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Wiener Charta – Zukunft gemeinsam leben

  • Author: Christian Loibnegger
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government, Open Government
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Christian Loibnegger, Wiener Charta – Zukunft gemeinsam leben, in: Jusletter IT 20 February 2013
In der Wiener Charta geht es um das Miteinander in Wien. Wie stellen sich die WienerInnen das Zusammenleben in Zukunft vor, wie möchten sie es gestalten? Die Charta ist eine Initiative der Stadt Wien, sie ist einzigartig in Europa, noch nie hat es eine derart umfassende Form der Bürgerbeteiligung gegeben. Die Stadt stellte nur den Rahmen zur Verfügung, die BürgerInnen erarbeiteten die Wiener Charta gemeinsam, alle konnten und sollten mitmachen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Zielsetzungen und Kernelemente
  • 3. Konzept und Vorbereitung
  • 3.1. Online und offline
  • 3.2. Das Basis-Dokument
  • 3.3. Der Beirat
  • 3.4. Partnerorganisationen
  • 4. Der Verlauf des Charta-Prozesses
  • 4.1. Themensammlung – 19. März bis 1. April 2012
  • 4.2. Auswertung und Themenpräsentation durch den Beirat – 13. April 2012
  • 4.3. Charta-Gespräche – 13. April bis 14. Oktober 2012
  • 4.4. Online-Diskussion – 28. September bis 14. Oktober 2012
  • 4.5. Abschluss und Präsentation der Wiener Charta
  • 5. Der Text der Wiener Charta
  • 6. Gespräche mit Wirkung in die Zukunft

1.

Einleitung ^

[1]
Vielfalt und Heterogenität sind Realität in einer Großstadt, und diese Vielfalt hat durch Internationalität zugenommen. Die Fähigkeit, mit dieser Vielfalt gelassen, nüchtern, angstfrei und auch kritisch und diskursiv umzugehen, bildet daher eine Basis- und Schlüsselqualifikation für Bewohnerinnen und Bewohner einer Großstadt. Sie ist unumgänglich, um sich selbst wohlzufühlen, und erhöht die eigene Lebensqualität. Sie ist ebenso erforderlich für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität.
[2]
Vor diesem Hintergrund hat die Stadt Wien die Initiative ergriffen und das bisher in Europa einzigartige Projekt der Wiener Charta gestartet. Sie hat zugleich ihre eigene Rolle als die einer Initiatorin und Ermöglicherin eines Prozesses und nicht als seine alleinige Trägerin definiert und auf eine ebenfalls bisher neue Weise die Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft gesucht und gefunden.

2.

Zielsetzungen und Kernelemente ^

[3]
Bürgermeister Dr. Michael Häupl, Vizebürgermeisterin Mag.a Maria Vassilakou und Stadträtin Sandra Frauenberger stellten am 13. März 2012 bei der Startpressekonferenz die Zielsetzungen des Projekts mit folgenden Worten vor:

«Die in Wien lebenden Menschen sind zu Recht auf die hohe Lebensqualität in unserer Stadt stolz. Gerade in einer Zeit, die uns alle vor neue Herausforderungen stellt, ist ein Klima des sozialen Zusammenhalts und des gegenseitigen Respekts immens wichtig. Wie wir im Alltag miteinander umgehen, spielt dabei eine zentrale Rolle. Das ist aber nicht per Gesetz zu verordnen. Es braucht einen gemeinsamen Nenner, auf den sich die Menschen, die in Wien leben, miteinander verständigen. Dafür bietet die Wiener Charta nicht nur den Rahmen, sie forciert den BürgerInnendialog offensiv und schafft damit Bewusstsein für Solidarität. (...) Ziel der Wiener Charta ist es, gemeinsam mit allen in Wien lebenden Menschen die Weichen für ein respektvolles und dauerhaft gutes Klima in unserem Wien zu stellen.»

[4]

In diesen Sätzen werden zentrale Elemente und Zielsetzungen deutlich:

