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Was die technologische Singularität für die Medienlandschaft bedeutet

  • Authors: Elisabeth Hödl / Martin Zechner
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Advanced Legal Informatics Systems and Applications
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2015
  • Citation: Elisabeth Hödl / Martin Zechner, Was die technologische Singularität für die Medienlandschaft bedeutet, in: Jusletter IT 26 February 2015
In dem folgenden Beitrag soll die Theorie der Technologischen Singularität präsentiert werden. Darauf aufbauend wird geprüft, was das Konzept für die Medienlandschaft bedeutet, denn konsequent zu Ende gedacht, könnte es heißen, dass sich Zeitungen und Medienprodukte in Zukunft eigenständig und autonom selbst produzieren. Um dieses Szenario einer kritischen Würdigung zu unterziehen, wird das Modell der digitalen Bedürfnispyramide entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Technologische Singularität
  • 2. Mensch-Maschine-Kooperationen
  • 3. Medienproduktion und Automatenjournalismus
  • 4. Technologische Singularität und Medienlandschaft
  • 5. Digitale Bedürfnispyramide
  • 6. Literatur

1.

Technologische Singularität ^

[1]
Unter Technologischer Singularität versteht man eine Summe von Theorien in der Futurologie, wonach uns eine Zeit erwartet, in der sich Maschinen mittels künstlicher Intelligenz (KI) selbst verbessern können.1 Zugleich ist damit ein hypothetischer Moment beschrieben, in dem die Superintelligenz2 der Maschinen, die der Menschen überragen wird.3 Diese Idee steht in enger Verbindung zu den philosophischen Ideen des Transhumanismus und des Posthumanismus, jene vor allem im angelsächsischen Raum angesiedelten philosophischen Denkrichtungen und Bewegungen, die eine Veränderung der menschlichen Spezies durch den Einsatz technologischer Verfahren befürworten. Die Rede ist von technischen Implantaten für den menschlichen Körper, so dass am Ende der technisch aufgerüstete Mensch steht, der als Cyborg4 bezeichnet wird.
[2]
Das Konzept der Technologischen Singularität wurde erstmals vom polnisch-US-amerikanischen Mathematiker Stansilaw Ulam im Jahr 1958 erwähnt, der mit seinem Kollegen John von Neumann diese Idee in einem Gespräch thematisierte. Ulam sprach von einem Ereignis «nach dem das Leben der Menschen, so wie wir es kennen, nicht weitergehen kann»5. Der Begriff Singularität selbst stammt aus der Mathematik und beschreibt einen Punkt, an dem eine Funktion nicht definiert ist, wie zum Beispiel 1/x an der Stelle 0. Gleichzeitig wächst eine solche Kurve immer schneller gegen unendlich. Der britische Mathematiker und Kryptologe Irving J. Good prägte 1965 das Bild der Intelligenzexplosion. Das heißt: «hat der Mensch erst einmal «superintelligente Geräte» konstruiert, […] wird sich der technische Fortschritt fast schlagartig auf ein für uns unvorstellbares Maß beschleunigen, weil dann die Computer mit künstlicher Intelligenz die jeweils nächste, bessere Generation von Geräten in kürzesten Zyklen selbst entwickeln und herstellen können, ohne auf das vergleichsweise langsame Denken und Handeln von Menschen angewiesen zu sein».6 Im Sinne dieser Denktradition befasste sich auch der US-amerikanische Mathematiker Vernor Vinge in seinem Beitrag «The Coming Technological Singularity»7 aus dem Jahr 1993 mit der Technologischen Singularität und spricht von einem Punkt, wo wir unsere alten Modelle aufgeben werden müssen und eine neue Realität Form annimmt. Treibende Kräfte für diese Entwicklung sind für Vinge insbesondere das exponentielle Wachstum von Computern sowie die Verbesserung der Mensch-Maschine-Schnittstellen, die es ermöglichen, menschliche Gehirne leistungsfähiger zu machen.
[3]
Gegenwärtig befasst sich insbesondere Raymond Kurzweil, Futurologe und «Director of Engineering» bei Google, mit der Themenstellung. Mit dem US-amerikanischen Luftfahrtingenieur Peter Diamandis hat er die «Singularity University» gegründet, ein Institut am NASA-Campus des Ames Research Center im Kalifornischen Mountain View. Das Ziel der beiden Forscher und Unternehmer ist es, Zukunftstechnologien einer umfassenden Betrachtung zu unterziehen. Damit sind 3D-Drucker, die Organe drucken können genauso relevant, wie Quantencomputer. Kurzweil forciert dabei insbesondere die Einbindung wirtschaftlicher Strukturen und die Förderung von Start-Ups, wie Unternehmen, die Software zur Text- und Spracherkennung entwickeln oder Unternehmen, die lebensverlängernde Nahrungsergänzungsmittel produzieren.8 Für die uns in diesem Kontext interessierende Frage soll zunächst untersucht werden, in welcher Form heute Mensch-Maschinen-Intelligenz eine Rolle spielt, wobei uns der futurologische Ansatz der Technologischen Singularität insofern bewusst ist, als wir die Science Fiction zur Schärfung des Blicks für zukünftige Fragen nutzen.

