1.
Einführung – Aufgaben und Rolle der Organisatoren ^
- Art. 2 (3): „ „Organisatoren“ natürliche Personen, die einen Bürgerausschuss bilden, der für die Vorbereitung einer Bürgerinitiative sowie ihre Einreichung bei der Kommission verantwortlich ist.“. Dies schließt offensichtlich jegliche juristische Person als Organisator aus.
- Art. 3 (2): „Die Organisatoren bilden einen Bürgerausschuss, dem mindestens sieben Personen angehören, die Einwohner von mindestens sieben verschiedenen Mitgliedstaaten sind. Die Organisatoren benennen einen Vertreter und einen Stellvertreter (nachstehend „Kontaktpersonen“ genannt)4, die während der gesamten Dauer des Verfahrens als Bindeglied zwischen dem Bürgerausschuss und den Organen der Union dienen und beauftragt werden, im Namen des Bürgerausschusses zu sprechen und zu handeln.“
- Art. 5 (1): „Die Organisatoren sind verantwortlich für die Sammlung der Unterstützungsbekundungen von Unterzeichnern einer geplanten Bürgerinitiative […]“
- Art. 12 (1): „Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in Anwendung dieser Verordnung haben die Organisatoren einer Bürgerinitiative und die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats die Richtlinie 95/46/EG und die auf ihrer Grundlage erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften einzuhalten.“
- Art. 12 (2): „Für die Zwecke der Verarbeitung personenbezogener Daten gelten die Organisatoren einer Bürgerinitiative und die gemäß Art. 15 Absatz 2 benannten zuständigen Behörden als für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche gemäß Art. 2 Buchstabe d der Richtlinie 95/46/EG.“
- Art. 13: „Die Organisatoren haften entsprechend dem geltenden einzelstaatlichen Recht für alle Schäden, die sie bei der Organisation einer Bürgerinitiative verursachen.“
- Art. 14 (1): „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass gegen Organisatoren geeignete Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung verhängt werden, insbesondere für: a) falsche Erklärungen der Organisatoren, b) Datenmissbrauch.“
- Art. 14 (2): „Die in Absatz 1 genannten Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“
Die Verordnung enthält keinerlei Bestimmungen über das Verhältnis der Organisatoren zueinander oder eine Beschränkung ihrer Haftung. Daraus leiten wir folgende Fragenkomplexe ab:
- Wie sieht die Haftung der Organisatoren5 aus?
- Wie stellt sich das Verhältnis zwischen den Organisatoren und denjenigen dar, derer sie sich zur Sammlung von Unterstützungsbekundungen bedienen?
- Was sind die Pflichten der Organisatoren gemäß Richtlinie 95/46/EG und was bedeutet das für den einzelnen Organisator?
2.1.
Innenverhältnis außer Acht gelassen ^
Die Verordnung enthält keinerlei Regelungen zum Innenverhältnis der Mitglieder des „Bürgerausschusses“ (Art. 3 Abs. 3 der Verordnung) und eine einzige Regelung zur Vertretung nach außen. Diese Regelung hierzu ist die Bestimmung, die auf die Vertretung ggü. Organen der Europäischen Kommission Bezug hat. Die Träger von Rechten und Pflichten sind sonst stets die Organisatoren.
Analytisch betrachtet muss jeder Organisator dreierlei Typen von Sanktionen gewärtigen, wenn er – immer mit Bezug auf einen bestimmten Mitgliedstaat – gegen die Verordnung verstößt. Klar ist dabei, dass – zumindest – die ersten beiden Typen von Sanktionen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat höchst unterschiedlich ausgestaltet sein werden. Die möglichen Typen von Sanktionen sind
- Nicht-Tätigwerden einer Behörde;
- Strafsanktionen gegen Organisatoren;
- Zivilrechtliche Belangung von Organisatoren.
2.2.
Nicht-Tätigwerden einer Behörde ^
2.3.
Strafsanktionen ^
2.4.