  • Zusammenleben kann und soll nicht vollständig durch Gesetze geregelt werden. Für das Klima im Alltag entscheidende Dimensionen entziehen sich ja überhaupt jeglicher rechtlicher Normierung (Respekt, Rücksicht, Hilfsbereitschaft ...). Die Charta sollte kein Diktat von oben sein, kein neues Regelwerk, dessen Einhaltung sanktioniert wird.
  • Es sollten Menschen aus unterschiedlichen Generationen und mit unterschiedlichen Lebenseinstellungen, Hautfarben, Berufen und Meinungen zusammenkommen, diskutieren und die Charta erarbeiten. Es sollte und durfte kontrovers diskutiert werden, davon lebt die Charta. Es ging also um alle Stadtteile Wiens, um Unternehmerinnen/Unternehmer, um Angestellte, Arbeiterinnen/Arbeiter wie um Menschen, die nicht im Erwerbsleben stehen. Es ging um Kinder wie um ältere Menschen, um Personen mit besonderen Bedürfnissen, um hier Geborene und Zugewanderte, um Menschen aller Religionen und Weltanschauungen – kurz: Es ging um alle, denn Zusammenleben geht alle an.
  • Das Besondere an diesem Projekt: Die Wienerinnen und Wiener bestimmten die Themen selbst und gestalteten die Charta in Diskussionen aktiv. Die Wiener Charta sollte eine Übereinkunft der Bürgerinnen und Bürger sein, die sie gemeinsam und aus persönlicher Überzeugung treffen. Sie wird das Leben in Wien in dem Maße verändern und prägen, in dem sich Menschen aus freier Überzeugung dazu entschließen und darin mit anderen übereinkommen. Das Herzstück der Entwicklung der Charta waren daher möglichst breite und durchaus kontroversielle Kommunikations-, Gesprächs- und Verständigungsprozesse.
  • Es wurde nichts verordnet – die Stadt Wien ermöglichte diesen Prozess und bot lediglich den Rahmen dafür.
  • Zukunftsorientierung: Es ging darum, Weichen für die gemeinsame Zukunft in dieser Stadt zu stellen. Im Charta-Prozess sollte erarbeitet werden, wie sich die Wienerinnen und Wiener in Zukunft das Zusammenleben in unserer Stadt vorstellen und wie sie ihr Zusammenleben in Zukunft gestalten wollen. Dabei sollte es nicht um Wünsche an die Politik und/oder die Verwaltung gehen, sondern darum, was jedeR selbst beitragen kann, um das Zusammenleben zu verbessern.

3.

Konzept und Vorbereitung ^

[5]
Die Konzeptentwicklung und die Verantwortung für die Umsetzung wurden im November 2010 der MA 17, Abteilung für Integration und Diversität, übertragen.

3.1.

Online und offline ^

[6]
Im Laufe des Jahres 2011 wurde das Konzept entwickelt. Sehr schnell war klar, dass die Beteiligung sowohl online als auch offline möglich sein sollte. Zu Online-Beteiligung wurde mit neu&kühn ein externes Unternehmen gewonnen, das sowohl in die Konzeptentwicklung eingebunden war als auch später mit der technischen Umsetzung und der Moderation der online-Phasen betraut wurde.
[7]
Als Offline-Beteiligungsmöglichkeiten wurde für Personen ohne Internetzugang die Möglichkeit entwickelt, ihre Anliegen telefonisch einzubringen. Im eigentlichen Zentrum des Charta-Prozesses sollten aber Charta-Gespräche stehen, in denen Menschen face-to-face miteinander reden. Die Ergebnisse dieser Gespräche sollten völlig transparent online gestellt werden und daher sowohl für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als auch für die interessierte Öffentlichkeit nachvollziehbar sein.
[8]
Zwei Fragestellungen haben in den Vorbereitungsmonaten viel Raum eingenommen: Zunächst die Frage, wie lange der Prozess dauern sollte. Fachleute aus dem Bereich Medien/Kommunikation sprachen sich für einen eher kurzen, straffen Prozess aus, der nicht länger als wenige Monate wenn nicht Wochen dauern solle. Sie führten das Argument ins Treffen, über längere Zeit sei ein Spannungsbogen in der öffentlichen Kommunikation und mediale Aufmerksamkeit nicht zu gewährleisten. Potenzielle Partnerorganisationen, die unmittelbar mit Menschen arbeiten und Erfahrung mit Gruppenprozessen hatten, erachteten hingegen den Zeitraum von mindestens einem Jahr für die Gruppenphase für notwendig. Schließlich wurde ein guter Kompromiss erzielt und die Dauer des Prozesses mit acht Monaten festgelegt.
[9]
Die andere Frage war, wie eine thematische Strukturierung der Diskussion möglich sein könnte – also welche Themen des Zusammenlebens behandelt werden sollten. Eine Überlegung war, auf der Grundlage von Erfahrungen und/oder Meinungsumfragen ausgewählte Themen vorzugeben. Diese Idee wurde verworfen, weil jede Vorgabe dem konsequenten Ansatz, dass die Wienerinnen und Wiener bestimmen, was in der Charta stehen soll, zuwiderlaufe: So wurde entschieden, dass eine erste Onlinephase allen die Möglichkeit bieten sollte, die von ihnen gewünschten Themen einzubringen.
[10]

Es ergab sich folgender Ablauf:

  • Projektvorstellung und Startpressekonferenz: 12. März 2012
  • Themensammlung: 19. März bis 1. April 2012
  • Präsentation der Themen durch den Beirat: 13. April 2012
  • Charta-Gespräche: 13. April bis 14. Oktober 2012
  • zweite Online-Phase: 28. September bis 14. Oktober 2012
  • Präsentation der «Wiener Charta»: 27. November 2012

3.2.

