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Voraussetzungen zulässiger schulischer Disziplinargewalt über Meinungsäusserungen von Schülern im Internet

  • Author: Nuscha Wieczorek
  • Category: Scientific Articles
  • Region: Switzerland
  • Field of law: Internet law
  • Citation: Nuscha Wieczorek, Voraussetzungen zulässiger schulischer Disziplinargewalt über Meinungsäusserungen von Schülern im Internet, in: Jusletter IT 11 December 2013
The article examines whether schools can discipline students’ off-campus Internet speech (particularly in social networks) without violating the guarantee of free speech. For this purpose the article draws on U.S. case law dealing with the question in order to inform the Swiss legal debate. The article proposes that schools should be allowed to discipline students’ off-campus online speech on rare occasions and discusses the necessary conditions.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Ausgangslage
  • 2.1. Besonderheiten des Schulverhältnisses im Schweizer Recht
  • 2.2. Die Diskussion in den USA
  • 3. Legitime Anknüpfungspunkte schulischer Disziplinargewalt über die Internetkommunikation von Schülern
  • 3.1. Personell-örtlicher Zusammenhang
  • 3.2. Auswirkungen der Internetkommunikation auf die Schulordnung
  • 3.3. Im Sonderstatusverhältnis begründete Pflichtverletzung
  • 3.4. Form der Kommunikation
  • 3.5. Ergebnis
  • 4. Gesetzliche Grundlage: Vorhersehbarkeit schulischer Disziplinarmassnahmen
  • 4.1. Normstufe
  • 4.2. Normbestimmtheit
  • 5. Verhältnismässigkeit
  • 6. Fazit

1.

Einleitung ^

[1]

Vor einigen Monaten warf ein Jugendlicher mit von Computermauspfeilen durchbohrter, blutender Brust Passanten verschiedener Schweizer Städte seinen betroffen-fordernden Blick entgegen. Das drastische Plakat einer Kampagne der schweizerischen Stiftung Pro Juventute sollte für die Gefahren des Cyber-Mobbings sensibilisieren1. Obwohl das Phänomen des Cybermobbings und -bullyings in der Schweiz verhältnismässig überschaubar scheint2, sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, wie ernsthaft die Konsequenzen für die jeweils Betroffenen und deren soziales Umfeld im konkreten Fall sein können3.

[2]

Das Internet relativiert die Grenzen zwischen herkömmlich getrennten Lebenssphären. Der Bereich, in welchem Menschen eine offizielle Rolle zukommt, sei dies am Arbeitsplatz oder in Ausbildungsstätten, greift über den zeitlich uneingeschränkten Informationsfluss (insb. etwa über E-Mail) zunehmend in das Privatleben ein. Ebenso wird die Freizeit mit Hilfe von Facebook, Twitter etc.4 immer häufiger auch am Arbeitsplatz oder in Schulen und Universitäten einsehbar. Insbesondere mit dem Web 2.0 und der einfachen Zugänglichkeit des Internets über Smartphones oder ähnliche leicht zu transportierende Geräte wie etwa Tablet PCs, verschwimmen für Schüler die Grenzen zwischen Schul- und Privatleben5. Dies scheint besonders problematisch, wenn das Internet genutzt wird, um Schüler oder Lehrpersonen zu bedrohen, zu beschimpfen oder lächerlich zu machen. Mobbing, vor welchem sich Schüler wie Lehrer vor den Zeiten des Internets nach Hause zurückziehen konnten, kann sie dorthin nun über das Internet verfolgen. Umgekehrt kann, was in der Freizeit beschäftigt, jederzeit in der Schule über ein Smartphone mit Internetverbindung abgerufen werden und die Äusserung eines Schülers, welche dieser ausserhalb der Schulzeit in sozialen Netzwerken oder auf Blogs über Mitschüler oder das Lehrpersonal macht, den Schulalltag einschneidend beeinträchtigen.

[3]
Ob Schulen disziplinarisch gegen das ausserschulische Verhalten ihrer Schüler im Netz vorgehen dürfen, wenn dieses zu ernsthaften Problemen im Schulalltag führt und Schüler oder Lehrer verletzt, scheint im Schweizer Recht bisher ungeklärt. Der vorliegende Aufsatz befasst sich folglich mit der Frage, ob Schulen die Meinungsfreiheit verletzen, wenn sie Schüler für Äusserungen disziplinieren, welche diese ausserhalb der Schule über das Internet verbreitet haben.
[4]
Aus Perspektive der Schüler ist die Beantwortung dieser Frage zentral, da Schulen die Grundrechte von Schülern weitreichender einschränken dürfen als dies der Staat ausserhalb der Schule tun darf. Meinungsäusserungen, welche ausserhalb der Schule gestattet sind, können innerhalb der Schule unzulässig sein6. Aus Sicht der Schulen wiederum ist ein klares Abstecken der schulischen Disziplinargewalt wichtig, um sich vor Beschwerden von Eltern und Schülern gegen ein disziplinarisches Eingreifen schützen zu können, wie auch um über eine klare Handhabe für die ausserschulische Internetkommunikation von Schülern zu verfügen, die den Schulalltag beeinträchtigt als wäre sie im Klassenzimmer erfolgt7.
[5]
Auf der Suche nach einer Lösung lässt sich die vorliegende Abhandlung von im U.S.-amerikanischen Fallrecht entwickelten Überlegungen leiten, welche auf ihre Vereinbarkeit mit dem Schweizer Recht geprüft werden. Der Aufsatz kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass die Ausübung schulischer Disziplinargewalt über die ausserschulische Internetkommunikation von Schülern unter engen Voraussetzungen zulässig sein sollte. Die schulische Disziplinarbefugnis scheint dann gerechtfertigt, wenn die Internetkommunikation öffentlich erfolgte, eine ernsthafte Störung der Schulordnung zur Folge hatte und eine Verletzung der Schülerpflichten darstellte. Um zu diesem Resultat zu kommen, wird in einem ersten Schritt die Schweizer Rechtslage dargestellt, um anschliessend drei U.S.-amerikanische Gerichtsfälle zu diskutieren, die sich explizit mit der hier aufgeworfenen Frage befassen. Mit Blick auf diese Entscheide und das Schweizer Recht werden legitime Anknüpfungspunkte schulischer Disziplinargewalt über die Internetkommunikation von Schülern entwickelt und abschliessend die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage und die Verhältnismässigkeit diskutiert.

2.

Ausgangslage ^

2.1.

Besonderheiten des Schulverhältnisses im Schweizer Recht ^

[6]

Mit der spezifischen Frage, ob und wann Schulen ihre Schüler für ausserschulische Äusserungen im Internet disziplinieren dürfen, hat sich das schweizerische Bundesgericht bislang nicht befasst. Allgemein steht fest, dass auch Schüler sich auf die Grundrechte berufen können8. Werden sie aufgrund einer Meinungsäusserung durch ihre Schule diszipliniert, so stellt dies eine Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit9 und im Falle ihrer Suspendierung auch einen Eingriff in ihren Anspruch auf Grundschulunterricht10 dar.

[7]
Auch die Kommunikation im Internet geniesst verfassungsrechtlichen Schutz. Richtet sich die Verbreitung von Informationen über das Internet an einen im Voraus nicht bestimmten und nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Adressatenkreis, kann sie in den Schutzbereich der Medienfreiheit fallen11. Die Medienfreiheit ist allerdings nur dann tangiert, wenn die Internetkommunikation eines Schülers eine der Presse vergleichbare Funktion für die gesellschaftliche Willens- und demokratische Entscheidungsbildung einnimmt12. Tut sie dies nicht oder wird das Medium für private Kommunikation verwendet, so greift die Meinungsfreiheit als Auffanggrundrecht13.
[8]

Da sich Schüler in einem Sonderstatusverhältnis (besonderes Rechtsverhältnis)14 zu ihrer Schule befinden15, unterliegen ihre Grundrechte in gewissen Fragen besonderen Einschränkungen, die sich aus dem Sinn und Zweck ihres Näheverhältnisses zur Schule ergeben16. Der Sinn und Zweck des Schulverhältnisses besteht grundsätzlich darin, die Schüler angemessen auf ein selbstverantwortliches Leben im modernen Alltag vorzubereiten und ihnen die hierzu nötigen Grundkenntnisse mit auf den Weg zu geben17. Explizit festgehalten werden die Bildungs- und Erziehungsaufgabe der Schulen, und damit grundsätzlich auch der Schulzweck, meistens in kantonalen Schulgesetzen, sie fallen in ihrer Umschreibung aber üblicherweise sehr allgemein aus18. Für die Erfüllung des Schulzwecks können relativ weitreichende Einschränkungen der Meinungsfreiheit von Schülern geboten sein. So können Lehrer etwa Aussagen von Schülern, die keinen sachlichen Bezug zum Unterrichtsthema aufweisen, unterbinden, um die Erteilung des Unterrichts zu gewährleisten19. Eingriffe in die Meinungsfreiheit der Schüler durch Schulen sind dann zulässig, wenn deren Äusserungen den Schulbetrieb oder Schulzweck gefährden oder in unzulässiger Form erfolgen20. Beschränkungen der Meinungsäusserungsfreiheit durch Disziplinarmassnahmen müssen sich in den Schranken der Verfassung halten und durch das besondere Rechtsverhältnis gefordert sein21. Verstossen die Äusserungen von Schülern nicht gegen allgemein gültiges Recht oder die besonderen Pflichten eines Schülers, dürfen sie keine disziplinarischen Konsequenzen haben22.

[9]

Wie bereits angemerkt hat sich das Bundesgericht bisher nicht dazu geäussert, ob und unter welchen Umständen Schulen das Recht zusteht, Schüler für ihre ausserschulischen Meinungsäusserungen im Internet zu disziplinieren. Mit dem zulässigen Umfang der sich auf ein Sonderstatusverhältnis abstützenden staatlichen Regulierungsbefugnis hat sich das Gericht jedoch befasst. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass Verhaltensvorschriften oder Verbote, welche das Sonderstatusverhältnis zeitlich und räumlich über dessen übliches Wirkungsfeld hinaus ausdehnen, derart eng mit dessen Zweck verbunden sein müssen, dass sie dessen Erfüllung dienen und sich direkt aus diesem ableiten lassen. So können etwa Beamten nur jene ausserdienstlichen Beschränkungen auferlegt werden, die sich aus den besonderen Erfordernissen des Dienstverhältnisses ergeben und die einen Bezug zum Amt und der dienstlichen Tätigkeit aufweisen23. Eine Wohnortpflicht für Beamte ist nur zulässig bei Vorliegen zwingender Gründe des Dienstes oder des Erfordernisses einer besonderen Beziehung zur Bevölkerung24; eine Pflicht von Staatsangestellten, den öffentlichen Verkehr für die Anreise zum Arbeitsplatz zu nutzen, stand für das Bundesgericht in keinem Zusammenhang zu deren Dienstpflicht oder dem öffentlichen Ansehen der Verwaltung25. In diesem Sinne ist wohl auch die Kritik an dem Entscheid eines kantonalen Verwaltungsgerichts aus den 80er Jahren zu verstehen. Das Gericht schützte das von einer Realschule gegenüber ihren Schülern erlassene Mofaverbot für den Schulweg und stützte dieses auf den umfassenden Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule ab26. Plotke kritisiert, dass der Schule kein allgemeiner Auftrag zur Wahrung der Jugendwohlfahrt zukommt und die Benutzung von Motorfahrrädern auf dem Schulweg den Auftrag der Schule nicht in erheblichem Masse behindert27. Vor diesem Hintergrund scheint der Analogieschluss naheliegend, dass ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen der Erfüllung des Zwecks des Schulverhältnisses und der in Frage stehenden schulischen Massnahme gefordert werden muss28, soll die Disziplinarbefugnis einer Schule für den ausserschulischen Bereich bzw. die ausserschulische Internetkommunikation von Schülern begründet werden.

