Von 1971 bis 1972 war er Leiter der Normentheoretischen Arbeitsgruppe im Rahmen des EDV‐Versuchprojekts «Verfassungsrecht» des Bundeskanzleramts und der IBM Österreich; dem Vorläufer des heutigen RIS (Rechtsinformationssystem des Bundes).
Zugleich begann eine wissenschaftliche Kooperation mit dem leider früh verstorbenen Prof. Univ.‐Doz. Dr. iur. Dr. rer. soc. oec. Leo Reisinger. Höhepunkt dieser Kooperation war das Buch über die legistische Analyse der Struktur von Gesetzen. In der wissenschaftlichen Öffentlichkeit wurde Lachmayer als Koautor des Standardwerks zur österreichischen Verfassungsgeschichte bekannt, und zwar als Gestalter der Grafiken.1
Im Verfassungsdienst hat Friedrich Lachmayer eine typische Karriere absolviert. Sehr früh wurde er (provisorischer) Leiter der Medienabteilung, später war er für den Bildungssektor verantwortlich. Von 1989 bis 2003 war er auch formal für das RIS zuständig. Dies kann als Höhepunkt seines Berufslebens, aber auch als gelungene Synthese seines theoretischen wie praktischen Wirkens, gesehen werden. Das RIS wurde eine brauchbare Datenbank mit viel und gutem Content, öffentlich und auch gratis zugänglich. In besonderer Würdigung dieser Verdienste hat das Bundeskanzleramt im Juni 2013 dem bereits vor 10 Jahren in den Ruhestand versetzten Ministerialbeamten (so ist nun mal die offizielle Diktion) einen sehr noblen und gelungenen Empfang in den Sissi‐Räumen der Hofburg Wien ausgerichtet. Ein weiteres Dankeschön; ergänzend zur 2003 erfolgten Verleihung des Großen Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich. Als weitere Anerkennung ist der Award für Friedrich Lachmayer als «Rechtsinformatiker des Jahres 2001» zu erwähnen.
Friedrich Lachmayer hat sich immer für den freien Rechtszugang eingesetzt. Die damit verbundene Vorarbeit, das «Einsammeln» dieser Texte bei den jeweiligen Textproduzenten, hat er mit viel Geschick betrieben. Im Projekt E‐Recht wurde dies nochmals verbessert und auf internationale Standards gebracht. E‐Recht funktioniert sehr gut und wird gelebt; ein wesentliches Element war die gelungene Verknüpfung von geübter Textproduktion mit einem Textverarbeitungsprogramm durch die legistischen Teams und Tools zur Produktion der benötigten XML‐Texte für den Datenaustausch.
Friedrich Lachmayer war aber auch über 15 Jahre lang Universitätslehrer an der Universität Wien, und zwar mit Seminaren aus Rechts‐ und Verwaltungsinformatik (mit Univ.‐Prof. Dr. Roland Traunmüller, Univ.‐Doz. Dr. Werner Robert Svoboda, Univ.‐Prof. DI DDr. Gerald Quirchmayr, Dr. Thomas Menzel und auch meiner Wenigkeit) sowie Semiotik (mit Prof. DI Jeff Bernard) bzw. in den 1990er‐Jahren einer Vorlesung aus Rechtstheorie; dazu kam die Zweitbetreuung einiger Dissertationen. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien ist offen für Lehrangebote externer Dozenten und Professoren, es soll aber nichts kosten und auch ins Studienprogramm «passen»; im Gegenzug lässt sie den Lehrenden viel Spielraum. Friedrich Lachmayers Lehrtätigkeit war eine wichtige Bereicherung, eine gelungene Verbindung von Theorie und Praxis und auch eine Form der Bildung von Forschungsgemeinschaften, die Einbindung möglichst vieler in der Weiterentwicklung eines Faches.
