1.
Einleitung ^
Kollektivverträge sind ein wichtiges öffentliches (Rechts-)Gut, das für alle Beteiligten weitgehend unentgeltlich zugänglich sein soll – und es mittlerweile auch ist. In den vergangenen Jahren hat auch im Bereich der KV-Information ein Wandel hin zu einer Öffnung stattgefunden. Mit der Entgrenzung von Wissen, das zusehends immer und überall frei zur Verfügung steht (wobei «frei zugänglich» nicht «kostenlos» bedeuten muss), ging auch ein Wandel der Informationsethik einher.1
Kannibalisierungseffekte sind bei der Mehrfachverwertung und verschiedenen Preismodellen von Inhalten eine nicht zu Unrecht befürchtete Entwicklung, am Beispiel Mehrfachnutzung von Kollektivverträgen kann jedoch beobachtet werden, dass öffentliche Verfügbarkeit von Inhalten und Medienökonomie nicht zwangsläufig in Widerspruch geraten müssen: Datenneutrale Aufbereitung der Inhalte bietet nicht nur vielfältige Möglichkeiten der Multi-Channel-Nutzung, sondern eröffnet auch neue Erlösquellen und Finanzierungsvarianten für Verlage und Medienunternehmen.
2.
Im Zentrum: Der Content ^
Die Aufbereitung von Content ist kostenintensiv, gerade was informativen und hochstrukturierten XML-Content betrifft, sind Verlage mit hohen First Copy Costs konfrontiert, bei denen Mehrfachverwertung – in verschiedenen wie gleichartigen Medienkanälen – zusätzliches Erlöspotenzial zur Deckung dieser hohen (Initial-)Kosten bedeutet.10 Darüber hinaus bietet diese Mehrfachverwertung eine zusätzliche Anreicherung anderer Produkte, die aus ökonomischen Gründen sonst nicht möglich wäre. Neben der internen Content-Mehrfachverwertung haben sich manche Medienunternehmen auch auf die Erzeugung von datenneutralem Content zur externen Weiterverwendung konzentriert: Bei der Content-Syndication stellen Content-Geber ihre selbst produzierten oder zugekauften Inhalte an Content-Nehmer zur Verfügung, eine «zunehmend attraktive Art, Inhalte zu beschaffen und gleichzeitig den hohen Ressourcenaufwand einer eigenen Content-Erstellung zu vermeiden»11. Neben der Content-Syndication ist Content-Partnership eine weitere Strategie der externen Mehrfachverwertung bzw. Beschaffung. Gerade aber was die Erwartungen an Content-Syndication betrifft, waren hier diese deutlich höher gegriffen, als bisher tatsächlich umgesetzt wurde.12
3.
Kooperation und Mehrfachverwertung von Content am Beispiel Kollektivverträge ^
Neben der Multi-Channel-Verarbeitung von KV-Informationen ist das Kernstück die XML-basierte Kollektivvertragsdatenbank, über die sowohl verschiedene Medien (z.B. gedruckte Kollektivverträge und KVSystem) als auch verschiedene Online-Webseiten (z.B. kollektivvertrag.at) bespielt werden. Wichtige Voraussetzung für diesen Multiplattform-Re-Use von KV-Content war neben der technischen Basislegung vor allem auch eine Änderung in der Informationspolitik durch die Verhandlungspartner hin zu einer Öffnung der Inhalte für die Öffentlichkeit.14
Zusätzlich wurde jedoch auch eine Adaption an den Kontext vorgenommen: Während sich das KVSystem an Expertinnen und Experten richtet, die regelmäßig zum Thema KV recherchieren, sind die Zielgruppe der KV-Plattform die Nicht-Fachleute: Für sie reicht ein einfaches Interface nicht nur, es ist vielmehr notwendig. Neben der Reduktion der Funktionalität und der Granulierung (nur aktuell gültige Kollektivverträge können abgerufen werden) wurde auch ein Schichtmodell implementiert: Alle Kollektivverträge können eingesehen werden, für Gewerkschaftsmitglieder und -FunktionärInnen wurden weitere Such- und Verarbeitungsfunktionalitäten integriert. Der Mehrwert innerhalb der KV-Plattform ergibt sich also nicht über den Content, dieser ist für alle gleich, sondern ausschließlich über funktionale Ergänzungen. Für FunktionärInnen besteht überdies noch die Möglichkeit, über einen Direktlink ins KVSystem einzusteigen, wo auch auf historische Kollektivverträge zugegriffen werden kann und weitere Recherche- und Bearbeitungsfunktionen zur Verfügung stehen.
Neben der Integration des KV-Contents in die KV-Plattform kollektivvertrag.at wurde mittlerweile auch die vollautomatische Einbindung der KV-Suche und ausgewählter KV-Inhalte in die Website der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) umgesetzt15. Hier werden beispielsweise – zielgruppenadaptiert – ausschließlich Kollektivverträge der GPA-djp in die Website eingebunden. Die Steuerung dieser Auswahl erfolgt über die Metadaten der XML-Daten.
4.