[10]
Eine weitere Besonderheit des Sonderstatusverhältnisses ist der Umstand, dass die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage eines staatlichen Grundrechtseingriffes unter gewissen Umständen weniger streng sind als ausserhalb des besonderen Rechtsverhältnisses29. Ergibt sich die in Frage stehende Grundrechtseinschränkung in voraussehbarer Weise aus dem Zweck des besonderen Rechtsverhältnisses, sind die Anforderungen an die Normstufe und Normdichte der gesetzlichen Grundlage des Eingriffes reduziert30. So können die Anforderungen an die Normstufe einer Eingriffsgrundlage niedriger sein, je bestimmter der Zweck des Sonderstatusverhältnisses gesetzlich umschrieben wurde31. Schwere Eingriffe in die Rechte der Schüler bedürfen jedoch immer einer Grundlage in einem formellen Gesetz32; gleiches gilt für die Begründung des besonderen Rechtsverhältnisses und die grundlegenden Rechte und Pflichten von Lehrern und Schülern33. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass sämtliche sich möglicherweise aus dem Zweck des Schulverhältnisses ergebenden Grundrechtseinschränkungen in einem Gesetz im formellen Sinn vorgesehen werden. Die Regelung von Einzelheiten kann an Exekutivorgane delegiert werden34 und in einer Verordnung oder einem Anstaltsreglement erfolgen35. So können Schulen etwa Disziplinarordnungen erlassen, welche der Wahrung der Anstaltsordnung dienen und das zulässige Verhalten der Schüler zu diesem Zweck näher umschreiben36.
[11]

Auch die Anforderungen an die Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage sind im schulischen Disziplinarrecht reduziert. Die Gesetzesgrundlage darf der Natur des Rechtsverhältnisses entsprechend weit gefasst sein37. So ist es praktisch unmöglich, sämtliche Sachverhalte aufzuzählen, welche zu schulischen Disziplinarmassnahmen führen können38. Dennoch sollte es für Schüler erkennbar sein, welches Verhalten disziplinarische Konsequenzen zur Folge haben kann39. Eine Generalklausel, welche das unzulässige Verhalten von Schülern relativ abstrakt umschreibt, dürfte den Anforderungen an die Erkennbarkeit nicht genügen, wenn es darum geht, die Disziplinarbefugnis einer Schule für ausserschulische Sachverhalte bzw. die ausserschulische Internetkommunikation von Schülern rechtlich abzustützen.

[12]
Sollen die Voraussetzungen der zulässigen Ausübung schulischer Disziplinargewalt über die Internetkommunikation von Schülern ermittelt werden, so müssen die hier dargestellten Grundsätze zum besonderen Rechtsverhältnis in die Überlegungen einbezogen werden. In Ermangelung bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu der konkreten Frage, ob und wann Schulen ihre Schüler für ausserschulische Äusserungen und im Besonderen für deren Internetkommunikation disziplinieren dürfen, soll im Folgenden ein Blick auf die Diskussion U.S.-amerikanischer Bundesgerichte geworfen werden, welche sich schon seit geraumer Zeit mit dem Thema beschäftigen40. Hierzu werden drei Entscheide U.S.-amerikanischer Court of Appeals41 untersucht. Dabei ist festzuhalten, dass die drei diskutierten Urteile einen Ausschnitt der U.S.-amerikanischen Diskussion, nicht deren endgültiges Ergebnis darstellen. Begleitend hierzu sollen sinnvoll erscheinende Ansätze bezüglich ihrer Übertragbarkeit auf das schweizerische Schulrecht geprüft werden.

2.2.

Die Diskussion in den USA ^

[13]

Die Meinungsfreiheit geniesst im U.S.-amerikanischen Verfassungsrecht einen besonderen Schutz, welcher in gewissen Fragen weiter reicht als jener anderer westlicher Verfassungsordnungen42. Die spezifische U.S.-amerikanische Sensibilität gegenüber Einschränkungen eines robusten gesellschaftlichen Meinungsaustauschs mag folglich Fragen aufwerfen, welche sich künftig auch in der Schweizer Grundrechtsdiskussion stellen könnten. Ein weiterer Grund, in Internet-bezogenen Fragen einen Blick auf die U.S.-amerikanische Diskussion zu werfen, ist der Umstand, dass das Medium massgeblich in den USA entwickelt wurde und bis zum heutigen Tag gestaltet wird. Dies lädt zu besonderer Neugierde bezüglich der Regulierungstätigkeit dortiger staatlicher Organe ein.

[14]

Die Entscheide der U.S.-amerikanischen Bundesgerichte43 befassten sich mit Sachverhalten, in denen Schüler die Social Media Plattform MySpace nutzten, um sich in Form gefälschter Profile im Namen ihrer Schulleiter44 sowie mit einer einer Mitschülerin gewidmeten Webseite45 über die betroffenen Personen lustig zu machen und diese zu beleidigen. Im Entscheid Layshock schuf ein Schüler ein Parodie-Profil seines Schuldirektors, welches diesen als drogen- und alkoholabhängig, transsexuell sowie moralisch fragwürdige Persönlichkeit charakterisierte. Im Entscheid Snyder richtete eine Schülerin ein MySpace-Profil im Namen ihres Schulleiters ein, welches diesen als bisexuell, pädophil und sexsüchtig darstellte und ihn und seine Familie in sexuell anzüglicher Weise beleidigte. Der Entscheid Kowalski betraf die Erstellung einer MySpace-Webseite über eine Mitschülerin unter Einladung von rund 100 Nutzern, auf welcher neben weiteren anzüglichen Beleidigungen behauptet wurde, die Betroffene leide an einer sexuell übertragbaren Krankheit. In allen drei Fällen veröffentlichten Schüler die Inhalte ausserhalb der Schulzeit von Privatcomputern aus und wurden nach deren Bekanntwerden innerhalb der Schule durch diese diszipliniert. Gegen die verhängten Disziplinarmassnahmen beriefen sich die betroffenen Schüler und Schülerinnen auf den Schutz der Meinungsfreiheit.

[15]
Kein Entscheid des U.S. Supreme Court befasst sich mit den Grenzen der Meinungsäusserungsfreiheit von Schülern ausserhalb des Schulkontexts. Die einschlägigen Urteile des höchsten amerikanischen Gerichts betrafen entweder Äusserungen von Schülern auf dem Schulareal, während Schulveranstaltungen oder in Schulzeitungen.
[16]
In einem Grundsatzentscheid aus den späten 60er Jahren, in dem eine Schule ihren Schülern das Tragen von schwarzen Armbändern als Protest gegen den Vietnamkrieg untersagte und diese infolge Zuwiderhandelns disziplinierte, entschied der U.S. Supreme Court, dass Schulen Meinungsäusserungen von Schülern nicht verbieten oder disziplinarisch ahnden dürfen, solange diese nicht zu einer wesentlichen und ernsthaften Gefährdung oder Störung der Schulordnung führen (Tinker)46.
[17]

Der Supreme Court formulierte in der Folge weitere zulässige Gründe für die Einschränkung der Meinungsfreiheit von Schülern. Er entwickelte diese anhand von Fällen, die folgende Sachverhalte betrafen:

  • Die Disziplinierung eines Schülers aufgrund einer sexuell konnotierten Ansprache anlässlich einer Schulveranstaltung (Fraser)47,
  • die Zensur von Aufsätzen über Schülerschwangerschaften und den Einfluss von Scheidungen auf Schüler in einer Schulzeitschrift (Hazelwood)48,
  • die Konfiszierung eines Spruchbandes, das von der Schule als Propagierung von Drogenkonsum interpretiert wurde, anlässlich einer Schulveranstaltung (Morse)49.
[18]
In allen drei Entscheiden gestand der Supreme Court den Schulen das Recht zu, die Äusserungen der Schüler zu regulieren, ohne dass die in Tinker geforderte ernsthafte Gefährdung oder Störung der Schuldordnung vorlag. Für die Urteile Fraser und Morse lässt sich die Abweichung von Tinker auf den konkreten Inhalt der Äusserungen zurückführen (sexuell gefärbte Ansprache und Propagierung von Drogenkonsum im Gegensatz zu einer politischen Meinungsäusserung im Fall von Tinker), welche Schulen in Erfüllung ihres Erziehungsauftrags und ihrer Sorgfaltspflicht innerhalb ihres Einflussbereichs unterbinden dürfen50. Im Fall Hazelwood gelangten die Tinker-Anforderungen nicht zur Anwendung, da durch die Publikation der Äusserungen in einer Schulzeitung der Eindruck entstanden wäre, dass die Schule die betroffenen Inhalte unterstützt51.
[19]
Da der oberste U.S.-amerikanische Gerichtshof die Grundsätze zur Meinungsfreiheit von Schülern anhand von Fällen entwickelte, die sich nicht mit ausserschulischer Kommunikation befassen, stellte sich für die unteren Bundesgerichte die Frage, welche der vom Supreme Court für den innerschulischen Kontext entwickelten Grundsätze auf die Social Media Fälle anwendbar sein könnten.
[20]
Hinsichtlich des in Fraser formulierten Grundsatzes hielt das höchste Gericht explizit fest, dass dieser nicht auf ausserschulische Kommunikation anwendbar sei52. Die Schule durfte die sexuell anzüglichen Äusserungen des Schülers unter Hinweis auf ihren Erziehungsauftrag und ihre Sorgfaltspflicht disziplinieren, weil diese an einer Schulveranstaltung getätigt wurden. Auch Morse hatte Äusserungen zum Gegenstand (Propagierung von Drogenkonsum), welche die Schule disziplinieren durfte, da sie während einer Schulveranstaltung erfolgten53. Hazelwood wiederum betraf den besonderen Fall, dass die Äusserungen der Schüler aufgrund ihrer beabsichtigten Publikation in einer Schulzeitung den Anschein erweckt hätten, die Schule habe diese abgesegnet, weshalb eine strengere Inhaltskontrolle zulässig war54. Einzig den in Tinker entwickelten Grundsatz hatte der U.S. Supreme Court genügend offen formuliert, um Spielraum für dessen Anwendbarkeit auf ausserschulische Kommunikation zu lassen55. Auf den folgenden Seiten werden die verschiedenen Überlegungen illustriert, welche die unteren U.S.-Bundesgerichte in Ermangelung klarer höchstgerichtlicher Grundsätze anstellten, um legitime Anknüpfungspunkte schulischer Disziplinargewalt für den ausserschulischen Bereich zu formulieren. Dies geschieht jeweils mit vergleichendem Blick auf das Schweizer Recht.

3.

Legitime Anknüpfungspunkte schulischer Disziplinargewalt über die Internetkommunikation von Schülern ^

3.1.

