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Argumentationstheoriebasierte Visualisierung als «Double-feature»

  • Authors: Ralf Knackstedt / Marcel Heddier
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Visualisation
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Ralf Knackstedt / Marcel Heddier, Argumentationstheoriebasierte Visualisierung als «Double-feature», in: Jusletter IT 20 February 2013
Während die Idee der Rechtsvisualisierung verhältnismäßig alt ist, findet die gezielte Konstruktion und Anwendung konkreter Modellierungsansätze erst heute größere Verbreitung und Akzeptanz. Die Argumentationstheorie bietet dabei eine wesentliche Basis, um für Diagrammsprachen relevante Element- und Beziehungstypen zu identifizieren. Der Beitrag analysiert den Status quo einer argumentationstheoriebasierten Visualisierung aus Sicht der Rechtsvisualisierung und der Informationssystemmodellierung und zeigt Entwicklungsperspektiven für beide Disziplinen auf. Dabei wird deutlich, dass die argumentationstheoriebasierte Visualisierung auf unterschiedliche Arten in der Rechtsvisualisierung zum Einsatz kommen kann, weshalb quasi von einem «Double-Feature» gesprochen werden kann.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Argumentation und Rechtsvisualisierung
  • 2. Argumentationstheoretische Grundlagen
  • 3. Argumentationstheoriebasierte Visualisierungen in der Rechtsvisualisierung
  • 3.1. Status quo
  • 3.2. Entwicklungsperspektiven
  • 4. Argumentationstheoriebasierte Visualisierungen in der Informationssystemmodellierung
  • 4.1. Status quo
  • 4.2. Entwicklungsperspektiven
  • 5. Integrierte Sicht auf die argumentationstheoriebasierte Visualisierung
  • 6. Kritik der Rhetorik vom
  • 7. Literatur

1.

Argumentation und Rechtsvisualisierung ^

[1]
Argumentation kann als «eine geordnete Abfolge von Schritten, in denen zu einem strittigen Thema Gründe genannt werden, die für eine bestimmt Lösung sprechen» aufgefasst werden [Struck (1977), S. 9]. Zweifellos ist die wirksame Argumentation von grundlegender Bedeutung für die juristische Praxis, z.B. bei der Entwicklung neuer Rechtsnormen, im Gerichtsverfahren oder bei der Aushandlung von Verträgen. Juristische Argumente werden gegenwärtig hauptsächlich natürlichsprachlich in schriftlicher oder mündlicher Form formuliert. «Juristische Argumentation nimmt [dabei] Rationalität für sich in Anspruch» [Röhl & Röhl (2008), S. 180].
[2]
In Abgrenzung zum «linguistic turn», der auf Wittgenstein zurückgeführt wird, wird heute von den Kulturwissenschaften vielfach ein «pictorial turn» diagnostiziert, womit ausgedrückt wird, dass aktuelle technologische Entwicklungen, wie insbesondere Internet und Multimedia, zu einer Dominanz des Bildes gegenüber dem Wort führen bzw. geführt haben (vgl. [Böhme-Nessler (2008), S. 227], [Röhl & Ulbrich (2007), S. 42]). Die Rechtsvisualisierung analysiert und gestaltet den Einsatz visueller Kommunikationsmittel im Recht. Die Vorteile, die in der Regel einer visuellen Kommunikation zugeschrieben werden, sind vielfältig. So können Visualisierungen die Kommunikation von Wissensarbeitern verbessern, den Fokus und die Aufmerksamkeit für Dinge erhöhen, die Einprägsamkeit verbessern, einen motivierenden Einfluss auf den Nutzer von Visualisierungen haben, ein tiefergehendes Verständnis von Konzepten und Ideen vermitteln und zuvor eventuell verborgene Verbindungen zwischen Elementen aufdecken [Eppler & Burkhard (2004)]. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, Visualisierungen auch im Rahmen einer wirksamen Argumentation zu nutzen.
[3]
Die Diskussion um die Abgrenzung der Argumentation von der Rhetorik verweist allerdings auf Gefahren und Grenzen des Einsatzes visueller Mittel [Röhl, Röhl (2008), S. 180 f.]. So beschreibt Brunschwig das Sinnlichkeitspotenzial und die emotionale Funktion von Bildern [Brunschwig (2001), S. 71], die der Rationalität einer Entscheidung entgegenwirken können. Mit Blick auf eine zunehmende Multimedialität des Rechts – die vor allem auch bewegte Visualisierungen ermöglicht – prognostiziert Böhme-Nessler, dass die «Visualisierung […] die juristische Inszenierungsanalyse als Standardinstrument der rechtlichen Auslegung unverzichtbar machen» [Böhme-Nessler (2008), S. 345] wird und verweist auf ein Unterhaltungsparadigma, das in vielen Gebieten mit der Multimedialität eng verbunden ist [Böhme-Nessler (2008), S. 347 ff.]. Der Einsatz von Visualisierungen im Rahmen der Argumentation ist somit keineswegs unproblematisch und muss unter Rückgriff auf die Erkenntnisse der Rechtsvisualisierung verantwortungsvoll betrieben werden. Für die verschiedenen Sorten von Bildern kommen dabei jeweils unterschiedliche Chancen und Risiken zum Tragen, die gegeneinander abzuwägen sind. Für diese Analysen sei hier auf andere Arbeiten verwiesen (vgl. zu den typischen Sorten und Verwendungsmöglichkeiten von Bildern z. B. ausführlich [Röhl & Ulbrich (2007), S. 105 ff.], [Bergmanns (2009)], [Brunschwig (2001)].
[4]
Im Folgenden soll eine spezifische Bildsorte untersucht werden, die nicht nur geeignet ist einzelne Schritte innerhalb einer Argumentation visuell zu unterstützen, sondern die sich – im weitesten Sinne – für die Planung und Bewertung der Argumentation selbst eignet. Diese Bildsorte wird im Folgenden argumentationstheoriebasierte Visualisierung genannt, weil davon ausgegangen wird, dass sich Konzepte der Argumentationstheorie in den Bildsprachen dieser Visualisierungen wiederfinden. Die Bildsorte verspricht die Vorteile der Visualisierung für Situationen zu erschließen, in denen ein oder mehrere Beteiligte sich im Vorfeld einer Verhandlung über eine wirksame Gestaltung der Argumentation austauschen, sich beim Vortrag einer Argumentation an deren geplante Struktur erinnern müssen oder im Nachgang des Vortrags einer Argumentation deren Qualität beurteilen wollen. Die betrachteten argumentationstheoriebasierten Visualisierungen dienen dabei entweder als Ist- oder als Soll-Modelle. Diese für die Informationssystemmodellierung typische Unterscheidung verweist auf eine zweite Besonderheit des Beitrags. Die Visualisierung der Argumentation wird im Folgenden sowohl aus Sicht der Rechtsvisualisierung als auch aus Sicht der Informationssystemmodellierung betrachtet. Dem interdisziplinären beidseitigen Austausch zwischen Informationssystemmodellierung und Rechtsvisualisierung wird ein erhebliches Erkenntnispotential beigemessen, welches sich auch in der folgenden Analyse bestätigen dürfte [Knackstedt et al. (2011)].
[5]
Ziel des Artikels ist es, Entwicklungsperspektiven für argumentationstheoriebasierte Visualisierungen aufzuzeigen. Hierzu werden zunächst argumentationstheoretische Grundlagen gelegt (Abschnitt 2). Daraufhin wird die Rekurrierung auf die Argumentationstheorie zunächst für die Rechtsvisualisierung kritisch untersucht (Abschnitt 3) und dann für die Informationssystemmodellierung (Abschnitt 4). Beide Sichten werden anschließend integriert, wobei sich zeigen wird, dass die argumentationstheoretische Visualisierung eine interessante Doppelrolle einnimmt, die aus rhetorischen Gründen – in Anlehnung an die Präsentation gleich mehrerer Kinofilme hintereinander in einer Vorstellung – auch als «Double-Feature» bezeichnet wird. Ein Ausblick schließt den Beitrag ab (Abschnitt 5). Hierbei wird sich auch zeigen, dass der Vergleich mit dem «Double-Feature» durchaus Beschränkungen unterliegt.