2.

Mensch-Maschine-Kooperationen ^

[4]
Legt man den Fokus zunächst auf eine systemische Betrachtung und fragt man nach den Mensch-Maschine-Kooperationen im wirtschaftlichen und sozialen Kontext, stößt man heute auf Programme, die zu einem autonomen und eigenständigen Verhalten fähig sind, die zugleich lernfähig, kommunikativ und sozial agieren: sogenannte Software-Agenten. Betrachten wir die Aktivitäten auf elektronischen Marktplätzen: Nutzer beauftragen Agenten im Rahmen des E-Commerce, um das Internet nach Informationen zu durchforsten und Preise für Waren auszuhandeln. Die Agenten nehmen Rohdaten auf, übersetzen diese, wandeln sie um und liefern das Produkt an ihre Nutzer, oder verkaufen es an andere Agenten weiter.9 Im digitalen Geschäftsverkehr können Software-Agenten ihrerseits wiederum anderen Agenten Dienstleistungen anbieten. Damit entstehen zunehmend autonom agierende und sich selbst verbessernde Agentennetzwerke, die im Ergebnis komplexe, wirtschaftlich effiziente Systeme von Dienstleistungen generieren, die sich dem ständigen Wandel der Märkte anpassen und ihn zugleich beeinflussen.
[5]
Diese Formen der Mensch-Maschine-Kooperationen führen zu einer fundamentalen Änderung der Produktions- und Arbeitsprozesse, wie sich am Beispiel des Crowdsourcing Internet Marketplace «AmazonMechanicalTurk»10 zeigt. Mensch und Maschine arbeiten zusammen, es gibt Arbeitsschritte für Menschen und Arbeitsschritte für Computer. Einzelaufgaben werden in Einzelschritte unterteilt und auf den Plattformen veröffentlicht. In Folge werden sie an die User verteilt. Das Konzept ist auch unter dem Begriff «Ubiquitous Human Computing» bzw. «Microwork» bekannt.11
[6]
Eine zentrale Rolle in der Mensch-Maschine-Kooperation spielt zudem die Robotik, die einen fundamentalen Aufschwung erlebt. Laut eines aktuellen Berichts des Fachverbandes IFR (International Federation of Robotics) wurden im letzten Jahr rund 69.400 Industrieroboter an die Autoindustrie geliefert.12 Der deutsche Automobilhersteller BMW wirbt in einer Kampagne für die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschinen, da im BMW-Werk Spartanburg, South Carolina, erstmals eine direkte Mensch-Maschine-Kooperation in der Serienproduktion umgesetzt wurde.13
[7]
Von diesen zukunftsweisenden Technologien sind zunächst Tätigkeiten betroffen, die von routinierten, klaren Abläufen und Wiederholungen geprägt sind und manuelle Kompetenz benötigen, wie in den Bereichen Transport und Logistik. In Folge werden jedoch immer mehr Professionen davon erfasst werden, etwa Rechtsanwälte, Ärzte und Dolmetscher. Dies manifestiert sich für die genannten Professionen in der zunehmenden Automatisierung von Vertragsverhandlungen,14 im Einsatz von Operationsrobotern in Krankenhäusern15 und in dem von Microsoft entwickelten Echtzeitübersetzer für das Telefonie-Programm Skype.16 Damit verdichtet sich auch die Frage, ob es möglich ist, dass künstliche Intelligenz für die Medienwelt eigenständig Inhalte generieren und aufarbeiten und verbreiten können. Wenn ja, was bedeutet diese Entwicklung für die Rezipienten und worauf müssen wir uns einstellen?

3.

