1.
Einleitung ^
2.
Erweiterung des juristischen Wissenskorpus ^
Das Grundelement des juristischen Wissenskorpus ist und bleibt das Dokument; wenn auch nicht mehr das reine Textdokument, sondern zunehmend auch Multimedia-Dokumente (Bilder, Videos etc.).1 Sehr häufig werden Dokumente in Dokumentklassen zusammengefasst; insbesondere nach Autoren, Zeiträumen, Veröffentlichungsformen bzw. Inhalten. Eine besondere Einheit bilden oft Autoren und deren Dokumente. Auch hier kommt es zu Differenzierung nach Zeiträumen bzw. Inhalten.
Blogs:5 Als neue Publikationsform ist insbesondere der Blog anzuführen. Er zeichnet sich durch Schnelligkeit mit Verzicht auf einen umfassenden Fußnotenapparat aus. Er entspricht damit am ehesten der Glosse. Weiters können sich auch Dritte sich zu diesem Thema äußern und Kommentare abgeben. Blogs zielen auf den Einstieg in die Diskussion, also wenn noch keinerlei juristische Bewertung zu einem Thema vorhanden ist. Merkmale sind Schnelligkeit, Stellungnahme und Dialog statt umfassender Themenbehandlung. Sowohl die Qualität des Autors als auch das Diskussionsform müssen den Anforderungen entsprechen. Als gutes Beispiel sei auf den Blog des Richters am österreichischen Verwaltungsgerichtshof Peter Lehofer verwiesen.6 Verlage beginnen nunmehr, diese sehr rasche Kommunikationsform, insbes. für neuere Judikatur, zu nutzen.7
3.
Metadaten ^
4.
Autorität des Autors ^
Wie Fritjof Haft richtig bemerkt hat, hängt jede juristische Aussage davon ab, wer diese gemacht hat.12 Die Autorität des Autors sowie der Kontext sind entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Quelle. Bei Parlamenten, Regierungen und Gerichtshöfen und ihren hochentwickelten Publikationsschienen ist dies offensichtlich und relativ einfach festzustellen. Bei Rechtsgelehrten und Praktikern ist dies eine schwierige Bewertungsfrage. Der Ruf des Autors unterliegt dem Wandel der Zeit; er muss aufgebaut werden und geht durch wenige oder keine Publikationen verloren. Nur wenige ausgewählte Autoren werden historisch und bleiben auch über ihren Tod hinaus relevant.
Die neuen Medien ermöglichen einen intensiven Nutzerfeedback. Unter Beachtung des Datenschutzes können diese Daten für eine semi-automatische Bewertung der Relevanz des Autors bzw. dessen Dokumente verwendet werden. Die Kriterien hierfür sind: Anzahl der Aufrufe, Downloads, Ausdrucke, Verweildauer auf der Website, Lesedauer des jeweiligen Dokuments etc. Diese Daten können in einen Feedback-Faktor akkumuliert und sodann durch einen Experten bewertet werden.
5.
Zeitlicher Kontext ^
6.
Vernetzungsstruktur ^
Die Erfassung dieser Verweise kann weitgehend mit Listen bzw. sprachlinguistischen Methoden (semi)-automatisiert erfolgen;16 offen bleibt dabei sowohl die Typisierung der Verweise als auch das Ranking. Es gibt eine sehr vielschichtige Praxis der Zitierformate; neuerdings gewinnt die standardisierte Form des ECLI Bedeutung.17
Die derzeit häufigste Typisierung der Verweise sind Aktiv- und Passivzitate. Eine genauere Klassierung ergibt folgende Typen: Vorarbeiten, Änderung/Aufhebung (aktiv oder passiv), Nacharbeiten, zitierende Judikatur bzw. Literatur; Verweise je nach Teil des Dokuments (Rechtsgrundlage, operativer Teil des Urteils, Begründung, etc.). Eine Besonderheit sind Begriffsverweisungen, vor allem innerhalb eines Dokumentes (z.B. Sonderausgaben im Sinne des § 18 Einkommensteuergesetzes). Verweistechniken können aber auch ein Dokument nahezu unlesbar machen.