2.

Argumentationstheoretische Grundlagen ^

[6]
Die juristische Argumentation wird in der Regel als – realer oder fiktiver – Dialog aufgefasst [Röhl & Röhl (2008), S. 186], in dem ein Beteiligter in der Rolle des Proponenten zunächst (hypothetisch) den Geltungsanspruch einer Aussage erhebt und im Anschluss arbeitsteilig mit Beteiligten in der Rolle des Opponenten prüft, ob dieser Geltungsanspruch gegen vorgebrachte Gründe aufrecht erhalten werden kann oder verworfen werden muss [Habermas (1987), S. 48]. Für die Entwicklung von Strukturen, die den dabei vorgebrachten Argumenten gemein sind, gelten insbesondere die Arbeiten von Toulmin als einschlägig (vgl. [Toulmin et al. (1979)]). Habermas fasst diese Strukturierung von Argumenten folgendermaßen zusammen: «Ein Argument setzt sich zusammen aus der problematischen Äußerung, für die ein bestimmter Geltungsanspruch erhoben wird (conclusion), und aus dem Grund (ground), mit der dieser Anspruch etabliert werden soll. Der Grund wird mit Hilfe einer Regel (einer Schlußregel, eines Prinzips, eines Gesetzes usw.) gewonnen (warrant). Diese stützt sich auf Evidenzen verschiedener Art (backing). Gegebenenfalls muß der Geltungsanspruch modifiziert oder eingeschränkt werden (modifyer).» [Habermas (1987), S. 48-49].
[7]

An die Rationalität juristischer Argumentation können unterschiedliche Ansprüche gestellt werden; dies ist einer der Gründe dafür, dass nicht von der einen Theorie juristischer Argumentation gesprochen werden kann [Röhl & Röhl (2008), S. 186]. Kunz und Mona schlagen die Unterscheidung von drei bewusst vereinfachten Typen vor (vgl. zu den drei Typen in enger Anlehnung im Folgenden [Kunz & Mona (2006), S. 28 f.]:

  • Der formalistische Rationalitätsanspruch basiert auf kognitiven Strukturen juristischen Argumentierens und betont logisch-systematische Zusammenhänge, Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit. Die formalistischen Ansprüche des Argumentierens umfassen dabei auch die Anwendung logischer Schlüsse, wie sie insbesondere in Wahrheitstafeln dargestellt werden (vgl. zu deren Ursprüngen und zur alternativen dialogischen Einführung [Haft (1977), S. 31 ff.]). Habermas weist aber darauf hin, dass diese formale Logik allein noch keine Argumentationstheorie begründen kann, da sie für sich allein genommen der formalen Logik entspräche [Habermas (1987), S. 44 ff.]. Für die argumentationstheoriebasierte Visualisierung lässt sich folgern, dass insbesondere auch logische Beziehungen abgebildet werden sollten.
  • Die optimale demokratische Legitimation liegt dem utopistischen Rationalitätsanspruch zu Grunde. Die auf Habermas Diskurstheorie zurückgehende «regulative Idee» einer «idealen Sprechsituation» kann hier eingeordnet werden [Röhl & Röhl (2008), S. 184 f.]. Diese ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass «keine anderen Motive handlungsrelevant werden als diejenigen der Verständigungsbereitschaft und kooperativen Wahrheitssuche.» [Röhl & Röhl (2008), S. 184]. Für die argumentationstheoriebasierte Visualisierung lässt sich schlussfolgern, dass sie die kritische Reflexion der Rahmenbedingungen der Argumentation und ihres Entstehungsprozesses unterstützen sollte.
  • Der realistische Rationalitätsanspruch bewertet die formale Stringenz dagegen eher als wichtige Nebensache, steht dem utopistischen Rationalitätsanspruch skeptisch gegenüber und betont dagegen hauptsächlich die zweckrationale Gestaltung juristischer Artefakte. Für die argumentationstheoriebasierte Visualisierung lässt sich vor diesem Hintergrund festhalten, dass für diese – wie für Modelle allgemein (vgl. z.B. die Modelldefinition in [Becker & Schütte (2004)] – gefordert werden kann, dass die Visualisierung den Zwecken ihrer Nutzer gerecht werden solle. Dies nachzuweisen ist insbesondere Aufgabe empirischer Untersuchungen (vgl. auch die Empfehlungen in [Knackstedt & Heddier (2012)]).
[8]
Im juristischen Kontext von besonderer Bedeutung ist zudem die Unterscheidung von Begründungs- und Anwendungsdiskurs (die Fallunterscheidung in enger Anlehnung an [Röhl & Röhl (2008), S. 188]: Im ersten Fall zielt die Argumentation darauf ab, juristische Regeln unabhängig von einem einzelnen konkreten Fall – insbesondere gegen den Universalisierungsgrundsatz – zu prüfen. Der zweite Fall setzt die Verabredung von Regeln voraus, die dann im konkreten Fall – z.B. auf Angemessenheit – geprüft werden. Für die argumentationstheoriebasierte Visualisierung ist abzusehen, dass für unterschiedliche Fälle gegebenenfalls auch adaptierte Visualisierungsansätze vorgeschlagen werden sollten.

3.

Argumentationstheoriebasierte Visualisierungen in der Rechtsvisualisierung ^

3.1.

