1.1.
Werdegang des Verordnungsvorschlages ^
Am 8. Juli 2015 wurde der Vorschlag (er lautete zuvor: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents und zur Änderung der Richtlinien 2002/20/EG, 2002/21/EG und 2002/22/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1211/2009 und (EU) Nr. 531/2012) vom Coreper (Permanent Representatives Committee/Ausschuss der ständigen Vertreter) angenommen. Die deutsche Sprachversion des Vorschlages ist unter dem folgenden Link abrufbar: http://www.parlament.gv.at/PAKT/EU/XXV/EU/07/17/EU_71750/index.shtml#I_73529. Diese Version liegt dem Beitrag zugrunde.
1.2.
Rechtsform Verordnung: innerstaatliche Umsetzung und Vollzug ^
2.1.
Begriffsdefinitionen im Verordnungsvorschlag ^
«(1) «Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation»: ein Unternehmen, das öffentliche elektronische Kommunikationsnetze oder öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsdienste bereitstellt;
(2) «Internetzugangsdienst»: ein öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienst, der unabhängig von der verwendeten Netztechnologie und den verwendeten Endgeräten Zugang zum Internet und somit Verbindungen zu nahezu allen an das Internet angebundenen Abschlusspunkten bietet.»
2.2.
Rechte der Endnutzer – Gewährleistung des Zugangs zu einem offenen Internet ^
Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vorschlag drängt sich auch die zentrale Frage auf, inwieweit die von der Verordnung vorgesehene «Gewährleistung des Zuganges zu einem offenen Internet» als Verankerung des Netzneutralitätsprinzips gesehen werden kann, vergleichbar etwa mit den Netzneutralitätsregelungen in den USA.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich nicht mit grundsätzlichen Erwägungen zur Qualität der Netzneutralität, die sich aus dem nunmehr vorliegenden Verordnungsentwurf ergeben könnte, sondern mit der spezifischen Bedeutung des Verordnungsentwurfes im Hinblick auf den Endkundenvertrag, wie etwa in Bezug auf Spezialdienste, verpflichtende neue Mindestinhalte für Verträge und Gewährleistung.
2.2.1.
Die Ausnahme für Spezialdienste nach Art. 3 Abs. 5 des Verordnungsvorschlages ^
«Artikel 3 – Gewährleistung des Zugangs zu einem offenen Internet
1. Endnutzer haben das Recht, über ihren Internetzugangsdienst unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und von Standort, Ursprung oder Bestimmung der Dienste, Informationen oder Inhalte Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen.
Dieser Absatz lässt das Unionsrecht und das mit dem Unionsrecht im Einklang stehende einzelstaatliche Recht in Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten unberührt.
2. Vereinbarungen zwischen Anbietern von Internetzugangsdiensten und Endnutzern über die gewerblichen und technischen Bedingungen und die Merkmale von Internetzugangsdiensten wie Preis, Datenvolumina und Geschwindigkeit sowie die Geschäftspraktiken der Anbieter von Internetzugangsdiensten dürfen die Wahrnehmung des Rechts der Endnutzer gemäß Absatz 1 nicht einschränken. […]»
«5. Den Anbietern öffentlicher elektronischer Kommunikation, einschließlich der Internetzugangsanbieter und der Anbieter von Inhalten, Anwendungen und Diensten, steht es frei, Dienste anzubieten, bei denen es sich nicht um Internetzugangsdienste handelt und die für bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste oder eine Kombination derselben optimiert sind, wenn die Optimierung erforderlich ist, um den Anforderungen der Inhalte, Anwendungen oder Dienste an ein spezifisches Qualitätsniveau zu genügen.
Die Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation einschließlich der Internetzugangsanbieter dürfen diese anderen Dienste nur dann anbieten oder ermöglichen, wenn die Netzkapazität ausreicht, um sie zusätzlich zu den bereitgestellten Internetzugangsdiensten zu erbringen. Solche Dienste können nur als Ersatz für Internetzugangsdienste angeboten oder genutzt werden und dürfen nicht zu Nachteilen in Bezug auf das Vorhandensein oder die allgemeine Qualität der Internetzugangsdienste für [...] Endnutzer führen.»
