1.
Einleitung ^
Internet-Studien zufolge verbringen die Nutzer ca. ein Drittel der Online-Zeit bei Facebook oder bei Google.1 Dennoch kennt weniger als 1% davon die Arbeitsweise von Suchmaschinen, weiß, was der «Google Suchindex» ist, oder um die Wirkung der Auto-Vervollständigung einer Suchmaschine. Vielmehr herrscht die Vorstellung vor, die Suchmaschine findet nahezu objektiv aus der Informationsflut des Netzes mehr oder weniger zufällig das Resultat, das in der «virtual reality» der Wahrheit am nächsten kommt. Demgegenüber schafft Google tatsächlich eine «Personal Reality» für jeden Nutzer.
2.
Technische Grundlagen ^
liefert nicht neutrale, unobjektive, personalisierte Ergebnisse.
3.1.
Österreichische Ausgangslage ^
3.2.
Unionsrecht ^
Es ist zu prüfen, ob Google’s Autocompletefunktion die Vergünstigungen nach Art 14 EC-RL8 zugutekommen können. Voraussetzung dafür ist nach Art 14 Abs 1 lit a EC-RL, dass sich der Betreiber darauf beschränkt, seine Dienste «mittels rein technischer und automatischer Verarbeitung» durchzuführen, ohne eine aktive Rolle zu übernehmen.9 Zweitens aber darf nach Art 14 Abs 1 lit b EC-RL, selbst wenn die Leistungen des Diensteanbieters in diesem Sinne bloß passiv erfolgen, keine tatsächliche Kenntnis – im Hinblick auf Schadenersatzansprüche auch kein entsprechendes Bewusstsein – über Rechtswidrigkeiten vorhanden sein bzw. sind nach Kenntniserlangung die Daten unverzüglich zu löschen oder der Zugang zu ihnen zu sperren. Der EuGH stellt dazu klärend fest, dass bei der Prüfung, ob dem Diensteanbieter Tatsachen bewusst gewesen seien, auf den «sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer» abzustellen ist,10 und betont, Art 14 Abs 1 EC-RL solle «alle Fälle erfassen, in denen sich der betreffende Anbieter in der einen oder anderen Weise solcher Tatsachen oder Umstände bewusst war».11 Im Ergebnis gelangt das Europäische Höchstgericht zu einer restriktiven Handhabung der Providerprivilegien.12
Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass Google mit dem Anbieten der Autocompletefunktion eine Vermittlerhaftung eingegangen ist, die zu Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadenersatzansprüchen der Betroffenen führt.
4.
Ausgewählte Judikaturfälle ^
4.1.
Frankreich und Italien ^
Im ersten Fall wurde auf «google.fr» bei der Eingabe des Vor- und Nachnamens des Klägers, der zuvor bereits wegen «corruption mineur» vorbestraft war, Suchvorschläge wie «prison», «violeur» (= Vergewaltiger) oder «sataniste» angezeigt. Das Tribunal de Grande Instance de Paris15 verurteilte Google zur Beseitigung der Suchvorschläge im Zusammenhang mit den jeweiligen Namen, da sie als persönlichkeitsverletzend qualifiziert wurden.
In einem ähnlich gelagerten Fall gelangte ein Mailänder Gericht zum selben Ergebnis.16 Dort erschienen bei der Eingabe des Namens eines Unternehmers die Suchvorschläge «truffa» (= Betrug) und «truffatore» (= Betrüger).
4.2.
