«Take a tune, sing high when they sing low, sing fast when they sing slow, and you’ve got a new tune.»
Woody Guthrie
1.
Einleitung ^
Es werden also einzelne Tonsequenzen (sogenannte Samples) digital aufgenommen oder extrahiert und anschließend in bearbeiteter Form in das eigene Musikkonzept integriert. Dieses «musikalische Recycling»2 gewann mit der zunehmenden Kommerzialisierung von Computern ab den 1980er Jahren zurecht an Bedeutung, schließlich ist jeder jemals aufgenommene Ton potentiell sampelbar. Der Umfang des zur Verfügung stehenden Instrumentariums ist gewaltig und ermöglicht es, Musikkompositionen binnen weniger Stunden zu arrangieren. Beherrscht man nämlich einige Grundtechniken, können ganze Musikstücke aus vorhandenem Material hergestellt werden.3 Durch Verwendung einer Vielzahl von Samples wird ein neues Ganzes geschaffen. In diesem Zusammenhang wird auch treffend von Toncollagen gesprochen.4 Dass hierbei in fremde Interessen eingegriffen werden kann, liegt auf der Hand; und das wirft viele ungeklärte Rechtsfragen auf.
2.
Alles nur geklaut? ^
Heutzutage kommt kaum eine Musikproduktion gänzlich ohne Samples aus. Trotz dieser massiven Verbreitung und der daraus resultierenden überwältigenden Bedeutung für die Musikwirtschaft, scheint Sound-Sampling nach wie vor verpönt zu sein. Der schöpferischen Leistung des Sampelnden wird aufgrund des einfach anmutenden «Strickmusters» häufig die Qualität abgesprochen. Viele Musiker sehen sich in ihrer Integrität als ernsthafte Künstler verletzt und lehnen diese «bequeme» Kompositionsmethode gänzlich ab. Die Angst vor einem «Klang-Klau»9 scheint die Debatte zu dominieren, schließlich sind Urheberrechtsverletzungen quasi vorprogrammiert. Eine Akzeptanz dieser modernen Kunstform schreitet nur zögerlich voran. So galt etwa bis vor kurzem ein generelles Verbot von Samples für einen Großteil der Kategorien des Grammy Awards; die einflussreiche Recording Academy änderte erst 2014 ihre Regeln zur Vergabe des weltweit prestigeträchtigsten Musikpreises.10
3.
Amnestie für Sampling – Der Anfang einer Lösung? ^
3.1.
Wer ist EMI? ^
3.2.
Was bietet EMI? ^
3.3.
Wo ist der Haken? ^
Die Unterstellung, dass EMI mit seiner Amnestie nicht nur die Interessen der sampelnden Musiker verfolgt, ist nicht ganz unbegründet. Denn im selben Atemzug droht der Musikverlag, diejenigen mit aller Härte zu verfolgen, die von der Amnestie keinen Gebrauch machen und ihre Samples nicht offenlegen. Diese Haltung des übermächtigen Musikriesen ist insbesondere im Lichte der u.U. existenzvernichtenden Ausmaße von Copyright-Infringement-Prozessen durchaus einschüchternd. EMI befindet sich nun in der bequemen Situation, abwarten zu können, bis die potentiellen Urheberrechtsverletzer selbst an die Türe klopfen, um sich dem neuen Regime zu fügen.
Einer zentralen Fragestellung des Sound-Samplings wird hier jedoch völlig aus dem Weg gegangen: Denn nicht jedes Sample muss zwangsläufig gecleared werden. Insbesondere bei besonders kurzen Klangsequenzen sind Eingriffe in fremde Rechte ohnehin zweifelhaft.20 Mangels Urheberrechtsverletzung wären Lizenzgebühren erst gar nicht fällig.
3.4.
Fazit ^
4.
Metall auf Metall, die Dritte ^
Seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten beschäftigt ein etwa zwei Sekunden kurzes Sample des Songs «Metall auf Metall»22 der deutschen Kult-Band Kraftwerk die deutschen Gerichte. Jahre nach dessen Veröffentlichung sampelten die Musikproduzenten Moses Pelham und Martin Haas die Rhythmussequenz und bauten sie unter fortlaufender Wiederholung (sogenannter loop) in den Titel «Nur Mir»23 der Sängerin Sabrina Setlur ein.