Zivilrechtliche Sanktionen ^
3.
Pflichten und Haftung der Organisatoren aus der Datenschutzrichtlinie ^
3.1.
Das Auskunfts- und Berichtigungsrecht einer betroffenen Person ^
- jeder EU-Bürger, der eine EBI unterstützen könnte, frei und ungehindert
- ohne unzumutbare Verzögerung
- ohne übermäßige Kosten (in einigen Mitgliedstaaten gratis)9
- eine Mitteilung in verständlicher Form darüber erhält, ob und was die Organisatoren und die prüfenden Behörden über ihn / sie gespeichert haben und verarbeiten.
Eine derartige Bestimmung macht zwar an sich Sinn, bei der Organisation einer EBI mit über 500 Millionen potenzieller betroffener Personen ist es jedenfalls mit einem erheblichen Aufwand verbunden, dieses Recht zu gewährleisten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die im Anhang III A bzw. B der EBI-Verordnung bereits auf den Unterstützungsbekundungs-Formularen enthaltene Formulierung „Die betroffenen Personen haben das Recht auf Zugang zu ihren personenbezogenen Daten.“. Hierbei ist zu beachten, dass sich das Auskunftsrecht nicht nur auf die online gesammelten Datenbestände, sondern auch auf die in Papierform gesammelten Bestände10 erstreckt. Auch der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie formuliert hier sehr eindeutig: „Datenschutz muß sowohl für automatisierte als auch für nicht automatisierte Verarbeitungen gelten. In der Tat darf der Schutz nicht von den verwendeten Techniken abhängen, da andernfalls ernsthafte Risiken der Umgehung entstehen würden.“.
- Unterstützung in Papierform: Der Beweis, dass eine Unterschrift auf einer Unterstützungsbekundung vom Betroffenen stammt (der dies bestreitet) ist teuer und aufwändig11, faktisch jedenfalls nur im Einzelfall zu leisten.
- Unterstützung in elektronischer Form ohne fortgeschrittene elektronische Signatur: Hier ist der Beweis12, dass der Betroffene doch eine Unterstützungserklärung abgegeben hat, faktisch nicht führbar.
- Unterstützung in elektronischer Form mit fortgeschrittener elektronischer Signatur: Dies ist faktisch der einzige Weg, auf dem der Organisator einer EBI tatsächlich zu vertretbaren Kosten die Behauptung des Betroffenen, die EBI gar nicht unterstützt zu haben, widerlegen kann. Infolge der vernachlässigbar geringen Verbreitung13 der fortgeschrittenen elektronischen Signatur ist dieser Unterstützungsweg vermutlich in der Praxis der EBI irrelevant.
Faktisch bedeutet das für die Organisatoren, dass jeder Unterstützer im Wege der Behauptung, er habe das EBI gar nicht unterstützt, die Möglichkeit hat, seine Unterstützung14 zurückzuziehen. Zieht man in Betracht, dass die Person einen Nachweis der Nämlichkeit erbringen sollte etc. so bedeutet das bei auch einer vergleichbar geringen Zahl von Anfragen einen administrativen Aufwand, der für eine „echte Bürgerinitiative“ ohne stehende Organisation nicht leistbar erscheint. Diese Auskunfts- und Berichtigungsrechte stehen notabene jedem EU-Bürger aus jedem der 27 Mitgliedstaaten und in 23 Sprachen zu, unabhängig davon, ob die EBI im jeweiligen Land / Sprachraum überhaupt aktiv gesammelt hat – er könnte ja in einem anderen Mitgliedstaat unterstützt haben.
3.2.
Die Meldepflichten der Organisatoren ^
- Welche Kontrollstelle (i.e. Mitgliedstaat) ist für die Meldung der richtige Adressat?
- Befreit die Meldung bei z.B. der Kontrollstelle von Belgien (System in Belgien zertifiziert) von allen weiteren Meldepflichten ggü. den 26 anderen Kontrollstellen?
