1.
Einleitung ^
[1]
Um die Reichweite und die Beschleunigung von Elektrofahrzeugen aufrecht zu erhalten, muss die Traktionsbatterie (englisch Electric Vehicle Battery, EVB) nach etwa 120.000 bis 180.000 gefahrenen Kilometern oder acht bis zehn Betriebsjahren aufgrund einer fortschreitenden Alterung gegen eine neue Batterie getauscht werden [Ahmadi et al. 2014; BMW AG 2015; Nissan Motor Co. Ltd. 2014]. Die Umwidmung und anschließende Nachnutzung dieser ausgedienten Batterien als stationäre Energiespeicher kann zu zusätzlichen Einnahmen und somit zu einer potentiellen Senkung der Gesamtkosten für Elektrofahrzeuge führen [Aziz et al. 2014; Elkind 2014].
[2]
Die Wirtschaftlichkeit einer entsprechenden Umwidmung und Nachnutzung ist jedoch von der effizienten Aufgabenerfüllung der kooperierenden Stakeholder abhängig [Foster et al. 2014; Lih et al. 2012]. Zu den Stakeholdern zählen etwa die Automobilkonzerne, Intermediäre für die Umwidmung und den Vertrieb der gebrauchten Batterien sowie weitere Dienstleister wie Logistiker und Recycler [Klör, Beverungen et al. 2015]. Informationssysteme (IS) gelten dabei als Garanten, um die effiziente unternehmensübergreifende Aufgabenerfüllung zu unterstützen [Beverungen et al. 2015].
[3]
Aufgrund ihrer Charakterisierung als Gefahrgut unterliegen die für die Handhabung der Batterie zentralen Prozesse einer Vielzahl strenger rechtlichen Anforderungen (z.B. für den Arbeitsschutz bei der Umwidmung, beim Transport und beim Betrieb) [Klör, Bräuer und Beverungen 2014]. Die mit den rechtlichen Anforderungen einhergehenden Unsicherheiten betreffen nicht nur die Kooperationspartner bei der Ausgestaltung der Prozesse, sondern insbesondere auch IT-Dienstleister, die eine Unterstützung der Prozesse durch IT-basierte Lösungen anstreben. Entsprechende rechtliche Anforderungen müssen somit bereits in frühen Phasen der Planung und Ausgestaltung von Kooperationen und Informationssystemen Berücksichtigung finden [Becker et al. 2014].
[4]
Arbeiten zur Integration von rechtlichen Anforderungen in die Entwicklung von IT-basierten Lösungen existieren etwa im Forschungsgebiet des Business Process Compliance [Fellmann und Zasada 2014; El Kharbili 2012], die jedoch meist nicht über die modellbasierte Dokumentation und Validierung rechtlicher Anforderungen hinausgehen. Generische Frameworks zur Dokumentation und Analyse von rechtlichen Anforderungen (z.B. in [Hassan und Logrippo 2013; Knackstedt et al. 2012]) beschränken sich häufig auf die reine Strukturierung von Anforderungen. Auf ähnliche Problemstellungen übertragbare konkrete Gestaltungsempfehlungen in Form von Bausteinen für IT-basierte Lösungen zur Handhabung rechtlicher Anforderungen werden dagegen kaum beschrieben.
[5]
Das Ziel des vorliegenden Beitrages ist die Entwicklung eines Frameworks, das die im Rahmen der Umwidmung und Nachnutzung von EVB anfallenden Aufgaben sowie die resultierenden rechtlichen Herausforderungen mit IT-basierten Lösungen verknüpft. Dazu werden die durch Recht bedingten anfallenden Aufgaben exemplarisch dokumentiert. Ferner werden konkrete Gestaltungsempfehlungen erarbeitet, um die Aufgabendurchführung in einem IS zu unterstützen. Die Empfehlungen erleichtern die Entwicklung von IS in dieser Domäne. Zur Demonstration der Anwendbarkeit dient ein für die Umwidmung und Nachnutzung entwickelter Prototyp eines Entscheidungsunterstützungssystems (EUS).
[6]
Der weitere Beitrag strukturiert sich wie folgt. Kapitel 2 stellt kurz eine Auswahl existierender Ansätze zur Integration von IT und rechtlichen Anforderungen vor. Anschließend erfolgt die Darstellung des methodischen Vorgehens in Kapitel 3. In Kapitel 4 wird das Framework beschrieben ehe es in Kapitel 5 am Beispiel der Nachnutzung von EVB zur Anwendung gebracht wird. Zusammenfassung und Ausblick schließen in Kapitel 6 den Beitrag.