Entscheidend wird sein, ob das spezifische Qualitätsniveau einem objektiven Maßstab unterliegt oder der individuellen Definition (Vertragsbedingungen) durch den Anbieter des Dienstes zugänglich ist. Nach Erwägungsgrund 11 des Verordnungsentwurfes wird das spezifische Qualitätsniveau etwa von einigen Diensten, die einem öffentlichen Interesse entsprechen, oder von einigen neuen Diensten für die M2M-Kommunikation verlangt.
Der Erwägungsgrund 11 des Verordnungsentwurfes scheint einen objektiven Maßstab – jedenfalls für die Überprüfung durch die nationale Regulierungsbehörde – vor Auge zu haben, «sollte die nationale Regulierungsbehörde prüfen, ob und inwieweit diese Optimierung objektiv notwendig ist, um ein oder mehrere spezifische und grundlegende Merkmale der Inhalte, Anwendungen oder Dienste zu gewährleisten und eine entsprechende Qualitätsgarantie zugunsten der Endnutzer zu ermöglichen».
Im Verordnungsentwurf sind noch zwei weitere Voraussetzungen normiert, die erfüllt sein müssen, damit Spezialdienste angeboten werden dürfen: 1. Der Spezialdienst darf nicht als Ersatz für einen Internetzugang angeboten oder verwendet werden und 2. die Dienste dürfen nicht zum Nachteil in Bezug auf das Vorhandensein oder die allgemeine Qualität der Internetzugangsdienste für Endnutzer führen.
In Bezug auf die zweite Voraussetzung ist davon auszugehen, dass bei der allgemeinen Qualität des Internetzugangs auf die Qualität des Internetzuganges für die Allgemeinheit abzustellen ist und nicht auf den Internetzugang des Nutzers, der den Spezialdienst in Anspruch nimmt. Dafür spricht auch die Verpflichtung des Anbieters nach Art. 4 Abs. 3 lit. c des Verordnungsentwurfes in Verträge, «eine klare und verständliche Erläuterung, wie sich etwaige Dienste im Sinne von Artikel 3 Absatz 5, die der Endnutzer abonniert hat, in der Praxis auf die Internetzugangsdienste dieses Endnutzers auswirken könnten» aufzunehmen.
Ebenso scheint fraglich, wie sichergestellt werden kann, dass der Spezialdienst nicht die «allgemeine Qualität der Internetzugangsdienste» für die Allgemeinheit verschlechtert, da es sich beim Internetzugang – unabhängig davon, ob der Zugang über das Mobil- bzw. das Festnetz realisiert wird – in der Regel um ein «shared medium» handelt. Daraus folgt, dass zukünftig für bestimmte Spezialdienste reservierte Bandbreiten zu Lasten der «allgemeinen Qualität des Internetzuganges» für alle Nutzer gehen könnten. Die Frage, wie Betreiber belegen können, dass der angebotene Spezialdienst sich nicht nachteilig auf die allgemeine Qualität des Internetzuganges auswirkt, bleibt offen.
2.3.
Überwachungs-, Durchsetzungs- und Transparenzmaßnahmen – Gewährleistung der vertraglich vereinbarten Leistungserbringung ^
2.3.1.
Überwachung durch die nationale Regulierungsbehörde ^
Art. 4 Abs. 1 des Verordnungsentwurfes räumt nationalen Regulierungsbehörden eine Überwachungsfunktion ein. Die nationalen Regulierungsbehörden haben die Einhaltung des Art. 3 und Art. 4 Abs. 3 bis 6 zu überwachen und die Verfügbarkeit von nichtdiskriminierenden Internetzugangsdiensten (in einem Qualitätsniveau, das den Fortschritt der Technik widerspiegelt) zu fördern.
Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I 2012/51 i.d.g.F.) wurde eine umfassende Reform des Rechtsschutzsystems realisiert und die mehrstufige Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich eingeführt. Seit diesem Zeitpunkt kann zur Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der RTR-GmbH und der Telekom-Control-Kommission, die Tribunal-Eigenschaft der Telekom-Control-Kommission i.S.d. Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) nicht mehr ins Treffen geführt werden7, da gegen sämtliche Entscheidungen der RTR-GmbH Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet werden kann und damit in Bezug auf civil rights i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK sichergestellt ist, dass unabhängig davon, welche Behörde entscheidet, dem Anspruch der Betroffenen auf eine Entscheidung durch ein Tribunal i.S.d. Art. 6 EMRK genüge getan wird. Eine gesetzliche Regelung im öTKG 2003 sollte hier Klarheit schaffen.