- Bedeutet dies eine automatische alleinige Zuständigkeit der belgischen Kontrollstelle für die gesamte EBI?
3.3.
Die Haftung der Organisatoren ^
4.
Mögliche Auswirkungen auf Organisatoren und auf Europäische Bürgerinitiativen ^
- Die Beziehung der Organisatoren untereinander und im Außenverhältnis durch die Verordnung und die vorliegende Umsetzungsgesetzgebung im deutschsprachigen Raum nicht bestimmt ist und durch die Rechtsprechung ggf. zu präzisieren sein wird;
- Die sich bei der Organisation einer EBI ergebenden Risiken durch das Zusammenwirken von 27 verschiedenen Rechtsordnungen und 23 Sprachen hoch sind und durch die Verordnung nicht reduziert wurden, sondern im Gegenteil hier die Risiken erhöht werden;
- Das Auskunftsrecht nach Art. 12 Datenschutzrichtlinie stellt erhebliche organisatorisch-logistische Anforderungen an die Organisatoren und gibt faktisch jedem die Möglichkeit, eine bereits geleistete Unterstützungsbekundung wirksam zurückzuziehen. Zudem eröffnet es effektive Möglichkeiten der Obstruktion gegen Organisatoren und Behörden;
- Viele für potenzielle Organisatoren unmittelbar relevante Fragen durch die vorliegenden Rechtsnormen nicht geklärt sind.
- 1 Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlament und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Bürgerinitiative, Amtsblatt der Europäischen Union vom 11.3.2011, L 65/1. Brüssel (2011).
- 2 Dieser Beitrag stellt keinen Überblick über die Europäische Bürgerinitiative dar, sondern befasst sich mit konkreten Problemen der Organisation von EBI. Für eine Einführung in die Thematik EBI siehe z.B. Prosser, A., Balthasar, A.: Die Europäische Bürgerinitiative – Gefährdung der Glaubwürdigkeit eines direktdemokratischen Instruments? In: Journal für Rechtspolitik 18, 122–132 (2010) oder Müller-Török, R., Stein, R.: Die Europäische Bürgerinitiative aus Sicht nationaler Wahlbehörden, in: Verwaltung und Management 5, S. 255-262 (2010).
- 3 Die Autoren verzichten bewusst auf Bestimmungen über die Vorlage von Unterstützungsbekundungen nach Art. 8, Öffentliche Anhörung nach Art. 11 etc. und beschränken sich auf die wesentlichen Punkte, welche für Haftung und Risiken interessant zu sein scheinen.
- 4 Die Rolle der Kontaktpersonen ist rechtlich interessant. Einerseits schreibt Art. 3 (2) zwingend vor, dass diese zu benennen sind, andererseits ist die Organisation des Bürgerausschusses nicht geeignet, hier irgendeine Parallelität mit einer Gesellschaftsform des Privatrechts zu erkennen. Auf die Haftungssicht werden wir später im Beitrag eingehen.
- 5 Die Verordnung spricht stets im Plural, während z.B. die vorliegende erste Version der österreichischen Umsetzungsgesetzgebung vom Singular spricht, vgl. den Antrag 1780 /A XXIV. GP., eingebracht am 6.12.2011., siehe http://www.parlinkom.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/A/A_01780/fnameorig_237891.html (per 17.12.2011).
- 6 Vgl. den bereits zitierten Antrag 1780/A der XXIV. GP.
- 7 In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die in Frage stehende Unterstützungsbekundung auch in Paris gesammelt / gefälscht / verfälscht / erschlichen etc. worden sein kann.
- 8 Hier verwenden die Autoren die konsolidierte Fassung, welche die Verordnung (EG) 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates beinhaltet. Die Fassung ist unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1995L0046:20031120:DE:PDF (per 14.11.2011) verfügbar.
