Jusletter IT

Googles Autocompletefunktion als juristische Herausforderung

  • Author: Clemens Thiele
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: IP Law
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Clemens Thiele, Googles Autocompletefunktion als juristische Herausforderung, in: Jusletter IT 20 February 2013
Für die «Autocompletefunktion» (Autovervollständigung) kombiniert Google die Ergebnisse des «geheimen» Suchalgorithmus mit der Suchaktivität andere Nutzer. Je häufiger nach einem Begriff gesucht wird, desto wahrscheinlicher ist sein Auftauchen in der Autovervollständigungsliste von Google. Die Vervollständigung von Suchanfragen erfolgt darüber hinaus «personalisiert», genauer gesagt, endgeräteabhängig. Daraus ergeben sich juristische Fragestellungen i.Z.m. dem Persönlichkeitsrecht Betroffener, dem Urheberrecht und der Suchmaschinenhaftung, denen der Beitrag nachgehen möchte.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Technische Grundlagen
  • 3. Rechtliche Beurteilung
  • 3.1. Österreichische Ausgangslage
  • 3.2. Unionsrecht
  • 4. Ausgewählte Judikaturfälle
  • 4.1. Frankreich und Italien
  • 4.2. Schweiz
  • 4.3. Deutschland
  • 5. Eigene Stellungnahme
  • 6. Zusammenfassung
  • 7. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]

Internet-Studien zufolge verbringen die Nutzer ca. ein Drittel der Online-Zeit bei Facebook oder bei Google.1 Dennoch kennt weniger als 1% davon die Arbeitsweise von Suchmaschinen, weiß, was der «Google Suchindex» ist, oder um die Wirkung der Auto-Vervollständigung einer Suchmaschine. Vielmehr herrscht die Vorstellung vor, die Suchmaschine findet nahezu objektiv aus der Informationsflut des Netzes mehr oder weniger zufällig das Resultat, das in der «virtual reality» der Wahrheit am nächsten kommt. Demgegenüber schafft Google tatsächlich eine «Personal Reality» für jeden Nutzer.

2.

Technische Grundlagen ^

[2]
Für die «Autocompletefunktion» (Autovervollständigung; Auto-Suggest) kombiniert Google nun die Ergebnisse des «geheimen» Suchalgorithmus mit der Suchaktivität andere Nutzer. Je häufiger nach einem Begriff gesucht wird, desto wahrscheinlicher ist sein Auftauchen in der Autovervollständigungsliste. Andererseits gilt: Fällt die Beliebtheit eines Suchbegriffs, verschwindet er langsam aus der Auswahl. So stellt Google sicher, dass neben aktuellen Trends auch Such-Evergreens in der automatischen Vervollständigung auftauchen und unpopuläre Begriffe die Suche nicht unnötig verkomplizieren.
[3]
Die Vervollständigung von Suchanfragen erfolgt darüber hinaus «personalisiert», genauer gesagt, endgeräteabhängig. So liefert die gleiche Suchanfrage (einmal vom Handy, das andere Mal vom PC) unterschiedliche Ergebnisse, je nach vorhergehendem Nutzerverhalten. Sog. Cookie-Technik ermöglicht dies.

Abbildung 1: Autocompletefunktion

[4]
Die Autovervollständigung
  • ist technisch nicht notwendig für die Suche
  • stellt ein aktives Eingreifen in den Suchvorgang dar durch
  • Filterauswahl
  • Suchvorschläge
  • Einflussnahme und
  • liefert nicht neutrale, unobjektive, personalisierte Ergebnisse.

