Jusletter IT

Herbert Fiedler (1929–2015)

  • Authors: Erich Schweighofer / Friedrich Lachmayer
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Citation: Erich Schweighofer / Friedrich Lachmayer, Herbert Fiedler (1929–2015), in: Jusletter IT 19 November 2015
[1]

Professor Dr. iur. Dr. rer. nat. Herbert Fiedler ist am 15. Oktober 2015 im 86. Lebensjahr verstorben. Fiedler war von seiner Ausbildung Mathematiker und Jurist; von seiner beruflichen Praxis Universitätsprofessor, Projektleiter in der GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, nunmehr Fraunhofer-Institutszentrum Schloss Birlinghoven; http://www.izb.fraunhofer.de/) sowie langjähriger Funktionär in der GI (Gesellschaft für Informatik e.V.). Fiedler war der Wissenschaft und ihren Grundsätzen stets verbunden. Seine Beiträge waren interdisziplinär, streng objektiv und methodisch, oft auch überraschend kurz, aber trotzdem prägnant. Fiedler kann zu Recht als die wahrscheinlich maßgeblichste Persönlichkeit der deutschsprachigen Rechtsinformatik angesehen werden, der die strategische Grundausrichtung des Faches mit Spiros Simitis und Wilhelm Steinmüller mitbestimmt. Mit seinen zahlreichen und gehaltvollen Beiträgen hat er die Rechtsinformatik bis zuletzt inhaltlich mitgestaltet (zuletzt im Tagungsband des Internationalen Rechtsinformatik Symposions (IRIS) 2013.

[2]
Herbert Fiedler wurde am 29. April 1929 in Zwittau, Mähren, geboren. Der Studienweg führte ihn von Göttingen (Rechtswissenschaften, dann auch Mathematik und Physik), nach Münster, später nach Köln. Nach Erwerb von zwei Doktorraten - Rechtswissenschaften sowie Mathematik erfolgte 1969 die Habilitation mit dem Thema «Die Bestimmtheit der gesetzlichen Straftatbestände als methodisches und verfassungsrechtliches Problem». Seit 1970 war Fiedler Professor an der Universität Bonn, womit die Institutsleitung in der GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH) in Sankt Augustin, Schloss Birlinghofen, verbunden war. Dazu kam ab 1972 eine intensives Engagement bei der GI (Gesellschaft für Informatik); alle diese Institutionen waren (und sind) im Großraum Bonn angesiedelt. Fiedler war verheiratet; dieser Ehe entstammen zwei Töchter.
[3]
An der Universität Bonn lehrte Herbert Fiedler die Fächer Juristische Informatik und Allgemeine Rechtslehre und leitete er die von ihm neu eingerichtete «Forschungsstelle für juristische Informatik und Automation», welche die erste Einrichtung auf diesem Gebiet in Deutschland war. In der GMD wurden unter Fiedler sehr viele wichtige Rechts- und Verwaltungsinformatikprojekte durchgeführt; von bleibender Bedeutung waren die Studien zur Etablierung des juristischen Informationssystems für Deutschland juris. Ebenfalls sehr fruchtbar war sein Wirken in der GI. Dort war er Sprecher verschiedener einschlägiger Fachrichtungen, insbes. im Fachbereich Rechts- und Verwaltungsinformatik.
[4]
Anfang der 1970er Jahre wurde die Verwaltungsinformatik als Teilgebiet oder synonym mit der Rechtsinformatik gesehen; heute ist diese eine selbständige und wesentlich stärkere Disziplin der Angewandten Informatik. In den 1970er Jahren war Fiedler im Präsidium der GI und hat dort maßgeblich zur Etablierung der Angewandten Informatik beigetragen. Zusammen mit Weggefährten wie Roland Traunmüller, Heinrich Reinermann und Klaus Lenk und anderen hat er 1976 den damaligen Fachausschuss 12/13 (Recht und Verwaltung) gegründet (nunmehr FB RVI) und über Jahrzehnte wesentlich zu dessen nachhaltigen Entwicklung beigetragen. Fiedler war bis zuletzt sehr aktives Mitglied des Präsidiumsarbeitskreises «Datenschutz und IT-Sicherheit». Die neuen Herausforderungen der Wissens- und Netzwerkgesellschaft hat Fiedler in seinem Beitrag «Cyberlibertär» im Informatik Spektrum 2002 umrissen.
[5]
Auf Initiative von Erich Schweighofer und Friedrich Lachmayer und in Zusammenarbeit mit vielen Stakeholdern ist es gelungen, mit dem Internationalen Rechtsinformatik Symposion IRIS als Großkonferenz zu etablieren. Herbert Fiedler hat diese Initiative stets unterstützt und in den ersten Jahren hat er stets einen Plenarvortrag gehalten.
[6]
Fiedler hat in seinem langen wissenschaftlichen Leben viele Werke geschaffen: drei Monographien als Autor, 12 als Herausgeber und mehr als 150 Aufsätze und andere Veröffentlichungen. Seine Beiträge bestechen durch klare Methodik und die durchdringende Materialien sowohl von technischer als auch juristischer Sichtweise.
[7]

Als Jurist wie auch Mathematiker, der also in beiden Bereichen der Rechtsinformatik formal ausgewiesen war, was ansonsten nicht so oft vorkommt, ging es ihm nicht nur um die Themenstellungen, sondern auch um die Qualität, gleichsam um eine tragfähige Brücke von ausreichender Spannweite und Höhe. Sein zentrales Anliegen war die Formalisierung des Rechts. Er wurde nicht müde, die Wichtigkeit der Formalisierung zu betonen; das formale Denken wurde gleichsam ein Bestandteil seiner persönlichen Denkkultur. Erst mit der Formalisierung sei jene Abstraktionsstufe erreicht, die dann mühelos den Übergang zu den mathematischen Methoden und damit zur Automation schafft. Als sein Vermächtnis in der Rechtsinformatik kann sein diesbezüglicher Beitrag im Internationalen Rechtsinformatik Symposion IRIS 2006 in Wien angesehen werden.

[8]
Fiedler hat die Rechtsinformatik mit anderen gemeinsam etabliert, es dann über lange Jahre vertreten und weiter getragen sowie viele Impulse gegeben. Diese sind aber an Rechtswissenschaftlichen Fakultäten nur bescheiden umgesetzt worden. Trotzdem ist es durch die Zusammenarbeit vieler gelungen, das Fach Rechtsinformatik zu etablieren. Herbert Fiedler hatte sich dabei große Verdienste erworben und wir trauern um einen langjährigen Weggefährten.