Schweiz ^
Das klagende Albert Tanneur Institut & Co. Sàrl begehrte von Google Inc. zunächst außergerichtlich und dann vor den Gerichten im Kanton Jura die Entfernung des Suchvorschlags «Albert Tanneur Institut Scam» auf google.ch und google.com. Der englische Begriff «Scam» bedeutete nämlich übersetzt «Betrug». Das betroffene Institut erachtete die daraus hervorgehende Gedankenverbindung als persönlichkeitsverletzend nach Art 28 ZGB bzw. unlauter herabsetzend gem. Art 3 lit a UWG. Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen. Das Kantonsgericht17 bestätigte zwar sowohl die Passivlegitimation von Google, Inc. als auch die internationale Zuständigkeit Schweizer Gerichte; es verneinte jedoch eine Haftung der Suchmaschine, da dies zu einer Form der Zensur und einer inakzeptablen Einschränkung des Rechts auf freien Zugang zu Informationen führen würde.
4.3.
Deutschland ^
Durchaus kontrovers entwickelt sich die Rsp. der Instanzgerichte in Deutschland. Während zunächst das LG Frankfurt18 seine bereits im Sicherungsverfahren geäußerte Ansicht19 festigte, eine Autocompletefunktion, welche dem Besucher einer Webseite eine automatische Vorschlagsliste mit Fantasie-Fachanwaltstiteln vorgibt, ist lauterkeitswidrig, entschied das OLG Köln20 grundsätzlich gegenteilig: Macht eine Suchmaschine bei Eingabe eines Suchbegriffes Vorschläge für dazu passende Suchbegriffe mittels Autocompletefunktion, ist darin keine eigenständige Meinungs- oder Tatsachenbehauptung des Suchmaschinenbetreibers zu sehen. Der durchschnittliche Internetnutzer verstünde die dort angezeigten Suchbegriffe als Ergänzungsvorschläge, die keinen inhaltlichen Bezug mit dem ursprünglich eingegeben Begriff hätten, sondern vielmehr als Ergebnis einer technischen Analyse anhand ähnlicher Suchanfragen von anderen Nutzern. Im Anlassfall forderte der Kläger es zu unterlassen, bei Eingabe seines Namens in die Suchmaschine Google.de u.a. die Wortkombination «Betrug» und «Scientology» im Rahmen der Autocompletefunktion anzuzeigen. Die Kölner Richter verneinten eine Haftung von Suchmaschinen auch deshalb, da dem durchschnittlichen User bewusst wäre, dass es sich um keine Äußerungen der jeweiligen Suchmaschine handelte, sondern vielmehr um fremde Inhalte.21
5.
Eigene Stellungnahme ^
In einer Studie zur Autocompletefunktion aus dem Jahr 2012 erhielten 1000 willkürlich ausgewählte Personen vier Suchbegriffe über Personen bzw. Unternehmen, bei denen Google jeweils genau einen negativen Suchvorschlag angezeigt hatte. Die Personen mussten die vier Begriffe bei Google eingeben und anschließend Fragen dazu beantworten. Die Ergebnisse der Studie25 zeigen, dass die Nutzer in erheblichem Maß durch die Autocompletefunktion beeinflusst werden. Bei jedem dritten Proband blieb der negative Suggest, den Google bei der Recherche zu einer Person vorschlug, in Erinnerung. Die von Google zu einer Person gemachten Negativvorschläge sind kaum mehr aus den Vervollständigungen wegzubekommen und verbleiben oft noch Jahre nach der Berichterstattung, aus der sie einst resultierten, abrufbar.
6.
Zusammenfassung ^
7.
Literatur ^
Anderl, Axel, Aktuelles zum Keyword-Advertising, RdW Seite 143 (2006).
Danzl, Karl-Heinz, § 1330 ABGB, in Koziol, Helmut/Bydlinski, Peter/Bollenberger, Raimund, Kurzkommentar zum ABGB3, Springer Verlag, Wien (2010).
Feiler, Lukas/Stahov, Ana, Rechtliche Aspekte der Netzneutralität und ihrer Einschränkung, MR Seite 287 (2011).
Grabenwarter, Christoph/Pabel Katarina, Europäische Menschenrechtskonvention5, Verlag C.H. Beck, München (2012).