    [5]
    Google gibt damit durch die eingesetzte Technik die Richtung vor und beeinflusst die Suche und damit auch die Trefferliste, also das Suchergebnis.
    [6]
    Die Autovervollständigung ist veränderbar, d.h. Google-Mitarbeiter können «händisch» eingreifen. So streicht Google zum Beispiel Verweise auf pornografische Inhalte oder nimmt Begriffe aus der Liste (dem Suchindex bzw. dem «Page-Rank-Algorithmus»), die einen klaren Bezug zu Urheber- oder Markenrechtsverletzungen haben. Insoweit besteht auch ein eigenes Meldesystem bzw. eine z.T. prompte Reaktion auf Anwaltsschreiben oder amtliche Mitteilungen von Behörden. Links auf Seiten, die durch Verstöße gegen das Urheberrecht auffällig geworden sind, löscht Google teilweise sogar komplett aus den Suchergebnissen. Bei Persönlichkeitsverletzungen befolgt Google erst ein zur Verfügung gestelltes Gerichtsurteil und greift vorher i.d.R. gar nicht zugunsten des Verletzten ein – getreu dem Google Motto: «Dont be evil!».

    3.

    Rechtliche Beurteilung ^

    3.1.

    Österreichische Ausgangslage ^

    [7]
    Google nimmt nach bislang unbestrittener Auffassung2 in Österreich das Haftungsprivileg des § 14 ECG3 in Anspruch. Die Vorschrift lautet:
    [8]
    Ausschluss der Verantwortlichkeit bei Suchmaschinen
    [9]
    § 14. (1) Ein Diensteanbieter, der Nutzern eine Suchmaschine oder andere elektronische Hilfsmittel zur Suche nach fremden Informationen bereitstellt, ist für die abgefragten Informationen nicht verantwortlich, sofern er
  • die Übermittlung der abgefragten Informationen nicht veranlasst,
  • den Empfänger der abgefragten Informationen nicht auswählt und
  • die abgefragten Informationen weder auswählt noch verändert.
  • [10]
    (2) Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Person, von der die abgefragten Informationen stammen, dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird.
    [11]
    Nach der Rsp.4 stellt eine Suchmaschine ein für den Nutzer kostenloses Programm dar, das das Auffinden von Inhalten im Internet erleichtert. Auch die Suchmaschine Google zeigt dem Nutzer im Suchergebnis einer Bildersuche verkleinerte Vorschaubilder an, unter denen jeweils die Adresse der Ursprungswebsite und die Originalgröße des Bildes angegeben sind. Klickt der Nutzer in diesem Programm das Vorschaubild an, gelangt er direkt zur entsprechenden Seite auf der Ursprungswebsite, wobei ein dort im Nahbereich des Bilds angebrachter Herstellervermerk sichtbar ist oder durch Anklicken eines Copyrightvermerks aufgerufen werden kann. Als Suchmaschine komme Google i.d.R. das Haftungsprivileg der §§ 14, 17 ECG zugute.5
    [12]
    Demgegenüber geht ein Teil der österreichischen Urheberrechtslehre6 etwas differenzierter «gegebenenfalls» von einer Mithaftung von Suchmaschinenbetreibern oder «bestimmten Linksetzern als Beitragstätern» aus.
    [13]
    Zu beachten ist schließlich, dass ein «Verbreiten» kreditschädigender Äußerungen i.S.d. § 1330 Abs 2 ABGB das Mitteilen einer Tatsache, und zwar sowohl einer eigene Behauptung als auch das Weitergeben der Behauptung eines Dritten, ohne sich mit dessen Äußerung zu identifizieren, umfasst. Es ist ausreichend, dass die Mitteilung an eine Person erfolgt. Eine geistige Beziehung des Verbreiters zum wiedergegebenen Gedankeninhalt («intellektueller Verbreiter») ist nicht erforderlich; die «technische Verbreitung» durch Zeitung, Rundfunk, Fernsehen oder Internet genügt.7

    3.2.

    Unionsrecht ^

    [14]

