1.1.
Ziele und Umsetzungsprobleme des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts in der Schweiz ^
1.2.
Inhaltliche Besonderheiten des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts ^
Das Anfang 2013 in Kraft getretene neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht sieht eine Vielzahl von abgestuften, massgeschneiderten Massnahmen vor, die von einer Fachbehörde erlassen werden.3 Davon sind einerseits Erwachsene in schwierigen Lebenslagen betroffen, aber auch viele Kinder. Die Massnahmen können von einer ambulanten Familienberatung und -betreuung bis hin zum Obhutsentzug, d.h. zur Fremdplatzierung des Kindes in eine geeignete Institution oder Pflegefamilie gehen.4 Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden sind auch zuständig, wenn unverheiratete Eltern Unterhalts- und Besuchsrechtsvereinbarungen abschliessen müssen oder wenn eine Beistandschaft zur Überwachung des persönlichen Verkehrs angezeigt ist (wenn das Besuchsrecht nicht funktionieren will), Art. 275, Art. 298a und Art. 308 Abs. 2 ZGB. Die Kinder sollen nun verstärkt in die Verfahren miteinbezogen werden. Sie haben auch ein Recht auf Anhörung, Art. 314a ZGB und Art. 298 ZPO.
2.
Praktische Erfahrungen mit Rechtsvisualisierung im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts ^
2.1.
Die Broschüren zur Kinderanhörung des Zürcher Marie Meierhofer-Instituts für das Kind aus dem Jahr 2014 ^
«Aus meiner Erfahrung mit Visualisierung kann ich Ihnen folgendes mitteilen:
Visualisierung ist sehr oft eine Bereicherung für die Vermittlung von Wissenswertem, da damit ein Sinneskanal mehr offensteht, also mehr aufgenommen werden und auch in der Verarbeitung im Gedächtnis verknüpft werden kann. Gerade für Kinder ist Visualisierung von Wissensmaterial ein Vorteil, weil Kinder sich noch sehr gewohnt sind, Wissenswertes auf verschiedenen Sinnesebenen gleichzeitig aufzunehmen und sie noch nicht so sehr im Verbalen‹spezialisiert›, darauf ‹reduziert› sind.
Für gelungene visuelle Umsetzungen gibt es qualitative Anforderungen:
Die Visualisierung muss den Haupt-Sinngehalt des zu Vermittelnden aufnehmen und weitergeben. Die Visualisierung muss ansprechend gestaltet sein (sowohl in stilistischer Hinsicht als auch bezogen auf die Zielgruppe). Die Visualisierung darf nicht zusätzlich noch Themen ‹ansprechen›, die nicht der Wissensvermittlung entsprechen. Die Visualisierung soll der grundlegenden professionellen/ethischen Haltung der Wissensvermittelnden entsprechen (z.B. bez. Genderfragen, Diskriminierung, Hervorhebung von Merkmalen etc.). Insgesamt sind meiner Meinung nach hohe Anforderungen an die Visualisierung von Wissensvermittlung zu stellen.
Ich persönlich arbeite kaum auf der Ebene der Visualisierung im Sinne von Wissensvermittlung. Hingegen benutze ich in meiner Beratungstätigkeit Zeichenmaterial und Gegenstände, um mit Kindern und bisweilen auch mit Erwachsenen bestimmte innere Bilder, Beziehungsvorstellungen etc. zu ermitteln und zu verstehen.» 9
2.2.
Die Beratungstätigkeit der Organisation Kinderanwaltschaft Schweiz ^
«Kinderanwaltschaft Schweiz bietet Kindern und Jugendlichen in allen sie betreffenden Verfahren unabhängige Hilfe und Unterstützung. Basierend auf den ‹Child-friendly Justice›-Leitlinien des Europarates16 setzt sich Kinderanwaltschaft Schweiz für die Umsetzung einer kindgerechten Justiz in der Schweiz bis ins Jahr 2020 ein. 2013/14 wurde die Website neu lanciert. Jeder der drei Geschäftsbereiche ‹Kinder & Jugendliche›, ‹Behörden & Gerichte› sowie ‹Kinderanwältinnen & Kinderanwälte› wurde zielgruppenspezifisch gestaltet.