Medienproduktion und Automatenjournalismus ^

[8]
Die Medienlandschaft erlebt im Zuge des Computer Assisted Reporting17 einen Innovationsschub, der neue Formen der Berichterstattung und eine Teilautomatisierung des Journalismus mit sich bringt. Dabei steht insbesondere das gezielte Recherchieren und Verknüpfen von Daten im Vordergrund. Davor entwickelten sich im Rahmen des Datenjournalismus bereits neue Medien-Formen, wie beispielsweise das amerikanische Online-Medium ProPublica18, das zugleich auch den investigativen Journalismus stärken möchte.
[9]
In der Medienlandschaft zeichnet sich durch die wachsende Bedeutung von Software-Agenten in Verbindung mit der wachsenden Bedeutung der Robotik weitere Veränderungen ab, wie der Roboter- bzw. Automaten-Journalismus zeigt. Damit wird es in Teilbereichen möglich, bestimmte Berichterstattungen automatisch erstellen zu lassen19. Wir reden zunächst von einer Form der Texterstellung, in der Computer weitgehend autark und autonom Texte generieren. Das amerikanische Softwareunternehmen Narrative Science nutzt auf einer Plattform namens Quill20 künstliche Intelligenz um Daten zu analysieren, wobei die Software auch autonom entscheidet, was damit passiert. Sie generiert und strukturiert eigenständig und autonom Erzählungen und Storys.
[10]
Narrative Science agiert zunächst in bestimmten Nischenbereichen wie Sport, Finanzen und Immobilien. So werden im Finanzjournalismus Prognosen von Unternehmenszahlen zum Teil mittels automatischer Artikel dargestellt. Dasselbe gilt für Wetterberichte und Horoskope. In diesen Genres folgen Texte teilweise ähnlichen Mustern, weil Statistiken eine Rolle spielen. Maschinen können Regeln der Rechtschreibung mit Phrasendatenbanken verbinden und selbständig Rumpfartikel anlegen, die ihrerseits von Journalisten ausgebaut werden können. Der Datenjournalist Lorenz Matzat hat den Roboterjournalismus im Rahmen der Web 2.0 Konferenz re:publica am Beispiel des Sportjournalismus erläutert. Voraussetzung ist zunächst, dass Daten vorhanden sind. So könnten beispielsweise Daten von Sportlern, die mittels Waerables wie «smarter Fitnessbänder» gesammelt werden, in den Spielbericht einbezogen werden.21
[11]
Was es im Roboterjournalismus zu bewältigen gilt, sind Filterung und die Kombinatorik von Daten. Die Voraussetzung dafür ist, dass es mit Hilfe der Software gelingt, etwas Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, um damit Berichtenswertes zu identifizieren. Nach Matzats Prognose wird der Roboterjournalismus bis 2020 umfassend ausgebaut sein,22 das würde heißen, Texte können bis dahin in sämtlichen Bereichen punktgenau zugeschnitten werden.
[12]
Damit wird es möglich, Nachrichten zu individualisieren und Berichte aus Sensornetzwerken der unmittelbaren Umgebung mittels automatisierter Assistenz zu erstellen. Der Zeitungsabonnent der Zukunft wird dann einen Wirtschaftsteil zu lesen bekommen, der auf Nachrichten und Marktanalysen jener Unternehmen fokussiert ist, die diesen Leser unmittelbar betreffen, weil er bestimmte Aktien besitzt, oder weil einzelne Unternehmen sein unmittelbares Lebensumfeld berühren («Daily Me»).23
[13]
Maschinen werden in Zukunft effizienter und autonomer Routinearbeiten erledigen können, etwa Artikel kürzen, Pressemitteilungen zusammenfassen und kleine Berichte schreiben. Programme werden zunehmend besser Sprache auswerten und kurze Fakten-Checks übernehmen können und durch die Entwicklungen des semantischen Webs werden Bedeutungen immer besser verstanden werden können. Im Übrigen gibt es Erfolge bei Versuchen, automatisierte Bewegtbildbeiträge zu erstellen, das heißt, neben der Texterstellung können in Zukunft auch Videos autonom und eigenständig generiert werden.24 Durch Sprachsynthese können Audiostücke automatisiert mit Bewegtbild, Fotos und Grafiken zu Videos zusammengeschnitten werden. Im englischsprachigen Raum haben sich auch hier wieder Narrative Science25 sowie das Unternehmen Automated Insight26 auf die Entwicklung dieser Techniken spezialisiert. Drohnen erweitern die Möglichkeiten der Video- und Bildaufnahme und werden in naher Zukunft bereits für den Großteil der Bilder in den Medien eingesetzt werden und gleichzeitig Live-Berichte aus Katastrophen-Regionen ermöglichen, in die ein menschliches Vordringen bis dato nicht möglich war.27 Die Möglichkeiten der maschinellen Generierung von Inhalten gehen noch um einiges weiter. In weniger als zehn Jahren wird die Berichterstattung der Medien zu einem großen Anteil auf Daten zurück greifen, die selbst den Content für redaktionelle Berichte liefern. Computer werden diese eigenständig recherchieren, mit anderen Daten verknüpfen und somit Berichte autonom generieren. Die neue Zeitung denkt sich selbst und ist dazu in der Lage, weitgehend eigenständig zu recherchieren. Sie produziert sich zu einem Gutteil autonom, dem menschlichen Denken obliegt allerdings weiterhin die Deutung und Interpretation des Generierten.