    Es ist zu prüfen, ob Google’s Autocompletefunktion die Vergünstigungen nach Art 14 EC-RL8 zugutekommen können. Voraussetzung dafür ist nach Art 14 Abs 1 lit a EC-RL, dass sich der Betreiber darauf beschränkt, seine Dienste «mittels rein technischer und automatischer Verarbeitung» durchzuführen, ohne eine aktive Rolle zu übernehmen.9 Zweitens aber darf nach Art 14 Abs 1 lit b EC-RL, selbst wenn die Leistungen des Diensteanbieters in diesem Sinne bloß passiv erfolgen, keine tatsächliche Kenntnis – im Hinblick auf Schadenersatzansprüche auch kein entsprechendes Bewusstsein – über Rechtswidrigkeiten vorhanden sein bzw. sind nach Kenntniserlangung die Daten unverzüglich zu löschen oder der Zugang zu ihnen zu sperren. Der EuGH stellt dazu klärend fest, dass bei der Prüfung, ob dem Diensteanbieter Tatsachen bewusst gewesen seien, auf den «sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer» abzustellen ist,10 und betont, Art 14 Abs 1 EC-RL solle «alle Fälle erfassen, in denen sich der betreffende Anbieter in der einen oder anderen Weise solcher Tatsachen oder Umstände bewusst war».11 Im Ergebnis gelangt das Europäische Höchstgericht zu einer restriktiven Handhabung der Providerprivilegien.12

    [15]
    Eine Haftungsfreistellung für Suchmaschinen greift dann nicht ein, wenn der Anbieter des Dienstes, anstatt sich darauf zu beschränken, diesen mittels rein technischer und automatischer Verarbeitung der von seinen Kunden eingegebenen Daten neutral zu erbringen, eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis dieser Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte.13
    [16]

    Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass Google mit dem Anbieten der Autocompletefunktion eine Vermittlerhaftung eingegangen ist, die zu Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadenersatzansprüchen der Betroffenen führt.

    [17]
    Das häufig von Suchmaschinenbetreibern ins Treffen geführte Gegenargument läuft letztlich darauf hinaus, dass der Autocomplete-Algorithmus eine subjektive Meinung(säußerung) des Betreibers beinhaltet, die durch Art 10 MRK geschützt ist. Schließlich dient das Grundrecht auch der Freiheit von commercial speech,14 die in einer pluralistischen Demokratie eben substanziell erforderlich ist und keiner Einschränkung bedarf. Eine Einschränkung der Autocompletefunktion wäre aber demnach unverhältnismäßig.

    4.

    Ausgewählte Judikaturfälle ^

    [18]
    Die daraus folgende Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen führt im Einzelfall zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen, wie ein Blick auf vergleichbare, bereits entschiedene Fälle vor europäischen Gerichten zeigt.

    4.1.

    Frankreich und Italien ^

    [19]

    Im ersten Fall wurde auf «google.fr» bei der Eingabe des Vor- und Nachnamens des Klägers, der zuvor bereits wegen «corruption mineur» vorbestraft war, Suchvorschläge wie «prison», «violeur» (= Vergewaltiger) oder «sataniste» angezeigt. Das Tribunal de Grande Instance de Paris15 verurteilte Google zur Beseitigung der Suchvorschläge im Zusammenhang mit den jeweiligen Namen, da sie als persönlichkeitsverletzend qualifiziert wurden.

    [20]

    In einem ähnlich gelagerten Fall gelangte ein Mailänder Gericht zum selben Ergebnis.16 Dort erschienen bei der Eingabe des Namens eines Unternehmers die Suchvorschläge «truffa» (= Betrug) und «truffatore» (= Betrüger).

    4.2.

    Schweiz ^

    [21]

    Das klagende Albert Tanneur Institut & Co. Sàrl begehrte von Google Inc. zunächst außergerichtlich und dann vor den Gerichten im Kanton Jura die Entfernung des Suchvorschlags «Albert Tanneur Institut Scam» auf google.ch und google.com. Der englische Begriff «Scam» bedeutete nämlich übersetzt «Betrug». Das betroffene Institut erachtete die daraus hervorgehende Gedankenverbindung als persönlichkeitsverletzend nach Art 28 ZGB bzw. unlauter herabsetzend gem. Art 3 lit a UWG. Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen. Das Kantonsgericht17 bestätigte zwar sowohl die Passivlegitimation von Google, Inc. als auch die internationale Zuständigkeit Schweizer Gerichte; es verneinte jedoch eine Haftung der Suchmaschine, da dies zu einer Form der Zensur und einer inakzeptablen Einschränkung des Rechts auf freien Zugang zu Informationen führen würde.