Personell-örtlicher Zusammenhang ^

[21]
Ein Anknüpfungspunkt schulischer Disziplinargewalt ist der personell-örtliche Einflussbereich von Schulen, innerhalb dessen sie für einen geordneten Lernbetrieb zu sorgen haben. Es muss also die Frage beantwortet werden, unter welchen Umständen die Internetkommunikation von Schülern genügend Bezugspunkte zu diesem Einflussbereich aufweist, um wie innerschulische Kommunikation behandelt und folglich von Schulen wie solche reglementiert werden zu dürfen.
[22]
Die U.S.-amerikanischen Bundesgerichte befassten sich in den drei Social Media Fällen mit eben dieser Frage. Trotz Vorliegens vielfältiger personell-örtlicher Bezugspunkte zur Schule, qualifizierten die Gerichte die Social Media Kommunikation der Schüler in allen drei Entscheiden nicht als innerschulische Kommunikation. In Layshock beurteilte das zuständige Gericht die Erstellung des gefälschten MySpace-Profils als ausserschulische Kommunikation, obwohl der verantwortliche Schüler das Foto des Schuldirektors von der Schulwebseite für das Profil kopierte, Schüler der Schule als Freunde des Profils einlud und das Profil innerhalb der Schule anderen Schülern zeigte56. Das Gericht in Snyder hielt fest, dass ausserschulische Kommunikation nicht zu innerschulischer Kommunikation werde, nur weil ein Schüler auf Anfrage des Schuldirektors hin eine ausgedruckte Kopie des MySpace-Profils in die Schule mitbrachte57. Auch hier hatte die Schülerin das Foto des Schuldirektors von der Schulwebseite kopiert und die Profilinhalte mit anderen Schülern der Schule geteilt, was für das Gericht jedoch nichts am ausserschulischen Charakter der Kommunikation änderte.
[23]
In Kowalski wählte das Gericht einen anderen Weg. Den Umstand, dass es sich bei der MySpace-Seite um ausserschulische Kommunikation handelte, erklärte es für unbeachtlich, da die Urheberin vernünftigerweise damit rechnen musste, dass ihre Äusserungen die Schule erreichen oder die Schulumgebung beeinträchtigen würden58. Das Gericht hielt denn auch fest, dass ausserschulische Kommunikation durchaus als innerschulische Kommunikation qualifiziert werden könne, wenn sich diese an Personen aus der Schule richtet, von diesen wahrgenommen wird und deren Handlungen hervorruft59. Es unterliess diese eher künstliche Konstruktion jedoch und begründete die Zulässigkeit der Disziplinarmassnahmen mit dem Vorliegen der in Tinker geforderten Störung der Schulordnung60. Im Ergebnis qualifizierte das Gericht die Erstellung der MySpace-Seite folglich nicht als innerschulische Kommunikation, obwohl die Urheberin viele ihrer Mitschüler als Freunde des Profils eingeladen hatte, von welchen sich einige an der späteren Profilgestaltung beteiligten und dies u.a. sogar über Schulcomputer erfolgte.
[24]
Aus den Entscheiden geht hervor, dass die Gerichte die Internetkommunikation von Schülern selbst bei Vorliegen eines engen örtlichen oder personellen Bezugs zur Schule grundsätzlich nicht wie innerschulische Kommunikation behandeln, um daraus eine zulässige Grundlage für die Disziplinarbefugnis der Schulen ableiten zu können61. In Anbetracht der spezifischen Verbreitungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten von Internetkommunikation schiene eine derartige Einordnung m.E. sogar dann überzeugend, wenn sich die Schüler für die Veröffentlichung von Inhalten im Internet eines Schulcomputers bedienen oder etwa ihr Handy während der Schulzeit verwenden würden. Ob Schüler einen Schulcomputer, ihr Smartphone auf dem Schulgelände oder einen Heimcomputer verwenden, um Inhalte im Internet zu veröffentlichen, entscheidet allein noch nicht über die Schulnähe der Äusserungen. Im Internet werden Inhalte – unabhängig vom Standort des zur Veröffentlichung genutzten Endgeräts – an keinem vom Urheber vorweg bestimmbaren physischen Ort publiziert. Sie sind immer nur auf Anfrage hin, von grundsätzlich jedem beliebigen Ort aus, abruf- und wahrnehmbar. Das Gericht in Kowalski hielt denn auch explizit fest, dass der Ort, an welchem der Urheber die Tastatur benutzt, für die Auswirkung der im Internet veröffentlichten Äusserungen üblicherweise nur von geringer Bedeutung ist62. Anders hingegen ist der Fall zu beurteilen, wenn Schüler Inhalte auf dem Intranet oder der Webseite einer Schule veröffentlichen63. Dies wäre vergleichbar mit der Situation, dass Schüler die Schulaula, eine Schulveranstaltung, Schulzeitung oder den Unterricht als Plattform ihrer Meinungsäusserung wählten und damit Lehrer und Schüler grundsätzlich zur Wahrnehmung ihrer Äusserungen zwingen.
[25]
Überzeugend scheint folglich, die Kommunikation von Schülern dann als innerschulisch zu qualifizieren, wenn sie auf der Schulwebseite oder dem schulischen Intranet64 erfolgt. Aufgrund der Bedingungen ihres örtlichen Erscheinens weniger überzeugend, aber entsprechend herkömmlicher, d.h. analogen Verhältnissen entsprechender Denkweise wohl vertretbar, scheint die Gleichstellung von Internetkommunikation mit innerschulischer Kommunikation, wenn Schulcomputer verwendet wurden oder die Kommunikation während der Schulzeit von einem mobilen Endgerät aus erfolgte65.
[26]
Um die Internetkommunikation von Schülern als innerschulische Kommunikation qualifizieren und wie diese reglementieren zu können, kann es auch nicht genügen, dass sich der Adressatenkreis der Äusserungen ausschliesslich aus Schülern der betroffenen Schule zusammensetzt. Das soziale Umfeld von Schülern besteht üblicherweise aus deren Mitschülern, mit diesen verbringen sie häufig grosse Teile ihrer Freizeit und tauschen sich über Themen aus, die sie beschäftigen. Würde für die Begründung schulischer Disziplinargewalt ausreichen, dass sich Schüler mit ihren Äusserungen an Mitschüler wenden, wären der Regulierungsbefugnis von Schulen über die ausserschulischen Meinungsäusserungen ihrer Schüler praktisch keine Grenzen gesetzt.
[27]
Wird die ausserschulische Internetkommunikation von Schülern selbst bei Vorliegen enger Bezüge zu den Benutzern, der Infrastruktur oder dem Territorium einer Schule nicht als innerschulische Kommunikation qualifiziert, fragt sich, ob es andere sinnvolle Anknüpfungspunkte für die Ausübung schulischer Disziplinargewalt über die Kommunikation von Schülern im Internet geben kann.

3.2.

Auswirkungen der Internetkommunikation auf die Schulordnung ^

[28]

Dass sich die Internetkommunikation von Schülern einer überzeugenden personell-örtlichen Anknüpfung für die Ausübung schulischer Disziplinargewalt in den meisten Fällen entzieht, könnte dafür sprechen, dass Schulen die Äusserungen von Schülern im Internet grundsätzlich nicht disziplinieren dürfen und diese nur durch allgemein geltendes Recht erfasst werden. Dies scheint jedoch keine zufriedenstellende Lösung, berücksichtigt man, wie intensiv sich Kommunikation über das Medium auf den Schulbetrieb auswirken kann. Äusserungen von Schülern im Internet können innerhalb der Schule so präsent sein, als wären sie tatsächlich dort getätigt worden. Äussert sich ein Schüler im Internet öffentlich66 über das Schulpersonal oder seine Mitschüler unter Verwendung offizieller Namen, Titel oder Abbildungen, so sind die betroffenen Inhalte mit Hilfe einer Suchmaschine grundsätzlich von jedem, jederzeit, überall und regelmässig auch längerfristig abrufbar. Dies kann zur Folge haben, dass das Verletzungspotential der Äusserungen für die Betroffenen und ihre möglichen Konsequenzen für den Ruf des Lehrpersonals oder der Schule mindestens so weitreichend sind, als wenn diese innerhalb der Schule gemacht worden wären. In Anbetracht der spezifischen Verbreitungs- und Auswirkungseigenschaften von Internetkommunikation wäre es ein hilfloser Ansatz, die Zulässigkeit schulischer Disziplinargewalt davon abhängig zu machen, dass Schüler einen Schulcomputer verwendeten, über ein mobiles Endgerät vom Schulareal aus oder während der Unterrichtszeit kommunizierten. Für die Frage, ob einer Schule das Recht zukommt, das Verhalten eines Schülers zu disziplinieren, müssen bei der Internetkommunikation schliesslich alternative, der Funktionsweise und Wirkung des Mediums entsprechende Anknüpfungspunkte gefunden werden.

[29]
Auch diesbezüglich bieten die Social Media Entscheide der amerikanischen Bundesgerichte hilfreiche Überlegungen. Da die vom U.S. Supreme Court in den Entscheiden Fraser, Hazelwood und Morse aufgestellten Grundsätze für den innerschulischen Kontext entwickelt wurden, griffen die Gerichte in den Urteilen Layshock, Snyder und Kowalski auf den vom obersten Gerichtshof in Tinker formulierten Ansatz zurück67. Diesem gemäss dürfen Schulen ihre Schüler für deren Meinungsäusserungen disziplinieren oder diese verbieten, wenn sie zu einer wesentlichen und ernsthaften Gefährdung oder Störung der Schulordnung führen.
[30]
In Layshock hielt das zuständige Gericht fest, dass die Disziplinierung des betroffenen Schülers für die ausserschulische Äusserung unzulässig war, da diese keine Störung der Schulordnung zur Folge hatte68. Auch in Snyder stellte das Gericht eine Verletzung der Meinungsfreiheit der Schülerin durch die schulischen Disziplinarmassnahmen fest, da die ausserschulischen Äusserungen nicht zu einer Störung der Schulordnung geführt hatten69. Kowalski, welcher die schulischen Disziplinarmassnahmen für die ausserschulische Kommunikation als verfassungsmässig erklärte, ist in seiner Begründung weniger eindeutig. Das zuständige Gericht hielt zwar fest, dass die ausserschulische Kommunikation der Schülerin zu der in Tinker geforderten Störung der Schulordnung führte und folglich nicht schutzwürdig sei70. Die Aussage des Gerichts, dass die Schülerin aufgrund des von ihr gewählten Kommunikationsmittels damit rechnen musste, dass ihre Äusserungen die Schule erreichen würden, erlaubt aber auch die Auslegung, dass das Gericht ausserschulische Kommunikation wie innerschulische Kommunikation behandelt, wenn die Schüler damit rechnen müssen, dass ihre Äusserungen die Schule erreichen könnten71. Diese Argumentation geht m.E. zu weit und gesteht der schulischen Autorität über die Internetkommunikation von Schülern einen zu weitreichenden Spielraum zu.
[31]
Aus den drei Entscheiden ergibt sich die grundsätzliche Haltung der Gerichte, dass – unter Anwendung von Tinker – die ausserschulische Kommunikation von Schülern im Internet dann von Schulen reglementiert oder diszipliniert werden darf, wenn sie eine ernsthafte Gefährdung oder Störung der Schulordnung zur Folge hat.
[32]

Dieser Ansatz scheint auch für das Schweizer Schulrecht sinnvoll. Schulen haben als öffentlich-rechtliche Anstalten das Recht und die Pflicht zur Gewährleistung eines geordneten Schulbetriebs72 und müssen eine sichere, dem Lernen förderliche Atmosphäre innerhalb der Schule gewährleisten. Dass der Schulbetrieb durch das ausserschulische Verhalten eines Schülers ebenso empfindlich beeinträchtigt werden kann wie durch innerschulische Vorkommnisse, scheint einzuleuchten. Ist der Schulbetrieb gestört, hat die Schule angemessene Massnahmen zu treffen, um die für die Erfüllung des Schulzwecks erforderliche Ordnung wieder herzustellen, unabhängig davon, wo die ursprüngliche Quelle der Störung zu verorten ist. Dabei findet die Regulierungsbefugnis der Schule und insbesondere ihr Recht zur Verhängung von Disziplinarmassnahmen ihre sachlichen Grenzen im Zweck des besonderen Rechtsverhältnisses beziehungsweise im Schulzweck73. Es kann durchaus der Erfüllung des Schulzwecks dienen, gegen den Urheber ausserschulischer Äusserungen vorzugehen, wenn diese aufgrund ihres Inhaltes zu einer empfindlichen Störung des Schulbetriebs führen.

[33]
Der Gedanke, dass Schulen unter engen Voraussetzungen die Befugnis zusteht, das ausserschulische Verhalten ihrer Schüler zu regulieren oder zu disziplinieren, wird in der Lehre zumindest nicht absolut abgelehnt. Eine zeitlich oder örtlich weitreichende Anwendung schulischer Disziplinargewalt scheint dann vertretbar, wenn der schulische Erziehungsauftrag oder der ordentliche Schulbetrieb dies erfordern und das ausserschulische Verhalten nicht generell der Disziplinargewalt der Schule unterstellt wird74.
[34]

Dass die Grenzen der schulischen Disziplinarbefugnis in räumlicher oder zeitlicher Hinsicht unscharf sein können75, zeigt sich auch an einem Entscheid des Bundesgerichts, in welchem dieses die Verhängung schulischer Disziplinarmassnahmen gegen einen Schüler billigte, obwohl das fragliche Ereignis eindeutig ausserhalb der Schulzeit stattfand. Der betroffene Schüler hatte den Schulhauswart der Schule während der Herbstferien auf dem Schulareal mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Das Gericht qualifizierte den tätlichen Angriff auf ein Organ der Schule trotz seines Vorfallens während der Ferienzeit als empfindliche Störung des schulischen Umfelds und brachte keine Einwände gegen die Ausübung schulischer Disziplinargewalt vor76.

