1.
Motivation ^
In den Rechtswissenschaften gewinnen unterschiedliche Repräsentationsformen an Bedeutung [Heddier 2014, 18f.]. Ein besonderes Charakteristikum in der Rechtsvisualisierung ist die interdisziplinäre Ausrichtung, die von weiteren Bereichen wie der Informatik, der Wirtschaftsinformatik, der Kommunikationswissenschaft oder der Psychologie beeinflusst werden kann. Anwendungsbeispiele sind derzeit u.a. in der Visualisierung von Rechtsnormen, Vertragstexten und in der öffentlichen Verwaltung vertreten [z.B. Haapio 2008]. Während einige Repräsentationsformen wie z.B. Flow-Charts zur Darstellung von EU-Normen bereits Verwendung finden [Tobler und Beglinger 2010], ergeben sich auch Anwendungsszenarien für illustrative Visualisierungen wie Comics. So werden Comics verwendet um z.B. Rechtsnormen und vertragliche Inhalte zwischen verschiedenen Parteien zu visualisieren [Brunschwig 2001], Straßenhändlern sprachenunabhängig Erläuterungen zum Handel zur Verfügung zu stellen [Chang 2011] oder juristische Wissensvermittlung im Erbrecht zu unterstützen [Hahn et al. 2013]. Darüber hinaus ergeben sich Potenziale für die Veranschaulichung von Gesetzen – insbesondere im Vertragsrecht – die für Kinder und Jugendliche geeignet sind [Kessel 2011]. Comics können dabei vor allem für die Informationsarten der «Begriffliche Informationen» (Definitionen von Rechtsbegriffen) sowie der «Verhältnisinformationen» (z.B. vertragliche zwischen mehreren Parteien) verwendet werden [Hahn et al. 2014].
Bei der Verwendung von Comics existieren allerdings auch Grenzen [z.B. Brunschwig 2001] wie die Ästhetik (können ästhetische Comics ohne Designer-Qualifikationen entstehen?) oder die Aufwände (Kosten und Zeit) für die Erstellung und Gestaltung. Wenn Comics zum Gebrauchsgegenstand in juristischen Beratungsprozessen werden sollen, um bspw. Klienten Gesetze zu verdeutlichen, sind Werkzeuge nötig, die die Nutzer – auch ohne Designererfahrungen – unterstützen. Dieser Beitrag analysiert daher, welche Funktionen bestehender Tools für eine effiziente Gestaltung im Kontext der Rechtsvisualisierung zur Verfügung stehen. Dazu wird im Folgenden ein Vergleich von ausgewählten Tools durchgeführt, um anhand des State of the Art zu untersuchen, welche Gestaltungsoptionen bereits für die Rechtsvisualisierung existieren.
2.1.
Merkmale zum Vergleich und zur Auswahl von Software ^
2.2.
Vorgehensmodelle zum Vergleich und zur Auswahl von Software ^
Da nur Leitfäden für die allgemeine Software-Auswahl existieren und kein standardisiertes Vorgehen für die Auswahl von Comic-Tools identifiziert werden konnte, orientieren wir uns an einer etablierten Methode aus dem Bereich der Literatur-Reviews, um die Transparenz des gesamten Auswahlprozesses zu erhöhen. Das Framework nach [vom Brocke et al. 2009] forciert das kontinuierliche Dokumentieren von Such- und Auswahlprozessen, um die Nachvollziehbarkeit, die Anschlussfähigkeit und die Qualität des Resultats zu erhöhen. Zunächst erfolgt die Definition des Bereichs (I), in der das Abgrenzen eines speziellen Segmentes, das analysiert werden soll, sowie das Definieren von Zielen stattfindet. Bei der Konzeptualisierung des Themas (II) werden Grundlagen, Schlüsselbegriffe, das domänenspezifische Vokabular und Potenziale für die Forschung erläutert. Diese inhaltliche Übersicht unterstützt das Auswählen geeigneter Suchbegriffe. Die Phase des Literatur-Reviews (III) ist die eigentliche Suche, die in vier Unterschritte der Journal-, der Datenbank-, der Keyword- und der Rückwärts- bzw. Vorwärtssuche untergliedert ist. Grundsätzlich gilt, dass Publikationen aus Journals qualitativ höher eingestuft werden als Proceedings von Konferenzen. Zur Auswahl können Bewertungen und Ranglisten von Veröffentlichungen helfen. In der Literaturanalyse und -synthese (IV) werden die identifizierten Beiträge in themenrelevante Einheiten zusammengeführt und klassifiziert – z.B. in einer Konzept-Matrix. Abschließend wird die Forschungsagenda (V) aufgestellt, in der die Resultate ausgewertet und Forschungsbedarfe definiert werden.
3.
Methodisches Vorgehen ^
Zur Berücksichtigung einer nachvollziehbaren Gestaltung des Vorgehens sowie der einzelnen Such- und Auswahlphasen adaptieren wir nach [vom Brocke et al. 2009] für den Vergleich von Comic-Tools:
Definition und Zielsetzung (I). Analyse und Vergleich bestehender Tools (vgl. Abschnitt 1).