Der Bereich für Kinder und Jugendliche wurde visuell und in der Navigation auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet. Einfache Schritte führen durch die Seiten und vermitteln Informationen in kindgerechter Sprache. Kinder und Jugendliche fühlen sich insbesondere durch die visuelle Darstellung angesprochen und stellen ihre Fragen über das Kontaktformular oder melden sich telefonisch. Die jüngste Generation, die sogenannten Digital Natives sind sehr versiert mit modernen Technologien und dem entsprechend auch sehr kreativ, wenn z.B. das Schreiben unangenehm ist, schicken sie einfach eine Audiobotschaft. Kinderanwaltschaft Schweiz wird die Website in den nächsten Jahren mit Nutzung von Multimedia und der Anwendung von visuellem Recht weiter ausbauen. Mittels Social Media werden Kinder und Jugendliche direkt erreicht.»
Die bisher von der Trägerorganisation Kinderanwaltschaft Schweiz betreute Telefonberatung für Kinder in Notlagen soll nach Beendigung des Projekts nicht mehr in Anspruch genommen werden müssen. Einerseits sollen Kinder und Jugendlichen mit Hilfe des Webportals selbständig an alle benötigten Informationen herankommen, anderseits wird die Schweiz ein kindergerechtes Rechtssystem haben. Dies erfordert unter anderem eine Ombudsstelle für Kinder und Jugendliche mit Handlungskompetenzen.17
2.3.
Die Arbeit der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde der Stadt Zürich ^
3.
Rechtsvisualisierung zwischen Wünschbarkeit und Verwirklichung ^
4.
Literatur ^
Gasser, Urs/Cortesi, Sandra/Malik Momin/Lee Ashley, Youth and Digital Media: From Credibility to Information Quality. Berkman Center for Internet & Society (2012). http://ssrn.com/abstract=2005272 (abgerufen am 19. Dezember 2013).
Custer, Ueli, Kein Leben ohne Internet und Smartphone Neu Daten zur Geräte- und Mediennutzung der Jungen in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 280, Zürich, vom 2. Dezember 2014, S. 54 (2014).
Häfeli, Christoph, Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR) und Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) unter Dauerbeschuss, in: Jusletter 9. Februar 2015, Editions Weblaw, Bern, (2015).
Häfeli, Christoph, Zwei Jahre Kindes- und Erwachsenenschutzrecht – Erfolgs- und Risikofaktoren bei der Umsetzung, in: AJP/PJA 12/2014, 1592–1600 (2014).
Häfeli, Christoph, Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht – Eine Zwischenbilanz und Perspektiven, in: Jusletter 9. Dezember 2013, Editions Weblaw, Bern, (2013).
Häfeli, Christoph, Grundriss zum Erwachsenenschutzrecht: mit einem Exkurs zum Kindesschutz, Stämpfli, Bern, (2013).
MMI/Unicef, (Hrsg.), Die Kindesanhörung Ein Leitfaden für die Praxis im Rechts- Bildungs- und Gesundheitswesen, Zürich, (2014).
Röhl, K.F.; Böhm, A.; Böhnke, M.; Langer, Th.; Machura, St.; Marfels, G.; Ulbrich, St.; Weiss, M.: Das Projekt «Recht anschaulich», in: Hilgendorf, E., Hrsg.: Beiträge zur Rechtsvisualisierung, Berlin 2005, S. 51–121.
Walser Kessel, Caroline, Kinder finden das Gesetz: Transparentes Recht für Kinder – Child-friendly Justice dank Visualisierung, in: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Transparenz Tagungsband des 17. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2014, Österreichische Computer Gesellschaft, S. 481–490, Salzburg, (2014).
