1.
Einleitung & Problemstellungen ^
Der Geschäftsabschluss unter Maschinen ohne menschliche Eingriffe ist zur Realität geworden. Immer häufiger werden innerhalb definierter Prozesse von Software-Agents mit einer gewissen Intelligenz als Reaktion auf bestimmte Ereignisse Handlungen gesetzt, die zu einem Vertragsabschluss führen. Beispielsweise fällt der Lagerbestand zu einem bestimmten Produkt unter einen definierten Schwellwert und ein unternehmenseigener IT-Dienst bestellt automatisch Waren nach, um nur einen anschaulichen Anwendungsfall zu beschreiben. Die dafür benötigten Technologien sind schon entwickelt, wie man am Beispiel des High-Frequency Tradings (HFT)1 sehen kann. Mittels Algorithmen können innerhalb von Mikrosekunden Transaktionen von Hochleistungsrechnern getätigt und somit rechtsverbindliche Geschäfte abgeschlossen werden. Auch im Bereich der Industrie wird diese Art des Vertragsschlusses implementiert werden. Smart Production, im deutschsprachigen Raum auch «Industrie 4.0»2, umfasst zahlreiche Komponenten, zu denen auch der Vertragsabschluss M2M (Machine to Machine) gehört. Die intelligente Fabrik von morgen erhält den Auftrag zur Produktion eines Chassis von der Maschine des Autoherstellers XY. Alles just-in-time, ohne menschliches Zutun und bei einer gewinnbringenden Losgröße von 1 Stück. Aufgrund dieser technologischen Änderungen stehen auch die rechtlichen Regelungen vor einem Wandel. Aus diesem Grund und zur besseren Veranschaulichung werden in diesem Paper die zivilrechtlichen Grundlagen von Vertragsabschlüssen unter Menschen und in weiterer Folge von computerunterstützten Vertragsabschlüssen (HMI – Human Machine Interference) dargestellt, um abschließend diese Erkenntnisse auf automatisierte Vertragsabschlüsse (M2M) umlegen zu können. Der Leser wird merken, dass oftmals die Umlegung von HMI zu M2M nicht unmittelbar zu funktionierenden Lösungen führt. Daher werden Anpassungen vorgeschlagen und Thesen vorgestellt.
2.1.
Zurechnung ^
2.2.
Zugang ^
2.3.
Widerruf der Erklärung ^
- Option A, man akzeptiert, dass es keinen Widerruf bei M2M gibt.
- Option B, man modifiziert die bisher bestehende juristische Ansicht und dehnt den Widerrufszeitpunkt über den Zeitpunkt der Kenntnisnahme bis zur tatsächlichen Annahme15 aus.
- Option C, der Widerrufszeitpunkt wird auch über den Zeitpunkt der Annahme ausgedehnt.
2.4.
Irrtumsanfechtung ^
- Wenn die Programmierung der für die Eingabe bestimmten Parameter bzw. der Entscheidungslogik selbst falsch war, dann scheitert hier die Irrtumsanfechtung. Der Irrtum wurde durch das Unterlassen der Zurverfügungstellung der technischen Mittel nach § 10 Abs. 1 ECG nicht veranlasst.
- Wenn die Programmierung der Parameter bzw. der Entscheidungslogik richtig war und aufgrund eines technischen Fehlers die tatsächliche Eingabe davon abweicht, dann kann man § 10 Abs. 1 ECG auch auf M2M anwenden und einen Irrtum geltend machen.
2.5.
Signatur ^
3.
Conclusio ^
- 1 Im Hochfrequenzhandel wechseln Wertpapiere innerhalb von Mikrosekunden den Besitzer. Dies ist nur mithilfe von modernsten Computern möglich. Diese Handelsform ermöglicht es minimale Kursbewegungen auszunutzen, was menschlichen Börsenmaklern so schnell nicht möglich ist. Dieser superschnelle Handel erhöht die Umsätze an den Börsen, macht aber nach Experteneinschätzung die Aktienmärkte instabil. http://www.boerse.de/boersenlexikon/Hochfrequenzhandel (aufgerufen am 10. Januar 2016).
