1.
Argumentation und Rechtsvisualisierung ^
2.
Argumentationstheoretische Grundlagen ^
An die Rationalität juristischer Argumentation können unterschiedliche Ansprüche gestellt werden; dies ist einer der Gründe dafür, dass nicht von der einen Theorie juristischer Argumentation gesprochen werden kann [Röhl & Röhl (2008), S. 186]. Kunz und Mona schlagen die Unterscheidung von drei bewusst vereinfachten Typen vor (vgl. zu den drei Typen in enger Anlehnung im Folgenden [Kunz & Mona (2006), S. 28 f.]:
- Der formalistische Rationalitätsanspruch basiert auf kognitiven Strukturen juristischen Argumentierens und betont logisch-systematische Zusammenhänge, Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit. Die formalistischen Ansprüche des Argumentierens umfassen dabei auch die Anwendung logischer Schlüsse, wie sie insbesondere in Wahrheitstafeln dargestellt werden (vgl. zu deren Ursprüngen und zur alternativen dialogischen Einführung [Haft (1977), S. 31 ff.]). Habermas weist aber darauf hin, dass diese formale Logik allein noch keine Argumentationstheorie begründen kann, da sie für sich allein genommen der formalen Logik entspräche [Habermas (1987), S. 44 ff.]. Für die argumentationstheoriebasierte Visualisierung lässt sich folgern, dass insbesondere auch logische Beziehungen abgebildet werden sollten.
- Die optimale demokratische Legitimation liegt dem utopistischen Rationalitätsanspruch zu Grunde. Die auf Habermas Diskurstheorie zurückgehende «regulative Idee» einer «idealen Sprechsituation» kann hier eingeordnet werden [Röhl & Röhl (2008), S. 184 f.]. Diese ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass «keine anderen Motive handlungsrelevant werden als diejenigen der Verständigungsbereitschaft und kooperativen Wahrheitssuche.» [Röhl & Röhl (2008), S. 184]. Für die argumentationstheoriebasierte Visualisierung lässt sich schlussfolgern, dass sie die kritische Reflexion der Rahmenbedingungen der Argumentation und ihres Entstehungsprozesses unterstützen sollte.
- Der realistische Rationalitätsanspruch bewertet die formale Stringenz dagegen eher als wichtige Nebensache, steht dem utopistischen Rationalitätsanspruch skeptisch gegenüber und betont dagegen hauptsächlich die zweckrationale Gestaltung juristischer Artefakte. Für die argumentationstheoriebasierte Visualisierung lässt sich vor diesem Hintergrund festhalten, dass für diese – wie für Modelle allgemein (vgl. z.B. die Modelldefinition in [Becker & Schütte (2004)] – gefordert werden kann, dass die Visualisierung den Zwecken ihrer Nutzer gerecht werden solle. Dies nachzuweisen ist insbesondere Aufgabe empirischer Untersuchungen (vgl. auch die Empfehlungen in [Knackstedt & Heddier (2012)]).
3.1.
Status quo ^
3.2.
Entwicklungsperspektiven ^
4.1.
Status quo ^
4.2.
Entwicklungsperspektiven ^
5.
Integrierte Sicht auf die argumentationstheoriebasierte Visualisierung ^
Die Status quo der argumentationstheoriebasierten Visualisierung in der Rechtsvisualisierung und Informationssystemmodellierung beleuchten eine wesentliche Unterscheidung, die in der argumentationstheoretischen Grundlegung bereits angedeutet wurde:
- Sicht der juristischen Argumentation: Grob zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Rechtsvisualisierung – wenn überhaupt – mit der Abbildung (von Aspekten) fiktiver oder realer juristischer Argumentationen befasst ist. Dabei erfolgt gegenwärtig eine Konzentration auf logische Schlussfolgerungen. Der Status quo der Visualisierung fokussiert damit Aspekte, die auch vom formalistischen Rationalitätsanspruch hervorgehoben werden.
- Sicht des Prozesses der Argumentation: Die Informationssystemmodellierung zielt dagegen naturgemäß nicht auf die Abbildung juristischer Argumentationen. Allerdings regt sie an, die Argumentationen, die mit der Erstellung von Informationssystemmodellen – oder allgemein mit Visualisierungen – verbunden sind, zu dokumentieren. Damit stellt sie den Prozess der Argumentation in den Vordergrund und hat dies mit dem utopischen Rationalitätsanspruch gemeinsam.
Einerseits kann die argumentationstheoriebasierte Visualisierung wie – eingangs konzipiert – in der juristischen Praxis genutzt werden, um Argumentationen (arbeitsteilig) zu planen und zu dokumentieren etc. (argumentationstheoriebasierte Visualisierung aus Sicht der juristischen Argumentation). Andererseits dürfte die Konzeption einer Argumentation selbst wiederum einer realen oder fiktiven Argumentation unterliegen. Die an der Planung bzw. Beurteilung Beteiligten tauschen dabei Argumente aus, warum zu erwarten ist, dass die Argumentation wirksam sein wird, vergleichen alternative Schrittfolgen oder weisen auf logische Inkonsistenzen hin. Mit den gleichen Argumenten wie in der Informationssystemmodellierung kann es sinnvoll sein, diese Argumentationen selbst auch wieder zu dokumentieren, um z.B. die Wiederverwendung von Argumentationsmustern oder den Nachvollzug zurückliegender Entscheidungen zu unterstützen. Diese Dokumentation kann selbst wiederum mittels argumentationstheoretischer Visualisierungen vorgenommen werden (argumentationstheoriebasierte Visualisierung aus Sicht des Prozesses der Argumentation).
Abbildung 1: Vereinfachter Metamodell-Ausschnitt argumentationstheoriebasierter Visualisierung(in Anlehnung an [Knackstedt (2006), S. 66] und [Schütte (1998), S. 203])
6.
Kritik der Rhetorik vom ^
7.
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Ralf Knackstedt, Privat-Dozent, Vertretung der Professur für Wirtschaftsinformatik, Stiftung Universität Hildesheim.
Marcel Heddier Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Münster, European Research Center for Information Systems (ERCIS).