Walser Kessel, Caroline, Im Bild sein über das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht: Das Verfahren vor Behörde und Gericht: Massnahmen verstehen, akzeptieren oder anfechten, ein illustrierter Wegweiser und Ratgeber, Editions Weblaw, Bern, (2014).
Walser Kessel, Caroline, Rechtsvisualisierung im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Applikation – am Beispiel des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts, in: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Abstraktion und Applikation Tagungsband des 16. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2013, Österreichische Computer Gesellschaft, S. 403–411, Salzburg, (2013).
Walser Kessel, Caroline, Im Bild sein über das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht: Der Vorsorgeauftrag und die gesetzliche Vertretung, ein illustrierter Wegweiser und Ratgeber, Editions Weblaw, Bern, (2013).
Caroline Walser Kessel, Dr. iur., Rechtsanwältin und Lehrbeauftragte an der Law School der Universität St. Gallen, Schweiz, Giblenstraße 3, 8049 Zürich, CH, caroline.walser@vtxmail.ch; http://www.walserlaw.ch
- 1 Vgl. Tages Anzeiger vom 21. Juli 2014, «Zürcher Schutzbehörden stehen in der Kritik. Sind die neuen Behörden eine Fehlkonstruktion? http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Zuercher-Schutzbehoerden-stehen-in-der-Kritik/story/1116435; TV-Sendung Arena vom 17. Oktober 2014: Kindesschutz oder Behördenwahn? http://www.srf.ch/sendungen/arena/kinderschutz-oder-behoerdenwahn, je abgerufen am 24. Januar 2015.
- 2 http://www.srf.ch/sendungen/club/kindstoetung-in-flaach: TV-Sendung vom 6. Januar 2015: Kindstötung in Flaach.
- 3 Über die aktuelle Situation nach der Revision des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts, insbesondere bezüglich der Einführung von Fachbehörden und der verbindlicheren Verfahrensbestimmungen, siehe Häfeli, Christoph, Zwei Jahre Kindes- und Erwachsenenschutzrecht – Erfolgs- und Risikofaktoren bei der Umsetzung, in: AJP/PJA 12/2014, 1592–1600 und Häfeli, Christoph, Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR) und Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) unter Dauerbeschuss, in: Jusletter 9. Februar 2015, Editions Weblaw, Bern, (2015).
- 4 Häfeli, Christoph, Grundriss zum Erwachsenenschutzrecht: mit einem Exkurs zum Kindesschutz, Stämpfli, Bern, (2013), § 38 II Rz. 38.13.
- 5 Umfassende Informationen zum Marie Meierhofer-Institut für das Kind (MMI) findet man unter http://www.mmi.ch/ (abgefragt am 28. Dezember 2014).
- 6 http://www.mmi.ch/shop_mmi-produkte/kindesanhoerung.html.
- 7 MMI/Unicef, (Hrsg.), Die Kindesanhörung Ein Leitfaden für die Praxis im Rechts- Bildungs- und Gesundheitswesen, Zürich, (2014), S. 6 f.
- 8 Sabine Brunner, Klinische Psychologin, lic. phil., Psychotherapeutin i.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin MMI mit Fachbereich Partizipation und Schutz von Kindern.
- 9 Brunner, Sabine, E-Mail vom 17. Dezember 2014.
- 10 Röhl, K.F.; Böhm, A.; Böhnke, M.; Langer, Th.; Machura, St.; Marfels, G.; Ulbrich, St.; Weiss, M.: Das Projekt «Recht anschaulich», in: Hilgendorf, E. (Hrsg.): Beiträge zur Rechtsvisualisierung, Berlin (2005), S. 51–121.
- 11 Walser Kessel, Caroline, Rechtsvisualisierung im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Applikation – am Beispiel des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts, in: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Abstraktion und Applikation Tagungsband des 16. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2013, Österreichische Computer Gesellschaft, Salzburg, (2013), S. 409.