4.

Technologische Singularität und Medienlandschaft ^

[14]
Was erwartet uns, wenn Maschinen mittels künstlicher Intelligenz autonom Inhalte schaffen? Wie kritikfähig sind Roboter? Und wie werden die Leser der Zukunft aussehen, die diese Produkte konsumieren? Michael Jürgs, Journalist, Autor und ehemaliger Chefredakteur des Stern, schreibt: «Doch immer noch wie ehedem und erst recht, wenn alle googeln, werden die Menschen berührt oder informiert, aufgeschreckt und aufgerüttelt nicht mit 140 Anschlägen, sondern mit Geschichten, von denen sie noch nie gehört oder noch nie aus einer bestimmten Perspektive gelesen haben. An dieser simplen Erkenntnis hat sich nichts geändert durch neue Formen des Journalismus, durch die Herrschaft der digital natives über die digital immigrants oder gar analogen Nostalgiker.»28
[15]
Perfekt sind die virtuellen Helfer nicht. Denn eines der zentralen Probleme ist der Umstand, dass Algorithmen keine Emotionen haben. Man kann mit ihnen weder lachen noch scherzen, sie haben keine Angst. Es fehlt ihnen, was im anglo-amerikanischen Raum als «Mindfulness» bezeichnet wird, eine Mischung aus Achtsamkeit und Bauchgefühl. Gerade emotionale Aspekte und das Gefühl von Vertrauen stellt eine entscheidende Größe im sozialen Kontext dar, etwas, das den Aktionsradius digitaler Assistenten im Journalismus der Zukunft deutlich einschränkt.
[16]
Software-Agenten stehen für Effizienz, weil sie schneller sind als Menschen, weil sie rascher agieren und Informationen schneller bündeln, als jede natürliche Person das könnte. Unbestritten liegen die Vorteile des Einsatzes von Software-Agenten auf der rationalen Seite. Sie garantieren eine Optimierung des Ressourceneinsatzes sowie Wettbewerbsvorteile gegenüber jenen, die auf entsprechende Technologien verzichten. Immer öfter werden Denkleistungen und kreative Prozesse subsituiert, wodurch heute auch die Tätigkeiten von Spezialisten ersetzt wird, wie etwa durch Software-Agenten an der Börse, die als Algotrader bezeichnet werden.
[17]
Die Probleme im Bereich des Hochfrequenzhandels geben eine Ahnung davon, welche Auswirkungen das auf Finanzmärkte haben wird. Hochfrequenzhändler, Banker, Informatiker und Physiker programmieren Rechner mit Handlungsanweisungen und sind im Stande, mittels Algorithmen automatisch in Bruchteilen von Sekunden Massenaufträge an die Börsen zu senden und zwar schneller als Menschen das können. In den USA gerieten die Blitztrader durch einen Roman von Michal Lewis in den Blick der Öffentlichkeit: «Flash Boys: Revolte an der Wall Street»29. Der Roman zeigt, wie die Märkte manipuliert werden. Was für die Börse gilt, gilt auch für die Medienlandschaft. Massenabläufe werden automatisiert, spezialisierte Professionen substituiert, das heißt, jene profitieren, die über die technischen Infrastrukturen und die richtigen Programme verfügen.
[18]