Das Basis-Dokument ^

[11]
Ein offener Prozess, bei dem die Wienerinnen und Wiener den Inhalt der Charta bestimmen, braucht eine Grundlage und klare inhaltliche Grenzen: In einem demokratischen Rechtsstaat kann und darf nicht alles zur Disposition stehen.
[12]
Zentrale und unverzichtbare Grundelemente aus internationalen Rechtsnormen und der österreichischen Bundesverfassung wurden daher im Basis-Dokument zusammengefasst. Dieses Basis-Dokument wurde zwischen Mai und September 2011 von einer Gruppe von Experten erarbeitet: Dieser Gruppe gehörten Experten des Rechts ebenso an wie Experten des Alltags (Hausbesorger, Schüler, Schuldirektorin).
[13]
Das Basis-Dokument besteht aus drei Teilen: Demokratie und Rechtsstaat; Menschen- und Grundrechte; Frauen- und Kinderrechte. Auf der Homepage wurde bereits zu Prozessbeginn klargemacht: «Der Prozess der Erarbeitung der Wiener Charta baut auf diesen Kernelementen auf, sie bilden Ausgangspunkt und Grundlage. Sie können und dürfen von niemandem in Frage gestellt werden.»

3.3.

Der Beirat ^

[14]
Die obersten Prinzipien des Wiener-Charta-Prozesses waren Transparenz, Offenheit und Glaubwürdigkeit. Um das sicherzustellen, wurde ein unabhängiger Charta-Beirat eingerichtet, der dafür sorgen sollte, dass die Meinungen und Anliegen der Wienerinnen und Wiener – und sonst nichts – in den verschiedenen Phasen des Prozesses zur Geltung kommen. Die Mitglieder des Beirats spiegelten die Breite der Partnerorganisationen wider, kamen aus unterschiedlichen beruflichen Bereichen (Wirtschaft, Jugendarbeit, Journalismus, Hausbesorger, Betriebsrat, Soziales) und verfügten über große Lebens- und Berufserfahrung vor allem im Zusammenleben unterschiedlicher Gruppierungen. Er bestand aus älteren und jüngeren Personen, jeweils drei Frauen und drei Männern, zwei der sechs Mitglieder haben einen Geburtsort außerhalb Österreichs. Der Beirat garantierte die Einhaltung der Grundregeln, die von Beginn an klar kommuniziert wurden. Er fungierte bei strittigen Fragen auch als Schiedsinstanz.

3.4.

Partnerorganisationen ^

[15]
Ein Prozess in der beabsichtigten Breite, der alle Teile der Wiener Gesellschaft und alle Wienerinnen und Wiener einladen und einschließen sollte, kann und soll nicht allein von Politik und Verwaltung organisiert werden. Daher wurde ein neuer, innovativer Zugang gewählt: Alle Organisationen in der Stadt (Unternehmen, Vereine, Sozialpartner, Glaubensgemeinschaften, Parteien ...) wurden eingeladen, Partnerin oder Partner der Wiener Charta zu werden. Ein entsprechendes Schreiben des Bürgermeisters und der Vizebürgermeisterin wurde über die Geschäftsgruppen des Magistrats an ihre Kooperationspartnerinnen und -partner geschickt. Die Einladung wurde auch über die Homepage und in Interviews ausgesprochen und damit auf einen offenen Adressatenkreis ausgeweitet.
[16]
325 Partnerorganisationen in einer beeindruckenden Vielfalt erklärten sich per E-Mail bereit, den Prozess durch Charta-Gespräche und/oder durch Information/Kommunikation mit ihren Kommunikationsmitteln aktiv zu unterstützen: Darunter waren namhafte Firmen (wie Siemens, McDonalds, IBM), Sozialpartner (Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer, Gewerkschaft), zahlreiche Kultur-, Sport- und Migrantinnen- und Migrantenvereine, Glaubensgemeinschaften (katholische, evangelische und orthodoxe Kirche, islamische Glaubensgemeinschaft, Israelitische Kultusgemeinde, Buddhistische Gemeinde) sowie der Freidenkerbund, drei der vier im Gemeinderat vertretenen Parteien sowie die KPÖ Margareten, Selbsthilfeorganisationen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen ebenso wie die Homosexuelleninitiative. Diese wenigen Beispiele sollen die große Bandbreite der Partnerorganisationen verdeutlichen.
[17]

Eine Liste aller Partnerorganisationen ist unter https://charta.wien.gv.at/start/charta /partnerorganisationen/liste/ online.

4.

Der Verlauf des Charta-Prozesses ^

4.1.

