Veranstaltungen zur Informationskompetenz, die für 2010 insgesamt fast 14.000 Veranstaltungen mit insgesamt ca. 215.000 Teilnehmern ausweist31 – wird bislang nur ein Bruchteil der Studierenden erreicht. Vor allem die Verzahnung von fachwissenschaftlicher und informationswissenschaftlicher bzw. bibliothekarischer Kompetenz erscheint viel versprechend: So zeigten bei der oben genannten Studie zur Vermittlung von Informationskompetenz an der Ludwig-Maximilians-Universität München die Befragten ein großes Interesse an fachspezifischen Schulungen; dort wird auch der größte Nachholbedarf gesehen32 .
[26]
Da freiwillige Veranstaltungen wenig besucht werden33 , gibt es auch in Deutschland Überlegungen dahin gehend, den Besuch solcher Veranstaltungen verpflichtend vorzusehen, wie dies z.B. an der Universität Innsbruck erfolgt ist. In Deutschland könnte § 5 a Abs. 3 S. 1 DRiG als Anknüpfungspunkt dienen, der vorsieht: „Die Inhalte des Studiums berücksichtigen die rechtsprechende, verwaltende und rechtsberatende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselqualifikationen wie Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit“, wobei gemäß § 5 d Abs. 1 DRiG die Schlüsselqualifikationen auch in den staatlichen und universitären Prüfungen Berücksichtigung finden sollen. Zwar wird Informationskompetenz nicht explizit als Schlüsselqualifikation aufgeführt, jedoch ist die Aufzählung in § 5 a DRIG nicht abschließend.34 Mittlerweile dürften alle juristischen Fakultäten Studieninhalte zu den Schlüsselqualifikationen anbieten, insbesondere in den Bereichen Rhetorik und Konfliktmanagement. Allerdings ist die Einbindung in das Studium in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet, da der konkrete Ablauf in den Landesgesetzen niedergelegt ist. In Bayern ist beispielsweise der Nachweis des Erwerbs einer Schlüsselqualifikation keine zwingende Voraussetzung für die Zulassung zur Ersten Juristischen Staatsprüfung35 , während in Baden-Württemberg die erfolgreiche Teilnahme an einer Lehrveranstaltung zur Vermittlung interdisziplinärer Schlüsselqualifikationen Zulassungsvoraussetzung ist36 . Dazu wird an der Universität Tübingen neben Rhetorik, Mediation und außergerichtlicher Konfliktlösung auch Informationstechnik, Informationskompetenz und neue Medien als interdisziplinäre Schlüsselqualifikation angegeben.37 Eine vergleichbare Ausgestaltung wie in Baden-Württemberg sieht das Gesetz über die Juristenausbildung im Land Brandenburg vor, das in § 6 Abs. 1 Nr. 6 BbgJAG als Zulassungsvoraussetzung zur staatlichen Pflichtfachprüfung den Nachweis über den Erwerb von Schlüsselqualifikationen im Sinne von § 5 a Abs. 3 Satz 1 DRiG vorsieht. Auf dieser Basis werden beispielsweise an der Universität Potsdam im Wintersemester 2011/2012 Kurse zu Rhetorik und Mediation aber auch zur Recherche in juristischen Fachdatenbanken angeboten.38 Wenngleich damit an diesen Universitäten der Besuch einer solchen Lehrveranstaltung nicht verpflichtend ist, bietet diese Ausgestaltung der Studienordnung immerhin einen Anreiz, solche Angebote wahrzunehmen, da damit der Schlüsselqualifikationsnachweis erbracht werden kann.

6.

Ausblick ^

[27]
Das Problem der Verbesserung der Informationskompetenz ist von der (deutschen) Wissenschaftspolitik mittlerweile erkannt worden. So fand etwa am 7. November 2011 an der TU Darmstadt ein Hearing einer Arbeitsgruppe der Hochschulrektorenkonferenz statt, das die fachübergreifenden Anforderungen an Ausbildungskonzepte im Bereich der Informationskompetenz zum Gegenstand hatte. Dort wurde sowohl in informationswissenschaftlicher als auch in bibliothekarischer Hinsicht die Notwendigkeit der festen curricularen Verankerung entsprechender Ausbildungsprogramme betont. Eine entsprechende Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz wird für 2012 erwartet.