2.
Forschungshintergrund zum Einfluss von Recht auf die Gestaltung von IS ^
[7]
Die Einflüsse von Recht auf die Entwicklung von Informationssystemen werden wissenschaftlich anhand zahlreicher Facetten untersucht. So existieren unter dem Begriff Business Process Compliance (BPC) Beiträge, die die Integration von rechtlichen Aspekten in das Geschäftsprozessmanagement adressieren. Übersichten existierender Ansätze des BPC finden sich in den Werken von Kharbili [2012] und Fellmann und Zasada [2014]. Kharbili [2012] stellt heraus, dass der Fokus der Forschung vor allem auf Ansätzen zur Modellierung, Verifizierung und formellen Ausgestaltung von Compliance-Regeln liegt. Die Übertragbarkeit der Ansätze auf anderen Domänen (hier insbesondere der Modellierung von Artefakten) sieht Kharbili jedoch als kaum gegeben an. Fellmann und Zasada [2014] stellen heraus, dass Compliance schwerpunktmäßig im Design und der Ausführung von Geschäftsprozessen verankert wird, Möglichkeiten zur Evaluation von Compliance und der Entwicklung technischer Artefakte zur Unterstützung der Compliance-Einhaltung während der Ausführung der Prozesse jedoch weitgehend ungenutzt bleiben.
[8]
Cleven und Winter [2009] nehmen eine ganzheitliche Sicht auf das Unternehmen ein und untersuchen anhand ihres Business Engineering Frameworks, einer Synthese verschiedener Enterprise Architecture Frameworks wie TOGAF, FEAF und ARIS, für welche Bereiche von Unternehmensarchitekturen Compliance-Forschung betrieben wurde. Dabei ist auffällig, dass zwar zahlreiche Ansätze in den einzelnen Ebenen des Frameworks beschrieben werden, holistische Vorgehensweisen, die Zusammenhänge zwischen mehreren Ebenen darstellen und somit etwa dazu dienen, in der Unternehmensstrategie verankerte Compliance-Regeln über die Geschäftsprozesse bis herunter zu Softwarekomponenten zu operationalisieren, kaum untersucht werden.
[9]
Auch im Software Engineering und dort speziell im Requirements Engineering wurde die Notwendigkeit der Berücksichtigung rechtlicher Anforderungen erkannt [Boella et al. 2014; Otto und Anton 2007]. So wurden Ansätze entwickelt, die etwa die Überlappung verschiedener Regularien [Ghanavati et al. 2014], Querverweise innerhalb von Rechtstexten [Maxwell et al. 2012] und allgemein die Mehrdeutigkeit von Recht [Massey et al. 2014] adressieren. Zudem wurden verschiedene Frameworks und Vorgehensweisen entwickelt, mit denen sich Einflüsse von Recht in frühen Phasen der Informationssystementwicklung berücksichtigen lassen. Ingolfo et al. [2013] integrieren das Acceptability Evaluation Framework (ACE) zur Dokumentation und Verifikation von Anforderungen mit der Nòmos Modellierungssprache [Siena et al. 2009], mit der sich zielorientiert rechtliche Anforderungen durch die Verwendung von Akteuren, Aufgaben und Normen sowie Relationen zwischen diesen repräsentieren lassen. Hassan und Logrippo [2013] schlagen einen Prozess vor, um organisatorische und rechtliche Anforderungen an Software unter Verwendung der Governance Analysis Language (GAL) abzustimmen und in Software zu überführen.
[10]
Knackstedt et al. [2012] ermöglichen es mit ihrem dreidimensionalen Framework die Richtung der Wechselwirkungen zwischen Recht und IS, den wahrgenommenen Charakter der Einflussnahme (positiv, negativ oder mehrdeutig) sowie die wahrgenommene Wirkung (ermöglichend, fordernd, beschränkend) bei der Dokumentation der Beziehungen von Recht und IT zu analysieren. Becker et al. [2014] stellen in ihrem zweidimensionalen Meta-Design die Wechselwirkung von Recht und IT den Phasen der Informationssystementwicklung Design (Modelle) und Implementierung (Instanz) gegenüber und geben konkrete Gestaltungsempfehlungen für die Berücksichtigung rechtlicher Anforderungen bei der Modellierung und Umsetzung.