Themensammlung – 19. März bis 1. April 2012 ^

[18]
Innerhalb dieser zwei Wochen konnten alle Wienerinnen und Wiener online oder per Telefon die Themen, die ihnen für ein gutes Zusammenleben wichtig erschienen, einbringen. Das Online-Forum wurde 24 Stunden durchgehend extern durch die Firma neu&kühn moderiert, das «Charta-Telefon» war von Montag bis Freitag mit bis zu sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der MA 17 besetzt. Auch die telefonisch eingebrachten Themen wurden online gestellt.
[19]
Bei der «Yellow Box» (Raiffeisen) im Museumsquartier, am Yppenplatz/Brunnenmarkt sowie in einem Jugendzentrum und einem Pensionistenwohnhaus fanden Veranstaltungen statt, bei denen Interessierte ihre Themenwünsche vor Ort einbringen konnten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Laptops gaben die Beiträge online ein.
[20]

Auf der Homepage wurden von allem Anfang an klar die folgenden Grundregeln kommuniziert:

  • Das Basis-Dokument beschreibt die unverzichtbaren Grundlagen des Zusammenlebens, die sich aus der Rechtsordnung ergeben. Beiträge, die diese Grundlagen in Frage stellen, werden nicht online gestellt.
  • Moderatorinnen und Moderatoren sorgen dafür, dass die Netiquette eingehalten wird.
  • In der Wiener Charta geht es darum, wie die Wienerinnen und Wiener ihr Zusammenleben in Wien gestalten wollen. Beiträge zu anderen Themen werden nicht online gestellt.
  • Beiträge mit Wünschen und Anregungen an Politik oder Verwaltung sind nicht Thema der Wiener Charta. Sollten solche gepostet werden (beispielsweise Wünsche nach gesetzlichen Änderungen oder nach mehr Parkbänken), werden diese an die jeweils Zuständigen weitergeleitet.
  • Insgesamt wurden 2.649 Themen bzw. Beiträge eingebracht, 1.848 Themenwünsche gingen online. 765 Postings wurden nicht publiziert. Der Großteil von ihnen betraf Wünsche an Politik oder Verwaltung und wurde an die zuständigen Stellen weitergeleitet. 36 Beiträge bezogen sich auf die Wiener Charta insgesamt und betrafen «Lob und Kritik». 45.633 mal wurden Beiträge durch «likes» bewertet.
[21]
In einer Handvoll schwieriger oder strittiger Fragen entschied der Beirat, ob ein Beitrag wegen «Themenverfehlung» oder Verstoß gegen die Netiquette freigeschalten werden sollte.

4.2.

Auswertung und Themenpräsentation durch den Beirat – 13. April 2012 ^

[22]
Ab 2. April beschäftigte sich der Beirat damit, sämtliche Einträge zu durchforsten. In insgesamt vier Sitzungen wurde mehr als 15 Stunden intensiv gemeinsam diskutiert. Dabei wurden auf der einen Seite große inhaltliche Themenblöcke identifiziert, auf der anderen Seite Rahmenbedingungen, unter die diese gestellt sind.
[23]

Auf Grundlage des Materials, das sind die eingereichten Anliegen der Wienerinnen und Wiener, identifizierte der Beirat drei Aspekte, die jeweils angesprochen werden:

  • Verhalten = «miteinander auskommen»
  • Haltung = «nicht immer dasselbe»
  • Raum = «aufgeräumt wohlfühlen»
[24]

Auf dieser Folie einigte sich der Beirat auf drei Themenblöcke mit Unterthemen und ordnete die Postings diesen Themen zu:

  • miteinander auskommen: 717 Postings
    • Verhalten im Straßenverkehr und in den öffentlichen Verkehrsmitteln (294 Postings)
    • Umgangsformen im Alltag – Rücksicht im Zusammenleben (423 Postings)
  • nicht immer dasselbe: 761 Postings
    • Jung und Alt (162 Postings)
    • Deutsch sprechen – andere Sprachen sprechen (95 Postings)
    • Ich und die, die anders sind als ich (504 Postings)
  • aufgeräumt wohlfühlen: 624 Postings
    • Sauberkeit in der Stadt (174 Postings)
    • Öffentlicher Raum – Lebensraum für uns alle (450 Postings)
[25]
Am Freitag, dem 13. April, präsentierte der Beirat diese Themen, die im Rahmen der Charta-Gespräche weiter diskutiert werden sollten. Der Beirat gab den Gruppen aber auch einen wichtigen Hinweis auf den Weg: Sie sollten nach Möglichkeit die Themen unter dem Aspekt «Veränderung in Eigenregie» diskutieren, also nach konkreten Möglichkeiten suchen, selbst in ihrem Umfeld für Verbesserungen zu sorgen.
[26]
Alle Postings und Themenvorschläge waren nun auf der Homepage nicht mehr nur nach der Reihenfolge der Einreichung, sondern auch nach der Zuordnung zu Themenblöcken nachzulesen (Postings, in denen mehrere Themen angesprochen wurden, wurden auch mehrmals zugeordnet). Somit war für völlige Transparenz gesorgt – es war für alle nachvollziehbar, welche Beiträge wo zugeordnet worden waren.

4.3.

