1.
Einleitung ^
«All human systems of communication contain a representation of negation. No animal communication system includes negative utterances, and consequently none possesses a means for assigning truth value, for lying, for irony, or for coping with false or contradictory statements» (cf. Altmann 1967: 353–355). «… If we are by definition the animals that talk, we are ipso facto the animals that deny …» (Laurence R. Horn, A natural history of negation, Introduction xiii).
2.
Verneinende Rechtsnormen ^
Fragwürdig ist die «Vorspiegelung falscher Tatsachen», die etwa in § 263 (deutsches) StGB und § 48a (österreichisches) Börsegesetz 1989 vorkommt. Diese Redewendung ist unklar. Was passiert, wenn man falsche Tatsachen vorspiegelt, kehren sie sich dann um und entsteht ein wahrer Sachverhalt?
2.1.
Visualisierung durch Zeichen und Schilder ^
2.2.
Runde und eckige PKW-Darstellung ^
3.
Juristen als «negaholics» ^
3.1.
Ausgeschlossene Mitte? ^
4.
Negationsträger ^
Für Verneinungen steht eine Vielzahl von Negationsträgern zur Verfügung: Das Satzäquivalent «nein», Partikel (nicht), Artikel (kein), Pronomen (keiner, niemand, nichts7), Adverbien (nie und niemals, nirgends und nirgendwo), Verben mit negativer Aussage (untersagen, verbieten, warnen), Konjunktionen (weder – noch), Präfixe (un-, miss-, a-, anti-, des-, dis-, in-, im-), Suffixe (-los, -frei) und Konjunktoren (ohne zu, anstatt).
4.1.
Nein ^
4.2.
Präfix «un-» ^
4.2.1.
Präfix «un-» als Verneinung ^
4.2.2.
Präfix «un-» als Augmentationssuffix ^
4.2.3.
Sonderformen ^
4.3.
Modalpartikel ^
4.4.
Negationsträger ohne Negationsbedeutung ^
4.5.
Negative Polaritätselemente ^
5.
Doppelte Verneinung ^
5.1.
Sprachgeschichtliches ^
5.2.
Duplex negatio affirmat und Litotes ^
5.3.
Negativer Concord ^
Wie erwähnt kann eine doppelte Verneinung auch eine Bekräftigung der Negation bedeuten, in der Linguistik negativer Concord genannt. Laut der englischen Version von Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/Double_negative) ist unter anderem im modernen Griechisch, in slawischen und baltischen Sprachen, im Ungarischen und im Türkischen der negative Concord grammatisch korrekt und Standard. Entsprechende muttersprachliche Prägungen sind bei der Vernehmung fremdsprachiger Personen zu berücksichtigen.
Im Deutschen hat sich der negative Concord teilweise in Dialekten erhalten, wird aber immer mehr zurückgedrängt. Gebräuchlich ist er vor allem im Bairischen: «nia ned» für niemals, «das macht koa Mensch ned», «mir werd’n koan Richter ned brauchen». Ein ähnlicher Unterschied zwischen Regelsprache und Umgangssprache oder Dialekten besteht im Englischen. Eine der (weltweit) populärsten Phrasen mit negativem Concord ist wohl «I can’t get no satisfaction» von Mick Jagger/Keith Richards. Als koloniales Erbe kommt im Englischen aber hinzu, dass negativer Concord im African American Vernacular English gebräuchlich ist. Bob Marley sang «I shot the sheriff, but I did not shoot no deputy», der Brite Eric Clapton ersetzte das «no» durch den Artikel und sang im Standardenglisch «…but I did not shoot the deputy»
5.4.
Mehrfache Verneinung ^
Es geht noch besser. In § 118 BGB über die Scherzerklärung sind fünf Negationsträger enthalten: nicht, Mangel, nicht verkannt, nichtig: «Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel an der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig.»
6.
Literatur ^
Cus, Das sonderbare Lexikon der deutschen Sprache, Eichborn AG, Frankfurt am Main, 2009.
Horn, Laurence R., A natural history of negation, CSLI Publications Center for the Study of Language and Information, Leland Stanford Junior University, 2001, Originally published: University of Chicago Press, 1989.
Horn, Laurence R., Duplex negatio affirmat: The economy of Double Negation, 27th Regional Meeting of the Chicago Linguistic Society 1991, http://ling.yale.edu/sites/default/files/files/horn/Horn1991_DoubleNegation_CLS.pdf.
Jang, Kyung-Won, Die Realität des Ungesagten: Rezeption und Repräsentation von Attribut-Negation, Dissertation an der Universität Bielefeld, 2005, https://pub.uni-bielefeld.de/publication/2306415.
Kirby, Philippa, Double and Multiple Negatives; Accents and Dialects, https://www.american.edu/cas/tesol/resources/upload/Kirby_Philippa.pdf.
Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache24, bearbeitet von Elmar Seebold, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2002.
Philipps, Lothar, Der Kampf um markierte und unmarkierte Ausdrücke in Sprache und Recht, in: Jusletter IT 5. Oktober 2011.
Rami, Michael, «Jesus und die Juristen», ÖJZ 2010/30, S. 288.
von Heusinger, Klaus, Die Bedeutung von Verboten. Zur Semantik von Verbotszeichen, Universität Konstanz, 2001, https://www.yumpu.com/de/document/view/3178678/die-bedeutung-von-verboten-zur-semantik-von-negationszeichen.
- 1 Von Heusinger, Die Bedeutung von Verboten – Semantik von Negationszeichen, S. 9.
- 2 Typischerweise wird hier von mir, wie an vielen anderen Stellen des Textes, eine Litotes gesetzt.
- 3 Bei den Zitaten wird die ursprüngliche Schreibweise beibehalten, auch wenn sie nicht den heutigen Rechtschreibregeln entspricht.
- 4 Siehe dazu die beiden Literaturangaben zu Horn.
- 5 Registration Number 1539677, https://trademarks.iustia.com/737/48/negaholics-73748125.html, alle Websites abgerufen am 8. Januar 2016.
- 6 Ramis Beispiel, dass «unzweideutig» in § 5c Abs. 2 KSchG nicht eindeutig ist, da nicht nur Eindeutiges, sondern auch Mehrdeutiges bei mehr als zwei Deutungsmöglichkeiten «unzweideutig» ist, ist wegen einer zwischenzeitigen Gesetzesänderung nicht mehr aktuell. «Unzweideutig» wird aber immer noch (unnötig) in § 12 Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 und anderen österreichischen Wahlordnungen verwendet.
- 7 Nach Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache24, hat bei der Bildung des Wortes «nichts» vielleicht die Verstärkung nihtesniht (überhaupt nicht), bei der der zweite Bestandteil weggelassen wurde, mit eingewirkt.
- 8 CUS, Das sonderbare Lexikon der deutschen Sprache, S. 308.
- 9 Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache24.
- 10 Philipps, Der Kampf um markierte und unmarkierte Ausdrücke, Rz 19.
- 11 Anderes Beispiel für negativen Concord: «ich verbot iu daz ir niht sprechen solt», beide aus http://www.arcuslunaris.de/download/negation.pdf.
- 12 Kyung-Won Jang (siehe die Literaturangaben) beschäftigte sich in seiner Dissertation höchst interessant mit der Negation aus kognitionswissenschaftlicher Sicht und der Verarbeitung negierter Attribute und Handlungsanweisungen.