Schlussfolgerungen ^
Am Beispiel Kollektivverträge im ÖGB-Verlag lassen sich zwei zentrale Entwicklungen in der Verlagsbranche bzw. am Informationsmarkt nachzeichnen: crossmediale Content-Mehrfachverwertung und Kooperationen. Es ist dabei aber jedenfalls zu beachten, dass eine solche Mehrfachverwertung nur dann sinnvoll zu realisieren ist, wenn «die Inhalte möglichst unabhängig von konkreten Zielmedien erzeugt und im Rahmen eines einheitlichen, gemeinsamen Content Repositories verwaltet werden»16. Im Zentrum steht also ein medienneutral gewarteter, hochstrukturierter Content, der möglichst effizient in verschiedene Ausgabekanäle übertragen werden kann.
5.
Literatur ^
BITKOM, Internet bringt klares Plus an Lebensqualität. http://www.bitkom.org/de/markt_statistik/64026_59682.aspx (aufgerufen: 29. Dezember 2014).
Jakubetz, Christian, Crossmedia, 2., überarb. Aufl., UKV, Konstanz (2011).
Linde, Frank / Stock, Wolfgang, Informationsmarkt. Informationen im I-Commerce anbieten und nachfragen. Oldenburg, München (2011), Einführung in die Informationswissenschaft; 3.
Mantel, Uwe, Springer setzt verstärkt auf Mehrfachverwertung. http://www.dwdl.de/nachrichten/34225/springer_setzt_verstrkt_auf_mehrfachverwertung/ (aufgerufen: 29. Dezember 2014).
Müller-Kalthoff, Björn, Cross-Media als integrierte Management-Aufgabe. In: Müller-Kalthoff, B. (Hrsg.), Cross-Media Management. Content-Strategien erfolgreich umsetzen, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg (2002), S. 19–40.
Rawolle, Joachim, Content Management integrierter Medienprodukte. Ein XML-basierter Ansatz, DUV, Wiesbaden (2002).
Stamer, Sören, Technologie als Enabler für effizientes Cross-Media-Publishing. In: Müller-Kalthoff, B. (Hrsg.): Cross-Media Management. Content-Strategien erfolgreich umsetzen, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg (2002), S. 89–121.
Wachter, Christian / Kraßnitzer, Iris, Kollektivvertrags-Information in den Zeiten von Google und EU-Binnenmarkt. In: Jusletter IT 20. Februar 2014. http://jusletter-it.weblaw.ch/issues/2014/IRIS.html (aufgerufen: 29. Dezember 2014).
Wirtz, Bernd W., Medien- und Internetmanagement, 8., aktual. u. überarb. Aufl., Springer Gabler, Wiesbaden (2013).
Mag.a Iris Kraßnitzer, Leitung Content-Management, ÖGB-Verlag, Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien, AT, iris.krassnitzer@oegbverlag.at; http://www.oegbverlag.at
- 1 Vgl. Linde/Stock, Informationsmarkt. Informationen im I-Commerce anbieten und nachfragen, Oldenburg, München (2011), Einführung in die Informationswissenschaft; 3, S. 157–163.
- 2 Jakubetz, Crossmedia2, UKV, Konstanz (2011), S. 12.
- 3 Vgl. Müller-Kalthoff, Cross-Media als integrierte Management-Aufgabe. In: Müller-Kalthoff (Hrsg.), Cross-Media Management. Content-Strategien erfolgreich umsetzen, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg (2002), S. 21.
- 4 Vgl. Stamer, Technologie als Enabler für effizientes Cross-Media-Publishing. In: Müller-Kalthoff (2002), S. 91.
- 5 Vgl. Stamer (2002), S. 89 f.
- 6 Nutzen durch Information ist mit 98% Zustimmung in einer Umfrage aus dem Jahr 2009 der am häufigsten genannte Gewinn durch das Internet. Unterhaltung liegt beispielsweise mit 81% nur an viertgenannter Stelle nach Information, Lebensqualität und Flexibilität. Vgl. BITKOM, Internet bringt klares Plus an Lebensqualität. http://www.bitkom.org/de/markt_statistik/64026_59682.aspx (aufgerufen: 29. Dezember 2014).
- 7 Eine Strategie, auf die – neben vielen anderen Verlagshäusern – auch die Axel Springer SE setzt: Mantel, Springer setzt verstärkt auf Mehrfachverwertung. http://www.dwdl.de/nachrichten/34225/springer_setzt_verstrkt_auf_mehrfachverwertung/ (aufgerufen: 29. Dezember 2014).
- 8 Vgl. Stamer (2002), S. 95.
- 9 Vgl. Jakubetz (2011), S. 23.
- 10 Vgl. Wirtz, Medien- und Internetmanagement8, Springer Gabler, Wiesbaden (2013), S. 841.
- 11 Wirtz (2013), S. 752.
- 12 Vgl. Jakubetz (2011), S. 131.
- 13 Wirtz (2013), S. 71.
- 14 Diese Veränderung wurde im Beitrag des ÖGB-Verlags zur «Kollektivvertrags-Information in den Zeiten von Google und EU-Binnenmarkt» beim IRIS 2014 von Christian Wachter und Iris Kraßnitzer im Detail behandelt. In: Jusletter IT 20. Februar 2014. http://jusletter-it.weblaw.ch/issues/2014/IRIS.html (aufgerufen: 29. Dezember 2014).
- 15 Erreichbar unter http://www.gpa-djp.at/kollektivvertrag (aufgerufen: 27. Januar 2015).
- 16 Rawolle, Content Management integrierter Medienprodukte. Ein XML-basierter Ansatz, DUV, Wiesbaden (2002), S. 82.