[35]
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass zumindest eine Störung des ordentlichen Schulbetriebs vorliegen muss, wollen Schulen disziplinarisch gegen die ausserschulischen Äusserungen eines Schülers vorgehen. Damit die Ausübung schulischer Disziplinargewalt ausreichend begründet ist, um sich auf ausserschulisches Verhalten erstrecken zu dürfen, sollte jedoch eine ernsthafte Störung der Schulordnung vorliegen. In Fällen, in denen Schüler Lehrpersonen oder Mitschüler im Internet beleidigen, sich die Äusserungen aber nicht oder nur geringfügig auf den ordentlichen Schulbetrieb auswirken, sollen die Betroffenen auf die gewöhnlichen Rechtsmittel im Straf- und Zivilrecht und Schulen auf alternative mildere Mittel wie etwa Klassen- oder Elterngespräche zurückgreifen. Um disziplinarische Massnahmen gegenüber dem Urheber des ausserschulischen Verhaltens verhängen zu dürfen, anstatt nur gegenüber jenen Schülern, die innerhalb der Schule mit ihrer Reaktion auf den Vorfall oder die Äusserung für Unruhe sorgen, müssen jedoch weitere Kriterien als nur eine ernsthafte Störung der Schulordnung erfüllt sein.

3.3.

Im Sonderstatusverhältnis begründete Pflichtverletzung ^

[36]

Es scheint unumgänglich, neben einer ernsthaften Störung des Schulbetriebs auch einen ausreichend engen Zusammenhang zwischen dem ausserschulischen Verhalten eines Schülers und dessen Schule zu fordern, will man eine schulische Disziplinarbefugnis begründen. Würde die Störung des Schulbetriebs allein ausreichen, könnten Schulen ihre Schüler auch für ausserschulisches Verhalten disziplinieren, welches nicht in geringstem Zusammenhang mit der Schule steht. Es würde genügen, dass Schüler von dem ausserschulischen Vorfall erfahren und durch diesen derart in Unruhe versetzt werden, dass der Unterricht ernsthaft gestört wird. Führten etwa Feuerspiele eines Schülers in dessen Freizeit zum Abbrennen eines Gebäudes in der Gemeinde, und versetzte der Vorfall dessen Mitschüler derart in Aufregung, dass der Lehrer Schwierigkeiten hätte, die Schüler wieder zur Ruhe zu bringen, so schiene es stossend, wenn die Schule Massnahmen gegen den Verursacher des Feuers verhängen dürfte, nur weil dessen ausserschulische Handlung eine ernsthafte Störung des Unterrichts zur Folge hatte. In einem solchen Fall bliebe dem Lehrer lediglich die Möglichkeit, gegen jene Schüler vorzugehen, die aufgrund ihrer Reaktion die Erteilung des Unterrichts verunmöglichen.

[37]
Soll der geforderte Zusammenhang zwischen dem ausserschulischen Verhalten eines Schülers und der Schule ausreichen, um die Verhängung von Disziplinarmassnahmen zu rechtfertigen, sollte das Verhalten des Schülers gegen Pflichten verstossen, welche diesem als Schüler zukommen77. Auch in anderen besonderen Rechtsverhältnissen kann privates Verhalten die Verletzung von sich aus dem Sonderstatusverhältnis ergebenden Pflichten zur Folge haben, sofern ein enger Zusammenhang zwischen dem in Frage stehenden Verhalten und der Erfüllung des Zwecks des Sonderstatusverhältnisses vorliegt. Das ausserdienstliche Verhalten eines Staatsangestellten kann dessen Treuepflicht gegenüber dem Gemeinwesen etwa dann verletzten, wenn es dessen Amtsführung oder das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung beeinträchtigt78. So ist Staatsangestellten öffentliche Kritik am eigenen Tätigkeitsbereich zwar nicht grundsätzlich untersagt, sie haben in der Art und Weise ihrer Äusserung jedoch eine gewisse Zurückhaltung zu üben79. In der massvoll formulierten öffentlichen Kritik eines Hochschullehrers an der bevorstehenden Standortverlegung einer Zürcher Hochschule und der damit verbundenen Verteilung von Flugblättern an die Mitglieder des Kantonsrats sah das Bundesgericht keine Verletzung der Treuepflicht 80. Der aufgrund der öffentlichen Stellungnahme ausgesprochene Verweis und Entzug der Leitungsfunktion an der Hochschule verstiessen folglich gegen die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte qualifizierte die Entlassung einer Lehrerin aufgrund ihrer aktiven Mitgliedschaft in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) als Verletzung der Meinungsfreiheit, da ihr keine Indoktrinierung der Schüler vorgeworfen werden konnte und sie ihren Pflichten als Lehrerin einwandfrei nachgekommen war81. Hingegen sah der Europäische Gerichtshof in dem gegenüber polnischen Gemeindepolizisten verhängten Verbot der aktiven Mitgliedschaft in politischen Parteien keine Verletzung ihrer politischen Rechte. Das Interesse an der politischen Neutralität der Polizei war in Anbetracht der politischen Verwicklungen der polnischen Polizei zu Zeiten des Kommunismus schwerwiegend genug, um den Eingriff zu rechtfertigen82.
[38]
Anders gelagert, aber dennoch illustrativ, entschied das Bundesgericht, dass der private Alkoholkonsum eines SBB Zugchefs die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigte, da dieser wichtige vertragliche Pflichten verletzte. Aufgrund der Alkoholsucht des Beschwerdeführers konnte nur ein absolutes, die Freizeit umfassendes Abstinenzgebot die ordnungsgemässe Erfüllung seiner sicherheitsrelevanten Aufgaben garantieren83.
[39]
Die Anforderungen an die Betroffenen und deren Pflichten variieren stark, je nach Art des besonderen Rechtsverhältnisses und der Funktion des dem Gemeinwesen Nahestehenden. Dennoch lässt sich aus den Entscheiden ableiten, dass auch privates Verhalten in einer Verletzung der aus dem besonderen Rechtsverhältnis fliessenden Pflichten resultieren kann, wenn dieses die zweckmässige Erfüllung des Sonderstatusverhältnisses negativ beeinträchtigt.
[40]

Richten sich die Meinungsäusserungen eines Schülers im Internet in einer die schulischen Verhaltensregeln verletzenden Weise gegen Mitschüler oder das Schulpersonal, und liegt ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen den Äusserungen und einer ernsthaften Störung der Schulordnung vor, so stellt das ausserschulische Verhalten m.E. eine Verletzung der Schülerpflichten dar. Das Interesse der Schule am disziplinarischen Vorgehen gegenüber dem Verantwortlichen scheint in diesem Fall ausreichend begründet, um sich auf den ausserschulischen Bereich zu erstrecken. Festzuhalten ist allerdings auch, dass die Interessenlage der Schule variiert, je nachdem, ob sich die Äusserungen eines Schülers auf dessen Mitschüler oder das Schulpersonal beziehen84. Richten sich die Äusserungen gegen das Schulpersonal, sollte genau untersucht werden, ob es sich bei beleidigenden Inhalten nur um willkürliche Schikane handelt, oder ob Schüler in inhaltlich fraglicher Form85 berechtige Kritik an jenen Personen ausüben, denen sie in einem institutionellen Machtverhältnis untergeordnet sind. Zu berücksichtigen ist auch, dass in derartigen Fällen kritisierte und disziplinarbefugte Person in eins zusammenfallen. Richten sich verletzende Äusserungen eines Schülers jedoch gegen Mitschüler, so scheint ein berechtigtes Interesse der Schule an der Vornahme disziplinarischer Massnahmen leichter bejaht werden zu können, da Schulen eine Pflicht zum Schutz der Grundrechte ihrer Schüler zukommt und sie für deren Wohl zu sorgen haben86.

[41]
Aus der Rechtsprechung des U.S. Supreme Courts sowie den drei hier untersuchten Entscheiden der unteren U.S.-Bundesgerichte lässt sich kein klarer Grundsatz zu dieser Frage ableiten. In Tinker befasste sich der Supreme Court mit Kommunikation, die innerhalb der Schule stattfand und stellte als Regulierungsvoraussetzung auf die Auswirkung anstatt den Inhalt einer Meinungsäusserung ab. In Fraser, Hazelwood und Morse knüpfte das oberste Gericht zwar an den konkreten Inhalt einer Äusserung an, regulierungsbefugt waren die Schulen jedoch nur, da sich die Schüler auf Schulveranstaltungen und in einer Schulzeitung äusserten. Ausserhalb des schulischen Einflussgebiets hätten die Schulen die Schüler aufgrund des Inhalts der Meinungsäusserungen nicht disziplinieren dürfen. Auch die drei Entscheide der unteren U.S.-Bundesgerichte stellen für die Anknüpfung der schulischen Disziplinargewalt unter Anwendung des Tinker-Grundsatzes nicht auf den Inhalt, sondern auf die Auswirkung der Kommunikation auf den Schulbetrieb ab. Festzuhalten ist allerdings, dass sich alle drei Entscheide mit Meinungsäusserungen befassten, die zumindest innerhalb der Schule eine Verletzung der besonderen Pflichten eines Schülers verursacht hätten. In Anbetracht des in allen drei Entscheiden vorliegenden engen Bezugs der Meinungsäusserungen zu den Pflichten der Schüler, kann also zumindest nahegelegt werden, dass ein derartiger Zusammenhang ein weiteres unausgesprochenes Kriterium für die Anknüpfung der Schuldisziplin wie auch die Anwendbarkeit der Tinker-Kriterien war.

3.4.

Form der Kommunikation ^

[42]
Ob das Interesse einer Schule an der Verhängung disziplinarischer Massnahmen gegenüber einem Schüler aufgrund dessen ausserschulischer Internetkommunikation genügend schwer wiegt, um den Eingriff in die Meinungsfreiheit rechtfertigen zu können, sollte auch davon abhängen, in welcher Art und Weise der Schüler das Internet verwendete. Neben der öffentlichen Kommunikation im Internet besteht etwa über E-Mail Angebote oder Social Media Plattformen die Möglichkeit, privat zu kommunizieren. Schafft ein Schüler eine private Diskussionsgruppe auf Facebook oder MySpace, deren Inhalt nicht öffentlich zugänglich ist, so ist diese Form der Kommunikation der Situation gleichzusetzen, dass sich Schüler privat, sei dies mündlich oder schriftlich, austauschen. Fallen beleidigende Äusserungen in diesem Kontext und kommen sie anschliessend Lehrern oder anderen Schülern zu Ohren, so dürfte die Schule grundsätzlich nicht zu deren Disziplinierung berechtigt sein und sollten die Betroffenen auf die im allgemeinen Recht verfügbaren Schutzmassnahmen zurückgreifen. Machen Schüler derartige Inhalte im Internet jedoch öffentlich zugänglich und sind diese mittels Websuche für jedermann auffindbar, so wirkt sich dieser Umstand massgeblich auf das Interesse einer Schule an ihrer Regulierungsbefugnis aus und sollte diese bei Vorliegen der oben diskutierten Voraussetzungen grundsätzlich zur Vornahme disziplinarischer Massnahmen befugt sein.

3.5.

Ergebnis ^

[43]
Aus der vorangehenden Erörterung ergibt sich, dass das Interesse von Schulen an der Ausübung ihrer Disziplinargewalt über die Internetkommunikation von Schülern nur unter sehr engen Voraussetzungen schwer genug wiegt, um einen derartigen Eingriff in die Meinungsfreiheit der Schüler zu rechtfertigen. Hierzu muss die ausserschulische Internetkommunikation eine ernsthafte Störung der Schulordnung zur Folge haben, eine Verletzung der einen Schüler bindenden besonderen Pflichten darstellen und öffentlich erfolgt sein.