Status quo ^

[9]
Die Identifikation von Ansätzen zur Erstellung argumentationstheoriebasierter Visualisierungen wird durch die erhebliche Anzahl verschiedener Arten von Bildern erschwert. Anhand der folgenden Unterscheidungen wird der Untersuchungsraum eingegrenzt. Gegenstand der Untersuchung können bzw. sollen nur externe Bilder sein. Dadurch werden mentale Bilder und Formen bildhafter Sprache ausgeschlossen. Da Ornamente oder auch abstrakte Malerei für eine argumentationstheoriebasierte Visualisierung irrelevant sind, werden – der begrifflichen Unterscheidung von Ballstaedt folgend [Ballstaedt (2012), S. 19] – ausschließlich darstellende Bilder betrachtet. Die darstellenden Bilder werden im Folgenden vereinfachend in zwei Gruppen unterschieden. Nicht betrachtet werden z.B. Piktogramme und Karten, weil einzelne Piktogramme nicht aussagekräftig genug sind, Argumentationen in Gänze abzubilden, und Karten – sofern sie der räumlichen Orientierung dienen – zu spezifisch für diesen Zweck sind.
[10]
Die erste Gruppe darstellender Bilder – für die eine große Überschneidung mit Begriffen, wie «Abbilder» oder «realistische Bilder» unterstellt werden kann – zeichnet sich dadurch aus, dass Ausschnitte einer tatsächlichen, gedachten oder verfremdeten Wirklichkeit in Form von Personen, Tieren, Objekten, Handlungen, Szenen etc. dargestellt werden. Bildelemente können als Realbilder, Texturbilder, Strichbilder und Schemabilder etc. vorliegen, müssen also nicht notwendigerweise fototechnisch produziert werden [Ballstaedt (2012), S. 20]. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die Rechtsvisualisierung soll diese Gruppe auch Text-Bild-Kombinationen in Form von Karikaturen, Comics und Cartoons beinhalten. Die Arbeit von Brunschwig zeigt eindrucksvoll, dass die Visualisierung rechtlicher Inhalte in Form von Bildern, die Wirklichkeitsausschnitte in mehr oder weniger realistischer Form abbilden, in mittelalterlichen Bilderhandschriften zu einer erheblichen Blüte gelangt ist [Brunschwig (2001)]. Die Nutzung einer entsprechenden Bildsprache diskutiert sie für die Erstellung von Rechtsnormbildern, die nicht als argumentationstheoriebasierte Visualisierungen aufgefasst werden können. Dennoch ist leicht nachvollziehbar, dass die erste hier betrachtete Gruppe darstellender Bilder durchaus für die Repräsentation von Argumentationen in Frage kommt. Eine Argumentation könnte beispielsweise in Form einer Bildergeschichte dargestellt werden. Problematisch an diesem Ansatz erscheint allerdings, dass (noch) kein allgemein verständlicher Code vorzuliegen scheint, mit dem sich die von Toulmin vorgeschlagenen Strukturen in einer Bildgeschichte kennzeichnen bzw. identifizieren lassen. Da die Erstellung derartiger Bilder zudem mit erheblichem wirtschaftlichen Aufwand verbunden ist und rechtliche Experten – zumindest in naher Zukunft – nur selten über die Motivation, technische und ästhetische Fähigkeit selbst verfügen werden, derartige Bildfolgen zu erstellen, erscheint es sinnvoller eine zweite Gruppe darstellender Bilder genauer zu betrachten.
[11]
Die zweite Gruppe von Bildern – für die eine große Überschneidung mit Begriffen, wie «analytische Bilder», «logische Bilder» oder «Strukturbilder» unterstellt werden kann – soll hier Diagrammtypen umfassen, die sich als Graphen darstellen lassen, welche Objekttypen Symbole zuordnen und diese über Kanten verschiedenen Typs in Beziehung setzen. Die Typen der Kanten charakterisieren die Art der Relation zwischen den Objekten. Die Symbole und Kanten können dabei natürlich-sprachlich beschriftet und mit Ikons bzw. Piktogrammen versehen werden. Auch diese Art der Rechtsvisualisierung weist eine lange Historie – z.B. in Form der Darstellung begrifflicher Baumstrukturen – auf. Auf die Bedeutung der hier betrachten graphischen Darstellungen für Gesetzgebung und Rechtslehre hat in jüngerer Zeit insbesondere Lachmayer früh und nachdrücklich hingewiesen [Lachmayer (1978)], [Lachmayer (1976)]. Röhl und Ulbrich machen darauf aufmerksam, dass Pollack bereits 1912 einen ersten Versuch unternommen hat, eine graphische Symbolsprache für eine anschauliche Kommunikation rechtlicher Sachverhalte [Pollack (1912)] zu entwickeln [Röhl & Ulbrich (2007), S. 151]. Sie urteilen einerseits, dass die ungewohnte und komplexe Symbolik eher Verwirrung stiftet als zur Anschaulichkeit beizutragen, und konstatieren andererseits aber auch, dass Pollack «seiner Zeit deutlich voraus [war]. Viele seiner Gedanken, die damals fremd erschienen sein mögen, sind heute selbstverständlich geworden» [Röhl & Ulbrich (2007), S. 152]. Als neueren Versuch führen Röhl und Ulbrich einen Ansatz von Unger an, der einen Visualisierungsansatz vorschlägt, der spezielle Zeichen für verschiedene Formen von Informationen beinhaltet. Die Informationen werden über Kanten zueinander in Beziehung gesetzt, die sich als inhaltliche Zugehörigkeiten, begriffliche Aufgliederungen, Prüfungsschritte, logische Folgen (auch Rechtsfolgen), Sonderfälle, Ausnahmen und Ausschließlichkeitsverhältnisse kennzeichnen lassen [Röhl & Ulbrich (2007), S. 153 f.], [Stary & Unger (o. J.), S. 13 f.]. Im Gegensatz zum Ansatz von Pollack sind die entsprechenden Visualisierungen verhältnismäßig leicht verständlich. Röhl und Ulbrich weisen allerdings zu Recht darauf hin, dass der Ansatz noch verhältnismäßig textlastig ist und schlagen vor, den Anteil graphischer Elemente, z.B. durch Nutzung aussagekräftiger Icons, zu erhöhen [Röhl & Ulbrich (2007), S. 154 ff.]. Der Ansatz von Unger lässt sich prinzipiell einsetzen, um auch Informationen, die im Rahmen einer Argumentation vermittelt werden, zu strukturieren. Insbesondere die Visualisierung von Zusammenhängen der Form «daraus folgt» wird unterstützt. Allerdings sind die von Toulmin unterschiedenen Strukturen nicht vollständig und kaum explizit berücksichtigt. Durch die Hinzufügung argumentationstheoretischer Konzepte und auf diese abgestimmter Icons ließe sich der Ansatz von Unger aber erweitern.
[12]
Bergmanns unternimmt einen umfangreichen Versuch zur mehrdimensionalen Systematisierung juristischer Strukturbilder [Bergmanns (2009)]. Ca. 100 exemplarische Beispiele wurden hierfür gesammelt und ausgewertet. Eine dediziert auf die argumentationstheoriebasierte Visualisierung ausgerichtete Kategorie findet sich dabei in seinem Ansatz nicht. Einzelne Aspekte der Argumentation lassen sich aber – z.B. aufgrund ihres prozessualen Charakters durch Ablaufstrukturbilder – abbilden. Hinsichtlich der von Bergmanns unterschiedenen dargestellten Elemente, lässt sich die Argumentation am ehesten den Handlungen zu ordnen. Bei den als wesentlich aufgeführten Arten von Beziehungen werden aus Sicht der Argumentationstheorie vor allem die formal-logischen Verknüpfungen aufgeführt und damit grundlegende Beziehungstypen argumentationstheoriebasierter Visualisierungen berücksichtigt [Bergmanns (2009), S. 36 ff.].