3.
Methodisches Vorgehen ^
[11]
Der vorliegende Beitrag ist im Rahmen des konsortialen Verbundprojektes «End-Of-Life Solutions für eCar-Batterien» (EOL-IS) entstanden. Die Konsortialpartner von EOL-IS haben sich zum Ziel gesetzt, einen Prototyp eines Entscheidungsunterstützungssystems (EUS) zu entwickeln, der das organisationale Entscheidungsproblem der Nachnutzung gebrauchter EVB durch die Konfiguration kundenproblemzentrierter Bündel aus gebrauchten Batterien und Dienstleistungen löst. Der konsortiale Charakter des Forschungsprojektes [Österle und Otto 2010] ermöglicht durch die Integration von Verbundpartnern unterschiedlicher Disziplinen (u. a. Wirtschaftsinformatik, Rückwärtslogistik, Batterieherstellung und -recycling) einen interdisziplinären Forschungsansatz.
[12]
Die im Bereich der Nachnutzung von EVB durchzuführenden Aufgaben (z.B. Entgegennahme und Umwidmung von Batterien) sind durch zahlreiche rechtliche Verpflichtungen gekennzeichnet. Um eine Software für diesen Problembereich zu konzipieren, ist es erforderlich, das rechtliche Rahmenwerk zu skizzieren. Im Sinne konzeptueller Forschung [Mora et al. 2008] entwickelt dieser Beitrag deshalb ein Framework zur Strukturierung rechtlicher Anforderungen mit der Zielstellung, die disziplinübergreifenden Aufgaben zu dokumentieren. Das Framework kann dazu genutzt werden, Gestaltungsempfehlungen für die durch das IS zu unterstützenden Aufgaben abzuleiten.
[13]
Unter Anwendung des Frameworks wurde bereits ein lauffähiger Softwareprototyp eines EUSs entwickelt. Der Prototyp ist in der Lage, gebrauchte Batterien gemäß ihrer technischen Zulässigkeit zu Nachnutzungsszenarien zuzuordnen (Matching) und unterstützt bei der Konfiguration rechtlich konformer ergänzender Dienstleistungen (Dienstleistungskonfiguration). Das Framework wird in dieser Arbeit einer Demonstration unterzogen, indem für die Nachnutzung exemplarisch dokumentierte disziplinübergreifende Aufgaben mit den Gestaltungsentscheidungen im Prototyp gezeigt werden. Der Beitrag adressiert dabei ein grundlegendes Verständnis von Recht, ohne weitere Verkomplizierungen etwa durch die Berücksichtigung von unterschiedlichen Gerichtbarkeiten oder der Doppeldeutigkeit von Recht.
4.
Framework zur Beschreibung von Aufgaben, Recht und IT-Lösungen ^
[14]
Die softwaretechnische Entwicklung von IS orientiert sich an drei übergeordneten Phasen, der Analyse, dem Design und der Implementierung [Balzert 2000; Ludewig und Lichter 2007]. Durch die Analyse, Dokumentation und Modellierung von Anforderungen einer Domäne (Problembereich), für die eine Softwareimplementierung erfolgen soll, entsteht ein tiefes Verständnis der Aufgaben, Herausforderungen und Probleme seitens der Entwickler. Daher kommt den beiden Phasen Analyse und Design im Entwicklungsprozess besondere Aufmerksamkeit zuteil, so dass durch die Synthese der konzeptionellen Artefakte in der Implementierung ein anwendbares IS erstellt werden kann.
[15]
Das Framework strukturiert sich wie folgt (Abbildung 1). Eine Zieldomäne mit ihren Subdomänen weist durch IT zu unterstützende Aufgaben auf. Aufgaben lassen sich durch Lösungsbausteine in Form von zusammenhängenden Aktivitäten weiter detaillieren. Vor allem bei interdisziplinären Problemstellungen besitzen diese Lösungsbausteine ihren Ursprung möglicherweise in unterschiedlichen Disziplinen. Entsprechend tangieren sie häufig rechtliche Anforderungen, die mit diesen Disziplinen in Verbindung stehen. Weitere rechtliche Anforderungen ergeben sich ggf. durch in der Zieldomäne bereits existierende rechtliche Grundlagen. Entsprechend der Tripel aus Lösungsbaustein, Ursprungsdisziplin und rechtlichen Anforderungen können IT-Komponenten oder Gestaltungsempfehlungen entwickelt werden, die letztendlich in IT-Lösungen zum Einsatz kommen. Die Gestaltungsempfehlungen nehmen dabei einen hohen Stellenwert ein. Wir verstehen unter Gestaltungsempfehlungen z.B. logische Dialogstrukturen, User Controls, Notifizierungen und Visualisierungen, die bei der rechtskonformen Ausführung der Aufgaben unterstützen.