4.

Gesetzliche Grundlage: Vorhersehbarkeit schulischer Disziplinarmassnahmen ^

[44]
Die Anwendung schulischer Disziplinarmassnahmen auf die ausserschulische Internetkommunikation von Schülern muss weiters auch den Anforderungen des Gesetzmässigkeitsprinzips genügen. Im Folgenden soll erörtert werden, wie sich die oben dargestellten Grundsätze zum besonderen Rechtsverhältnis konkret auf die Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage der schulischen Disziplinarbefugnis für den ausserschulischen Bereich auswirken.

4.1.

Normstufe ^

[45]
Mit den Anforderungen an die gesetzliche Grundlage von schulischen Eingriffen in die Grundrechtsausübung von Schülern hat sich das Bundesgericht in jüngster Zeit vor allem im Zusammenhang mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit befasst. So liess es als Grundlage für die zwingende Teilnahme strenggläubig islamisch erzogener Kinder am Schwimmunterricht eine Vorschrift im Lehrplan genügen87 und stützte dessen gemischtgeschlechtliche Erteilung auf ein Gesetz im formellen Sinn ab88. Für ein Kopftuchverbot gegenüber Schülern einer Sekundarschule erfüllte die Schulordnung die Anforderungen des Bundesgerichts an eine genügende gesetzliche Grundlage nicht; es hielt fest, dass die zur Diskussion stehende Delegationsnorm den Exekutivorganen der Schulgemeinde keine Kompetenz zur Regelung schwerer Eingriffe in die Glaubens- und Gewissensfreiheit übertrage89.
[46]

Freilich lässt sich aus diesen Entscheiden kein direkter Grundsatz für die Frage ableiten, auf welcher Normstufe festzuhalten wäre, unter welchen Umständen Schulen befugt sind, Schüler für ihre ausserschulische Internetkommunikation zu disziplinieren. Die zur Diskussion stehenden Regeln waren schliesslich auf den Unterricht und nicht auf den ausserschulischen Bereich ausgerichtet. Es kann ihnen aber grundsätzlich entnommen werden, dass das Gericht auch im Schulverhältnis für Grundrechtseingriffe von einer gewissen Intensität90 eher hohe Anforderungen an die Normstufe stellt91. Dies kann als Richtwert für die hier diskutierte Frage dienen. Disziplinarische Massnahmen stellen regelmässig intensive Eingriffe in die Rechte der Betroffenen dar. Beziehen sie sich auf Verhalten ausserhalb des direkten Einflussgebiets der mit Disziplinargewalt ausgestatteten Anstalt, so verstärken auch die Ausdehnung der Kontrollbefugnis der jeweiligen Institution sowie die Ungewöhnlichkeit einer solchen Ausweitung die Intensität des Eingriffs.

[47]
Die Anforderungen an die Normstufe der Eingriffsgrundlage im besonderen Rechtsverhältnis sind nur dann reduziert, wenn sich die in Frage stehende Grundrechtsbeschränkung in voraussehbarer Weise aus dem Zweck des Sonderstatusverhältnisses ergibt92. Die Disziplinierung von Schülern für deren Äusserungen im Internet kann sich zwar aus dem Zweck des Schulverhältnisses ergeben, wenn die Wirkung der Aussagen die Erfüllung des Schulzwecks gefährdet, etwa wenn der ordentliche Schulbetrieb massgeblich gestört wird. In Ermangelung einer klaren räumlichen Zurechenbarkeit und der daraus resultierenden örtlichen Schulferne der Internetkommunikation, scheint sich eine solche Regulierungsbefugnis jedoch gerade nicht mit hinreichender Klarheit aus dem Zweck des besonderen Rechtsverhältnisses ableiten zu lassen93. Die rechtsstaatlich erforderliche Voraussehbarkeit staatlichen Handelns ist in diesem Fall m.E. nicht gegeben.
[48]
Des Weiteren verlangt auch die Ungewöhnlichkeit einer derartigen Regelung nach einer hohen Normstufe94. Aufgrund der Unüblichkeit und mangelnden Vorhersehbarkeit für die Betroffenen sollte auf formell-gesetzlicher Ebene zumindest eine allgemein gehaltene Norm festhalten, dass und unter welchen Umständen Schulen das ausserschulische Verhalten von Schülern und somit auch ihre Internetkommunikation disziplinarisch ahnden können95. Die Regelung der Einzelheiten kann auf Verordnungsebene erfolgen.
[49]
Die vorgeschlagene Lösung scheint der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Grundrechtseinschränkungen im Schulverhältnis hinsichtlich der Anforderungen an die Normstufe zu genügen und trägt der Ungewöhnlichkeit einer derartigen Regelung sowie dem Umstand Rechnung, dass sich die Regulierung ausserschulischen Verhaltens der Schüler nicht in voraussehbarer Weise aus dem Zweck des Schulverhältnisses ergibt.

4.2.

Normbestimmtheit ^

[50]
Auch die Anforderungen an die Normbestimmtheit der Eingriffsgrundlage sind reduziert, wenn sich die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen mit ausreichender Klarheit aus dem Zweck des Sonderstatusverhältnisses ergeben96. Wie bei den Überlegungen zur erforderlichen Normstufe stellt sich aber auch hier das Problem der Vorhersehbarkeit der Regulierung ausserschulischen Verhaltens durch Schulen, selbst wenn sich diese mit dem Schulzweck vereinbaren liesse oder diesen gar fördern würde. Beruht die Regulierung des privaten Verhaltens der Schüler auf einer zeitlichen und örtlichen Ausdehnung des Sonderstatusverhältnisses, so sollte also bereits dieser Umstand hohe Anforderungen an die gesetzliche Grundlage und somit die Normbestimmtheit begründen97.
[51]
Um diesen Bedenken zu begegnen, sollte auf formell-gesetzlicher Stufe festgehalten werden, dass sich die Disziplinarbefugnis von Schulen in seltenen Fällen auf das ausserschulische Verhalten von Schülern erstrecken kann. Eine derartige Norm sollte jene Anknüpfungspunkte aufzählen, welche hier bereits diskutiert wurden: Das fragliche Verhalten muss eine ernsthafte Störung der Schulordnung zur Folge haben, die Verletzung einer Schülerpflicht darstellen und öffentlich erfolgt sein. Nähere Ausführungen zum disziplinarischen Tatbestand sowie eine explizite Erwähnung, dass sich die Regulierungsbefugnis der Schule auch auf die Internetkommunikation von Schülern erstrecken kann, können delegiert werden und auf Verordnungsstufe erfolgen98.
[52]
Eine derartige Normierung scheint der Tendenz kantonaler Schulgesetze entgegenzustehen, das Verhalten von Schülern, welches disziplinarische Konsequenzen zur Folge haben kann, nur ausgesprochen rudimentär zu umschreiben99. Im Interesse der Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung und um die notwendige organisatorische Flexibilität der Schule garantieren zu können100, scheinen relativ unbestimmte Normen denn auch legitim, sofern sich die Verhaltenspflichten der Schüler in voraussehbarer Weise aus der Natur des besonderen Rechtsverhältnisses ergeben. An eben dieser Vorhersehbarkeit mangelt es bei der Regulierung ausserschulischen Verhaltens, wie bereits festgestellt, jedoch gerade. Eine eindeutige Normierung auf Gesetzes- und Verordnungsebene, welche die Disziplinarbefugnis der Schule im Zusammenhang mit der Internetkommunikation von Schülern und deren konkrete Voraussetzungen klar umschreibt, wäre folglich wünschenswert101.

5.

Verhältnismässigkeit ^

[53]
Die vorangehenden Überlegungen zu den legitimen Anknüpfungspunkten schulischer Disziplinargewalt im ausserschulischen Bereich definieren, wann das Interesse der Schule an der Verhängung von Disziplinarmassnahmen berechtigt ist. Sie tragen insofern aber insbesondere auch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung. Grundrechtseinschränkungen im Sonderstatusverhältnis sind nur so weit zulässig, als es der Zweck des besonderen Rechtsverhältnisses zwingend erfordert102. Liegen die vorstehend diskutierten Kriterien zur Begründung der Disziplinarbefugnis einer Schule im ausserschulischen Bereich und somit über die Internetkommunikation von Schülern vor, so ist damit noch nicht die Frage beantwortet, welche Disziplinarmassnahme im konkreten Fall verhältnismässig wäre. Die Verhältnismässigkeit einer disziplinarischen Massnahme kann nur im Einzelfall eruiert werden und muss auf die Schwere des fehlbaren Verhaltens abgestimmt sein103. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit sind grundsätzlich zunächst die jeweils weniger einschneidenden Massnahmen vorzunehmen und strengere Massnahmen erst zulässig, wenn weniger weitgehende nicht den gewünschten Erfolg gezeigt haben104. Viele kantonale Schulgesetze bzw. -verordnungen sehen dementsprechend ein abgestuftes Vorgehen vor. So enthält etwa § 56 des Zürcher Volksschulgesetzes (VSG) einen Katalog verschiedener Disziplinarmassnahmen, welcher von der Aussprache, über den schriftlichen Verweis oder die vorübergehende Wegweisung bis hin zur Entlassung aus der Schulpflicht im letzten Schuljahr reicht. Selbiges muss für die Verhängung disziplinarischer Massnahmen aufgrund des ausserschulischen Verhaltens eines Schülers gelten.

6.

Fazit ^

[54]
Der von den U.S.-amerikanischen Court of Appeals angewandte Grundsatz, dass die Ausweitung schulischer Disziplinargewalt auf ausserschulische Äusserungen von Schülern zulässig ist, wenn diese eine ernsthafte Störung der Schulordnung zur Folge haben, scheint auch für das Schweizer Schulrecht geeignet. Ebenso sinnvoll erscheint die Zurückhaltung der U.S.-Gerichte, Internetkommunikation von Schülern als innerschulische Kommunikation zu qualifizieren, nur weil gewisse personelle oder örtliche Bezugspunkte zur Schule vorliegen. Damit das Interesse der Schule an der Ausübung ihrer Disziplinargewalt über ausserschulisches Verhalten ausreichend begründet ist, sollte, auch im Sinne der Verhältnismässigkeit, die Internetkommunikation jedoch zusätzlich eine Verletzung der besonderen Schülerpflichten darstellen und öffentlich erfolgen. Aufgrund der mangelnden Vorhersehbarkeit und Ungewöhnlichkeit einer derart weitreichenden schulischen Disziplinarbefugnis sind hohe Anforderungen an die Normstufe und Normbestimmtheit der gesetzlichen Grundlage zu stellen. Die hier entwickelten Anknüpfungspunkte schulischer Disziplinargewalt im ausserschulischen Bereich sind in einem Gesetz im formellen Sinn festzuhalten, während die Einzelheiten auf Verordnungsebene ausgeführt werden können. Sind die hier vorgeschlagenen Voraussetzungen nicht erfüllt, so bleibt Schulen der Einsatz alternativer erzieherischer Massnahmen ohne Disziplinarcharakter und den konkret Betroffenen der Rückgriff auf die gewöhnlichen Rechtsmittel im Straf- und Zivilrecht vorbehalten.

 

Nuscha Wieczorek, MLaw, LL.M. (Columbia), ist Doktorandin an der Universität Basel und Mitarbeiterin der SNF-Research Group «Transnational Public Security Law».