Wichtig ist es sich vor Augen zu halten, dass Verweise nur ein Einstieg, eine Erleichterung der juristischen Analyse sein können. «Citation analysis is not a substitute or shortcut for critical thinking; it is, instead, a point of departure for those willing to explore the avenues to thorough evaluation.»19
Neben der Darstellung der Stellung des Dokuments im Dokumentennetzwerk der Rechtsordnung – ein wesentlicher Erkenntnisgewinn – sind Verweise ein wichtiges Instrument des Ranking.20 Ausgangspunkt des Rankings ist eine Formalisierung der Verweise, mit typisierten Dokumentbezeichnungen und, wenn möglich, Berücksichtigung der jeweiligen Dokumentelemente. Dieses Datenmaterial kann durch Nutzerfeedback noch ergänzt werden. Sodann ist vornehmlich eine statistische und analytische Auswertung angesagt: Anzahl der Verweise insgesamt, Anzahl der jeweiligen Typen der Verweise, Zeitschiene der Verweise etc. Die Rechtsinformatik ergänzt diese Analyse durch die Einbeziehung von rechtswissenschaftlichen Relevanzkriterien: Autorität des jeweiligen verweisenden Autors im zeitlichen Kontext, Wichtigkeit der Verweisung im Kontext des jeweiligen Dokuments etc.
Bei den neuen Medien ist die Stellung im Dokumentennetzwerk entscheidend. Ohne Passivzitate eines Blogs (sei es auch nur in der Form des «Like») oder Verweise auf die Homepage ist die Quelle – falls keine besondere Autorität hinzukommt – nahezu unsichtbar und wird kaum Relevanz entfalten können.
7.
Ranking ^
Bei Rankingverfahren werden die Suchergebnisse absteigend nach ihrer mutmaßlichen Relevanz ausgegeben.21 Ranking ist ein Kern des Information Retrieval22 und ist keine Spezialität der Suchmaschinen im Web. Aber erst mit der steigenden Bedeutung von Websuchmaschinen und der wachsenden Größe des Webs wurde ein Ranking der potenziell relevanten Treffer unverzichtbar.23 Den Durchbruch von textstatistischen Verfahren zum intelligentem Ranking stellt der Erfolg des PageRank-Algorithmus bei Google Ende der 1990er-Jahre dar.24 Damit konnte dem Wunsch der Nutzer nach einfachen, aber effizienten Suchwerkzeugen entsprochen werden, was ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil war und ist.
8.
Schlussfolgerungen ^
- 1 Vgl. Schweighofer, Erich, Rechtsinformatik und Wissensrepräsentation. Springer, Wien (1999); Schweighofer, Erich, Rechtsdatalystik – Versuch einer Teiltheorie der Rechtsinformatik. In: Erich Schweighofer, Franz Kummer, Walter Hötzendorfer (Hrsg.), Kooperation: Tagungsband des 18. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2015. books@ocg.at, Wien 2015, 61–72 (2015).
- 2 Website RIS Rechtsinformationssystem des Bundes, https://www.ris.bka.gv.at.
- 3 Website EUR-Lex, http://eur-lex.europa.eu/oj/direct-access.html.
- 4 Der KODEX des österreichischen Rechts wird von Werner Doralt herausgegeben und von den Verlagen LexisNexis und Linde publiziert. Infos: http://www.lexisnexis.at/unsere-loesungen/rechtsanwaelte-und-notare/rechercheloesungen/nach-buechern-zeitschriften-und-online-medien-suchen/kodex.aspx (zuletzt abgerufen: 3. Februar 2016).
- 5 Wikipedia DE, Blog https://de.wikipedia.org/wiki/Blog. Für juristische Blogs hat sich die Bezeichnung «Blawg» etabliert: http://www.jurawiki.de/Blawg (zuletzt abgefragt 3. Februar 2015).