3.2.

Entwicklungsperspektiven ^

[13]
Die Befunde legen den Schluss nahe, dass die argumentationstheoriebasierte Visualisierung in der Rechtsvisualisierung bisher wenig Berücksichtigung gefunden hat. Dieser Befund ist aus mehreren Gründen überraschend. Erstens könnte vor dem Hintergrund der Bedeutung der Argumentation in der juristischen Praxis eine intensivere Auseinandersetzung erwartet werden. Da die Rechtsvisualisierung derzeit schwerpunktmäßig durch Impulse aus der Rechtslehre fortentwickelt wird, kann eine abweichende inhaltliche Schwerpunktsetzung in juristischer Lehre und Praxis als Grund für diesen Befund vermutet werden. Zweitens wird in der Rechtsvisualisierung – wie in der Betrachtung des Status quo aufgezeigt – häufig das Fehlen allgemeinverständlicher und verbreiter Codes für die Auslegung der Visualisierungen bemängelt. Da es – wie in der argumentationstheoretischen Grundlegung betont – nicht die eine Argumentationstheorie gibt, verspricht auch die argumentationstheoriebasierte Visualisierung nicht das Entstehen eines einzigen allgemeingültigen Standards. Aber es bietet sich hier die Gelegenheit einen theoretisch fundierten Rechtsvisualisierungsansatz zu entwickeln bzw. zu etablieren. Dieses Plädoyer unterscheidet sich bewusst von Ansätzen zur Entwicklung einer allgemeinen konventionalisierten Strukturbildsprache für die Rechtsvisualisierung (vgl. zur Entwicklung einer «juristischen Superstruktur» [Bergmanns (2009), S. 34] sowie [Bergmanns (2009), S. 105] und die dort zitierte Literatur). Statt der Entwicklung universaler Ansätze scheint die theoretisch fundierte (Weiter-)Entwicklung spezialisierter Visualisierungsansätze und die systematische Klassifikation und Bereitstellung der vorhandenen Rechtsvisualisierungsansätze mehr Erfolg zu versprechen. Im Falle der argumentationstheoriebasierten Visualisierung hat die Diskussion der Grundlagen in Abschnitt 2 gezeigt, dass eine Methode zur argumentationstheoriebasierten Visualisierung sogar konfigurierbar sein sollte, um an spezielle Anwendungsgebiete anpassbar zu sein. Beispielsweise benötigt die argumentationstheoriebasierte Visualisierung für den Anwendungsdiskurs Visualisierungsoptionen zur Beschreibung des Falles, während diese für den Begründungsdiskurs entfallen können. Die Informationssystemmodellierung diskutiert die Anpassung von Visualisierungsmethoden anhand von Konfigurationsregeln und Konfigurationsparameterausprägungen beispielsweise im Rahmen der konfigurativen Referenzmodellierung [Knackstedt (2006)], [Becker et al. (2004)]. Die Entwicklung von Konfigurationsregeln, die das Wissen über die geeignete Gestaltung der Visualisierungsmethode in unterschiedlichen Anwendungskontexten explizieren, geht einher mit zentralen Fragestellungen der Argumentationstheorie selbst. Bereits Toulmin hat untersucht, ob es eine universelle Argumentationstheorie geben kann, oder ob diese für unterschiedliche Anwendungsbereiche, wie z.B. Recht oder Medizin, unterschiedlich ausgeprägt werden muss [Habermas (1987), S. 58 ff.].

4.

Argumentationstheoriebasierte Visualisierungen in der Informationssystemmodellierung ^

4.1.