 

 

  1. 1 Siehe http://www.projuventute.ch/medien/stoppcybermobbing/ (zuletzt besucht am 23. Oktober 2013).
  2. 2 Gemäss der James Studie 2012 wurden 17% der befragten Schweizer Jugendlichen (die Studie bezieht sich auf Schüler und Schülerinnen aus dem Tessin, der Romandie und der Deutschschweiz im Alter von 12 bis 19 Jahren) im Internet «fertig gemacht» und gaben 7% an, dass beleidigende Bilder oder Texte über sie versendet wurden: Willemse, I./Waller, G./Süss, D./Genner, S./Huber, A.-L., JAMES – Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Zürich 2012, S. 33, 52. Zwei Schweizer Studien, welche 950 Jugendliche im Alter von 13 und 14 Jahren aus den Kantonen Tessin, Wallis und Thurgau befragten, ergaben, dass traditionelles Bullying drei mal häufiger ist als Cyberbullying und es einen engen Zusammenhang zwischen Opfer- und Täteridentität im realen und digitalen Raum gibt. Es wird festgehalten, dass insbesondere die Öffentlichkeit sowie die Anonymität des Bullyings und weniger das genutzte Medium für die empfundene Intensität der Angriffe eine Rolle spielt. Da Öffentlichkeit und Anonymität bei digitaler Kommunikation jedoch eine völlig neue Dimension erhalten, scheint dem Cyberbullying gerade aus diesem Grund ein hohes Verletzungspotential zuzukommen. So empfanden die Befragten öffentliches Cyberbullying denn auch schlimmer als öffentliches traditionelles Bullying und anonymes Cyberbullying schlimmer als anonymes traditionelles Bullying. Siehe Sticca F./Perren S., Is Cyberbullying Worse than Traditional Bullying? Examining the Differential Roles of Medium, Publicity, and Anonymity for the Perceived Severity of Bullying, in: Journal of Youth and Adolescence (2012) sowie Sticca F./Ruggieri S./Alsaker F./Perren S., Longitudinal Risk Factors for Cyberbullying in Adolescence, in: Journal of Community & Applied Social Psychology (2012).
  3. 3 Als besonders drastische Beispiele lassen sich jene Fälle nennen, in denen die Betroffenen Selbstmord begingen. Siehe etwa Tagesanzeiger vom 25. Oktober 2012, Suizid nach Cybermobbing (zuletzt besucht am 23. Oktober 2013) oder auch taz online vom 9. August 2013, Keine Fragen mehr zu ask.fm (zuletzt besucht am 23. Oktober 2013).
  4. 4 Die James Studie 2012 (Fn. 2) hält fest, dass die beliebteste Webseite Schweizer Jugendlicher Facebook ist, direkt gefolgt von YouTube und Google (S. 24).
  5. 5 Gemäss der James Studie 2012 (Fn. 2) besitzen beinahe 100% der Befragten ein Handy, einen Computer oder Laptop, 89% benutzen Handy und Internet täglich oder mehrmals pro Woche, deren Nutzung nimmt auch den ersten Rang unter den Freizeitbeschäftigungen ein. Soziale Netzwerke wie Facebook zählen zu den meist genutzten Online-Angeboten. 79% der Befragten besitzen ein Smartphone und 58% verwenden ihr Handy, um Soziale Netzwerke zu nutzen (S. 12, 15, 21 f., 36, 46, 48).
  6. 6 Zur Aufrechterhaltung der Schulordnung und in Erfüllung ihres Erziehungsauftrages können Schulen an den Umgang der Schüler untereinander und an ihr Verhalten gegenüber dem Lehrpersonal höhere Anforderungen stellen als es die persönlichkeitsschützenden Bestimmungen des Zivil- oder Strafrechts vorsehen. Siehe etwa das durch Schüler gegenüber Lehrpersonen einzuhaltende Achtungsgebot in § 54 Abs. 1 Volksschulverordnung Zürich vom 28. Juni 2006 (412.101) oder das im Urteil des Bundesgerichts vom 24. Mai 1978 erwähnte, für die Äusserungen von Schülern geltende Anstandsgebot (publ. in:) ZBl 1978, S. 505, E. 2b S. 510 (Chlüpperli).
  7. 7 Auf die Frage, wie das Erziehungsrecht der Eltern von jenem der Schule abzugrenzen ist, wird im Rahmen dieses Aufsatzes nicht eingegangen.
  8. 8 BGE 129 I 12 E. 8.3 S. 22. Zu den Kommunikationsgrundrechten im Besonderen siehe Müller Jörg Paul/Schefer Markus, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. Bern 2008, S. 409; Plotke Herbert, Schweizerisches Schulrecht, 2. Aufl. Bern 2003, S. 15.
  9. 9 Geschützt durch Art. 16 Abs. 1 und 2 der Bundesverfassung (BV) sowie Art. 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK); siehe etwa Bucher Laura dazu, dass sich urteilsfähige Minderjährige auf die Meinungsfreiheit berufen können: Die Rechtsstellung der Jugendlichen im öffentlichen Recht, Diss. Zürich 2013, S. 68 mit weiteren Hinweisen. Siehe auch Peduzzi Roberto, Meinungs- und Medienfreiheit in der Schweiz, Diss. Zürich 2004, S. 230.
  10. 10 Geschützt durch Art. 19 BV; siehe etwa Urteil des Bundesgerichts 2P.27/2006 vom 31. Mai 2006, E. 2.5.1 sowie BGE 129 I 35 E. 8.2 S. 42. Siehe auch Bucher (Fn. 9), S. 114. Dazu, dass der disziplinarische Schulausschluss eine einschränkende Konkretisierung des Anspruchs auf Grundschulunterricht darstellt Häfelin Ulrich/Haller Walter/Keller Helen, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Aufl. Zürich 2012, S. 97 Rz. 303a.
  11. 11 Geschützt durch Art. 17 BV; siehe Müller/Schefer (Fn. 8), S. 442 f., 447 sowie Kiener Regina/Kälin Walter, Grundrechte, 2. Aufl. Bern 2013, § 20 S. 243. Zum Schutz von im Internet öffentlich zugänglichen Informationen gemäss Art. 10 EMRK siehe EGMR Times Newspapers LTD v. The United Kingdom (Nr. 1 und 2), 3002/03 und 23676/03 (2009), Ziff. 27. Siehe hierzu auch Peters Anne/Altwicker Tilmann, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. München 2012, § 14 Rz. 3.
  12. 12 Müller /Schefer (Fn. 8), S. 447.
  13. 13 BGE 137 I 209 E. 4.2 S. 212.
  14. 14 Für eine aktuelle Kritik an der nach wie vor etablierten Rechtsfigur des Sonderstatusverhältnisses siehe Keller Helen/Schädler Simon M., Freiheitsrechte im Strafvollzug – Plädoyer für die Abkehr vom Sonderstatus, in: ZSR Band 132 (2013) I Heft 2, S. 204ff. Kritisch gegenüber dem Mehrwert des Instituts für die Diskussion der Zulässigkeitsvoraussetzungen von Grundrechtsbeeinträchtigungen auch Schefer Markus, Die Beeinträchtigung von Grundrechten: Zur Dogmatik von Art. 36 BV, Bern 2006, S. 69 mit Hinweis auf Müller Markus, Das besondere Rechtsverhältnis, Bern 2003, S. 123 f., S. 45–69. Für einen Überblick über den Stand der deutschen Diskussion zur dogmatischen Bedeutung des Konzepts des Sonderstatusverhältnisses und eine klare Analyse des rechtsstaatlich geforderten Umgangs mit den dem Begriff unterstellten Fallgruppen, siehe insbesondere Graf von Kielmansegg Sebastian, Das Sonderstatusverhältnis, in: Juristische Arbeitsblätter Heft 12/2012 S. 881ff.
  15. 15 Siehe etwa Urteil des Bundesgerichts 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013, E. 5.3.1; BGE 135 I 79 E. 6.2 S. 85; BGE 119 Ia 178 E. 6b S. 188 (mit Hinweisen); Urteil des Bundesgerichts vom 24. Mai 1978, (publ. in:) ZBl 1978, S. 505, E. 2a S. 509 (Chlüpperli). Siehe auch Rohr Rahel, Der disziplinarische Schulausschluss. Verwaltungs- und Verfassungsrechtliche Betrachtungen, Zürich 2010, S. 28; Plotke, Schulrecht (Fn. 8), S. 68ff.; Jaag Tobias, Das Mofavebot auf dem Schulweg aus rechtlicher Sicht, in: ZBl 88/1987 S. 410, 413.
  16. 16 Häfelin/Haller/Keller (Fn. 10), S. 106 Rz. 328, 331; Häfelin Ulrich/Müller Georg/Uhlmann Felix, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. Zürich 2010, § 7 Rz. 478; Müller (Fn. 14), S. 22; Plotke, Schulrecht (Fn. 8), S. 375 f.
  17. 17 BGE 130 I 352 E. 3.2 S. 354 mit Hinweis auf BGE 129 I 12 E. 4.2 S. 16 sowie BGE 129 I 35 E. 7.3 S. 38. Siehe auch BGE 117 Ia 27 E. 6a S. 31. Rohr spricht von der Vermittlung der für die Lebensgestaltung grundlegenden praktischen und theoretischen Kenntnisse und der Förderung der beruflichen und persönlichen Entfaltung: (Fn. 15), S. 15.
  18. 18 Siehe etwa §§ 3a & 3b Schulgesetz Basel-Stadt vom 4. April 1929 (410.100); § 2 Volksschulgesetz Zürich vom 7. Februar 2005 (412.100); Art. 2 Volksschulgesetz Bern vom 19. März 1992 (432.210); Art. 3 Volksschulgesetz St. Gallen vom 13. Januar 1983 (213.1); oder auch § 1 Volksschulgesetz Solothurn vom 14. September 1969 (413.111).
  19. 19 Plotke, Schulrecht (Fn. 8), S. 394.
  20. 20 Urteil des Bundesgerichts vom 24. Mai 1978, (publ in:) ZBl 1978, S. 505, E. 5b S. 513 (Chlüpperli).
  21. 21 BGE 98 Ib 301 E. 2a S. 305 (für den Hochschulkontext).
  22. 22 Urteil des Bundesgerichts vom 24. Mai 1978, (publ. in:) ZBl 1978, S. 505, E. 2a S. 509 (Chlüpperli).
  23. 23 BGE 120 Ia 203 E. 3b S. 206.
  24. 24 BGE 118 Ia 410 E. 4 S. 413 f. Siehe auch BGE 128 I 280 mit zahlreichen Hinweisen auf die Praxis des Bundesgerichts zur Wohnsitzpflicht von Beamten (E. 4.2 S. 284), in dem das Gericht die Wohnsitzpflicht für eine Urkundsperson als mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar erklärte, da die Urkundsperson eine hoheitliche Tätigkeit erfülle und das Gemeinwesen berechtigt sei, die Staatsgewalt nur auf seine Angehörigen zu übertragen (E. 4.3 S. 284 f. und E. 4.4 S. 286). Art. 21 Abs. 1 lit. a Bundespersonalgesetz (BPG) vom 24. März 2000 (SR 172.220.1) stellt eine genügende Delegationsgrundlage für die Begründung einer Wohnortspflicht dar, sofern diese für die Aufgabenerfüllung des Beamten notwendig ist. Siehe hierzu Grebski Lukasz/Malla Jasmin, Art. 21, in: Portmann Wolfgang, Uhlmann Felix (Hrsg.), Bundespersonalgesetz, Zürich 2012, S. 373 f. Rz. 23.
  25. 25 BGE 120 Ia 203 E. 4b S. 207. Das Gericht hielt fest, dass dem Beamten ausserdienstlich keine Vorbildfunktion zukomme und lehnte das Argument des Berner Stadtrats ab, dass die städtische Verkehrspolitik unglaubwürdig werde, wenn sich nicht sämtliche Beamten danach richteten.
  26. 26 Gemäss dem Gericht reichten die Interessen der Schule an der Verringerung der Unfallgefahren auf dem Schulweg, der Verminderung der Lärmbelästigung der Umgebung, der Förderung körperlicher Leistungsfähigkeit, der Vorbeugung von Haltungsschäden und der Erziehung zu gesunder Lebensweise und umweltbewusstem Verhalten aus, um die ausserschulische Regulierung zu begründen. Siehe Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 26. März 1986, (publ. in:) ZBl 87/1986, S. 460. E. 2c und 3a S. 461 f.