Was passiert, wenn der Roboterjournalismus sich weiter entwickelt? Eines Tages werden Algorithmen unsere Schwächen kompensieren, wie eine Brille das bei Sehschwäche macht. Wer liest wann, was? Wer schaut wann welches Video an? Warum? Was ist das überhaupt für eine Person, die das tut? Software-Agenten können zu Mitarbeitern werden, die recherchieren, entdecken, empfehlen, schaffen und kreieren. Im Bereich der Software-Agenten werden zudem wissenschaftliche Debatten einer schon lange diskutierten Personalisierung von Software zunehmend sichtbar.30 Künstliche Intelligenzen werden in manchen Bereichen menschlichen Entscheidungsträgern gewissermaßen gleichgestellt, so wurde etwa 2014 ein Algorithmus zum Mitglied in einen Vorstand eines Investmentunternehmens in Hongkong gewählt.31 Wenngleich man dies als Marketing-Maßnahme einstufen könnte, so ist darin zugleich eine wegweisende Dimension zu sehen, da die zunehmende Einbindung von Algorithmen und deren Personalisierung zum Ausdruck kommt und damit Schritt für Schritt zur Realität wird.

5.

Digitale Bedürfnispyramide ^

[19]
Um diese Thematik einzuschätzen, haben wir das Modell einer digitalen Bedürfnispyramide entwickelt. Es lehnt sich an die Theorie des US-amerikanischen Psychologen Abraham Harold Maslow32 an und soll eine Möglichkeit dafür bieten, die Idee der Technologischen Singularität mit den gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich der Computertechnologie zu vereinen. Schon Maslow hat erkannt, dass sein Modell nicht auf der konventionellen Art der Forschung beruhen kann, da es sich als schwierig erweist, entsprechendes Datenmaterial zu generieren. Wir sehen die Pyramide daher als Inhaltsmodell der Motivation und nutzen sie in dem aufgegriffenen Kontext als utopischen Entwurf, um eine Einordnung in das Mediensystem zu erlangen.
[20]
Als Grundbedürfnis, also als Elementarbedürfnis kann in der computerisierten Gesellschaft die Verfügbarkeit der Systeme bezeichnet werden. Auf der nächsten Ebene lagern wir die technologische Vernetzung und Verfügbarkeit wie Nutzung von Informationen an. Diese erfordern eine gewisse Sicherheit, die wir als notwendig erachten. Auf der nächsten Stufe kann schließlich der Erkenntnisgewinn angesiedelt werden, d.h. es gibt die Möglichkeit Recherchen durchzuführen und schließlich auch Schlussfolgerungen zu ziehen. Wenn all diese Bedürfnisse erfüllt sind, wird von Vertretern des Transhumanismus und des Posthumanismus das Bedürfnis gesehen, die human-machinery Intelligence zu vollziehen. Sie ist nach dem ersten von uns vorgelegten Modell damit die letzte Stufe der digitalen Bedürfnispyramide und umschreibt die Verbindung zwischen Mensch und Maschine. In späteren Jahren wurde das Modell von Maslow noch um eine Facette erweitert, die insbesondere die Transzendenz einbezog. Auch dieser Aspekt lässt sich in dem hier vorgelegten Modell einbinden. Man kann die Idee der Technologischen Singularität unter diesen Aspekt subsumieren.
[21]

Kehren wir zu der Frage zurück, was die Technologische Singularität für die Medienlandschaft bedeutet, so finden wir im utopischen Entwurf jenes Szenario vor, wonach sich Medienprodukte selbst generieren. Zugleich werden zu dieser Zeit die Leser dann aber Rezipienten sein, die selbst schon über das Menschsein hinausgewachsen sein werden, also keine Menschen im eigentlichen Sinn mehr sind.33 Durch die Verschmelzung von Mensch und Maschine wird die Verschmelzung von Gehirn mit Computern vollzogen, die Mensch-Maschine-Kooperation zu einem geschlossenen System. Die Narrative Erzählung einer datenbasierten Gesellschaft bedeutet damit, dass Daten die in Echzeit passieren, umgehend verwertet, analysiert und zugleich neu erzählt werden. Ein Problem, das dabei auftritt, wenn man die Bedürfnispyramide als hierarchische Entwicklung von Bedürfnissen betrachtet, ist die Frage der Selbstverwirklichung des Menschen durch Technik.