- 12 Forrer, Rhena Anna, E-Mail und Telefonat vom 11. Dezember 2014.
- 13 Für nähere Auskünfte siehe die Webseite http://www.unicef.ch/de, abgerufen am 28. Dezember 2014.
- 14 Walser Kessel, Caroline, Kinder finden das Gesetz: Transparentes Recht für Kinder – Child-friendly Justice dank Visualisierung, in: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Transparenz Tagungsband des 17. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2014, Österreichische Computer Gesellschaft, Salzburg, (2014), S. 481–490.
- 15 Zollinger, Karin, Leiterin Kinder und Jugendliche, CAS Casemanagement, CAS Kindesvertretung bei Kinderanwaltschaft Schweiz, E-Mail vom 16. Dezember 2014.
- 16 http://kinderanwaltschaft.ch/sites/default/files/uploads/guidelineschildfriendlyjustice_de_0.pdf.
- 17 Vgl. die Webseite von http://www.kinderanwaltschaft.ch/, welche über das laufende Projekt informiert, neuerdings mit einer Videobotschaft «Kinder haben Rechte!» (http://kinderanwaltschaft.ch/news/kin).
- 18 Vgl. Fn. 13, S. 486.
- 19 Gasser, Urs/Cortesi, Sandra/Malik Momin/Lee Ashley, Youth and Digital Media: From Credibility to Information Quality. Berkman Center for Internet & Society (2012). http://ssrn.com/abstract=2005272. Accessed 19. December 2013.
- 20 Gasser et al., S. 8 ff.
- 21 Custer, Ueli, Kein Leben ohne Internet und Smartphone – Neue Daten zur Geräte- und Mediennutzung der Jungen in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 280, Zürich, vom 2. Dezember 2014, S. 54 (2014). Die Originaldaten wurden der Autorin als Excel-Tabelle zur Verfügung gestellt.
- 22 Vgl. Fn. 15: Beitrag von Walser Kessel, Caroline an der IRIS 2014.
- 23 Walser Kessel, Caroline, Im Bild sein über das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht: Der Vorsorgeauftrag und die gesetzliche Vertretung, ein illustrierter Wegweiser und Ratgeber, Editions Weblaw, Bern, (2013).
- 24 Walser Kessel, Caroline, Im Bild sein über das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht: Das Verfahren vor Behörde und Gericht: Massnahmen verstehen, akzeptieren oder anfechten, ein illustrierter Wegweiser und Ratgeber, Editions Weblaw, Bern, (2014).
- 25 Abb. 3 vgl. Fn. 21: Darstellung des Instanzenzugs im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, wobei die Problematik des Novenrechts aufgezeigt wird. Die Szenen in den Wölkchen stellen Sachverhaltsabschnitte dar, die für den Fall relevant sind. In der Broschüre findet sich auf der gegenüberliegenden Seite Gesetzestext und Kommentar zur Verdeutlichung. Aus Platzgründen konnte diese Gegenseite nicht abgedruckt werden.
- 26 Schriftliche Auskunft per E-Mail von Scheu, Ursula, Begleitung privater Beiständinnen und Beistände, Soziale Dienste der Stadt Zürich, vom 5. Dezember 2014.
- 27 Röhl, K.F.; Böhm, A.; Böhnke, M.; Langer, Th.; Machura, St.; Marfels, G.; Ulbrich, St.; Weiss, M.: Das Projekt Recht anschaulich», in: Hilgendorf, E. (Hrsg.): Beiträge zur Rechtsvisualisierung, Berlin 2005, S. 51 – 121.
- 28 Zur Macht der Bilder einmal mehr: Boehme-Nessler, Volker, BilderRecht Die Macht der Bilder und die Ohnmacht des Rechts Wie die Dominanz der Bilder im Alltag das Recht verändert, Springer, Heidelberg, (2009).