2.3.2.
Informationspflicht für Anbieter von öffentlichen elektronischen Kommunikationsdiensten ^
Art. 4 Abs. 2 des Verordnungsentwurfes sieht eine Informationspflicht für Anbieter von öffentlichen elektronischen Kommunikationsdiensten (einschließlich Internetzugangsdienstanbietern) vor. Auf Ersuchen der nationalen Regulierungsbehörde haben sie Informationen über die Verpflichtungen nach Art. 3 und Art. 4 Abs. 3 bis 6 vorzulegen, insbesondere Informationen darüber, wie sie ihren Netzverkehr und ihre Netzkapazitäten verwalten; zudem haben sie etwaige Verkehrsmanagementmaßnahmen zu begründen.
2.3.3.
Erweiterung der Mindestinhalte von Verträgen ^
Erweiterung der bereits bestehenden Mindestinhalte nach der Universaldienstrichtlinie
Mindestinhalte der Endkundenverträge
«(a) Informationen darüber, wie sich die von diesem Anbieter angewandten Verkehrsmanagementmaßnahmen auf die Qualität des Internetzugangsdienstes, die Privatsphäre der Endnutzer und den Schutz personenbezogener Daten auswirken könnten;
(b) eine klare und verständliche Erläuterung, wie sich etwaige Volumenbeschränkungen, die Geschwindigkeit oder andere Dienstqualitätsparameter in der Praxis auf Internetzugangsdienste, insbesondere auf die Nutzung von Inhalten, Anwendungen und Diensten, auswirken können;
(c) eine klare und verständliche Erläuterung, wie sich etwaige Dienste im Sinne von Artikel 3 Absatz 5, die der Endnutzer abonniert hat, in der Praxis auf die Internetzugangsdienste dieses Endnutzers auswirken könnten;
(d) eine klare und verständliche Erläuterung, wie hoch die minimalen, die normalerweise zur Verfügung stehende, die maximale und die beworbene Download- und Upload-Geschwindigkeit von Internetzugangsdiensten bei Festnetzen oder die geschätzte maximale und die beworbene Download- und Upload-Geschwindigkeit von Internetzugangsdiensten bei Mobilfunknetzen ist und wie sich erhebliche Abweichungen von der jeweiligen beworbenen Download- und Upload- Geschwindigkeit auf die Rechte der Endnutzer gemäß Artikel 3 Absatz 1 auswirken können;
(e) eine klare und verständliche Erläuterung der Rechtsmittel, die dem Verbraucher nach nationalem Recht im Falle einer ständig auftretenden oder regelmäßig wiederkehrenden Abweichung in Bezug auf die Geschwindigkeit oder andere Dienstqualitätsparameter zwischen der tatsächlichen Leistung des Internetzugangsdienstes und der gemäß den Buchstaben a bis d angegebenen Leistung zustehen.
Die Anbieter von Internetzugangsdiensten veröffentlichen die in Unterabsatz 1 genannten Informationen.»
Art. 4 Abs. 3 lit a des Verordnungsentwurfes scheint einen bereits in Art. 20 Abs. 1 lit b vierter Spiegelstrich UD-RL vorgesehenen Mindestinhalt («Information über alle vom Unternehmen zur Messung und Kontrolle des Datenverkehrs eingerichteten Verfahren, um eine Kapazitätsauslastung oder Überlastung einer Netzverbindung zu vermeiden, und Information über die möglichen Auswirkungen dieser Verfahren auf die Dienstqualität») zumindest teilweise zu wiederholen, da bereits nach der Bestimmung in der Universaldienstrichtlinie Informationen über alle von Unternehmen vorgesehenen Verkehrsmanagementmaßnahmen sowie über die Auswirkungen dieser Verfahren auf die Dienstequalität aufzunehmen sind. Der nunmehr vorliegende Entwurf erweitert die bereits bestehende Regelung. Nach dem Verordnungsentwurf sind zukünftig auch die Auswirkung auf die Privatsphäre der Endnutzer und die Auswirkungen auf den Schutz personenbezogener Daten aufzunehmen.