Charta-Gespräche – 13. April bis 14. Oktober 2012 ^

[27]
Mit den Charta-Gesprächen, die das Herzstück des Prozesses bildeten, trat die Charta in ihre entscheidende und wichtigste Phase.
[28]
Charta-Gespräche wurden von Partnerorganisationen und Einzelpersonen organisiert. Jeder, der ein Charta-Gespräch veranstalten wollte, konnte sein Gespräch online oder telefonisch beim Charta-Telefon anmelden. Für Werbematerial und Ankündigungen standen den Veranstalterinnen und Veranstaltern auf der Homepage das Charta-Logo und Vordrucke als Ankündigungszettel oder -plakat zur Verfügung, die nur mehr durch die konkreten Angaben (Ort, Zeit .....) ergänzt werden mussten.
[29]
Für den passenden Ort hatten die Veranstalterinnen und Veranstalter selbst zu sorgen. Der Raum sollte ein ungestörtes Gespräch ermöglichen. Eine besondere Ausstattung war nicht erforderlich. Im Idealfall sollten 10-20 Personen an einem Charta-Gespräch teilnehmen, als zeitlicher Rahmen sollten eineinhalb bis zwei Stunden eingeplant werden.
[30]
Die Veranstalterinnen und Veranstalter konnten selbst entscheiden, ob sie nur einen bestimmten Personenkreis (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Firma, Vereinsmitglieder u.a.) einladen wollten oder als offene Gruppe allen Interessierten offenstehen wollten. «Offenen Gruppen» wurden mit Ort und Zeit auf der Homepage veröffentlicht und Interessierte hatten die Möglichkeit, sich gleich über die Homepage anzumelden.
[31]
Die Veranstalterinnen und Veranstalter konnten auch selbst entscheiden, über welches der Themen primär diskutiert werden sollte. Sie konnten bereits eines der drei Hauptthemen wählen oder es der Gruppe überlassen, zu Beginn des Gesprächs ihren Schwerpunkt festzulegen.
[32]

Welches Thema auch diskutiert wurde, immer ging es im Gespräch darum, die folgenden Fragen zu klären:

  • Was ist wichtig für ein gutes Zusammenleben in Wien?
  • Was erwarten die GesprächsteilnehmerInnen von anderen?
  • Was sind sie selbst bereit zu tun?
  • Was soll in die Wiener Charta aufgenommen werden?
[33]
Um die Transparenz des Charta-Prozesses zu gewährleisten, war jedes Charta-Gespräch auf der Homepage ersichtlich, sobald es fixiert wurde. Auch die Ergebnisprotokolle jeder Gesprächsgruppe wurden online gestellt und waren im Internet nachzulesen.
[34]
Sobald die Anmeldung eines Charta-Gesprächs im Büro einlangte, begann die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Ein Pool von rd. 300 Moderatorinnen und Moderatoren stand zur Verfügung. Für jedes Gespräch wurden zwei Moderatorinnen oder Moderatoren angefragt, die zwei verschiedene Rollen zu erfüllen hatten: Die Hauptmoderation war für die Moderation des Gesprächs hauptzuständig, die Ko-Moderation sorgte für die Sicherung der Ergebnisse und die Eingabe der Gruppenergebnisse auf der Homepage. Das Charta-Büro stellte einen Kontakt zwischen der Person, die das Gespräch organisierte, und der/dem HauptmoderatorIn her, damit zumindest eine telefonische Abstimmung im Vorfeld möglich war. In der Regel konnten die Teilnehmenden innerhalb weniger Tage online ihr Gruppenergebnis nachlesen.
[35]
Die Moderatorinnen und Moderatoren mussten über die entsprechende Aus- und Fortbildung und einschlägige Erfahrung verfügen und von Partnerorganisationen genannt und empfohlen werden. Aktive politische Mandatarinnen und Mandatare sowie Angestellte von politischen Parteien waren ausgeschlossen. Ein Moderations-Handbuch mit allen relevanten Informationen wurde ihnen zur Verfügung gestellt. Jede Gruppe sollte in der Sprache diskutieren können, in der sie am liebsten sprechen wollte. Daher waren auch zwei- oder mehrsprachige Moderatorinnen und Moderatoren erforderlich.
[36]
Jede Person aus dem Moderations-Pool gab zu Beginn an, zu welchen Zeiten sie verfügbar sei. Wenn die Anmeldung eines Charta-Gesprächs im Charta-Büro einlangte, gingen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach diesen Angaben vor. Dabei wurden oft Personen angefragt, die einander nicht kannten und dennoch gemeinsam moderieren sollten. Ganz bewusst wurde beim Matching der Moderatorinnen und Moderatoren sowie von Gesprächsgruppe und Moderation keine inhaltliche Zuordnung getroffen. Alle ModeratorInnen sollten breit gefächert eingesetzt werden und keineswegs nur in dem Milieu bzw. in einem Setting, das ihrem sonstigen Erfahrungs- und Einsatzbereich entsprach. So moderierten Personen oft an Orten, an denen sie noch nie gewesen waren und vermutlich auch so bald nicht wieder hinkommen würden, jedenfalls nicht als Moderatorin oder Moderator: Etwa in der Magistratsdirektion oder in einem Verein von Migrantinnen und Migranten, in einer Raiffeisenfiliale, bei Rapid oder im Pensionistinnen- und Pensionistenwohnhaus. So kam es, dass überzeugte Parteianhängerinnen oder Parteianhänger einer Partei zufällig bei einem Charta-Gespräch einer anderen Partei moderierten, Personen aus der katholischen Erwachsenenbildung in Sektionen der SPÖ oder bekennende Atheistinnen und Atheisten in interreligiösen Plattformen.
[37]
Das Prinzip der Charta, nämlich zusammenzuführen und zu verbinden, ohne Unterschiede zu nivellieren oder aufzuheben, sollte ganz bewusst auf allen Ebenen des Prozesses (von der Zusammenstellung des Beirats über die Kooperationspartnerinnen und -partner bis zur Moderation) durchgängig gewahrt sein, weil sonst auch die Charta-Gespräche selbst nicht glaubwürdig gewesen wären. Erstaunlicherweise kam es kaum zu Problemen, und auch die zufällige Zusammenstellung zweier Personen als Moderations-Duo verlief in der Regel ohne Schwierigkeiten. Im Gegenteil: Viele Moderatorinnen und Moderatoren schätzten gerade diese Erweiterung des eigenen Horizonts und die Begegnung mit «anderen» Menschen sehr und sahen darin für sie eine persönliche Bereicherung.
[38]
Diese positive Stimmung blieb bis zum Ende des Prozesses erhalten und war wohl die Voraussetzung dafür, dass sich das Engagement auch auf die Teilnehmenden der Gespräche übertragen konnte. Der Erfolg der Charta-Gespräche ist vor allem der Kompetenz und der Begeisterungsfähigkeit der Moderatorinnen und Moderatoren zu verdanken. Das Charta-Büro hat auch fast ausschließlich positive Rückmeldungen zur Moderation erhalten.
[39]
Insgesamt haben in Wien 651 Charta-Gespräche in allen Wiener Bezirken und an fast allen denkbaren Orten (in Vereinslokalen, Extrazimmern von Gaststätten, Betrieben, Schulen, Wohnungen, im Park oder im Freibad) stattgefunden, rund 8.500 Menschen haben sich beteiligt und so insgesamt 12.700 Gesprächsstunden in das gute Zusammenleben investiert. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die Gesprächsteilnehmenden einen Querschnitt der Wiener Wohnbevölkerung widerspiegeln: Kinder, Jugendliche, Seniorinnen/Senioren; Arbeiterinnen/Arbeiter, Angestellte und Unternehmerinnen/Unternehmer sowie Menschen, die nicht im Erwerbsleben stehen; Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen und Geburtsländern, mit und ohne Behinderungen, sowie unterschiedlichen religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen oder sexueller Orientierung.
[40]
Gerade am Anfang der Gespräche stand manchmal eine gewisse Ratlosigkeit im Raum: Was soll man in einem Charta-Gespräch genau tun – nur reden? Und worüber genau soll man reden? Eine gewisse Befangenheit war spürbar: Reden über ein konkretes Thema und die Artikulation von Forderungen an einen abwesenden Dritten (die Hausverwaltung, die Chefetage, die Politik ...) ist eingeübt und gelernt. Auch das Sprechen in einer bestimmten Rolle (z.B. als Vertreterin oder Vertreter einer Organisation) geht wie selbstverständlich. Aber miteinander reden als Person, als Mensch, jenseits von eingeübten Gesprächsritualen? Das brauchte manchmal fast so etwas wie Überwindung, wurde aber offenbar belohnt: Menschen, die sich aus beruflichen Zusammenhängen gut kannten oder auch Teams am Arbeitsplatz gaben die Rückmeldung, wie erstaunlich und bereichernd solche Gespräche waren, auch für die weitere Zusammenarbeit. Ebenso war es bei Mitgliedern desselben Vereins oder Besucherinnen und Besuchern desselben Parks: «So reden wir nie miteinander», hieß es oft.
[41]
Am spannendsten im guten Sinn des Wortes waren Charta-Gespräche aber dort, wo in irgendeiner Weise Grenzen und Begrenzungen überschritten wurden: wo Jugendliche und Erwachsene rund um einen «Käfig» ins Gespräch kamen; oder Frauen aus dem Mieterbeirat mit «Kopftuch-Frauen» im Gemeindebau; oder Menschen mit unterschiedlichen politischen oder religiösen oder sonstigen Überzeugungen. Was in solchen Gesprächen an Bewegung und Bewegtheit geschehen ist, lässt sich nur aus den mündlichen Erzählungen von Beteiligten erfahren, konnte aber kaum jemals vollständig in den Gesprächsprotokollen eingefangen werden.

4.4.

Online-Diskussion – 28. September bis 14. Oktober 2012 ^

[42]
Zum Abschluss und noch während die Charta-Gespräche weiter stattfanden, gab es zum zweiten Mal die Möglichkeit, sich auch online zu beteiligen. Als Einstieg wurden die bis dahin vorliegenden Gesprächsgruppenergebnisse für jedes der sieben Unterthemen zusammengefasst. Das Online-Diskussionsforum wurde wieder extern von neu&kühn moderiert.