- 6 e-comm, Blog zum österreichischen und europäischen Recht der elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste: http://blog.lehofer.at/ (zuletzt aufgerufen: 24. Januar 2016).
- 7 Ein gutes Beispiel ist der Verlag Editions Weblaw in Bern (http://www.weblaw.ch/competence/editions_weblaw.html). Blogs werden in das Autorennetzwerk integriert und liefern Content, Weblaw überprüft Quelle und Qualität und nimmt diese dann in den dRSK – Der digitale Rechtsprechungs-Kommentar – auf. Auf Wunsch gibt es einen Push-Service zu neuesten Entscheidungen. Als multimediale Ergänzung sind Videos und Audios (Podcasts) zu Bundesgerichtsurteilen aus dem Haftpflicht-, Sozialversicherungs- und Zivilprozessrecht verfügbar. Das Wissensnetzwerk von WoltersKluwer JURION geht in eine ähnliche Richtung (https://www.jurion.de/).
- 8 Vgl. dazu Schilling, Peter, Nutzen und Zulässigkeit kommerzieller und eigener Social Media durch öffentliche Einrichtungen. In diesem IRIS-Tagungsband (2016).
- 9 Als Beispiel sei das Oberste Gericht in Brasilien (Supremo Tribunal Federal) angeführt: https://www.facebook.com/SupremoTribunalFederal.STF/ (zuletzt abgefragt: 3. Februar 2016). Dieses hat aber auch schon entsprechende Leitlinien ausgearbeitet.
- 10 Im Europarecht gibt es Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung seit der Binnemarktinitiative in den 1980er Jahren; ansonsten sind dies eher Erläuterungen oder Wegweiser. Nunmehr sind die Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung in EUR-Lex integriert: http://eur-lex.europa.eu/browse/summaries.html (zuletzt abgefragt: 3. Februar 2016).
- 11 Alexy, Robert, Rights, Legal Reasoning and Rational Discourse. In: Ratio Juris 5, S. 143–152 (1992).
- 12 Haft, Fritjof, Juristische Schreibschule, Anleitung zum strukturierten Schreiben. Edition Normfall, Frankfurt, S. 225 ff. (2009). Der Text «Das Zitieren von Autoritäten» erschien erstmal 1994.
- 13 Vgl. Schweighofer (1999), FN 1; Scharf, Johannes, Künstliche Intelligenz und Recht, Von der Wissensrepräsentation zur automatisierten Entscheidungsfindung. OCG Verlag, Wien (2015).
- 14 Berger, Albrecht, Die Erschließung von Verweisungen bei der Gesetzesdokumentation. Verlag Dokumentation, München-Pullach (1971); Jahnel, Dietmar, Rechtsdatenbanken. In: Dietmar Jahnel, Peter Mader (Hrsg.), Rechtsdatenbanken – Internet. 2. Auflage. Österreichische Verlagsgesellschaft, Wien, S. 7–74 (2000).
- 15 Geist, Anton, The Open Revolution: Using Citation Analysis to Improve Legal Text Retrieval. In: Meritxell Fernandez-Barrera, Norberto Nuno Gomes de Andrade, Primavera de Filippi, Mario Viola de Azevedo Cunha, Giovanni Sartor, Pompeu Casanovas (Hrsg.), Law and technology: Looking into the future: selected essays. Florence, Italy: European Press Academic Publishing, S. 157–165 (2009). Vgl. auch Schweighofer (1999), FN 1.
- 16 Vgl. Schweighofer (1999), FN 1.
- 17 van Opijnen, Marc, European Case Law Identifier: Indispensable Asset for Legal Information Retrieval. In: Maria Angela Biasiotti and Sebastiano Faro (eds.), From Information to Knowledge – Online access to legal information: methodologies, trends and perspectives IOS Press, December (2011); Wikipedia DE, European Case Law Identifier, https://de.wikipedia.org/wiki/European_Case_Law_Identifier (zuletzt abgefragt 3. Februar 2016).