Auf Grund des in Art. 4 Abs. 3 lit c des Verordnungsentwurfes normierten Mindestinhaltes ist davon auszugehen, dass nach Art. 3 Abs. 5 des Verordnungsentwurfes nur die Qualität des Internetzuganges für die Allgemeinheit sich nicht verschlechtern darf, sehr wohl aber für den individuellen Kunden, der Spezialdienste abonniert hat (siehe Ausführungen unter Punkt «Die Ausnahme für Spezialdienste nach Art. 3 Abs. 5 des Verordnungsentwurfes»), da sonst der vorgesehene Mindestinhalt kaum einen Anwendungsbereich hätte.
Art. 4 Abs. 3 lit d des Verordnungsentwurfes normiert die Verpflichtung, weitere Angaben in Bezug auf die Down- und Upload-Geschwindigkeit zu machen. Dabei differenziert die Bestimmungen zwischen dem Fest- und Mobilnetz.
- die minimale,
- die normalerweise zur Verfügung stehende,
- die maximale und
- die beworbene Download- und Upload-Geschwindigkeit anzugeben.
Im Gegensatz zum Festnetz ist bei Internetzugangsdiensten über das Mobilfunknetz lediglich die geschätzte maximale und die beworbene Down- und Upload-Geschwindigkeit anzugeben.
Die maximale und die beworbene Download- und Upload-Geschwindigkeit wirft keine schwierigen Auslegungsfragen auf. Im Gegensatz scheinen die «minimale» und «die normalerweise zur Verfügung stehende» Download- und Upload-Geschwindigkeit schwieriger zu bestimmen zu sein.
Aus Erwägungsgrund 12a ergibt sich, dass Internetzugangsdienstanbieter zur Information im Vertrag die Geschwindigkeiten angeben sollten, «die sie realistischerweise zur Verfügung stellen können. Als die in der Regel zur Verfügung stehende Geschwindigkeit ist die Geschwindigkeit zu verstehen, die ein Verbraucher meist erwarten kann, wenn er auf den Dienst zugreift.» Der Wortlaut des Erwägungsgrundes «wenn er auf den Dienst zugreift» indiziert das Abstellen auf einen konkreten Anschluss und keinen durchschnittlichen Wert für das gesamte Versorgungsgebiet. Weiters indiziert der Erwägungsgrund durch die Verwendung des Wortes «meist» (englische Sprachversion: «most of the time») eine zeitliche Komponente. Die Formulierungen in der englischen Sprachversion «accessing the service» und «most oft the time» sprechen für das gleiche Ergebnis wie die deutsche Sprachversion. Die normalerweise zur Verfügung stehenden Download- und Upload-Geschwindigkeit dürfte daher jene Geschwindigkeit sein, die einem Endnutzer an seinem konkreten Standort im Festnetz durchschnittlich im Zeitverlauf zur Verfügung hat.
Die in Art. 4 Abs. 3 lit d des Verordnungsentwurfes normierten Begriffe werden für allfällige Ansprüche des Kunden nach Art. 4 Abs. 3b des Verordnungsentwurfes von Bedeutung sein und sind ihrer Bedeutung nach daher nicht zu unterschätzen (siehe Ausführungen unter «Zusätzliche Gewährleistungsansprüche?»).
Sowohl beim Festnetz als auch beim Mobilfunknetz sind Informationen, «wie sich erhebliche Abweichungen von der jeweiligen beworbenen Download- und Upload- Geschwindigkeit auf die Rechte der Endnutzer gemäß Artikel 3 Absatz 1 auswirken können» in den Vertrag aufzunehmen. Der Verweis in Art. 4 Abs. 3 lit. d auf die Rechte der Endnutzer nach Art. 3 Abs. 1 des Verordnungsentwurfes im Zusammenhang mit erheblichen Abweichungen bei der Download- und Upload-Geschwindigkeit ist nicht selbsterklärend. Aus den Erwägungsgründen können in diesem Zusammenhang auch keine Erkenntnisse abgeleitet werden.
Art. 4 Abs. 3 lit e des Verordnungsentwurfes normiert, dass Verbraucher über die Rechtsmittel, die ihnen nach dem nationalen Recht zustehen, wenn ständig auftretende oder regelmäßig wiederkehrende Abweichungen in Bezug auf die Geschwindigkeit oder andere Qualitätsparameter (und der gemäß lit a bis d in den Vertragsbedingungen angegebenen Leistung) auftreten, im Vertrag zu informieren sind. Diese Bestimmung stellt eine Informationsverpflichtung über Rechtsmittel, die dem Verbraucher nach dem nationalen Recht zustehen, dar – bezüglich Unternehmer wird die Informationspflicht nicht vorgesehen. Warum diese Informationspflicht nur für Verbraucher und nicht auch für Unternehmer vorgesehen ist, scheint nicht nachvollziehbar. Die von Art. 20 UD-RL normieren Mindestinhalte gelten gleichermaßen sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer.