Gruber, Michael, Die Haftungsbestimmungen im ECG, in Gruber, Michael/Mader Peter (Hrsg.), Privatrechtsfragen des e-commerce, Verlag Manz, Wien (2003).
Hackl, Wolfgang, Verantwortlichkeit nach dem E-Commerce-Gesetz, in Plöckinger, Oliver/Duursma, Dieter/Mayrhofer, Michael (Hrsg.), Internet-Recht, NWV Verlag, Wien (2004).
Haller, Albrecht/Brenn, Christoph, § 14 ECG in Brenn, Christoph (Hrsg.), E-Commerce-Gesetz Kurzkommentar, Manz Verlag, Wien (2002).
Pariser, Eli, Filter Bubble – Wie wir im Internet entmündigt werden, Hanser Verlag, Berlin (2012).
Staudegger, Elisabeth, Entscheidungsanmerkung, in: jusIT Seite 168 (2011).
Strasser, Mathias, § 14 ECG – Paradies auf Erden für Napster & Co? ecolex Seite 241 (2002).
Walter, Michel M., Österreichisches Urheberrecht Handbuch I. Teil, Verlag Medien & Recht, Wien (2008).
Clemens Thiele, Rechtsanwalt/Partner, Götzl Thiele Eurolawyer® Rechtsanwälte Salzburg.
- 1 Digital Studie 2011 zur Online-Nutzung, zitiert nach der Süddeutschen Zeitung vom 31.10.2011, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/digital/studie-zur-internetnutzung-facebook-und-google-schlucken-die-meiste-zeit-1.1177294 aufgerufen: 4.2.2013.
- 2 Haller/Brenn in Brenn (Hrsg.), ECG (2002), 272 ff; Strasser, § 14 ECG - Paradies auf Erden für Napster & Co? ecolex 2002, 241, 242; Hackl, Verantwortlichkeit nach dem E-Commerce-Gesetz, in Plöckinger/Duursma/Mayrhofer (Hrsg.), Internet-Recht (2004), 87, 88f; Gruber, Die Haftungsbestimmungen im ECG, in Gruber/Mader (Hrsg.), Privatrechtsfragen des e-commerce (2003), 243, 249; krit. bereits Feiler/Stahov, Rechtliche Aspekte der Netzneutralität und ihrer Einschränkung, MR 2011, 287, 289.
- 3 Bundesgesetz, mit dem bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt werden (E-Commerce-Gesetz – ECG), BGBl I 152/2001.
- 4 OGH 20.9.2011, 4 Ob 105/11m – 123people.at, RdW 2011/664, 641 = K&R 2012, 447 (krit Thiele) = MR 2011, 313 (krit Walter) = lex:itec 2011 H 5, 22 = ecolex 2012/29, 64 = wbl 2012/38, 105 = jusIT 2012/2, 5 (krit Staudegger) = jusIT 2012/3, 11.
- 5 Zum Urheberrecht: OGH 20.9.2011, 4 Ob 105/11m – 123people.at, RdW 2011/664, 641 = K&R 2012, 447 (krit Thiele) = MR 2011, 313 (krit Walter) = lex:itec 2011 H 5, 22 = ecolex 2012/29, 64 (Anderl) = wbl 2012/38, 105 = jusIT 2012/2, 5 (krit Staudegger) = jusIT 2012/3, 11; zum Markenrecht: OGH 19.12.2005, 4 Ob 194/05s, 4 Ob 195/05p – Glucochondrin, ecolex 2006/93, 228 (Noha) = RdW 2006/146, 152 = ÖJZ-LSK 2006/83 = EvBl 2006/61, 336 = wbl 2006/87, 195 = MR 2006, 109 = RZ 2006, 152 = ÖBl-LS 2006/116/117 = SZ 2005/183 = ÖBl 2006/57, 235 (Noha); dazu Anderl, Aktuelles zum Keyword-Advertising, RdW 2006, 143.
- 6 Walter, Österreichisches Urheberrecht I (2008), 372.