    [22]
    Nach Ansicht der Schweizer Richter führte die Verbindung eines Namens einer Gesellschaft mit dem Wort Betrug bei einer abstrakten Betrachtung zwar zu einer Beeinträchtigung des Rufs der Gesellschaft. Allerdings müsste der konkrete Zusammenhang, in dem ein solcher Ausdruck erscheine, betrachtet werden. Das Gericht erachtete es als wesentlich, dass die Suchvorschläge auf einer bestimmten Anzahl von Suchabfragen von anderen Nutzern in einer festgelegten Zeitspanne basierten. Einem durchschnittlichen Internetnutzer wäre dabei bewusst, dass die Suchvorschläge lediglich Vorschläge seien und keine positive Äußerung der Suchmaschine selbst darüber, ob das Institut in der Vergangenheit wegen Betrugs verurteilt worden wäre oder nicht. Folglich könnte der Verbindung des Namens des Klägers mit dem Wort «Betrug» im Rahmen eines simplen Suchvorschlags keine ehrenrührige Bedeutung zukommen und keine Beeinträchtigung des Rufs einer Gesellschaft verursachen. Aber auch wenn man eine Persönlichkeitsverletzung bejahen würde, wäre diese durch das überwiegende öffentliche Interesse an Suchmaschinen im Internet gerechtfertigt, befand das Kantonsgericht. Gleiches galt auch für die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche wegen Herabsetzung nach Art 3 lit a schwUWG.

    4.3.

    Deutschland ^

    [23]

    Durchaus kontrovers entwickelt sich die Rsp. der Instanzgerichte in Deutschland. Während zunächst das LG Frankfurt18 seine bereits im Sicherungsverfahren geäußerte Ansicht19 festigte, eine Autocompletefunktion, welche dem Besucher einer Webseite eine automatische Vorschlagsliste mit Fantasie-Fachanwaltstiteln vorgibt, ist lauterkeitswidrig, entschied das OLG Köln20 grundsätzlich gegenteilig: Macht eine Suchmaschine bei Eingabe eines Suchbegriffes Vorschläge für dazu passende Suchbegriffe mittels Autocompletefunktion, ist darin keine eigenständige Meinungs- oder Tatsachenbehauptung des Suchmaschinenbetreibers zu sehen. Der durchschnittliche Internetnutzer verstünde die dort angezeigten Suchbegriffe als Ergänzungsvorschläge, die keinen inhaltlichen Bezug mit dem ursprünglich eingegeben Begriff hätten, sondern vielmehr als Ergebnis einer technischen Analyse anhand ähnlicher Suchanfragen von anderen Nutzern. Im Anlassfall forderte der Kläger es zu unterlassen, bei Eingabe seines Namens in die Suchmaschine Google.de u.a. die Wortkombination «Betrug» und «Scientology» im Rahmen der Autocompletefunktion anzuzeigen. Die Kölner Richter verneinten eine Haftung von Suchmaschinen auch deshalb, da dem durchschnittlichen User bewusst wäre, dass es sich um keine Äußerungen der jeweiligen Suchmaschine handelte, sondern vielmehr um fremde Inhalte.21

    [24]
    Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die in der Suchmaske angezeigten Ergänzungssuchbegriffe sich mit dem Fortschritt der eingegebenen Buchstabenfolge des von dem Nutzer formulierten Suchworts verändern. Bereits bei der Eingabe des ersten Buchstabens des Suchwortes, also noch bevor überhaupt ein Sinngehalt des einzugebenden Suchworts und damit ein etwaiger Themenbezug der initiierten Recherche erkennbar sei, würde in dem sich öffnenden Fenster der Funktion Ergänzungsvorschläge angezeigt. Dies verdeutlichte, dass es sich bei den angezeigten Ergänzungsvorschlägen nicht um auf kognitiver Zuordnung basierende Präzisierungsvorschläge, sondern um anhand bloß formaler äußerer Übereinstimmungen gewonnene Ergebnisse handle.22
    [25]
    Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangten zuvor bereits Münchner Richter,23 die im «Auto-Suggest» von Google ebenfalls ein rein automatisiertes Verfahren sahen, das sich in der Wiedergabe des Suchverhaltens der User erschöpft.24 Auch sie lehnten eine Haftung für persönlichkeitsverletztende Äußerungen – mangels Äußerung von Google ab.