[16]
Das vorliegende Framework hilft dabei, der in der Softwareentwicklung inhärenten Unsicherheit [Ziv und Richardson 1997] zu begegnen, indem strukturelle Vorgaben für die Dokumentation von Aufgaben, Lösungsbausteinen und mit diesen verbundenen rechtlichen Anforderungen gemacht werden. Das strukturierte Vorgehen erleichtert die Ableitung von konkreten Gestaltungsempfehlungen und kann den häufig domänenfremden Softwareentwicklern einen leichteren Zugang zur Zieldomäne bereiten. Für eine Detaillierung der Zusammenhänge zwischen Recht und IT können die in Kapitel 2 dokumentierten Ansätze gemeinsam mit Domänenexperten zum Einsatz gebracht werden.
5.
Demonstration des Frameworks für die Nachnutzung von Traktionsbatterien ^
[17]
End-Of-Life-Strategien (EOL-Strategien) für Traktionsbatterien aus Elektroautos sind eine neuartige Forschungs- und Entwicklungsdomäne. Die Wiederaufbereitung von Traktionsbatterien stellt das ursprüngliche Leistungsvermögen der Batterie wieder her und ermöglicht den erneuten Einsatz im ursprünglichen Elektrofahrzeug. Bei der Wiederverwendung wird die Batterie ebenfalls erneut in einem Automobil zum Einsatz gebracht. Umwidmung und Weiterverwendung (häufig vereinfacht als Nachnutzung bezeichnet) ermöglichen die Nutzung der Batterie in einem vom ursprünglichen Zweck abweichenden Nachnutzungsszenario. Zudem lassen sich Batterien lagern (Lagerung) oder, bei fehlender Eignung für eine der anderen Strategien, verwerten (Verwertung). Im Folgenden wird die Umwidmung und Weiterverwendung exemplarisch mit Hilfe des Frameworks detailliert.
5.1.
Aufgaben bei der Umwidmung und Weiterverwendung ^
[18]
Batterierücknahme: Die Rücknahme der Batterie erfolgt bei einem qualifizierten Händler oder in einer Werkstatt. Nachdem der Kunde dort sein Elektrofahrzeug abgegeben hat, wird die Batterie identifiziert, aus dem Fahrzeug ausgebaut, einer visuellen Prüfung unterzogen, um mechanische Schäden und somit Gefahren für Beteiligte zu identifizieren [Klör, Bräuer und Beverungen 2014], entsprechend ihres Zustandes registriert und bis zur weiteren Behandlung gelagert. Bei der Registrierung werden die Stammdaten (z.B. Hersteller, Batterietyp, Zellchemie), die Bewegungsdaten (z.B. Alterungshistorie) und die Statusdaten (z.B. aktuelle Spannung und Stromstärke) der Batterie erfasst [Klör, Bräuer et al. 2015].
[19]
Matching von Batterien und Nachnutzungsszenarien: Jede Batterie, die als einwandfrei und somit als weiterverwendbar befunden wurde, erfordert eine Entscheidung in welcher Form sie zu welchem Nachnutzungsszenario zugeordnet werden soll [Beverungen et al. 2015]. Dazu müssen die Anforderungen von Nachnutzungsszenarien erfasst und ein Abgleich der Batteriedaten (technische Charakteristiken) und Szenariodaten (technische Anforderungen) vorgenommen werden. Eine Batterie kann sich dabei für mehrere Szenarien eignen und umgekehrt können für ein Szenario mehrere Batterien in Frage kommen.