[22]
Ist die Intelligenzexplosion durch sich selbst verbessernde Systeme das, was den Menschen ausmacht? Man kann unter diesem Aspekt die Aufgabe von Medien auch darin sehen, einen Ausgleich im politischen Gefüge der Macht zu spielen. Technologische Singularität in der Medienlandschaft ist damit gleichzusetzen mit Macht durch selbst steuernde Systeme. Hier sind Fragen ethisch handelnder Maschinen zu berücksichtigen. Und vor allem die Frage der Programmierung von Codes. Wird am Ende die maschinelle Intelligenz ausreichen, um die Deutung von Geschehnissen vorzunehmen? Die Leistung des Journalismus von heute liegt in der Sichtung, Bewertung und Aufarbeitung von Fakten und Daten. Will man also die Bedeutung enthüllter Informationen verstehen, muss man, wie der US-amerikanische Medienwissenschaflter Neil Postman bemerkte, Geschwindigkeit, Herkunft, Menge und Kontext von Informationen in Betracht ziehen.34
[23]
Das von uns prognostizierte System kann daher auf die menschliche Interaktion nicht vollkommen verzichten. Die Weitergabe von Informationen und Geheimnissen kann nicht rein durch Algorithmen erfolgen, da Faktoren wie Vertrauen, Authentizität und Interesse der Quelle nicht ausreichend beurteilt werden könnten. Eine reine Berichterstattung, der überwiegend öffentlich zugängliche Daten zugrundeliegen, würde vermutlich zu einer Entmachtung der medialen Gewalt führen. Diese Thematik wird darüber hinaus auch als wirtschaftliches Problem der Medien wahrgenommen, da Nutzer zunehmend gewohnt sind, Inhalte kostenlos zu beziehen. Automatisch generierte Inhalte werden daher Redaktionskosten der Medienunternehmen senken, qualitative Berichterstattung wird vor allem in Zukunft aber nur gegen angemessene Bezahlung erhältlich sein. Es sind nämlich die verborgenen Daten und Fakten, welche die Basis investigativer Berichterstattung bilden.
[24]
Damit kann man resümieren, dass das Filtern und die Interpretation von öffentlich zugänglichen und individuellen Daten zum zentralen Herrschaftskalkül werden. Die Deutungshoheit der daraus ersichtlich werdenden Zusammenhänge wird in naher Zukunft weiterhin beim Menschen liegen. George Orwell wird das Zitat zugeschrieben: «News is something someone doesn´t want printed. Everything else is advertising». Die Deutungskompetenz der Presse bleibt daher weiterhin der Maßstab für Demokratie. Aus diesem Grund erscheint die Frage unumgänglich, ob die digitale Bedürfnispyramide um einen entscheidenden Faktor der menschlichen Individualität und der Sicherung des menschlichen Denkens und der Freiheit in der Mensch-Maschine Kooperation bereichert werden muss.

Stufe 1: Verfügbarkeit (Netzzugang, Infrastruktur, mobile Geräte)

 

Stufe 2: Vernetzung (Interkation, Information, Soziale Gefüge)

 

Stufe 3: Cybersicherheit (Schutz vor Cybercrime, Schutz der Privatsphäre, Anonymität)

 

Stufe 4: Erkenntnisgewinn (Datenanalyse, Schlussfolgerungen und Bildung)

 

Stufe 5: Human-Machinery Intelligence (Verbindung von Mensch und Maschine, Cyborgs, Roboterarbeit)

6.

Literatur ^

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Brinzaik, Roman/Hülswitt, Tobias, Werden wir ewig leben? – Gespräche über die Zukunft von Mensch und Technologie, Suhrkamp, Berlin (2010).

Büttner, Ricardo, Automatisierte Verhandlungen in Multi-Agenten-Systemen, Berlin (2011).

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Gray, Chris Hables, Cyborg Citizen. Politik in posthumanen Gesellschaften, Wien (2001).

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Maslow, Abraham H., Motivation und Persönlichkeit, Olten 1987.

Postman, Neil, Wir amüsieren uns zu Tode, Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, 18. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main (2008).

Schwarz, Georg, Die rechtsgeschäftliche «Vertretung» durch Softwareagenten: Zurechnung und Haftung, in Schweighofer/Menzel/Kreuzbauer (Hrsg.), Auf dem Weg zur e-Person: aktuelle Fragestellungen der Rechtsinformatik, Nr. 3 der Reihe Schriftenreihe Rechtsinformatik, Wien (2001), S. 65–72.

Schweighofer, Erich, Vorüberlegungen zu künstlichen Personen: autonome Roboter und intelligente Softwareagenten, in Schweighofer/Menzel/Kreuzbauer (Hrsg.), Auf dem Weg zur e-Person: aktuelle Fragestellungen der Rechtsinformatik, Nr. 3 der Reihe Schriftenreihe Rechtsinformatik, Verlag Österreich, Wien (2001), S. 45–53.