    5.

    Eigene Stellungnahme ^

    [26]

    In einer Studie zur Autocompletefunktion aus dem Jahr 2012 erhielten 1000 willkürlich ausgewählte Personen vier Suchbegriffe über Personen bzw. Unternehmen, bei denen Google jeweils genau einen negativen Suchvorschlag angezeigt hatte. Die Personen mussten die vier Begriffe bei Google eingeben und anschließend Fragen dazu beantworten. Die Ergebnisse der Studie25 zeigen, dass die Nutzer in erheblichem Maß durch die Autocompletefunktion beeinflusst werden. Bei jedem dritten Proband blieb der negative Suggest, den Google bei der Recherche zu einer Person vorschlug, in Erinnerung. Die von Google zu einer Person gemachten Negativvorschläge sind kaum mehr aus den Vervollständigungen wegzubekommen und verbleiben oft noch Jahre nach der Berichterstattung, aus der sie einst resultierten, abrufbar.

    [27]
    Zunächst stellt sich die Frage, ob die mittels Autocomplete im Vorschaubereich angezeigten Inhalte eigene oder fremde Inhalte von Google sind. Es handelt sich dabei um fremde Website(inhalte), sodass Google grundsätzlich das Providerhaftungsprivileg in Anspruch nehmen könnte. Unter konsequenter Beachtung der technischen Grundlagen und Anwendung der EuGH-Rsp. zur Vermittlerhaftung offenbart sich, dass Googles Autocompletefunktion bei (bestimmten natürlichen oder juristischen) Personen kein neutrales Abbild des Rufes einer Person erzeugt, sondern die Suchmaschine durch die Autocompletefunktion selbst selektiv, wenngleich bedingt durch die Sensationsgier einiger Suchmaschinen-Nutzer oftmals ihre extrem positiven oder negativen Eigen- bzw. Machenschaften befördert. Insoweit, nämlich bezogen auf die Suggests der Autocompletefunktion (die Suchvorschläge) selbst liegen eigene Inhalte vor, wobei durchaus diskussionswürdig erscheint, ob die Worte im Einzelnen überhaupt geeignet sind, (persönlichkeitsverletzende) Bedeutungsgehalte i.S. des Äußerungsrechts darzustellen.26
    [28]
    Bedenkt man schließlich, dass die bei Google-Autocomplete gemachten Vorschläge ein Garant für Traffic sind, bestimmte Webseiten immer wieder «künstlich», d.h. ohne Anlass, darüber berichten und damit auch wieder Suchanfragen erzeugt werden, ist Googles Autocompletefunktion durchaus persönlichkeitsverletzend und unter gewissen Umständen schwer rufschädigend. Den Betroffenen stehen daher m.E. grundsätzlich Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadenersatzansprüche zu.

    6.

    Zusammenfassung ^

    [29]
    Googles Autocompletefunktion schafft mitunter erste negative Eindrücke zu gesuchten Personen oder Unternehmen, die beim Nutzer hängen bleiben. Dagegen vorzugehen ist ein juristisches Gebot der Stunde, nicht nur für die unmittelbar Betroffenen. Auch deshalb, weil durch die selektiven Suggests und in weiterer Folge durch die Suchergebnisse kein wertneutraler, objektiver Ausschnitt der virtuellen Welt gegeben wird, sondern die Gefahr einer «Filter-Bubble»27 entsteht, die dem Nutzer nicht mehr (an Wissen), sondern nur mehr vom Gleichen offenbart. Suchmaschinen sollten daher auch (weiterhin) ohne automatische Filter genutzt werden können.

    7.

    Literatur ^

    Anderl, Axel, Aktuelles zum Keyword-Advertising, RdW Seite 143 (2006).

    Danzl, Karl-Heinz, § 1330 ABGB, in Koziol, Helmut/Bydlinski, Peter/Bollenberger, Raimund, Kurzkommentar zum ABGB3, Springer Verlag, Wien (2010).

    Feiler, Lukas/Stahov, Ana, Rechtliche Aspekte der Netzneutralität und ihrer Einschränkung, MR Seite 287 (2011).