[28]
Im Rahmen der Entwicklung eines Rahmenkonzeptes für die zukünftige Informationsinfrastruktur in Deutschland war der Bereich Ausbildung/Informationskompetenz eines von acht zentralen Themengebieten. Der Endbericht der Kommission ist mittlerweile publiziert und an die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz weitergeleitet worden.39
[29]
Neben der wissenschaftspolitischen Steuerung einer solchen Verankerung durch entsprechende Empfehlungen besteht auch ein großer Bedarf an empirischer Begleitforschung zur Informationskompetenz: Ließe sich im Sinne eines evidenzbasierten Forschungssatzes zeigen, dass informationskompetente Juristen erfolgreicher sind, könnte dies die verstärkte Etablierung von Informationskompetenzschulungen leichter umsetzen.
  1. 1 Universität Heidelberg, Juristische Fakultät, Online-Vorlesungsverzeichnis, WS 2011/12, http://lsf.uni-heidelberg.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&publishid=115625&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir=veranstaltung [Zugriff 1/2012].
  2. 2 Vgl. www.ub.uni-konstanz.de/bibliothek/aktuelles/rss-detailansicht/article//informations-37.html, http://www.ub.uni-konstanz.de/bibliothek/aktuelles/detailansicht/period/1325915257///browse/6/article/345/informations-32.html, https://lsf.uni-konstanz.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir=veranstaltung&veranstaltung.veranstid=30995, https://lsf.uni-konstanz.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir =veranstaltung&veranstaltung.veranstid=30966 [Zugriff 1/2012].
  3. 3 Universität Innsbruck, Juristische Fakultät, Studienplan für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften. Mitteilungsblatt der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, 731. Verordnung der Studienkommission für die Rechtswissenschaftlichen Studienrichtungen, http://www.uibk.ac.at/c101/mitteilungsblatt [Zugriff 1/2012].
  4. 4 Universität Potsdam, Vorlesungsverzeichnis 2011/2012 Wintersemester, S. 6, https://puls.uni-potsdam.de/QIS/VVZ/20112/VVZ_36367.pdf [Zugriff 1/2012].
  5. 5 Wolff, Ch., Informationskompetenz als Studienfach?! Eine curriculare Zusammenarbeit von Universitätsbibliothek und Fachdisziplinen. In: Oßwald, A., Stempfhuber, M., Wolff , Ch. (Hrsg.), Open Innovation – neue Perspektiven im Kontext von Information und Wissen? Proc. 10. Int. Symp. für Informationswissenschaft, UVK, Konstanz, S. 343–349 (2007).
  6. 6 Planung für das Sommersemester, Stand Anfang 2012.
  7. 7 Es wurde keine erschöpfende Analyse durchgeführt. Im Wintersemester 2011/2012 hatten aber z.B. die Universitäten Bayreuth, Erlangen-Nürnberg und Würzburg – soweit auf der Basis der Informationen im WWW (Vorlesungsverzeichnisse, Schulungsangebote der Bibliotheken) ersichtlich – keine fachspezifischen Kurse.
  8. 8 Eine Übersicht findet sich bei den Online-Materialien des Informationskompetenz-Kurses der Virtuellen Hochschule Bayern (VHB), der an den Universitäten Augsburg und Regensburg entwickelt wurde, vgl. http://informationskompetenz.e-learning.imb-uni-augsburg.de/node/1054 [Zugriff 1/2012].
  9. 9 Developing Information Skills & Competence for University Students, TU Hamburg-Harburg, http://discus.tu-harburg.de/login.php [Zugriff 1/2012].
  10. 10 Siehe oben FN
  11. 11 Naturgemäß war lediglich eine Auswertung der Veranstaltungsankündigungen möglich. Da es sich meist um regelmäßig angebotene Lehrveranstaltungen handelt, ist davon auszugehen, dass sich die angekündigten Inhalte im Wesentlichen mit den tatsächlichen Inhalten decken.
  12. 12 So enthält zumindest die Beschreibung des Inhalts der zweistündigen Vorlesung an der Universität Innsbruck keinen Hinweis darauf, dass auch die Suche im Internet Gegenstand des Lehrangebots ist, vgl. oben FN FN \* MERGEFORMAT 3.