2.3.4.
Zusätzliche Gewährleistungsansprüche? ^
Art. 4 Abs. 3b des Verordnungsentwurfes lautet:
«3b. Jede erhebliche ständig auftretende oder regelmäßig wiederkehrende Abweichung in Bezug auf die Geschwindigkeit oder andere Dienstqualitätsparameter zwischen der tatsächlichen Leistung und der vom Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation gemäß Absatz 3 dieses Artikels angegebenen Leistung – sofern die rechtserheblichen Tatsachen durch einen von der nationalen Regulierungsbehörde zertifizierten Überwachungsmechanismus festgestellt wurden – gilt im Hinblick auf die Bestimmung der Rechtsmittel, die dem Verbraucher nach nationalem Recht zustehen, als Leistungsverstoß.
Dieser Absatz gilt nur für Verträge, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung geschlossen oder erneuert werden.»
Art. 4 Abs. 3b des Verordnungsentwurfes könnte auch als Einführung eines neuen Gewährleistungsregimes verstanden werden. Die Bestimmung sieht vor, dass «Jede erhebliche ständig auftretende oder regelmäßig wiederkehrende Abweichung in Bezug auf die Geschwindigkeit oder andere Dienstqualitätsparameter zwischen der tatsächlichen Leistung» und der vom Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation gemäß Art. 4 Abs. 3 angegebene Leistung als «Leistungsverstoß» zu werten ist, jedoch nur «sofern die rechtserheblichen Tatsachen durch einen von der nationalen Regulierungsbehörde zertifizierten Überwachungsmechanismus festgestellt wurden». Hinsichtlich der Rechtsfolgen, die durch einen Leistungsverstoß ausgelöst werden, wird auf jene Rechtsbehelfe verwiesen, die dem Verbraucher nach dem jeweiligen nationalen Recht zustehen. Der Verordnungsentwurf definiert somit lediglich einen spezifischen Mangel bei Internetzugängen und wie dieser Mangel festgestellt werden kann. Der vorliegende Verordnungsentwurf scheint daher das nationale Gewährleistungsrecht nicht einschränkend zu beeinflussen.
Art. 4 Abs. 3b des Verordnungsentwurfes gilt nur für Verträge, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossen oder verlängert werden. Weiters gilt die Bestimmung nicht für Unternehmer, sondern nur für Verbraucher.
In Bezug auf die Geschwindigkeit stellt Art. 4 Abs. 3b darauf ab, ob zwischen der tatsächlichen Geschwindigkeit und der nach Art. 4 Abs. 3 angegebener Geschwindigkeit (Mindestinhalt) eine erhebliche ständig auftretende oder regelmäßig wiederkehrende Abweichung besteht. Eine derartige Abweichung ist nach dem Verordnungsentwurf als «Leistungsverstoß» zu werten. Was unter «erhebliche ständig auftretende oder regelmäßig wiederkehrende Abweichung» zu verstehen ist, wird vermutlich im Wege der Auslegung durch den EuGH abschließend zu klären sein, insbesondere, sofern aus den GEREK-Leitlinien (Art. 4 Abs. 5 des Verordnungsentwurfe) keine ausreichend klare Definition hervorgeht.
Nach dem Verordnungsentwurf sind die minimale, die normalerweise zur Verfügung stehende als auch die maximale Geschwindigkeit «durch einen von der nationalen Regulierungsbehörde zertifizierten Überwachungsmechanismus» festzustellen und in weiter Folge ist zu prüfen, ob die festgestellten Werte von den im Vertrag angegebenen Mindestinhalten im «erforderlichen Ausmaß» abweichen, damit ein Leistungsverstoß vorliegt.