- 7 Danzl in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB3 (2010) § 1330 Rz 5 m.w.N.
- 8 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt («Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr»), ABl L 178 vom 17.7.2000, 1.
- 9 Vgl. EuGH 12.7.2011, C-324/09 – L’Oréal, Rz 114, MR 2011, 213 = RdW 2011/505, 476 = jusIT 2011/78, 167 (Staudegger) = wbl 2011/198, 547 = MR-Int 2011, 106 (Burgstaller) = ZfRV-LS 2011/56, 224 = UVS-Slg 2011/186, 134 = ÖBl-LS 2012/10 (Schumacher), zur Haftung des Internetauktionshauses eBay.
- 10 Vgl. EuGH 12.7.2011, C-324/09 – L’Oréal, Rz 120.
- 11 Vgl. EuGH 12.7.2011, C-324/09 – L’Oréal, Rz 120.
- 12 Zutreffend Staudegger, jusIT 2011, 167, 168.
- 13 EuGH 12.7.2011, C-324/09 – L’Oréal, Rz 113.
- 14 Vgl. die Nw bei Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 (2012) § 23 Rz 38.
- 15 Urteil vom 8.9.2010, abrufbar unter http://www.legalis.net/spip.php?page=jurisprudence-decision&id_article=2985 aufgerufen: 4.2.2013.
- 16 Tribunale Ordinario di Milano 31.3.2011, 10847/2011, abrufbar unter http://www.piana.eu/files/Ordinanza.pdf aufgerufen: 4.2.2013.
- 17 Kantonsgericht Jura 4.2.2011, CC 117/2010, abrufbar unter www.jura.ch nach der Geschäftszahl, aufgerufen: 4.2.2013.
- 18 LG Frankfurt 8.3.2012, 2-03 O 437/11, JurPC Web-Dok. 122/2012 = MMR 2012, 380.
- 19 LG Frankfurt 6.10.2011, 2-03 O 437/11, abrufbar unter http://www.online-und-recht.de/urteile/Wettbewerbswidrige-Werbung-mit-Titel-Fachanwalt-fuer-Markenrecht-2-03-O-437-11-Landgericht-Frankfurt-20111006.html aufgerufen: 4.2.2013.
- 20 Urteil vom 10.5.2012, 15 U 199/11 – Autocomplete-Vorschläge, CR 2012, 815 = GRUR-RR 2012, 486 = MMR 2012, 840.
- 21 OLG Köln 10.5.2012, 15 U 199/11 – Autocomplete-Vorschläge, CR 2012, 815, 817.
- 22 Vgl. OLG Köln 10.5.2012, 15 U 199/11 – Autocomplete-Vorschläge, CR 2012, 815, 818.
- 23 OLG München 29.9.2011, 29 U 1747/11 – Internet-Branchenverzeichnis, CR 2012, 126 = MMR 2012, 108.
- 24 Zum durchaus vergleichbaren Fall der Snippet-Auswahl durch Google haben hanseatische Gerichte eine Haftung Googles ebenfalls abgelehnt (OLG 20.2.2007, 7 U 126/06 – Google-Snippets I, K&R 2007, 210; 26.5.2011, 3 U 67/11 – Google-Snippets II, MMR 2011, 685).
- 25 Im Einzelnen abrufbar unter http://www.seo-united.de/blog/google/studie-zur-autocomplete-funktion-von-google.htm aufgerufen: 4.2.2013.
- 26 Bejahend OGH 25.2.1999, 6 Ob 21/99b – Abkassierer, MR 1999, 76 = ecolex 1999/272 = SZ 72/39; unter Anwendung des Art 10 MRK ggtl EGMR 14.11.2008, 9605/03 – Kronen Zeitung gg. Bruck, NL 2008, 340.
- 27 Vgl. Pariser, Filter Bubble – Wie wir im Internet entmündigt werden (2012), Hanser Verlag, Berlin.