  13. 13 Lahnsteiner, E., Seminar- und Abschlussarbeiten effektiv und erfolgreich schreiben. In: JURA 2011, S. 580–587 (583 f.) (2011).
  14. 14 Siehe dazu auch unten bei Kap. REF _Ref313978761 \r \h \* MERGEFORMAT 3.
  15. 15 Homann, B., Das Dynamische Modell der Informationskompetenz (DYMIK) als Grundlage für bibliothekarische Schulungen. In: Knorz, G., Kuhlen, R. (Hrsg.), Informationskompetenz – Basiskompetenz in der Informationsgesellschaft. Proceedings des 7. Internationalen Symposiums für Informationswissenschaft (ISI 2000), UVK, Konstanz, S. 195–206 (2000).
  16. 16 Belkin, N., Oddy, R., Brooks, H. M., ASK for Information Retrieval: Part I. Background and Theory. In: Journal of Documentation Vol. 38, S. 61–71 (1982).
  17. 17 Vgl. http://www.vifa-recht.de/ [Zugriff 1/2012].
  18. 18 Vgl. https://www.juris.de/jportal/nav/service/schulung/webinare/webinaretermineundanmeldung.jsp [Zugriff 1/2012].
  19. 19 Vgl. dazu Klatt, R., Gavriilidis, K., Kleinsimlinghaus, K., Feldmann, M., Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Information in der Hochschulausbildung. Barrieren und Potenziale der innovativen Mediennutzung im Lernalltag der Hochschulen. Abschlussbericht Forschungsprojekt Studieren mit elektronischen Fachinformationen (SteFi, http://www.stefi.de/download/bericht2.pdf [Zugriff 1/2012]), Gesellschaft für angewandte Unternehmensforschung und Sozialstatistik (GAUS) mbH / Sozialforschungsstelle Dortmund, Dortmund (2001).
  20. 20 Mielke, B., Wolff, Ch., Juristische Informationskompetenz: Freie Quellen im WWW vs. professionelle Informationsdienste. In: Schweighofer, E., Geist, A., Heindl, G. (Hrsg.), 10 Jahre IRIS: Bilanz und Ausblick. Tagungsband des 10. Internationalen Rechtsinformatik Symposiums IRIS 2007, Boorberg, Stuttgart et al., S. 238–248 (2007).
  21. 21 FN FN \* MERGEFORMAT 20, S. 244.
  22. 22 FN FN \* MERGEFORMAT 20, S. 243.
  23. 23 Vgl. Mielke, B., Wolff, Ch., Virtuelle Forschungsumgebungen im Bereich der Rechtswissenschaft: Ein Anforderungsprofil [Beitrag zum internationalen Rechtsinformatik Symposium IRIS 2011, Salzburg], in: Jusletter IT 24. Februar 2011, http://jusletter-it.weblaw.ch/article/de/_336?lang=de [Zugriff 1/2012], insb. dort FN 16.
  24. 24 FN FN \* MERGEFORMAT 20, S. 244.
  25. 25 Die Vermittlung der Schlüsselqualifikation Informationskompetenz an der LMU München. Ein Lagebericht, Stand: August 2006, Redaktion: André Schüller-Zwierlein, http://epub.ub.uni-muenchen.de/1349/1/lagebericht.pdf [Zugriff 1/2012].
  26. 26 FN FN \* MERGEFORMAT 25, S. 8.
  27. 27 Siehe dazu die Zusammenstellung bei Kieselstein, J., Konzept: Benutzerschulung an der UB Augsburg im Fach Rechtswissenschaft, Projektarbeit, Universität Augsburg, Oktober 2008, S. 2 f., http://www.bibliothek.uni-augsburg.de/de/download/projektarbeit_kieselstein1.pdf [Zugriff 1/2012]; siehe auch Lahnsteiner, E., FN FN \* MERGEFORMAT 13.
  28. 28 Vgl. etwa BGH, NJW 1992, S. 3237 ff. oder BGH, NJW 2001, S. 675 ff.
  29. 29 Vgl. oben FN 23.