In Österreich wird die beworbene Geschwindigkeit in der Praxis oft Vertragsinhalt, da öffentliche Äußerungen eines Anbieters, vor allem in der Werbung, nach § 922 Abs. 2 des österreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) grundsätzlich Vertragsinhalt werden (es sei denn, dass der Übergeber sie weder kannte noch kennen konnte, wenn sie beim Abschluss des Vertrags berichtigt waren oder wenn sie den Vertragsabschluss nicht beeinflusst haben konnten). Allerdings stellt sich die Frage, was für einen Anspruch der Kunde durch die Kenntnis der beworbenen up-to-Geschwindigkeit hat, wenn davon abweichend in seinem Vertrag eine niedrigere maximal Geschwindigkeit für seinen konkreten Anschluss angegeben wurde.
Die Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen «durch einen von der nationalen Regulierungsbehörde zertifizierten Überwachungsmechanismus» wird – sofern nicht flächendeckend und auf Vorrat die Performance von sämtlichen Internetzugängen ständig von der nationalen Regulierungsbehörde überwacht werden soll – nur für zukünftige Zeiträume möglich sein, d.h. sobald ein Kunde den subjektiven Eindruck hat, dass sein Internetanschluss nicht die im Vertrag vorgesehenen Geschwindigkeiten erreicht, könnte er immer erst nachher durch die Regulierungsbehörde die tatsächliche Performance seines Anschlusses (minimale, tatsächlich zur Verfügung stehende und maximale Geschwindigkeit) feststellen lassen. Das vorgesehene Tool scheint daher allenfalls für dauerhafte bzw. über einen längeren Zeitraum bestehende Mängel im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit des Internetzuganges Abhilfe zu schaffen, nicht jedoch für Mängel, die in der Vergangenheit liegen. Dies spricht auch dafür, dass die national bestehenden Gewährleistungsregeln durch den Verordnungsentwurf nicht einschränkend beeinflusst werden, da für vergangene Zeiträume der Kunde entsprechend den nationalen Regelungen seinen Anspruch geltend machen muss, sofern keine flächendeckende Überwachung der Performance auf Vorrat erfolgt.
2.4.
Inkrafttreten der Regelungen ^
Sollte der Verordnungsentwurf in der derzeit vorliegenden Form beschlossen werden, so wird die Verordnung am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten (Art. 8). Die Verordnung gilt grundsätzlich ab dem 30. April 2016, normiert jedoch Ausnahmen in Bezug auf einige Regelungen der Roamingverordnung sowie für die in Art. 4 Abs. 5 vorgesehene Aufgabe des GEREK und in Bezug auf vor dem Inkrafttreten der Verordnung geltende nationale Maßnahmen, einschließlich Selbstregulierungssysteme, die nicht Art. 3 Abs. 2 oder 3 entsprechen. Diese Maßnahmen dürfen die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2016 aufrechterhalten; die Mitgliedstaaten sind jedoch zur Mitteilung der Maßnahmen bis zum 30. April 2016 verpflichtet.
Mag. Susanne Forizs ist Juristin in der Rechtsabteilung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH.
Dr. Tamás Forizs ist Jurist in Wien.
Die Ausführungen stellen die persönliche Rechtsansicht der Autoren dar.
- 1 Urteil des EuGH 39/72 vom 7. Februar 1973 (Kommission/Italien), Slg 1973, 101, Rz 17.
- 2 Urteil des EuGH 40/69 vom 18. Februar 1970 (Bollmann), Slg 1970, 69, Rz 4.
- 3 BEREC (Body of European Regulators for Electronic Communications).
- 4 Vgl. BEREC, BEREC response to EC questionnaire on specific aspects of transparency, traffic management and switching in an Open Internet», BoR (12) 145 rev.1, http://berec.europa.eu/eng/document_register/subject_matter/berec/opinions/1145-berec-response-to-ec-questionnaire-on-specific-aspects-of-transparency-traffic-management-and-switching-in-an-open-internet (alle Internetquellen zuletzt besucht am 17. September 2015).
- 5 Positionspapier Netzneutralität der RTR-GmbH, Fachbereich Telekommunikation und Post (Stand: Mai 2013), abrufbar unter: https://www.rtr.at/de/tk/RTRPosition2013.
- 6 Lukas Feiler/Ana Stahov, Rechtliche Aspekte der Netzneutralität und ihre Einschränkungen, MR 2011, 287.
- 7 Wolfgang Feiel / Hans Peter Lehofer, Telekommunikationsgesetz 2003, Praxiskommentar zum TKG 2003, 2004, 335.