- 18 Tapper, Colin, An Experiment in Use of Citation Vectors in the Area of Legal Data, Complex 9, Universitetsforlaget (1982).
- 19 Garfield, Eugene, Uses and Misuses of Citation Frequency. In: Eugene Garfield (Hrsg.), Ghostwriting and other essays. Philadelphia: ISI-Press, S. 403–409 (408) (1986).
- 20 Geist (2009), FN 15.
- 21 Vgl. dazu die mit sehr umfassenden Verweisen versehene Arbeit von Geist, Anton, Rechtsdatenbanken und Relevanzsortierung, Dissertation, Universität Wien, in Fertigstellung (2016). Diese war für die Erstellung dieses Kapitels sehr wertvoll. Geist gilt auch der Dank, für die Zusammenstellung der vielen Zitate, die diese Fragestellung so treffend zusammenfassen. Vgl. auch Schweighofer (1999), FN 1, S. 66; Lewandowski, Dirk, Web Information Retrieval: Technologien zur Informationssuche im Internet. Frankfurt am Main, DGI (2005).
- 22 Salton, Gerard, McGill, Michael J., Information Retrieval – Grundlegendes für Informationswissenschaftler. McGraw-Hill, Hamburg (1987).
- 23 Lewandowski (2006), FN 21, S. 73.
- 24 Lewandowski, Dirk, Suchmaschinen verstehen. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, S. 104 (2015).
- 25 Dieser Trend wurde von Lossau bereits 2004 festgestellt. Lossau, Norbert, Suchmaschinentechnologie und Digitale Bibliotheken – Bibliotheken müssen das wissenschaftliche Internet erschließen. In: ZfBB – Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 51, Nr. 5–6, S. 284–295 (288) (2004).
- 26 Vgl. zum Wettbewerb zwischen Fachinformation und Web Kraft, Matthias: Metasuche. In: Erich Schweighofer, Franz Kummer (Hrsg.), Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts: Tagungsband des 14. Internationalen Rechtsinformatik-Symposions IRIS 2011. books@ocg, Wien 2011, 503–508 (505) (2011).
- 27 Vgl. Schweighofer (1999), FN 1.
- 28 Bauer, Ingmar, Moderne Ranking-Verfahren im WWW: Grundlagen, Konzepte und Algorithmen. Saarbrücken, VDM Verlag Dr. Müller (2007).
- 29 Gaus, Wilhelm, Dokumentations- und Ordnungslehre: Theorie und Praxis des Information Retrieval. 5. Auflage, Berlin, Springer, S. 218 (2005).
- 30 Z.B. bei der Lawsearch Enterprise der Weblaw AG: Stichworte, relevante juristische Verweise aus Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung.
- 31 Dies war in einer älteren Version von juris der Fall.
- 32 Luhn, Hans Peter, The Automatic Creation of Literature Abstracts. In: IBM Journal of Research and Development 2, Nr. 2, S. 159–165 (1958).
- 33 Spark Jones, Karen, Albers, Christoph, Eine statistische Interpretation von Begriffsspezifizität und ihre Anwendung für das Retrieval. Saarbrücken, Fachrichtung Informationswissenschaft, Universität des Saarlandes, S. 14 (1987).
- 34 Schweighofer, Erich, Hanneder, Gottfried, Rauber, Andreas, Dittenbach, Michael, Improvement of Vector Representations of Legal Documents with Legal Ontologies. In: 5th International Conference on Business Information Systems, Poznan, April 2002 (Proceedings on CD-ROM) (2002).
- 35 Schweighofer, Erich, Geist, Anton, Legal Query Expansion using Ontologies and Relevance Feedback. In: Casanovas, Pompeu; Biasiotti, Maria Angela; Francesconi, Enrico; Sagri, Maria-Teresa (Hrsg.), Proceedings of the 2nd Workshop on Legal Ontologies and Artificial Intelligence Techniques (LOAIT). CEUR-WS.org, S. 149–160 (2007).