Status quo ^

[14]
Auch in der Informationssystemmodellierung kann man eine herausgehobene Bedeutung argumentationstheoriebasierter Visualisierungen nicht konstatieren. Methodische Informationssystemarchitekturen betonen Darstellungsgegenstände wie die Aufbauorganisation, Ablauforganisation (Prozesse), Funktionen, Daten und Anwendungssysteme. Allerdings hat die argumentationstheoretische Modellierung im Rahmen der argumentationsbasierten Entwicklung Beachtung gefunden. Dieser liegt die Idee zu Grunde, dass die im Entwicklungsprozess getroffenen Entscheidungen ausführlich dokumentiert werden, so dass sich diese bei späteren Anpassungen der Informationssysteme rekonstruieren lassen. Die Dokumentation der entwicklungsbegleitenden Argumentationen verspricht den Aufwand für Wartung, Weiterentwicklung bzw. Entwicklung ähnlicher Systeme zu reduzieren, indem vermieden wird gleiche oder ähnliche Argumentationen wiederholt führen zu müssen bzw. Argumentationen zu beschleunigen, weil wichtige zu berücksichtigende Gründe etc. nur neu geprüft aber nicht nochmals identifiziert werden müssen.
[15]
Die argumentationsbasierte Entwicklung lässt sich auf techniknahe Artefakte ebenso anwenden wie auf Informationssystemmodelle [Knackstedt (2004), S. 62 ff.], [Schütte (1998), S. 199 ff.]). Argumentationstheoriebasierte Visualisierungen werden dann dazu eingesetzt, die Beziehungen zwischen Informationssystemmodellen zu dokumentieren. Das Management der Beziehungen zwischen Visualisierungen hat in der Informationssystemmodellierung eine besondere Aufmerksamkeit erfahren, weil Informationssystemmodelle in der Regel in arbeitsteiligen Prozessen mit vielen Beteiligten entwickelt werden, die Modelle einen erheblichen Umfang und aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven auf Informationssysteme auch eine enorme Komplexität erlangen, was in der Regel ihre softwarewerkzeugbasierte Verwaltung erforderlich macht. Zu den häufig betrachteten Modellbeziehungen zählen die Versionierung (Ablösung der Gültigkeit des einen Modells durch ein anderes), Metaisierung (Beschreibung der Sprache, des Herstellungsprozesses und weiterer methodischer Aspekte eines Modells durch ein weiteres Modell), Referenzierung (Heranziehung bzw. Bereitstellung eines Referenzmodells zur Entwicklung eines spezifischen Modells, wobei ausgewählte Aspekte des Referenzmodells genutzt werden) und die Variantenbildung (Veränderung eines Ausgangsmodells und parallele Weiterentwicklung beider als Ausprägungsform der Referenzierung). Argumentationstheoriebasierte Visualisierung der Beziehung zwischen mehreren Modellen kann abbilden, warum eines dieser Modell im weiteren Projektverlauf weiterentwickelt wurde und weshalb die anderen in den Modellen manifestierten Gestaltungsoptionen nicht gewählt wurden bzw. warum eines dieser Modelle softwaretechnisch oder organisatorisch umgesetzt wurde und die anderen nicht.

4.2.

Entwicklungsperspektiven ^

[16]
Vor dem Hintergrund einer internetbasierten, verteilten Entwicklung von Informationssystemmodellen ist zu erwarten, dass die argumentationstheoriebasierte Visualisierung – z.B. angelehnt an die IBIS Argumentation Map (vgl. z.B. [CogNexus Institut (o. J.)]) – zunehmende Verbreitung erfährt. Forenstrukturen in Entwicklungsumgebungen, welche eine strukturierte Abfassung der Meinungsäußerungen fördern bzw. erzwingen, können hierfür als Treiber fungieren [Knackstedt & Lis (2009)]. Argumentationstheoriebasierte Visualisierungen können aus den erfassten Daten generiert werden und einen kompakten Überblick über den Argumentationsverlauf geben.
[17]
Die Informationssystemmodellierung kann bei der Gestaltung derartiger Systeme zudem von der in den Rechtswissenschaften bereits intensiv geführten Diskussion der «idealen Sprechsituation» bzw. allgemein der Gestaltung der Rahmenbedingungen einer Argumentation profitieren, indem die dort identifizierten Optionen quasi als Checkliste verwendet werden und damit eine wertvolle Orientierung bieten. Beispielsweise ist die Gruppenzusammensetzung zur Förderung von Partizipation am Entscheidungsprozess zu diskutieren. Mit der Anwendung gemeinsamer Checklisten-Kriterien ist aber intendiert, dass anzunehmen wäre, dass die unterschiedlichen Kriterien in Recht und Informationssystementwicklung jeweils als gleich wichtig angesehen werden. Gleiche Gewichtungen der Kriterien sind vor dem Hintergrund häufig unterschiedlicher Zielsetzungen, wie z.B. Gerechtigkeit oder Profit, nicht zu erwarten. Aber die Gestaltungsoptionen selbst könnten z. B. als Konfigurationsparameter in Softwaresysteme einfließen, die Argumentationen im Rahmen der Informationssystemmodellierung abbilden.

5.

Integrierte Sicht auf die argumentationstheoriebasierte Visualisierung ^

[18]

Die Status quo der argumentationstheoriebasierten Visualisierung in der Rechtsvisualisierung und Informationssystemmodellierung beleuchten eine wesentliche Unterscheidung, die in der argumentationstheoretischen Grundlegung bereits angedeutet wurde:

  • Sicht der juristischen Argumentation: Grob zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Rechtsvisualisierung – wenn überhaupt – mit der Abbildung (von Aspekten) fiktiver oder realer juristischer Argumentationen befasst ist. Dabei erfolgt gegenwärtig eine Konzentration auf logische Schlussfolgerungen. Der Status quo der Visualisierung fokussiert damit Aspekte, die auch vom formalistischen Rationalitätsanspruch hervorgehoben werden.
  • Sicht des Prozesses der Argumentation: Die Informationssystemmodellierung zielt dagegen naturgemäß nicht auf die Abbildung juristischer Argumentationen. Allerdings regt sie an, die Argumentationen, die mit der Erstellung von Informationssystemmodellen – oder allgemein mit Visualisierungen – verbunden sind, zu dokumentieren. Damit stellt sie den Prozess der Argumentation in den Vordergrund und hat dies mit dem utopischen Rationalitätsanspruch gemeinsam.
[19]
Die Generalisierung der Informationssystemmodelle zu Visualisierungen legt eine Integration der beiden Sichtweisen in der Rechtsvisualisierung nahe. Diese Integration scheint die rhetorische Formulierung zu rechtfertigen, dass die argumentationstheoriebasierte Visualisierung als ein «Double-Feature» aufgefasst werden kann (vgl. hierzu kritisch Abschnitt 6).
[20]

Einerseits kann die argumentationstheoriebasierte Visualisierung wie – eingangs konzipiert – in der juristischen Praxis genutzt werden, um Argumentationen (arbeitsteilig) zu planen und zu dokumentieren etc. (argumentationstheoriebasierte Visualisierung aus Sicht der juristischen Argumentation). Andererseits dürfte die Konzeption einer Argumentation selbst wiederum einer realen oder fiktiven Argumentation unterliegen. Die an der Planung bzw. Beurteilung Beteiligten tauschen dabei Argumente aus, warum zu erwarten ist, dass die Argumentation wirksam sein wird, vergleichen alternative Schrittfolgen oder weisen auf logische Inkonsistenzen hin. Mit den gleichen Argumenten wie in der Informationssystemmodellierung kann es sinnvoll sein, diese Argumentationen selbst auch wieder zu dokumentieren, um z.B. die Wiederverwendung von Argumentationsmustern oder den Nachvollzug zurückliegender Entscheidungen zu unterstützen. Diese Dokumentation kann selbst wiederum mittels argumentationstheoretischer Visualisierungen vorgenommen werden (argumentationstheoriebasierte Visualisierung aus Sicht des Prozesses der Argumentation).

Abbildung 1: Vereinfachter Metamodell-Ausschnitt argumentationstheoriebasierter Visualisierung(in Anlehnung an [Knackstedt (2006), S. 66] und [Schütte (1998), S. 203])

[21]
Ein Aspekt des Herstellungsprozesses der argumentationstheoriebasierten Visualisierung – hier die Argumentation – wird in der vorgestellten Konstellation mit demselben Visualisierungsansatz repräsentiert, der auch der argumentationstheoriebasierten Visualisierung selbst zu Grunde liegt. Diese Eigenschaft ist bei der Beschreibung von Visualisierungsansätzen verhältnismäßig selten. Den Prozess zur Herstellung eines Datenmodells, Organigramms oder Funktionsbaums würde man beispielsweise nicht wiederum mit einem Datenmodell, Organigramm oder Funktionsbaum, sondern mittels eines Prozessmodells darstellen. Allerdings lässt sich der Prozess der Herstellung eines Prozessmodells wiederum mit einem Prozessmodell repräsentieren und sprachliche Aspekte eines Datenmodells lassen sich wiederum mit einem Datenmodell explizieren. Abbildung 1 detailliert den Charakter der Beziehungen zwischen den unterschiedenen Verwendungen argumentationstheoriebasierter Visualisierungen als vereinfachten Ausschnitt eines Datenmodells. Da der Betrachtungsschwerpunkt auf den Verwendungsbeziehungen – die in der Abbildung grau hinterlegt sind – liegt, wurde auf die vollständige Abbildung aller Elementtypen bewusst verzichtet (z.B. wäre durchaus sinnvoll auch nachzuhalten, welche Personen bestimmte Positionen im Verlauf einer Argumentation vertreten haben). Als Sprache zur Datenmodellierung wird das Entity/Relationship-Modell (ERM) verwendet (vgl. zur einführenden Erläuterung dieser Notation z.B. [Becker & Schütte (2004)]).

6.