- 2 Für eine ausführliche Erklärung des Begriffs «Industrie 4.0» siehe Tschohl, Industrie 4.0 aus rechtlicher Perspektive, e & i Elektronik und Informationstechnik 2014/7, S. 219.
- 3 Zankl, Rechtsqualität und Zugang von Erklärungen im Internet, ecolex 2001, S. 344.
- 4 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesamten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie (ABGB), JGS Nr. 1811/946 i.d.F. BGBl. I 2015/87.
- 5 Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4, § 862a Rz 2.
- 6 OGH 30. März 2011, 9 ObA 51/10f.
- 7 OGH 29. November 2007, 2 Ob 108/07g.
- 8 RL 2000/31/EG ABl. L 2000/178, 1.
- 9 Bundesgesetz, mit dem bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt werden (E-Commerce-Gesetz – ECG), BGBl. I 2001/152 i.d.F. BGBl. I 2015/34.
- 10 Auslegung nach dem Wortlaut befürwortet Blume/Hammerl, E-Commerce-Gesetz ECG: Kommentar zum E-Commerce-Gesetz ECG, § 12 ECG Rz 6; Für gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung Brenn in Brenn, E-Commerce-Gesetz (ECG): Kurzkommentar, S. 21.
- 11 OGH 28. April 1954, 1 Ob 149/54.
- 12 Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4, § 862a Rz 9.
- 13 Zankl, ecolex 2001, S. 344.
- 14 Die Vorfragen der Zurechenbarkeit wurden in Kapitel 2.2 eingehend behandelt.
- 15 Diese wird vom Erklärungsempfänger zur Abschließung eines rechtsverbindlichen Vertrags abgegeben – meist in Form einer schriftlichen Annahmeerklärung.
- 16 § 871 ff. ABGB.
- 17 Siehe dazu auch Kapitel 2.4.
- 18 Bundesgesetz über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG), BGBl. I 2014/33, i.d.F. BGBl. I 2015/83.
- 19 Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01, § 871 Rn 4.
- 20 OGH 23. November 2000, 6 Ob 281/00t.
- 21 OGH 26. April 1988, 5 Ob 536/88.
- 22 § 3 Abs. 2 ECG: eine natürliche oder juristische Person oder sonstige rechtsfähige Einrichtung, die einen Dienst der Informationsgesellschaft bereitstellt.
- 23 Zu beachten ist, dass auch hier ein Mensch hinter der Maschine steht dessen Willenserklärung abgegeben werden soll. Es sei auf das bisher Gesagte zur Zurechnung in Kapitel 2.2 zu verweisen, wo auch der Unterschied zwischen dem Betreiber der Maschine (Machthaber, Geber der Willenserklärung) und dem Programmierer der Maschine erklärt wurde.
- 24 Siehe Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01, § 871 Rn 7. Erklärungsirrtum bezeichnet ganz allgemein eine Diskrepanz zwischen Erklärung und Willen: Der Erklärende erklärt – objektiv betrachtet – etwas Anderes, als er erklären wollte.
- 25 Sehr empfehlenswert Schweighofer/Liebwald, Advanced Lexical Ontologies and Hybrid Knowledge Based Systems: First Steps to a Dynamic Legal Electronic Commentary, AI & Law Journal 2007/15, S. 103ff.
- 26 Zankl, ecolex 2001, S. 344.
- 27 Vom objektiven Erklärungswert abweichender Wille, den der andere Teil erkennt, geht vor.
- 28 Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 871 Rz 25.
- 29 Bürgschaftserklärungen, Begründungen von Wohnungseigentum.
- 30 Bundesgesetz über elektronische Signaturen (Signaturgesetz – SigG), BGBl. I 1999/190, i.d.F. BGBl. I 2008/59.
- 31 § 4 Abs. 1 SigG.
- 32 § 2 Abs. 3a SigG.
- 33 RL 1999/93/EG ABl. L 2000/13, 12.
- 34 § 2 Abs. 9 SigG.
- 35 Beispielhaft den Namen des Signators, Vertretungsmacht, Gültigkeit des Zertifikats.