  27. 27 Plotke Herbert, Schule und Elternhaus, in: ZBl 88/1987, S. 448, S. 450. Jaag wiederum kritisierte insbesondere das fehlende Vorliegen einer kommunalen Rechtsetzungskompetenz zum Erlass eines Mofaverbots für den Schulweg: Mofaverbot (Fn. 15), S. 410, S. 412. Siehe hier in Fn. 1 auch den Hinweis auf den Entscheid des Erziehungsrats des Kantons Zürich vom 27. November 1984 (zusammengefasst im Schulblatt des Kantons Zürich 100/1985, Nr. 3, S. 197), welcher denselben Sachverhalt zum Gegenstand hatte und demgemäss die Befugnis der Schule, Vorschriften zu erlassen, in zeitlicher Hinsicht auf die Unterrichtszeit oder schulische Veranstaltungen beschränkt ist.
  28. 28 Neben der Wahrung der Verhältnismässigkeit und dem Vorliegen eines ausreichenden öffentlichen Interesses sowie einer genügenden gesetzlichen Grundlage.
  29. 29 Kiener/Kälin (Fn. 11), § 9 S. 107; Rohr (Fn. 15), S. 61. Allgemein Häfelin/Müller/Uhlmann (Fn. 16), § 7 Rz. 480ff. sowie Schefer (Fn. 14), S. 67 f. als auch Peduzzi (Fn. 9), S. 75. Siehe zur Geltung und Tragweite des Gesetzmässigkeitsprinzips im besonderen Rechtsverhältnis auch Müller (Fn. 14), S. 24ff.
  30. 30 Urteil des Bundesgerichts 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013, E. 5.3.1 (mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre). Kritisch gegenüber der Zulässigkeit reduzierter Anforderungen and die gesetzliche Grundlage mit Verweis auf den Zweck des besonderen Rechtsverhältnisses Keller/Schädler (Fn. 14), S. 204ff.
  31. 31 Schefer (Fn. 14), S. 69.
  32. 32 BGE 128 I 113 E. 3c S. 122. Siehe auch den für die Schweizer Rechtsentwicklung prägenden Strafgefangenen-Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 33, 1ff. (1972), welcher den Gesetzesvorbehalt für das besondere Rechtsverhältnis etablierte und den im Jahr 1973 darauf folgenden Entscheid des Bundesgerichts BGE 99 Ia 262 (Minelli I), in dem dieses festhielt, dass es aus rechtsstaatlichen Gründen unerlässlich sei, die wichtigsten mit Untersuchungshaft oder Strafvollzug verbundenen Freiheitsbeschränkungen durch einen allgemeinen Erlass zu regeln, um den Gefangenen vor Willkür zu schützen (E. 4 S. 268).
  33. 33 Häfelin/Haller/Keller (Fn. 10), S. 107 Rz. 330; Kiener/Kälin (Fn. 11), § 9 S. 107.
  34. 34 BGE 135 I 79 E. 6.2 S. 85.
  35. 35 Plotke, Schulrecht (Fn. 8), S. 70 f.
  36. 36 Häfelin/Müller/Uhlmann (Fn. 16), § 20 Rz. 1338 f. mit Hinweisen auf BGE 121 I 22 E. 4a S. 27 sowie BGE 98 Ib 301 E. 2a S. 305.
  37. 37 BGE 129 I 12 E. 8.5 S. 24 mit Hinweisen. Siehe auch allgemein formuliert Häfelin/Müller/Uhlmann (Fn. 16), S. 274 Rz. 1202; Müller (Fn. 14), S. 35.
  38. 38 Siehe etwa Rohr (Fn. 15), S. 62.
  39. 39 Plotke, Schulrecht (Fn. 8), S. 410.
  40. 40 Siehe hierzu etwa Papandrea Mary-Rose, Student Speech Rights in the Digital Age, in: Boston College Law School Faculty Papers, vom 20. Oktober 2008; Tabor Jacob, Students‘ First Amendment Rights in the Age of the Internet: Off-Campus Cyberspeech and School Regulation, in: Boston College Law Review, 1. März 2009.
  41. 41 Die Entscheide wurden vom «United States Court of Appeals for the Third Circuit» und dem «United States Court of Appeals for the Fourth Circuit» gefällt. Im amerikanischen Bundesgerichtssystem befinden sich die Court of Appeals auf der Stufe zwischen den erstinstanzlichen Bundesgerichten und dem U.S. Supreme Court.
  42. 42 Für einen Vergleich des sachlichen Schutzbereichs der Meinungsfreiheit im U.S.-amerikanischen Verfassungsrecht mit dem Schutz anderer Verfassungsordnungen siehe etwa Barendt Eric, Freedom of Speech, 2nd ed. Oxford 2007, S. 78–116; zum Schutz sogenannter Hate Speech im Besonderen siehe derselbe S. 183–186. Siehe auch Weinstein James, An Overview of American Free Speech Doctrine and its Application to Extreme Speech, in: Hare Ivan, Weinstein James (Ed.), Extreme Speech and Democracy, Oxford 2009, S. 81–91.
  43. 43 Bei den Urteilen handelt es sich um Entscheide, deren Behandlung der U.S. Supreme Court im Januar 2012 ablehnte (132 S. Ct. 1095; 132 S. Ct. 1097). Da ein von den unteren Gerichten einheitlich anwendbarer Grundsatz zur Beantwortung der Frage, wann Schulen ausserschulische Kommunikation ihrer Schüler disziplinarisch ahnden dürfen, fehlt, hätte die Annahme der Entscheide dem obersten Gericht die Gelegenheit gegeben, bundesweit verbindliche Kriterien zu formulieren.
  44. 44 J.S. Ex Rel. Snyder v. Blue Mountain School Dist., 650 F.3d 915 (3rd Cir. 2011) (Snyder) sowie Layshock v. Hermitage School Dist., 650 F.3d 205 (3rd Cir. 2011) (Layshock).
  45. 45 Kowalski v. Berkeley County School, 652 F.3d 565 (4th Cir. 2011) (Kowalski).
  46. 46 Tinker v. Des Moines Independent Community School District, 393 U.S. 503, 509 (1969): «Certainly where there is no finding and no showing that engaging in the forbidden conduct would «materially and substantially interfere with the requirements of appropriate discipline in the operation of the school,» the prohibition cannot be sustained.»
  47. 47 Bethel School District No. 403 v. Fraser, 478 U.S. 675 (1986) (keine Verletzung der Meinungsfreiheit).
  48. 48 Hazelwood School District v. Kuhlmeier, 484 U.S. 260 (1988) (keine Verletzung der Meinungsfreiheit).
  49. 49 Morse v. Frederick, 551 U.S. 393 (2007) (keine Verletzung der Meinungsfreiheit).
  50. 50 Fraser, 478 U.S. 675, 685 f.; Morse, 551 U.S. 393, 407 f.
  51. 51 Hazelwood, 484 U.S. 260, 270 f.
  52. 52 Morse, 551 U.S. 393, 405.
  53. 53 Morse, 551 U.S. 393, 408.
  54. 54 Hazelwood, 484 U.S. 260, 271.
  55. 55 So hielt das Gericht fest: «But conduct by the student, in class or out of it, which (...) materially disrupts classwork or involves substantial disorder or invasion of the rights of others is (...) not immunized by the constitutional guarantee of freedom of speech.» (Tinker, 393 U.S. 503, 513). Ob unter der Formulierung «or out of it» nur der Pausenhof und Schulveranstaltungen zu verstehen sind oder der ausserschulische Bereich, hängt von der Bedeutung ab, die das Gericht dem Begriff «class» zuschreibt. Steht «class» im weiten Sinne für Zeit, Orte und Veranstaltungen, die der schulischen Verantwortung zuzuordnen sind, so würde die Formulierung «out of it» die Anwendung des Tinker-Grundsatzes auf ausserschulisches Verhalten von Schülern zulassen.
  56. 56 Layshock, 650 F.3d 205, 215–219.
  57. 57 Snyder, 650 F.3d 915, 932.
  58. 58 Kowalski, 652 F.3d 565, 573 f.
  59. 59 Kowalski, 652 F.3d 565, 573: «To be sure, a court could determine that speech originating outside of the schoolhouse gate but directed at persons in school and received by and acted on by them was in fact in-school speech.»
  60. 60 Kowalski, 652 F.3d 565, 573: «We need not resolve, however, whether this was in-school speech and therefore whether Fraser could apply because the School District was authorized by Tinker to discipline Kowalski, regardless of where her speech originated (...).»
  61. 61 Festzuhalten ist allerdings, dass die Schüler in allen drei Entscheiden nicht an einem Schulcomputer sassen, als sie die MySpace-Profile erstellten. In diesem Fall hätten die Gerichte die Internetkommunikation der Schüler wohl als innerschulische Kommunikation qualifiziert. Siehe etwa Kowalski, 652 F.3d 565, 573: «(...) Had Kowalski created the «S.A.S.H.» group during school hours, using a school-provided computer and Internet connection, this case would be more clear-cut, as the question of where speech that was transmitted by the Internet «occurred» would not come into play.»
  62. 62 Kowalski, 652 F.3d 565, 573: «This (...) raises the metaphysical question of where her speech occurred when she used the Internet as the medium. Kowalski indeed pushed her computer’s keys in her home, but she knew that the electronic response would be, as it in fact was, published beyond her home and could reasonably be expected to reach the school or impact the school environment.»
  63. 63 Siehe hierzu etwa das Urteil des Bundesgerichts 2P.27/2006 vom 31. Mai 2006, in dem Schüler pornografische Kollagen ihrer Lehrer auf dem schulischen Intranet veröffentlichten. Das Gericht hielt fest, dass der gegen einen der Schüler verfügte definitive Schulausschluss unverhältnismässig sei, scharfe Disziplinarmassnahmen in Anbetracht der begangenen Verfehlung allerdings zulässig wären (E. 2.5.4).
  64. 64 Im Gegensatz zum Internet ist das Intranet nicht öffentlich, weshalb es sich hierbei genau genommen nicht um Internetkommunikation handelt.
  65. 65 Es ist Schulen ohnehin unbenommen, den Zugang zum Internet innerhalb der Schule in verfassungsrechtlich zulässigem Umfang zu regulieren, indem sie etwa festlegen, welche Webseiten über Schulcomputer zugänglich sind oder die Benutzung mobiler Endgeräte während der Unterrichtszeit und auf dem Pausenhof verbieten.
  66. 66 Die Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Internetkommunikation ist entscheidend für die möglichen Auswirkungen der Äusserungen, wie auch für die Diskussion der Zulässigkeit schulischer Disziplinarbefugnis. Näheres hierzu siehe Kapitel 3.4. «Form der Kommunikation».
  67. 67 Es ist nicht abschliessend geklärt, ob Tinker auf ausserschulische Äusserungen von Schülern anwendbar ist (siehe Fn. 55), anstatt nur auf innerschulische Kommunikation. So hielt das Gericht in Snyder etwa fest: «(...)And we will assume, without deciding, that Tinker applies to J.S.’s speech in this case.» (650 F.3d 915, 926). Siehe auch die ablehnende Haltung von Smith (concurring opinion): Snyder, 650 F.3d 915, 936ff. Oder die Diskussion von Jordan (concurring opinion): Layshock, 650 F.3d 205, 220ff.
  68. 68 Layshock, 650 F.3d 205, 216: «Accordingly, because the School District concedes that Justin’s profile did not cause disruption in the school, we do not think that the First Amendment can tolerate the School District stretching its authority into Justin’s grandmother’s home (...). It would be an unseemly and dangerous precedent to allow the state, in the guise of school authorities, to reach into a child’s home and control his/her actions there to the same extent that it can control that child when he/she participates in school sponsored activities.»
  69. 69 Snyder, 650 F.3d 915, 929, 931.
  70. 70 Kowalski, 652 F.3d 565, 572ff.
  71. 71 Kowalski, 652 F.3d 565, 574.