Soder, Eric, Mikrochips versus Gehirn – ein Blick in die Zukunft, MUSfalter August/September/Oktober 2011, S. 14–15.

Staudegger, Elisabeth, Rechtsfragen beim Erwerb von IT-Systemen, in Jahnel/Mandel/Staudegger (Hrsg.), IT-Recht, 3. Auflage, Wien (2012), S. 135–197.

Vetter, Michael, Ein Multiagentensystem zur Verhandlungsautomatisierung in elektronischen Märkten, Stuttgart (2006).

Weber, Karsten, Wer bestimmt über die technische Selbstmodifikation des Menschen? in Fürst/Gombocz/Hiebaum (Hrsg), Gehirne und Personen, Heusenstamm 2009, S. 367–378.

Zittrain, Jonathan, Ubiquitous Human Computing, Oxford Legal Studies Research Paper No. 32/2008.


 

Elisabeth Hödl, Chief Scientific Officer, Watchdogs – The Data Company, Auersperggasse 12, A-8010 Graz, www.watchdogs.at; elisabeth.hoedl@watchdogs.at

 

Martin Zechner, Executive Officer, Watchdogs – The Data Company, Auersperggasse 12, A-8010 Graz, www.watchdogs.at; martin.zechner@watchdogs.at

  1. 1 Vgl. Brinzaik/Hülswitt, Werden wir ewig leben? – Gespräche über die Zukunft von Mensch und Technologie, Suhrkamp, Berlin (2010), S. 5; Eden/Moor/Søraker/Steinhart (Hrsg.), Singularity Hypotheses: A Scientific and Philosophical Assessment, Heidelberg/New York/Dordrecht/London (2012), S. 1.
  2. 2 http://www.nickbostrom.com/superintelligence.html (21. Januar 2015).
  3. 3 Zu den unterschiedlichen Zugängen zum Begriff, vgl. https://www.singularityweblog.com/17-definitions-of-the-technological-singularity/ (20. Januar 2015).
  4. 4 Bereits im Jahr 1960 skizzierten Clynes/Kline in einem Aufsatz mit dem Titel «Cyborg and Space» für die NASA die technologische Aufrüstung des menschlichen Körpers für die Lebensbedingungen im Weltall und prägten damit den Begriff «Cyborg». Clynes/Kline, Cyborgs and Space. Astronautics, 1960, S. 26–27; S. 74–76.
  5. 5 Soder, Mikrochips versus Gehirn – ein Blick in die Zukunft, MUSfalter August/September/Oktober 2011, S. 14–15.
  6. 6 Ebenda, S. 14.
  7. 7 www-rohan.sdsu.edu/faculty/vinge/misc/singularity.html (2. Januar 2015).
  8. 8 www.rayandterry.com (2. Januar 2015).
  9. 9 Intelligente Agenten kommen als Unterhändler bei der Abwicklung von Geschäften zum Einsatz, heißen Selling Agents, wenn sie als Händler agieren oder Shopping Agents, wenn sie Käufer sind. Vgl. Vetter, Ein Multiagentensystem zur Verhandlungsautomatisierung in elektronischen Märkten, Stuttgart 2006; vgl. Büttner, Automatisierte Verhandlungen in Multi-Agenten-Systemen, Berlin 2011.
  10. 10 http://en.wikipedia.org/wiki/Amazon_Mechanical_Turk (2. Januar 2015).
  11. 11 Zittrain, Ubiquitous Human Computing, Oxford Legal Studies Research Paper No. 32/2008.
  12. 12 http://www.worldrobotics.org/index.php?id=100; Der Bericht «World Robotics» wird jedes Jahr von der Statistikabteilung des Internationalen Verbandes der Robotik IFR in Zusammenarbeit mit dem deutschen Fachverband VDMA Robotics + Automation veröffentlicht und stellt eine statistische Analyse des internationalen Robotermarktes dar. http://www.roboterwelt.de/studie-world-robotics-2014/ (20. Januar 2015).
  13. 13 control-e.de/blog/tag/universal-robots/ (2. Januar 2015).
  14. 14 Vetter, Ein Multiagentensystem zur Verhandlungsautomatisierung in elektronischen Märkten, Stuttgart (2006).
  15. 15 Vgl. Andrew McAffe, in Der SPIEGEL 35/2014, S. 69.