[20]
Dienstleistungskonfiguration: Um die Attraktivität einer gebrauchten Batterie gegenüber dem Kunden zu erhöhen und dem Kunden die sachgemäße Verwendung der Batterie im Nachnutzungsszenario zu ermöglichen, muss die Batterie um weitere Dienstleistungen, wie einen Transport zum Ort der Nutzung, eine Inbetriebnahme, Wartungsverträge und Garantien ergänzt werden [Klör, Beverungen et al. 2015]. Die Auswahl der Dienstleistungen ist abhängig von der individuellen Batterie, dem Nachnutzungsszenario sowie von Präferenzen und dem Budget des Kunden.
5.2.
Rechtliche Anforderungen bei der Umwidmung und Weiterverwendung ^
[21]
Auch wenn aufgrund der Neuartigkeit der Nachnutzung von Traktionsbatterien bis zum jetzigen Zeitpunkt noch kaum spezielle Gesetze und Normen verabschiedet wurden, so sind viele relevante Aufgaben und Aktivitäten in Deutschland durch zahlreiche geltende Gesetze beeinflusst. Ein Großteil der Anforderungen kann dabei direkt aus der Klassifizierung der aus Lithium-Ionen-Zellen hergestellten Batterien als Gefahrgut abgeleitet werden.
[22]
Eine Auswahl von rechtlichen Anforderungen, die mit den Aufgaben und Aktivitäten in Verbindung stehen findet sich in Tabelle 1. Eine weitere Detaillierung der insbesondere mit der Batterielogistik in Verbindung stehenden rechtlichen Anforderungen findet sich in Klör et al. [2014]. Weitere Hinweise zu relevanten Gesetzen, Normen und Richtlinien speziell für die Nachnutzung der Batterien als Energiespeicher finden sich im Begleitdokument zum Speicherpass [Bundesverband Solarwirtschaft 2014].
5.3.
Gestaltungsempfehlungen und ihre Umsetzung im Entscheidungsunterstützungssystem ^
[23]
Für die aufgeführten Aufgaben und Aktivitäten werden nachfolgend Gestaltungsempfehlungen aufgezeigt und ihre Umsetzung im Entscheidungsunterstützungssystem EOL-IS mit Hilfe von Screenshots abgebildet.
[24]
Batterierücknahme: Die Rücknahme von EVB verlangt aus rechtlicher Sicht u. a. nach qualifiziertem Personal und geeignetem Material. Da diese rechtlichen Herausforderungen bei der Rücknahme von Batterien eher den operativen Prozesskontext betreffen, wird ein Hilfekontext bei der Registrierung einer Batterie im Entscheidungsunterstützungssystem vorgeschlagen (Abbildung 2, oben). Der Hilfekontext gibt die wesentlichen rechtlichen Herausforderungen wider, um so den Nutzer des IS für die Gefährlichkeit des Gutes und das Handling zu sensibilisieren. Der Hilfekontext umfasst dabei allgemeinverständliche Aussagen, die dem Benutzer schrittweise mitteilen, dass (1) für das Handling qualifiziertes Personal (Hochvoltschein) benötigt wird, dass (2) der Service-Plug zur Sicherung der Batterie gezogen sein muss, dass (3) eine Sichtprüfung erfolgen muss, ob die Batterie intakt oder defekt ist und dass (4) die Lagerung sachgerecht auf z.B. säurefesten Lagerplätzen erfolgen muss. Alternativ zu den Hilfetexten sind auch aktiv zu bestätigende Einzeldialoge denkbar.
[25]
Matching von Batterien und Nachnutzungsszenarien: Das Entscheidungsproblem, das im Rahmen der Zuordnung von EVB zu Nachnutzungsszenarien gelöst werden muss, wird durch die rechtliche Herausforderung des KrWG bedingt (§6 (1) KrWG), so viele Batterien wie möglich nachzunutzen (Abfallvermeidung). Die rechtliche Herausforderung fragt also indirekt nach einer optimalen Verwertungsstrategie, nach der auch das hiesige Entscheidungsproblem ausgestaltet sein muss. Diese Optimalität kann durch ein Optimierungssystem erreicht werden, das die technischen Eigenschaften von gebrauchten Batterien mit den technischen Anforderungen eines jeden Nachnutzungsszenarios abgleicht und dadurch den Lösungsraum aufspannt. Gemäß einer Zielfunktion (z.B. «finde» den maximalen Profit oder die beste technische Passung) wird das Entscheidungsproblem an den effizienten Rand geführt und somit das Optimum identifiziert. Dies schließt auch die optimale Menge an Zuordnungen ein, die gemäß des definierten Ziels eine optimale Weiterverwendung von EVB erlauben (Abbildung 2, unten).