  72. 72 Siehe etwa Urteil des Bundesgerichts 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013, E. 5.3.1 (mit weiteren Hinweisen) sowie BGE 129 I 12 E. 8.4 S. 23, bestätigt in BGE 129 I 35 E. 9.1 S. 43, wiederum bestätigt im Urteil des Bundesgerichts 2P.27/2006 vom 31. Mai 2006, E. 2.5.1. Allgemein hierzu: Häfelin/Müller/Uhlmann (Fn. 16), S. 306 Rz. 1338 sowie Tschannen Pierre/Zimmerli Ulrich/Müller Markus, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. Bern 2009, § 50 Rz. 5ff.
  73. 73 Rohr (Fn. 15), S. 33
  74. 74 Plotke, Schulrecht (Fn. 8), S. 408 f. Jaag Tobias hält fest, dass das Erziehungsrecht der Eltern in einem Spannungsverhältnis zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule steht und Schulen nur insoweit in das elterliche Erziehungsrecht eingreifen dürfen, als dies für die Erfüllung ihres Auftrags unmittelbar erforderlich ist: Rechtsfragen der Volksschule, insbesondere im Kanton Zürich, in: ZBl 1997, S. 537ff., S. 540. Gemäss Rohr obliegt die Zeit unmittelbar vor oder nach den Schulstunden dem Erziehungsrecht der Eltern und nicht jenem des Staates, sie erlaubt aber immerhin Abweichungen in Ausnahmefällen aus Zweckmässigkeitsüberlegungen: (Fn. 15), S. 39. Absolut hingegen positioniert sich Bucher, gemäss welcher sich schulische Disziplinarmassnahmen ausschliesslich auf Fehlverhalten der Schüler unmittelbar vor, während oder nach dem Unterricht beziehen dürfen, da ansonsten ein Eingriff in die Elternrechte vorliegt: (Fn. 9), S. 114, inkl. Fn. 530.
  75. 75 Im vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht.
  76. 76 BGE 129 I 35 E. 9.5 S. 45. Neben der schulischen Funktion des Opfers war in diesem Fall wohl allerdings auch der Umstand entscheidend, dass sich der Vorfall auf dem Schulareal ereignete, was den Sachverhalt von der ausserschulischen Internetkommunikation von Schülern abgrenzt. Zu achten ist auch auf den Umstand, dass es sich hier um eine tätliche Handlung und nicht etwa um eine verletzende Meinungsäusserung handelte, was ein strengeres Vorgehen unterstützen kann.
  77. 77 Siehe Müller/Schefer, wo festgehalten wird, dass die Äusserungen eines Staatsangestellten ausser Dienst nur dann von der Treuepflicht erfasst werden, wenn sie in einem qualifizierten Konnex zur Ausübung der amtlichen Stellung des Betroffenen stehen: (Fn. 8), S. 405. Das Vorliegen eines qualifizierten Konnexes zwischen einer Äusserung und der ihrem Urheber im besonderen Rechtsverhältnis zukommenden Funktion muss analog auch bei ausserschulischen Äusserungen von Schülern gefordert werden, wenn die Regulierungsbefugnis der Schule begründet werden soll.
  78. 78 Allgemein Häfelin/Haller/Keller (Fn. 10), S. 162 Rz. 502 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts vom 22. Dezember 1983, (publ. in:) ZBl 1984, S. 315ff. Eine Übersicht über die Gerichts- und Verwaltungspraxis auf Bundes- und kantonaler Ebene zur Treuepflicht bis 2008 bietet Hänni Peter, Das öffentliche Dienstrecht der Schweiz, 2. Aufl. Zürich 2008, § 8 S. 433ff. Zu den inhaltlichen und gesetzestechnischen Anforderungen an die im Bundespersonalgesetz vorgesehene Treuepflicht als Grundlage von Einschränkungen ausserdienstlicher Meinungsäusserungen der Staatsangestellten siehe Schibli Beatrix, Einschränkungen der Meinungsfreiheit des Bundespersonals, Diss. Zürich 2005.
  79. 79 BGE 136 I 332 E. 3.2.1 S. 336.
  80. 80 Da der Beschwerdeführer keine Möglichkeit hatte, seine Kritik intern anzubringen bevor er sich an die Öffentlichkeit wandte, konnte ihm auch nicht vorgeworfen werden, nicht zuerst interne Möglichkeiten zur Anbringung seines Anliegens ausgeschöpft zu haben. Überdies verzichtete der Inhalt des Flugblatts gemäss Bundesgericht auf polemische oder verletzende Angriffe und liess sich diesem entgegen der Ansicht der Vorinstanz kein gegen die Hochschule gerichteter Vorwurf der Pflichtwidrigkeit entnehmen. Zudem richte sich die Kritik an ein Publikum (Kantonsräte), das daran gewohnt sei, dass Interessenvertreter im Rahmen des Lobbyierens ihren Standpunkt eher über- als untertreiben (E. 3.3.1 S. 337 sowie E. 3.3.3ff. S. 339 f.).
  81. 81 EGMR Vogt v. Germany (GC), 17851/91 (1995).
  82. 82 EGMR Strezelecki v. Poland, 26648/03 (2012).
  83. 83 Urteil des Bundesgerichts 2A.6/2005 vom 5. Juli 2005.
  84. 84 In diesem Sinne, allerdings restriktiver Tabor (Fn. 40), S. 591-601
  85. 85 An Form und Stil der Meinungsäusserungen von Schülern sind aufgrund deren Alters weniger strenge Anforderungen zu stellen als bei Erwachsenen: Plotke, Schulrecht (Fn. 8), S. 394.
  86. 86 Siehe etwa BGE 129 I 12 E. 8.4 S. 23 f. mit Hinweis auf BGE 126 II 300 E. 5 sowie Plotke, Schulrecht (Fn. 8), S. 37, 395. Siehe auch die Darstellung der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu den Kontrollpflichten des Staates in Bezug auf die Schulumgebung: Frank Meyer/Marta Więckowska, Die Rechtsprechung des EGMR in Strafsachen im Jahr 2012, in: forumpoenale 4/2013, S. 241, 246. Besonders der dort vorgestellte Entscheid Kayak v. Turkey, 60444/08 (2012) scheint hier von Interesse, in welchem ein Schüler einen Jugendlichen in der Nähe einer Schule mit einem aus der Schulkantine entwendeten Messer erstach und der EGMR die Verantwortlichkeit der Schule aufgrund der ihr allgemein zukommenden Obhutspflicht bejahte, trotz fragwürdiger Kausalität.
  87. 87 BGE 135 I 79 E. 6.3ff. S. 85 f. sowie Urteil des Bundesgerichts 2C_666/2011 vom 7. März 2012, E. 2.5.3. Siehe auch den älteren Entscheid BGE 119 Ia 178 E. 6e S. 189
  88. 88 In BGE 135 I 79 sah das kantonale Schulgesetz vor, dass beide Geschlechter Anspruch auf gleiche Bildungsmöglichkeiten haben und dass für Knaben wie Mädchen die gleiche Ausbildung anzubieten sei (E. 6.4 S. 86). Im Urteil des Bundesgerichts 2C_666/2011 vom 7. März 2012 hielt das kantonale Schulgesetz fest, dass Mädchen und Knaben in der Primarschule grundsätzlich gemeinsam zu unterrichten seien (E. 2.5.2). Die fraglichen Gesetzesgrundlagen sind allerdings ausreichend offen formuliert, dass ihren Anforderungen auch mit einem getrennt-geschlechtlichen Schwimmunterricht nachgekommen hätte werden können.
  89. 89 Urteil des Bundesgerichts 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013, E. 5.4.2.
  90. 90 In BGE 135 I 29 scheint das Bundesgericht eher von einem für die Beschwerdeführer intensiven Eingriff in deren Religionsfreiheit auszugehen (E. 4.4 S. 83 f.), während es das Kopftuchverbot in Urteil des Bundesgerichts 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013 ausdrücklich als schweren Eingriff qualifiziert (siehe E. 5.2 mit Hinweis).
  91. 91 Selbst bezüglich BGE 135 I 79 und des Urteils des Bundesgerichts 2C_666/2011 vom 7. März 2012 kann argumentiert werden, dass die Eingriffsgrundlage zwar ein Zusammenspiel des Lehrplans und der kantonalen Schulgesetze ist. Dass die Erteilung des Schwimmunterrichts gemischtgeschlechtlich erfolgt und damit den empfindlichen Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit der islamischen Kinder verursacht, lässt sich aber doch immerhin auf ein Gesetz im formellen Sinn abstützen.
  92. 92 Urteil des Bundesgerichts 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013, E. 5.3.1 (mit Hinweisen).
  93. 93 Vergleichbar Plotke, Schule und Elternhaus (Fn. 27), S. 448, 449.
  94. 94 So hielt das Bundesgericht in BGE 128 I 113 explizit fest, dass bisher unübliche Regelungen in einem Gesetz im formellen Sinn vorgesehen werden müssen (siehe E. 3c S. 122), bestätigt in BGE 130 I 1 E. 3.4.2 S. 7.
  95. 95 Siehe etwa Tschannen/Zimmerli/Müller, die festhalten, dass die Anstaltsdisziplin als zentraler Aspekt der Anstaltsordnung in einem Gesetz im formellen Sinn vorgesehen sein sollte: (Fn. 72), § 50 Rz. 5. Von diesem Gedanken müsste korrekterweise auch eine Regelung erfasst sein, die festhält, dass sich die Disziplinarbefugnis einer Schule unter gewissen Umständen auch auf den ausserschulischen Bereich erstrecken kann.
  96. 96 Siehe Urteil des Bundesgerichts 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013, E. 5.3.1.
  97. 97 Schibli diskutiert etwa anhand der Treuepflicht in Art. 20 Bundespersonalgesetz, dass für Einschränkungen der Meinungsfreiheit von Bundesangestellten in einer möglichst bestimmten Norm das gebotene Verhalten zu umschreiben sei und dies insbesondere für das ausserdienstliche Verhalten des Bundespersonals gelte. Aus einer genügenden gesetzlichen Grundlage müsse hervorgehen, ob sie die Meinungsfreiheit des Staatspersonals auch ausserdienstlich einschränkt: (Fn. 78), S. 59 f. Selbst wenn sich die aufgeführten Überlegungen auf das öffentliche Dienstrecht beziehen, kann ihnen doch entnommen werden, dass bei einer zeitlich, sachlich oder örtlich ungewöhnlich weitreichenden Regulierung des Verhaltens von Personen in einem Sonderstatusverhältnis, hohe Anforderungen an die Normbestimmtheit zu stellen sind, um eine derartige Ausdehnung der Regulierungsbefugnis gesetzlich abstützen zu können.
  98. 98 Zur Veranschaulichung, dass auf niedriger Normstufe nur Rechte und Pflichten der Schüler vorgesehen werden dürfen, sofern diese bereits im Gesetz statuierte Rechte und Pflichten näher ausführen siehe Urteil des Bundesgerichts 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013, E. 5.4.1.
  99. 99 Rohr (Fn. 15), S. 58.
  100. 100 Siehe Müller (Fn. 14), S. 35.
  101. 101 Siehe etwa Tschannen/Zimmerli/Müller (Fn. 72), § 50 Rz. 12, welche erleichterte Anforderungen an Normbestimmtheit und Normstufe von Disziplinarmassnahmen nur für zulässig erachten, sofern die Anstaltsbenutzer das unerlaubte Verhalten aus dem Anstaltsreglement oder aus der Natur des Anstaltszwecks ohne weiteres erkennen können. Eben diese klare Erkennbarkeit ist bei der Disziplinierung ausserschulischer Internetkommunikation von Schülern nicht erfüllt, m.E. selbst dann nicht, wenn die Äusserungen auf Mitschüler oder das Schulpersonal ausgerichtet sind.
  102. 102 Häfelin/Haller/Keller (Fn. 10), S. 107 Rz. 332. Siehe auch Peduzzi (Fn. 9), S. 88 f.
  103. 103 Rohr (Fn. 15), S. 55.
  104. 104 Urteil des Bundesgerichts 2P.27/2006 vom 31. Mai 2006, E. 2.5.2 mit Hinweis auf BGE 129 I 35 E. 10.2 S. 46.