  16. 16 Pletter, Ist er besser als wir?, in Die Zeit, 10. Juli 2014, Nr. 29., S. 20 bzw. http://www.zeit.de/2014/29/computer-roboter-konkurrenz/seite-3 (19. Januar 2015).
  17. 17 http://towcenter.org/a-brief-history-of-computer-assisted-reporting/ (21. Januar 2015).
  18. 18 http://www.propublica.org/.
  19. 19 Vgl. Hödl/Zechner, Roboterjournalismus: Wenn Computer Texte schreiben www.watchdogs.at/science/roboterjournalismus-wenn-maschinen-texte-schreiben/ (2. Januar 2015).
  20. 20 www.narrativescience.com/quill (31. Oktober 2014).
  21. 21 www.huffingtonpost.de/lorenz-matzat/was-ist-eigentlich-roboterjournalismus_b_5675207.html (2. Januar 2015).
  22. 22 http://14.re-publica.de/en/file/republica-2014-lorenz-matzat-roboterjournalismus-wenn-algorithmen-nachrichten-machen (2. Januar 2015).
  23. 23 Vgl. Hödl/Zechner, Roboterjournalismus: Wenn Computer Texte schreiben www.watchdogs.at/science/roboterjournalismus-wenn-maschinen-texte-schreiben/ (2. Januar 2015).
  24. 24 http://www.message-online.com/message-podium/message-podium-3-2014/was-ist-eigentlich-roboterjournalismus/; https://www.youtube.com/watch?v=HEP2Okic_WQ (19. Januar 2015).
  25. 25 http://www.narrativescience.com/.
  26. 26 http://automatedinsights.com/.
  27. 27 Hödl/Rohrer, Wann thronen die Drohne über uns? http://www.watchdogs.at/science/wann-trohnen-die-drohnen-ueber-uns/ (21. Januar 2015).
  28. 28 Jürgs, Vorletzte Worte, Süddeutsche vom 31. Oktober 2014, S. 12.
  29. 29 Lewis, Flash Boys: Revolte an der Wall Street, Norton & Company, New York (2014).
  30. 30 Vorausschauend Schweighofer, Vorüberlegungen zu künstlichen Personen: autonome Roboter und intelligente Softwareagenten, in Schweighofer/Menzel/Kreuzbauer (Hrsg.), Auf dem Weg zur e-Person: aktuelle Fragestellungen der Rechtsinformatik, Nr. 3 der Reihe Schriftenreihe Rechtsinformatik, Wien 2001, S. 45–53; zu den rechtlichen Fragestellungen vgl. Schwarz, Die rechtsgeschäftliche «Vertretung» durch Softwareagenten: Zurechnung und Haftung, in Schweighofer/Menzel/Kreuzbauer (Hrsg.), Auf dem Weg zur e-Person: aktuelle Fragestellungen der Rechtsinformatik, Nr. 3 der Reihe Schriftenreihe Rechtsinformatik, Wien 2001, S. 65–72; Staudegger, Rechtsfragen beim Erwerb von IT-Systemen, in Jahnel/Mandel/Staudegger, IT-Recht, 3. Auflage, Wien (2012), S. 195; Hödl, Software-Agenten: juristische Praxis und rechtliche Einordnung, in: Jusletter IT 11. Dezember 2013.
  31. 31 www.golem.de/news/kuenstliche-intelligenz-unternehmen-waehlt-computer-in-den-vorstand-1405-106507.html (2. Januar 2015).
  32. 32 Vgl. Maslow, Motivation und Persönlichkeit, Olten 1987. Einen umfassenden Überblick zu Maslows Werk mit weiteren Quellen: http://www.social-psychology.de/do/PT_maslow.pdf (20. Januar 2015).
  33. 33 Hier ist auf die umfassende Debatte zum Transhumanismus zu verweisen, die Frage, ab wann Enhancenmet, also die technische Verbesserung des Menschen beginnt, wo die Grenze von Medizin und Gesundheit liegen und wo das Menschsein endet und der Posthumanismus beginnt. Z.B. vgl. Weber, Wer bestimmt über die technische Selbstmodifikation des Menschen? in Fürst/Gombocz/Hiebaum (Hrsg.), Gehirne und Personen, Heusenstamm 2009, S. 367–378 m.w.N.; Gray, Cyborg Citizen. Politik in posthumanen Gesellschaften, Wien 2001.
  34. 34 Postman, Wir amüsieren uns zu Tode, Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie18, Frankfurt am Main 2008, S. 11–26.