    Grabenwarter, Christoph/Pabel Katarina, Europäische Menschenrechtskonvention5, Verlag C.H. Beck, München (2012).

    Gruber, Michael, Die Haftungsbestimmungen im ECG, in Gruber, Michael/Mader Peter (Hrsg.), Privatrechtsfragen des e-commerce, Verlag Manz, Wien (2003).

    Hackl, Wolfgang, Verantwortlichkeit nach dem E-Commerce-Gesetz, in Plöckinger, Oliver/Duursma, Dieter/Mayrhofer, Michael (Hrsg.), Internet-Recht, NWV Verlag, Wien (2004).

    Haller, Albrecht/Brenn, Christoph, § 14 ECG in Brenn, Christoph (Hrsg.), E-Commerce-Gesetz Kurzkommentar, Manz Verlag, Wien (2002).

    Pariser, Eli, Filter Bubble – Wie wir im Internet entmündigt werden, Hanser Verlag, Berlin (2012).

    Staudegger, Elisabeth, Entscheidungsanmerkung, in: jusIT Seite 168 (2011).

    Strasser, Mathias, § 14 ECG – Paradies auf Erden für Napster & Co? ecolex Seite 241 (2002).

    Walter, Michel M., Österreichisches Urheberrecht Handbuch I. Teil, Verlag Medien & Recht, Wien (2008).

     


     

    Clemens Thiele, Rechtsanwalt/Partner, Götzl Thiele Eurolawyer® Rechtsanwälte Salzburg.

     


     