Konzeptualisierung (II). Herleitung von spezifischen Merkmalen (Rechtsvisualisierung und Comics), die für die Suche und Analyse berücksichtigt werden sollen. Dazu orientieren wir uns vor allem an einem typischen Prozess zur Erstellung von Comics (vgl. Abschnitt 4.1).
Tool-Review (III). Ableitung von Schlüsselbegriffen, Konfiguration des Suchstrings und Auswahl von Suchquellen. Definition von Evaluationskriterien für die Toolauswahl (vgl. Abschnitt 4.2).
Toolanalyse und -aufbereitung (IV). Analyse und Klassifikation der Tools mit Hilfe einer Konzept-Matrix, die sich an die identifizierten Merkmale und Kriterien aus der Konzeptualisierung orientiert. Das Resultat ist der State of the Art der Comic-Werkzeuge (vgl. Abschnitt 4.3).
Forschungsagenda (V). Abschließend werden die Resultate interpretiert, um Weiterentwicklungsmaßnahmen für Werkzeuge im Kontext der Rechtsvisualisierung abzuleiten (vgl. Abschnitt 5).
4.1.
Konzeptualisierung ^
Merkmale der Comic-Erstellung. Der Prozess der Comic-Erstellung beginnt zunächst mit einer Idee und Story, die in sich abgeschlossen sein sollten. Dazu können Vorgehensweisen mit Kreativitätstechniken (z.B. Brainstorming) vorgeschlagen werden [MakingComics 2016; Schmidt 2003]. Die eigentliche Gestaltung beginnt meist mit dem Skizzieren von Figuren, die schrittweise mit Farben, Gesten (Körperhaltungen), Mimik (Ausdrücke) und Kleidung vervollständigt werden. Anschließend wird den Figuren Sprech- und Emotionsfähigkeit verliehen, indem die Mimik mit Formen (z.B. für Erstaunen oder Stress) ergänzt wird oder Sprechblasen mit Text hinzugefügt werden. Zusätzliche Objekte können darüber hinaus zur Beschreibung der Figuren und Situationen beitragen [MakingComics 2016; 123Comics 2016]. Damit die Geschichte des Comics deutlich wird, sollte ein geeigneter Panelaufbau gewählt werden – z.B. kleine Panels für schnelle Handlungsübergänge [123Comics 2016]. Abschließend werden die Figuren in Hintergrundszenen und -bildern eingesetzt [Schmidt 2003]. Nachgelagert folgen Aktivitäten, die primär das Veröffentlichen des Comics betreffen, wie z.B. das Drucken (Export), die Distribution (digital und physisch), das Marketing, das Klären von Besitzrechten oder Methoden zum Verkauf eigener Comics [MakingComics 2016].
4.2.
Tool-Review ^
4.3.
Toolanalyse und -aufbereitung ^
Suchresultate. Durch das Untersuchen der Titel und der Beschreibungen der gefundenen Comic-Tools konnten in der ersten Phase 71 relevante Einträge ermittelt werden. In der zweiten Evaluationsstufe wurden diese Tools detaillierter analysiert, wodurch sich Ausschlusskriterien für unseren Beitrag ergeben haben. Ein Tool wird im Folgenden nicht berücksichtigt, insofern es ausschließlich (a) Zeichenwerkzeuge (z.B. für Architekten), (b) Bildverarbeitungsfunktionen (z.B. Helligkeit und Kontrast), (c) TV-Comic-Figuren oder (d) die Werkzeuge für die Bearbeitung von Gesichtern eigener Fotos zur Verfügung stellt.
Unter Berücksichtigung der Ausschlusskriterien wurden schließlich 32 Werkzeuge ermittelt, die mit Name, Referenz, einer kurzen Beschreibung sowie den Kosten in Tabelle 1 aufgelistet werden.
5.
Diskussion und Forschungsagenda ^
Erweiterung der Objekt- und Szenen-Bibliotheken. Es muss sichergestellt werden, dass benötige Objekte, Symbole (z.B. Verbot, Erlaubnis) sowie Szenen (z.B. Verkehr) strukturiert zur Verfügung stehen. Dazu werden (a) domänenspezifische Kategorien und Bibliotheken, (b) Funktionalitäten zur Integration von domänenspezifischen Bibliotheken oder (c) Funktionalitäten zur Integration eigener Elemente benötigt. Zudem müssen repräsentative und allgemeinverständliche Objekte bereit gestellt werden, damit bspw. das Verbot elektronischer Kommunikationsgeräte – in Form eines durchgestrichenen Handys – auch Varianten wie Smartphones meint.
Integration von Konstruktionsassistenten. Neben der reinen Konstruktion eines Comics sind vor- und nachgelagerte Phasen (z.B. Ideenfindung, Gestaltungskonventionen, Distribution) zu beachten. Das Berücksichtigen des gesamten Lebenszyklus bietet Potenziale für das Vorschlagen von Kreativitätstechniken zur Ideengenerierung, zur Konzeption oder zur Einhaltung von Standards für Druckaufträge. Auch hier kann auf Konzepte der Deontik hingewiesen werden, um gezielt logische Strukturen von normativen Aussagen zu beachten.
6.
Literatur ^
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