4.5.

Abschluss und Präsentation der Wiener Charta ^

[43]
Rund 10.000 Wienerinnen und Wiener waren online oder offline aktiv am Prozess der Entstehung der Wiener Charta beteiligt. Doch während in der Planung und noch zu Beginn des Prozesses die Frage im Raum stand, ob aus den vielen möglicherweise stark divergierenden Meinungen und Positionen überhaupt ein Text entstehen könne, brachten die Ergebnisse eine große Überraschung: Die Fülle der Beiträge und Wünsche ergaben in zentralen Punkten eine starke und erstaunliche Übereinstimmung, so dass der wesentliche Inhalt und die zentralen Elemente sich fast von selbst ergeben haben. Sie wurden als Ergebnis des Prozesses als Text der «Wiener Charta» formuliert und am 27. November 2012 bei einer Pressekonferenz vorgestellt.

5.

Der Text der Wiener Charta ^

1

[44]
Wien ist Heimat und Zuhause: Für Frauen und Männer, Junge und Alte, hier Geborene und Zugewanderte, für Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen, Lebensformen und Bedürfnissen. Damit wir gut miteinander auskommen, braucht es Respekt. Respekt heißt, andere Menschen zu akzeptieren, wie sie sind – so wie man selbst auch akzeptiert und respektiert werden will. Unsere gemeinsame Grundlage sind die Menschenrechte.

«MITEINANDER AUSKOMMEN»

Umgangsformen im Alltag, Rücksicht im Zusammenleben

[45]
Das Zusammenleben in einer Großstadt ist eine Herausforderung. Es gibt viele Interessen und Lebensstile – in der Nachbarschaft, auf der Straße, im Park, in den Öffis, im Kaffee- und Gasthaus, am Sportplatz...
[46]
Grüßen und behilflich sein, ein einfaches «Bitte» oder «Danke», miteinander reden – das gehört zu einem freundlichen Umgang. Wenn uns etwas stört, sprechen wir es höflich und klar an. Sich in das Gegenüber hineinzuversetzen, kann viele Aggressionen abbauen.

Verhalten im Straßenverkehr und in den öffentlichen Verkehrsmitteln

[47]
Millionen Menschen sind in Wien unterwegs – in Eile oder gemütlich, zu Fuß oder mit einem Verkehrsmittel. Täglich treffen sie aufeinander. Damit das gut geht, braucht es Rücksichtnahme. Im Straßenverkehr beachten wir die Regeln und versuchen gelassen zu bleiben. So können wir Konflikte vermeiden.
[48]
In öffentlichen Verkehrsmitteln stören wir andere nicht durch lautes Telefonieren oder Musikhören und nehmen ganz allgemein Rücksicht auf die anderen Fahrgäste.

«NICHT IMMER DASSELBE»

Ich und die, die anders sind als ich

[49]
Die vielfältigen Lebensstile dieser Stadt sind eine Bereicherung. Sie können aber auch überfordern – das beste Mittel dagegen ist die richtige Portion Neugier und Offenheit. Welches Leben jede und jeder führen will, sollen alle in Wien selbst entscheiden können, wir tragen aber gemeinsam Verantwortung.
[50]
Wir stehen im Alltag den Lebensgewohnheiten und Erfahrungen anderer aufgeschlossen gegenüber. Dabei nehmen wir die eigenen Bedürfnisse ernst und sprechen sie an, und wir achten die der anderen. Weil jeder Mensch einzigartig ist, schließen wir von einer negativen Erfahrung nicht auf eine Menschengruppe. Wir sehen die Unterschiede, aber das Gemeinsame ist uns wichtiger.

Deutsch sprechen – andere Sprachen sprechen

[51]
Miteinander zu kommunizieren, zu reden, ist für das gegenseitige Verständnis wesentlich. In Wien werden viele Sprachen gesprochen, das ist Zeichen der Vielfalt.
[52]
Ein gemeinsames Leben braucht eine gemeinsame Sprache. Daher unterstützen wir Sprachneulinge verständnisvoll dabei, Deutsch zu lernen. Wer sich noch unsicher fühlt, arbeitet weiter daran, das eigene Deutsch zu verbessern. Die Erstsprache in Wien zu sprechen und lernen zu können ist uns wichtig. Verschiedene Sprachen und Kulturen gehören seit Jahrhunderten zur Identität Wiens.

Jung und alt

[53]
Jeden Tag treffen Menschen verschiedener Generationen in Wien aufeinander. Freizeitinteressen sind unterschiedlich, oft gehen auch die Vorstellungen auseinander, wie ein gutes Leben in unserer Stadt aussieht. Wir wünschen uns Wien als kinder- und jugendfreundliche Stadt – Kinderlärm ist kein Lärm. Es ist uns aber auch wichtig, dass sich ältere Menschen zu Hause fühlen. Wir hören anderen Generationen zu und interessieren uns für ihre Erfahrungen. Wir respektieren ältere Menschen und geben Kindern und Jugendlichen die Wertschätzung und den Freiraum, den sie brauchen.