    1. 1 Digital Studie 2011 zur Online-Nutzung, zitiert nach der Süddeutschen Zeitung vom 31.10.2011, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/digital/studie-zur-internetnutzung-facebook-und-google-schlucken-die-meiste-zeit-1.1177294 aufgerufen: 4.2.2013.
    2. 2 Haller/Brenn in Brenn (Hrsg.), ECG (2002), 272 ff; Strasser, § 14 ECG - Paradies auf Erden für Napster & Co? ecolex 2002, 241, 242; Hackl, Verantwortlichkeit nach dem E-Commerce-Gesetz, in Plöckinger/Duursma/Mayrhofer (Hrsg.), Internet-Recht (2004), 87, 88f; Gruber, Die Haftungsbestimmungen im ECG, in Gruber/Mader (Hrsg.), Privatrechtsfragen des e-commerce (2003), 243, 249; krit. bereits Feiler/Stahov, Rechtliche Aspekte der Netzneutralität und ihrer Einschränkung, MR 2011, 287, 289.
    3. 3 Bundesgesetz, mit dem bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt werden (E-Commerce-Gesetz – ECG), BGBl I 152/2001.
    4. 4 OGH 20.9.2011, 4 Ob 105/11m – 123people.at, RdW 2011/664, 641 = K&R 2012, 447 (krit Thiele) = MR 2011, 313 (krit Walter) = lex:itec 2011 H 5, 22 = ecolex 2012/29, 64 = wbl 2012/38, 105 = jusIT 2012/2, 5 (krit Staudegger) = jusIT 2012/3, 11.
    5. 5 Zum Urheberrecht: OGH 20.9.2011, 4 Ob 105/11m – 123people.at, RdW 2011/664, 641 = K&R 2012, 447 (krit Thiele) = MR 2011, 313 (krit Walter) = lex:itec 2011 H 5, 22 = ecolex 2012/29, 64 (Anderl) = wbl 2012/38, 105 = jusIT 2012/2, 5 (krit Staudegger) = jusIT 2012/3, 11; zum Markenrecht: OGH 19.12.2005, 4 Ob 194/05s, 4 Ob 195/05p – Glucochondrin, ecolex 2006/93, 228 (Noha) = RdW 2006/146, 152 = ÖJZ-LSK 2006/83 = EvBl 2006/61, 336 = wbl 2006/87, 195 = MR 2006, 109 = RZ 2006, 152 = ÖBl-LS 2006/116/117 = SZ 2005/183 = ÖBl 2006/57, 235 (Noha); dazu Anderl, Aktuelles zum Keyword-Advertising, RdW 2006, 143.
    6. 6 Walter, Österreichisches Urheberrecht I (2008), 372.
    7. 7 Danzl in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB3 (2010) § 1330 Rz 5 m.w.N.
    8. 8 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt («Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr»), ABl L 178 vom 17.7.2000, 1.
    9. 9 Vgl. EuGH 12.7.2011, C-324/09 – LOréal, Rz 114, MR 2011, 213 = RdW 2011/505, 476 = jusIT 2011/78, 167 (Staudegger) = wbl 2011/198, 547 = MR-Int 2011, 106 (Burgstaller) = ZfRV-LS 2011/56, 224 = UVS-Slg 2011/186, 134 = ÖBl-LS 2012/10 (Schumacher), zur Haftung des Internetauktionshauses eBay.
    10. 10 Vgl. EuGH 12.7.2011, C-324/09 – LOréal, Rz 120.
    11. 11 Vgl. EuGH 12.7.2011, C-324/09 – LOréal, Rz 120.
    12. 12 Zutreffend Staudegger, jusIT 2011, 167, 168.
    13. 13 EuGH 12.7.2011, C-324/09 – LOréal, Rz 113.
    14. 14 Vgl. die Nw bei Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 (2012) § 23 Rz 38.
    15. 15 Urteil vom 8.9.2010, abrufbar unter http://www.legalis.net/spip.php?page=jurisprudence-decision&id_article=2985 aufgerufen: 4.2.2013.
    16. 16 Tribunale Ordinario di Milano 31.3.2011, 10847/2011, abrufbar unter http://www.piana.eu/files/Ordinanza.pdf aufgerufen: 4.2.2013.
    17. 17 Kantonsgericht Jura 4.2.2011, CC 117/2010, abrufbar unter www.jura.ch nach der Geschäftszahl, aufgerufen: 4.2.2013.
    18. 18 LG Frankfurt 8.3.2012, 2-03 O 437/11, JurPC Web-Dok. 122/2012 = MMR 2012, 380.
    19. 19 LG Frankfurt 6.10.2011, 2-03 O 437/11, abrufbar unter http://www.online-und-recht.de/urteile/Wettbewerbswidrige-Werbung-mit-Titel-Fachanwalt-fuer-Markenrecht-2-03-O-437-11-Landgericht-Frankfurt-20111006.html aufgerufen: 4.2.2013.
    20. 20 Urteil vom 10.5.2012, 15 U 199/11 – Autocomplete-Vorschläge, CR 2012, 815 = GRUR-RR 2012, 486 = MMR 2012, 840.
    21. 21 OLG Köln 10.5.2012, 15 U 199/11 – Autocomplete-Vorschläge, CR 2012, 815, 817.
    22. 22 Vgl. OLG Köln 10.5.2012, 15 U 199/11 – Autocomplete-Vorschläge, CR 2012, 815, 818.
    23. 23 OLG München 29.9.2011, 29 U 1747/11 – Internet-Branchenverzeichnis, CR 2012, 126 = MMR 2012, 108.
    24. 24 Zum durchaus vergleichbaren Fall der Snippet-Auswahl durch Google haben hanseatische Gerichte eine Haftung Googles ebenfalls abgelehnt (OLG 20.2.2007, 7 U 126/06 – Google-Snippets I, K&R 2007, 210; 26.5.2011, 3 U 67/11 – Google-Snippets II, MMR 2011, 685).
    25. 25 Im Einzelnen abrufbar unter http://www.seo-united.de/blog/google/studie-zur-autocomplete-funktion-von-google.htm aufgerufen: 4.2.2013.
    26. 26 Bejahend OGH 25.2.1999, 6 Ob 21/99b – Abkassierer, MR 1999, 76 = ecolex 1999/272 = SZ 72/39; unter Anwendung des Art 10 MRK ggtl EGMR 14.11.2008, 9605/03 – Kronen Zeitung gg. Bruck, NL 2008, 340.
    27. 27 Vgl. Pariser, Filter Bubble – Wie wir im Internet entmündigt werden (2012), Hanser Verlag, Berlin.