  30. 30 Vgl. Geist, A., Kugler, U., Zersplitterung von Rechtsdatenbanken und Probleme bei der Vermittlung von Informationskompetenz. In: Mitteilungen der VÖB, Band 64, Heft 2, S. 290–298 [hier: S. 296] (2011), http://eprints.rclis.org/handle/10760/16252#.Twy9zcje58E [Zugriff: 1/2012], Vaughan, J., Web Scale Discovery: What and Why? In: Library Technology Reports, Band 47, Heft 1, S. 1–5 (2011), http://alatechsource.metapress.com/content/P2148444086N7R7T [Zugriff 1/2012].
  31. 31 Internetplattform des Netzwerks Informationskompetenz, Schulungsstatistik Deutschland 2010, http://www.informationskompetenz.de/fileadmin/DAM/documents/IKStat2010BUNDTabelle.pdf [Zugriff 1/2012].
  32. 32 Siehe oben FN FN \* MERGEFORMAT 25, S. 10 f. Regelmäßige Evaluationen der Studieneinheit Informationskompetenz an der Universität Regensburg, die fachübergreifend angeboten wird (siehe oben bei FN NOTEREF _Ref314396443 \h \* MERGEFORMAT 5), unterstreichen die Bedeutung das Fachbezugs, da dort von Studierenden immer wieder einzelfachliche Beispiele eingefordert werden.
  33. 33 Heinze, N., Bedarfsanalyse für das Projekt i-literacy: Empirische Untersuchung der Informationskompetenz der Studierenden der Universität Augsburg. Universität Augsburg, Projekt i-literacy, Arbeitsbericht 19, online: http://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/volltexte/2008/804/ [Zugriff 1/2012], S. 10.
  34. 34 Vgl. dazu BT-Drs 14/8629 vom 20. 3. 2002, S. 13: […] „wird zunächst klargestellt, dass die Schlüsselqualifikationen nur beispielhaft aufgezählt sind. Keineswegs muss jede Fakultät alle denkbaren Schlüsselqualifikationen anbieten; genauso wenig kann die Beherrschung sämtlicher Schlüsselqualifikationen von allen Studierenden verlangt werden.“
  35. 35 Landesjustizprüfungsamt Bayern, Merkblatt Leistungsnachweise für die Zulassung zur Ersten Juristischen Staatsprüfung (§ 24 JAPO), http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/ljpa/broschueren_merkblaetter_ejs_ejp/merkbl_scheine_stand05_10.pdf [Zugriff 1/2012].
  36. 36 § 9 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 3 Abs. 5 der Verordnung des Justizministeriums über die Ausbildung und Prüfung der Juristen (Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung - JAPrO) vom 8. Oktober 2002 in Baden-Württemberg.
  37. 37 Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Das Studium der Rechtswissenschaft – Erste juristische Prüfung. Studienaufbau und Prüfungen nach der JAPrO 2003, Stand: Juni 2009, http://www.jura.uni-tuebingen.de/einrichtungen/pruefungsamt/dateien/infosbs2003.pdf [Zugriff 1/2012]. Hingegen zählt offenbar an der Universität Freiburg der Bereich der Informationskompetenz nicht zu den für den juristischen Beruf erforderlichen Schlüsselqualifikationen. – Zumindest konnten im Wintersemester 2007/2008 Jurastudierende im Gegensatz zu Studierenden anderer Fächer für die Teilnahme an der Veranstaltung „Nadel im Heuhaufen“: Die richtigen Informationen finden, auswählen und präsentieren. Projektarbeit zur „Informationskompetenz“ keinen Schein erwerben.
  38. 38 Universität Potsdam, Juristische Fakultät, Lehrveranstaltungen zum Erwerb interdisziplinärer Schlüsselqualifikationen, WS 2011/2012, http://www.jura.uni-potsdam.de/_medien/pdf/aktuell/schluesselqualifikation.pdf [Zugriff 1/2012]. Siehe auch oben FN FN \* MERGEFORMAT 4.
  39. 39 Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur. Gesamtkonzept für die Informationsinfrastruktur in Deutschland. Empfehlungen im Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. Berlin: GWK/WGL, http://www.leibniz-gemeinschaft.de/download.php?fileid=555 [Zugriff 1/2012].