Kritik der Rhetorik vom ^

[22]
Die Betrachtung der argumentationstheoriebasierten Visualisierungen aus Sicht von Rechtsvisualisierung und Informationssystemmodellierung zeigt beispielhaft die Erkenntnispotenziale auf, die mit dieser integrierten Betrachtungsweise verbunden sein können. Die doppelte Rolle der argumentationstheoriebasierten Visualisierung als Repräsentationsmittel juristischer Argumentationen und als Mittel zur Dokumentation von Aspekten des Herstellungsprozesses dieser argumentationstheoriebasierten Visualisierungen selbst, aber auch beliebiger anderer Rechtsvisualisierungen, zeigt, dass die Rechtsvisualisierung insbesondere bei der Betrachtung von Visualisierungsbeziehungen von der Informationssystemmodellierung profitieren kann [Knackstedt, Heddier (2012)]. Darüber hinaus stellt die mögliche Doppelrolle von Visualisierungen auch eine interessante Herausforderung für die Systematisierung der in der Rechtsvisualisierung relevanten Darstellungsmittel dar.
[23]
Neben der alleinigen Nutzung der argumentationstheoriebasierten Visualisierung zur Dokumentation des Herstellungsprozesses auch anderer Rechtsvisualisierungen relativiert sich die «Double-Feature»-Eigenschaft auch, wenn die in den betrachteten Entwicklungsperspektiven in Aussicht gestellten Konfigurationen berücksichtigt werden. Dann können für die unterschiedenen Sichten der argumentationstheoriebasierten Visualisierung durchaus spezifische Konfigurationen eines konkreten Ansatzes zur argumentationstheoriebasierten Visualisierung zum Einsatz kommen – oder es handelt sich in Analogie zur Unterscheidung von Daten- und Prozessmodellen etc. nur um Vertreter der gleichen Sprachfamilie. Darüber hinaus muss eingeräumt werden, dass die vorgestellten Beziehungen als Baumstrukturen wahrgenommen werden können, während zumindest das «Double-Feature» im Kinosaal eine Sequenz darstellt. Darüber hinaus lässt sich die Bezugnahme zwischen argumentationstheoriebasierten Visualisierungen – wie die Metaisierung auch – prinzipiell beliebig fortsetzen. Eine dritte Sichtweise würde die Argumentation dokumentiert, welche die Rahmenbedingungen derjenigen Argumentation diskutiert, die über alternative argumentationstheoriebasierte Visualisierungen zur Planung einer juristischen Argumentation geführt wird. Ob dies in der juristischen Praxis allerdings viel Erfolg hat, ist durchaus fraglich. Dieses Phänomen ist ja auch bei der mehr oder weniger zweckmäßigen bzw. kreativen Fortsetzung einiger Kino-Blockbuster in Form vielfacher Sequels oder gar auch Prequels und deren Präsentation in «Double»-, «Triple»- etc. Veranstaltungen durchaus bekannt. Insofern scheint der gewählte anschauliche Vergleich zumindest augenzwinkernd einschlägig.
[24]
Mit der Zweckmäßigkeit der argumentationstheoriebasierten Visualisierung ist eine weitere wesentliche Entwicklungsperspektive angesprochen, die für beide Sichten gilt: Die für die argumentationstheoriebasierte Visualisierung konzipierten Ansätze sollten einer systematischen Evaluation unterzogen werden. Diese kann insbesondere zeigen, in welchen Anwendungsbereichen, die argumentationstheoriebasierte Visualisierung zur Erreichung welcher Vorteile der Visualisierung (vgl. Abschnitt 1) – oder weiterer Ziele – eingesetzt werden kann. Verfahren, die in der Informationssystemmodellierung eingesetzt werden, lassen sich dabei auf die Evaluation von Rechtsvisualisierungen übertragen [Heddier & Knackstedt (2013)]. Aufgabe der Evaluation ist es dann auch, die Konfigurationsregeln zur Anpassung der sprachlichen Mittel zur Beschreibung juristischer Argumentationen und die Konfigurationsregeln zur Anpassung der Rahmenbedingungen der Argumentation auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Evaluation im Rahmen der Informationssystemmodellierung verfolgt damit ein Ziel, das sie mit dem realistischen Realitätsanspruch an juristische Argumentationen teilt.

7.

Literatur ^

Ballstaedt, Steffen-Peter, Visualisieren, Konstanz (2012).

Becker, Jörg/Delfmann, Patrick/Knackstedt, Ralf, Konstruktion von Referenzmodellierungssprachen. Ein Ordnungsrahmen zur Spezifikation von Adaptionsmechanismen für Informationsmodelle. Wirtschaftsinformatik, 46 (2004) 4, S. 251-264.

Becker, Jörg/Schütte, Reinhard, Handelsinformationssysteme, Redline Wirtschaft, Frankfurt am Main (2004).

Bergmanns, Bernhard, Visualisierungen in Rechtslehre und Rechtswissenschaft. Ein Beitrag zur Rechtsvisualisierung. Berlin 2009.

Böhme-Nessler, Volker, Unscharfes Recht, Überlegungen zur Relativierung des Rechts in der digitalisierten Welt, Berlin (2008).

Brunschwig, Colette R., Visualisierung von Rechtsnormen, Legal Design, Dissertation, Zürich (2001).

CogNexus Institut, IBIS: A Tool for All Reasons, http:www.cognexus.org/IBIS-A-Tool_for_All_Reasons.pdf (Abrufdatum: 2013-01-10).

Eppler, Martin J./Burkhard, Remo A., Knowledge Visualization – Towards a New Discipline and Its Fields of Application, Arbeitsbericht 2/2004 des Institute for Corporate Communication, University of Lugano, Lugano (2004).

Habermas, Jürgen, Theorie des kommunikativen Handelns, Band 1, Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung, 4. Auflage, Frankfurt am Main, 1987.

Haft, Fritjof: Einführung in die Rechtsinformatik, Freiburg, München (1977).

Heddier, Marcel/Knackstedt, Ralf, Empirische Evaluation von Rechtsvisualisierungen am Beispiel von Handyverträgen. Eingereicht zum: Tagungsband des Internationalen Rechtsinformatik Symposion (IRIS 2013).

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Ralf Knackstedt, Privat-Dozent, Vertretung der Professur für Wirtschaftsinformatik, Stiftung Universität Hildesheim.

 

Marcel Heddier Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Münster, European Research Center for Information Systems (ERCIS).