Sein Seminar «Semiotik des Rechts» mit Jeff Bernard an der Universität Wien war der Treffpunkt dieser Wissenschaftsgemeinde. Dort trafen sich in‐ und ausländische SemiotikerInnen mit Studierenden zu einem regen Gedankenaustausch. Von 1989 bis 2007 gab es insgesamt 32 Seminare. Mehrheitlich waren es offene Treffen, zuerst im Wochenrhythmus und ab Mitte der 1990er‐Jahre als Blockveranstaltungen. Seit 2000 wurden thematische Schwerpunkte eingeführt, wie «Komplexität», «Bildzeichen», «Konflikt», «Signale und Symbole», «Semiotik der Maschinen», «Kopieren und Standardisieren», «Zeit», «Zeichen: Barrieren, Verbote, Zerstörung». Das letzte Seminar im April 2007 zum Thema «Menschenbild» war Winfried Bauernfeind zu dessen 75. Geburtstag gewidmet. Die Breite der präsentierten und diskutierten Themen lässt sich an den Semiotik‐Texten dieser Festschrift ablesen, da die meisten auf Vorträgen in Lachmayers Seminaren beruhen – eine erste Sammlung von Beiträgen war bereits 1995 unter dem Titel Zeichen, Recht und Macht erschienen, herausgegeben von Friedrich Lachmayer, Gloria Withalm und Erich Fries. Um die enge Verbindung mit der österreichischen Semiotiklandschaft auch im Veranstaltungsformat zu dokumentieren, wurden ab 1995 Teile des Seminars in Zusammenarbeit mit Jeff Bernard organisiert und am Institut für Sozio‐Semiotische Studien abgehalten. Round‐Table Diskussionen zu aktuellen Fragen in der semiotischen Forschung und Buchpräsentationen ergänzten das Vortragsprogramm.
Viel bekannter ist aber seine Tätigkeit als Leiter der Clubs «Allgemeine Juristen» des Juristenverbands. In diesem Rahmen hat er regelmäßig Roundtables organisiert; von den Themen bewusst weniger Mainstream als wichtige Zukunftsfragen.
Friedrich Lachmayer hat sich intensiv in internationalen Gelehrtengesellschaften engagiert (wie IVR, GI; seit vielen Jahren Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Semiotik); von 1991–1995 war er auch Vizepräsident der «International Association for the Semiotics of Law».
Friedrich Lachmayer hat auch zur Pflege der österreichischen Gesetzgebungslehre 0beigetragen. Die Architektur elektronischer Legistischer Richtlinien war und ist ihm ein Anliegen. In den Jahren 2003 bis 2013 fungierte er als Spiritus rector der von ihm gemeinsam mit Direktor Dr. Simon Korenjak (Kärntner Verwaltungsakademie) initiierten Klagenfurter Legistik‐Gespräche, die künftig in Linz fortgesetzt werden. Eine erkleckliche Gemeinde insbesondere von Bundes‐ und Landeslegisten haben sich einmal jährlich zum Gedanken‐ und Erfahrungsaustausch vereint, um neben aktuellen rechtspolitischen Themen grundlegende Fragen der legistischen Arbeit zu erörtern: Von der sachadäquaten Rechtsetzungstechnik sowie E‐ und Formularlegistik über die Begutachtung und Gesetzesfolgenabschätzung bis hin zu Organisationsformen der Legistik und legislativem Wissens‐ und Fehlermanagement. Die Tagungsbände der Kärntner Verwaltungsakademie zeugen von dem fruchtbaren Diskurs unter Lachmayers Gesamtleitung. Unter anderem ist es auch sein Verdienst, dass das Konzept der authentischen elektronischen Kundmachung des Landesrechts im Rahmen des RIS österreichweit erörtert und gegenüber dem Bundeskanzleramt «gepusht» wurde, bis schließlich der Bundesverfassungsgesetzgeber im Jahr 2012 die Bundesländer zu dieser Kundmachungsform ermächtigt hat. Lachmayers vielfältiges Engagement fand auch Ausdruck in der Verleihung des Großen Ehrenzeichens des Landes Kärnten im Herbst 2013, was er gleichsam als landständische «Nobilitierung» empfindet. EDV‐Versuchsprojekt Verfassungsrecht, Symposium über Rechtstheorie und Rechtsinformatik, RIS Rechtsinformationssystem (des Bundes), IRIS Internationales Rechtsinformatik Symposion, Kärntner Legistikgespräche: Friedrich Lachmayer besticht in seiner Rolle als Motivator, Networker, Ideengeber, Vortragender und Autor. Sein wissenschaftliches Erbe sind auch weniger die vielen Texte, sondern die vielen Grafiken und Zeichnungen, die über seine Website www.legalvisualization.comverfügbar sind.