[26]
Dienstleistungskonfiguration: Bei der Ergänzung des Batteriesystems um Dienstleistungen müssen sowohl rechtliche als auch logische Zusammenhänge Berücksichtigung finden. So trägt der Wiederinverkehrbringer der Batterie etwa eine Mitverpflichtung zur Sicherstellung des sachgemäßen Transports des Batteriesystems zum Aufstellungsort, zur sicheren Aufstellung (z.B. VDE-AR-E 2510-2) und insbesondere beim Anschluss an das Niederspannungsnetz zur Anzeige beim Netzbetreiber (§6 EEG 2014). Entsprechende Verpflichtungen können im Regelsystem eines Dienstleistungskonfigurators mit Hilfe von Konditionen und Konklusionen hinterlegt werden (siehe Abbildung 3, oben) und bei der Konfiguration als Pflichtkomponenten hervorgehoben werden (siehe Hervorhebungen bei Dienstleistungsauswahl in Abbildung 3, unten). Auch der gegenseitige Ausschluss von Dienstleistungen (z.B. schließt der Verkauf des Standard-Support-Paketes Geräteschulungen aus) kann mit Hilfe des Regelsystems berücksichtigt werden. Somit kann die Konfiguration rechtlich und logisch zulässiger Dienstleistungen sichergestellt werden.
6.
Zusammenfassung und Ausblick ^
[27]
In diesem Beitrag wurde ein Framework zur Strukturierung und Ableitung von Gestaltungsempfehlungen für disziplinübergreifende, rechtlich bedingte Aufgaben innerhalb einer Domäne vorgestellt und beispielhaft für die Konstruktion eines EUSs im Bereich der Nachnutzung von Traktionsbatterien demonstriert. Das Framework integriert die Sichten Zieldomäne, Aufgaben, Lösungsbausteine (Aktivitäten), Ursprungsdisziplinen, rechtliche Anforderungen und Gestaltungsempfehlungen für die Konstruktion von IS.
[28]
Das Framework stellt einen ergänzenden Beitrag zu vorhandenen Forschungsarbeiten dar, da es über die Dokumentation von domänenspezifischen Aufgaben und deren rechtlicher Herausforderungen hinausgeht und konzeptionelle Empfehlungen für die Ausgestaltung von IS vorsieht. Die Gestaltungsempfehlungen können einen Beitrag für die in der Analyse und im Design von IS-Entwürfen involvierten Stakeholder (z.B. Softwareentwickler, Rechtsexperten, Nutzer) leisten, um den interdisziplinären Austausch über rechtliche Konsequenzen für die Implementierung von Anforderungen im Softwareentwurf zu verbessern und frühzeitiges Feedback zu ermöglichen.
[29]
Das in diesem Beitrag entwickelte Framework weist Limitationen auf. So wurde das Framework bisher nicht evaluiert, da dies erst durch die vielfache Anwendung möglich wird. Nachfolgende Forschungsarbeiten können das vorgestellte Konzept aufgreifen und erweitern, indem weitere Softwareentwicklungen in unterschiedlichen Domänen anhand des Frameworks vorstrukturiert und ausgeführt werden. Ferner ist es denkbar, ein Repository für Gestaltungsempfehlungen aufzubauen, das für die Konstruktion von Software für ähnliche oder gar identische Aufgaben in anderen Domänen herangezogen werden und somit weitere Softwareentwürfe unterstützen kann, die maßgeblich durch Recht beeinflusst werden. Zudem erfolgte die Demonstration des Frameworks nur exemplarisch anhand einiger weniger rechtlicher Anforderungen. Die Komplexität der Domäne der Nachnutzung von EVB verlangt jedoch detailliertere Untersuchungen relevanter Gesetze und Normen, so dass die Gestaltung unterstützender Informationssysteme im engen Dialog zwischen Domänenexperten und Entwicklern erfolgen sollte.
7.
Danksagung ^
[30]
Dieser Beitrag wurde durch die Förderung des BMBF-Projekts «EOL-IS» (Förderkennzeichen 01FE13023E) im Förderprogramm «Dienstleistungsinnovationen für Elektromobilität» ermöglicht.
8.
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