«AUFGERÄUMT WOHLFÜHLEN»

Sauberkeit in der Stadt

[54]
Die Sauberkeit der Gehsteige, Höfe, Parks, Spielplätze, Wiesen und Wälder ist für alle wichtig. Wir gehen mit unserer Umwelt sorgfältig um.
[55]
Weil wir gerne in einer sauberen Stadt leben, lassen wir keinen Müll liegen, werfen Zigarettenstummel nicht auf die Straße und räumen Hundekot weg. Wir fühlen uns verantwortlich für unsere Stadt, in der wir leben.

Öffentlicher Raum – Lebensraum für uns alle

[56]
Im öffentlichen Raum muss es Möglichkeiten zum Zeitvertreib, zum Austausch und zum Gespräch geben. Er muss allen Menschen gleichberechtigt zur Verfügung stehen. Wir engagieren uns aktiv für seine Gestaltung und Erhaltung. Wir wollen mehr Raum, wo Begegnungen möglich sind und nichts konsumiert werden muss. Wir akzeptieren unterschiedliche Bedürfnisse und suchen daher gemeinsame Lösungen und tragfähige Kompromisse.

6.

Gespräche mit Wirkung in die Zukunft ^

[57]
Kein Text kann alle Ideen, Vorschläge und Ergebnisse aller Gesprächsgruppen wiedergegeben. Daher sind alle Gruppenergebnisse weiterhin online nachzulesen und können als Anregung und Inspirationsquelle genutzt werden. Sie geben einen Einblick in die ernste Auseinandersetzung, die in Charta-Gesprächen stattgefunden hat, und zugleich in die Energie und die Kreativität, mit der die Wienerinnen und Wiener ihr Zusammenleben gestalten wollen.
[58]
Das Ergebnis des Prozesses ist daher viel mehr als ein Text. Es ist das, was in den Gesprächen selbst stattgefunden hat und weiterwirkt: Menschen haben Wege zueinander gefunden oder ihr bereits gutes Auskommen vertieft, haben konkrete Initiativen besprochen und sich Schritte für die Zukunft vorgenommen.
[59]

Einige Beispiele für Gesprächsgruppenergebnisse, die in die Zukunft weiterwirken werden:

  • Erwachsene stört der Lärm, Jugendliche die Beschimpfungen vom Balkon herunter: Erwachsene und Jugendliche haben sich zusammengesetzt. Konkret wurde vereinbart: Die Jugendlichen sind ab 20 Uhr leiser und sagen es auch den anderen Jugendlichen weiter. Die Erwachsenen schreien nicht mehr vom Balkon herunter, sondern gehen hinunter, wenn sie mit den Jugendlichen reden wollen – und organisieren ein Hoffest.
  • In einer Hausgemeinschaft kommt es zwischen BewohnerInnen einer Wohngemeinschaft von behinderten Menschen und den Nachbarn immer wieder zu Problemen. Man hat vereinbart, einander besser kennenzulernen.
  • Buben wollen in Zukunft auch Mädchen im Käfig spielen lassen – auch wenn das schwer ist.
  • Zukünftige TaxilenkerInnen werden während ihrer Ausbildung mit Straßenbahn- oder BusfahrerInnen unterwegs sein, um das Verkehrsgeschehen einmal aus der Perspektive der anderen zu erleben.
  • Eine Gruppe von Mieterbeirätinnen und islamischen Frauen aus der Türkei und arabischen Ländern haben erstmals miteinander geredet: Was sie an einander stört, wie sie leben, wie sie denken. Nach dem Charta-Gespräch sind sie noch Tee trinkend zusammengesessen – und haben mittlerweile weitere konkrete gemeinsame Initiativen gesetzt. Das Charta-Gespräch hat den Graben überbrückt, der bisher zwischen ihnen bestanden hat.
  • MieterInnen aus einem Gemeindebau vereinbarten einen regelmäßigen MieterInnenstammtisch, um die Kommunikation im Haus zu stärken.
  • AnrainerInnen einer Moschee und Verantwortliche der Moschee haben im Charta-Gespräch ihre Probleme miteinander besprochen. Konkret wurde vereinbart, regelmäßige Gespräche zwischen benannten AnsprechpartnerInnen zu führen und ein gemeinsames Fest zu organisieren.
  • Im Jugendzentrum, im PensionistInnenwohnhaus, im Gemeindebau: In vielen Gesprächen wurde übereinstimmend festgestellt, dass ein einfaches Grüßen die Atmosphäre verbessert. Und man hat sich vorgekommen, einander in Zukunft zu grüßen.

 


 

Christian Loibnegger, Projektkoordinator, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 17, Integration und Diversität.

 


 

  1. 1 https://charta.wien.gv.at/start/charta/downloads/.