Friedrich Lachmayer schlägt Brücken, und er überbrückt damit in einer geistigen Kultur, in der fachliche Spezialisierung allzu oft den Blick auf das Ganze verstellt, die Klüfte zwischen den Disziplinen, und in einer Gesellschaft, der eine Tendenz zur «Fragmentierung» zugeschrieben wird, die Klüfte zwischen gesellschaftlichen Gruppen wie Beamtenschaft, Wissenschaft und Wirtschaft.
Das IRIS ist das Kind vieler (unter diesen sind die «local chairs» Peter Mader und Dietmar Jahnel hervorzuheben), aber vor allen eines zweier Personen: Friedrich Lachmayer und meiner Wenigkeit. Auf Anregung von O. Univ.‐Prof. DI Dr. A Min Tjoa habe ich mich seit Mitte der 1990er‐Jahre um die Etablierung einer jährlichen Rechtsinformatikkonferenz bemüht. Es war aber Friedrich Lachmayer, der den entscheidenden Impetus für die ersten Jahre geleistet hat. Das organisatorische Umfeld war schon damals (fast) wie heute; aber Friedrich Lachmayer hat mich auf die wichtigste Komponente einer Konferenz hingewiesen und auch gezeigt, wie man es machen kann: Man muss Menschen motivieren, sich für die Wissenschaft zu engagieren, aber flexibel sein und nicht mehr abverlangen, als diese können. Es soll keine wesentlichen Kosten‐ wie auch andere Zugangsschwellen geben. Das Konzept habe ich befolgt und IRIS wurde rasch zu dem, was sie heute ist: die schönste Blumenwiese der Rechtsinformatik in Europa, wo die Ideen nur so sprießen und letztlich viele tolle Produkte und Dienstleistungen entstehen. Auf diesem Grunde ist einfach angebracht, diese Festschrift in diesem feierlichen Rahmen dem Mitgründer zu überreichen.
Für das Herausgeberteam Erich Schweighofer, Harald Hoffmann, Franz Kummer, Gloria Withalm, Edmund Primosch, Günther Schefbeck und Meinrad Handstanger (mit herzlichem Dank für dessen Textbeiträge!)
Aus Platzgründen musste davon abgesehen werden, das umfangreiche Publikationsverzeichnis von Friedrich Lachmayer aufzunehmen; ohne die Visualisierungen wäre es ohnedies unvollständig gewesen. Daher wird auf seine Website verwiesen, auf welcher alles zu finden ist: www.legalvisualization.com.
P.S. Natürlich gilt unser Dank auch den Autorinnen und Autoren sowie dem Verlag Editions Weblaw für die Aufnahme in die Reihe Liber amicorum.
P.P.S. Leider konnten die Beiträge von Hajime Yoshino – Justice and Logic – sowie Erich Schweighofer – Vom Text zur Abstraktion zum Nimbus – nicht mehr aufgenommen werden; diese werden in der 2. Ausgabe, der elektronischen Version in Jusletter IT Mitte 2014, erscheinen. Dort hat auch der Jubilar die Möglichkeit, visuelle Kommentare zu den Beiträgen zu machen.
- 1 Wilhelm Brauneder/Friedrich Lachmayer, Österreichische Verfassungsgeschichte, Verlag Manz, Wien 1976; ab der 8. Auflage, Wien 2003: Wilhelm Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte; zuletzt 11. Auflage, Wien 2009.