- 9 Die Auskunft ist nach § 19 (7) BDSG unentgeltlich, der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit weist in seiner aktuellen BfDI-Info 1 „Bundesdatenschutzgesetz – Text und Erläuterungen“, 15. Auflage, Januar 2011, S.45, ausdrücklich wie folgt hin: „Grundsätzlich brauchen Sie für die Auskunft nichts zu bezahlen. Von Auskunfteien und anderen Stellen, die Ihre Daten geschäftsmäßig zum Zwecke der Übermittlung speichern (Kapitel 3.3 und 3.4), haben Sie das Recht, einmal im Kalenderjahr kostenlos Auskunft zu erhalten.“. § 26 (6) DSG regelt diese Materie für Österreich fast gleichlautend.
- 10 Vgl. hierzu die ständige Rechtsprechung, z.B. BVerwG vom 26.11.2007, Az.: 6 A 2/07, Leitsatz „Die Verpflichtung des Bundesnachrichtendienstes, unter den in § 7 Satz 1 BNDG i.V.m. § 15 BVerfSchG genannten Voraussetzungen auf Antrag eines Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen, bezieht sich nicht nur auf Daten, die in Dateien gespeichert sind, sondern auch auf Daten, die sich in Akten befinden.“
- 11 Üblich sind wenigstens 20 Vergleichsunterschriften, eine Aussage des Gutachters a la „wahrscheinlich Urheberidentität“ ist bei einem dies bestreitenden Betroffenen wenig hilfreich, vgl. Seibt, A., Qualitätsmerkmale forensischer Schriftgutachten, in: Zeitschrift für Schriftpsychologie und Schriftvergleichung 68 (2004), S. 44-62.
- 12 In extremen Ausnahmefällen, z.B. wenn der Betroffene von einer fest zugeordneten IP-Adresse unterstützt hat, wäre so ein Beweis führbar. Keinesfalls bei Verwendung von temporären IP-Adressen, z.B. aus WLANs, bei Internetcafes, fremden Rechnern etc. – der Aufwand würde, multipliziert mit der Anzahl der Fälle, die Möglichkeiten der Organisatoren sprengen und die Verbindungsdaten der Provider wären wohl nach bis zu zwölf Monaten bereits gelöscht.
- 13 In der Bundesrepublik Deutschland wurde das Verfahren über den elektronischen Entgeltnachweis (ELENA) mit Beschluss des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Technologie eingestellt. Ein Sprecher der FDP-Fraktion, die den Wirtschaftsminister stellt, begründete dies mit der unzureichenden Verbreitung der fortgeschrittenen elektronischen Signatur (siehe http://www.luebeckonline.com/news/news/id/13997-elena-verfahren.html und gleichlautend http://www.n-tv.de/politik/Bund-setzt-Stasi-Fahndung-fort-article4694311.html per 21.11.2011)
- 14 Bei einer in Papierform abgegebenen Unterstützungsbekundung können die Organisatoren den gerichtlichen Beweis führen, dass die Unterstützungsbekundung echt ist – zu entsprechend hohen Transaktionskosten je Einzelfall.
- 15 Ob eine Versicherung rechtlich möglich ist, Stichwort Sittenwidrigkeit, bleibt an dieser Stelle unerörtert.
- 16 Dass die Anzahl der Organisationen und Institutionen, die in der Lage sind, in allen Mitgliedstaaten gleichzeitig rechtlich tätig zu sein, beschränkt ist, ist evident. Zu diesen Organisationen zählen sicherlich europaweit organisierte Parteien, multinationale Firmen, europäische Interessensvertretungen wie ADAC & Schwesterorganisationen etc. Inwieweit so dem 2. Erwägungsgrund der EBI-Verordnung entsprochen wird, der lautet „Die für die Bürgerinitiative erforderlichen Verfahren und Bedingungen sollten klar, einfach, benutzerfreundlich und dem Wesen der Bürgerinitiative angemessen sein, um die Bürger zur Teilnahme zu ermutigen und die Union zugänglicher zu machen.“, überlassen wir der Beurteilung des Lesers.