4.1.
Vorgeschichte ^
4.2.
Recht auf Sampling? ^
Das Bundesverfassungsgericht widmete sich diesem Thema am 25. November 2015 in einer seiner seltenen mündlichen Verhandlungen, insbesondere um zu klären, inwieweit die Rechtsprechung des BGH die künstlerische Freiheit einschränke und um die wirtschaftliche Bedeutung von Samplinglizenzen zu eruieren.28 Folgende Überlegungen sind für die derzeit anhängige Verfassungsbeschwerde beachtlich:29
4.3.
Ausblick ^
5.
Fazit ^
6.
Literatur ^
Ciresa, Meinhard, Österreichisches Urheberrecht, Loseblattsammlung, Stand Dezember 2013.
Deutscher Anwaltverein (DAV), Verfassungsrechtsausschuss und Ausschuss Geistiges Eigentum, Stellungnahme Nr. 57/2015.
Deutsche Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Stellungnahme Nr. 39/2015.
Häuser, Markus, Sound und Sampling, Der Schutz der Urheber, ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller gegen digitales Soundsampling nach deutschem und US-amerikanischem Recht (2002).
Hoeren, Thomas, Sounds von der Datenbank – Zur urheber- und wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Samplings in der Popmusik, in GRUR 1989, S. 11.
Jacke, Christoph/Kimminich, Eva/Schmidt, Siegfried J., Kulturschutt: Über das Recycling von Theorien und Kulturen (2006).
Kainz, Patrick Onyemaechi, Amnestie für Sampling – Ein unmoralisches Angebot?, in Film, Sound & Media 12/2015.
Köhn, Tina, Die Technisierung der Popmusikproduktion – Probleme der «kleinen Münze» in der Musik, ZUM 1994, S. 278.
Moser, Rolf / Scheuermann, Andreas, Handbuch der Musikwirtschaft6 (2003).
Münker, Reiner, Urheberrechtliche Zustimmungserfordernisse beim Digital Sampling (1994).
Salagean, Emil, Sampling im deutschen, schweizerischen und US-amerikanischen Urheberrecht (2008).
Schulze, Gernot, Urheberrecht und neue Musiktechnologien, in ZUM 1994, S. 15.
Schuster, W. Michael, Fair Use, Girl Talk and Digital Sampling: An Empirical Study of Music Sampling’s Effect on the Market for Copyrighted Works, Oklahoma Law Review Vol. 67, S. 443, 28. Juli 2015, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2340235## (= http://bit.ly/1QI0pAN).
Slavik, Nathan, Alex Black Explains EMI’s Revolutionary Sample Amnesty, 8. Oktober 2015, http://www.djbooth.net/news/entry/2015-10-08-alex-black-interview-emi (= http://bit.ly/1RpEH7U).
Spieß, Andreas, Urheber- und wettbewerbsrechtliche Probleme des Sampling in der Popmusik, in ZUM 1991, S. 524.
Schricker, Gerhard / Loewenheim, Ulrich, Urheberrecht4 (2010).
Tenschert, Holger Johannes, Ist der Sound urheberrechtlich schützbar? in ZUM 1987, S. 612.
Würtenberger, Gert / Loschelder, Michael, Stellungnahme der GRUR zur Verfassungsbeschwerde der P-GmbH u.a. in Sachen «Metall auf Metall» (1 BvR 1585/13), GRUR 2015, S. 861.
Grand Upright Music, Ltd v. Warner Bros. Records, Inc., 780 F.Supp. 182 (S.D.N.Y. 1991).
Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S.569 (1994).
BGH 20. November 2008, I ZR 112/06, Metall auf Metall.
BGH 13. Dezember 2012, I ZR 182/11, Metall auf Metall II.
EuGH 6. Oktober 1982, C-283/81, CILFIT/Ministero della Sanità.
- 1 Spindler in Schricker/Löwenheim, Urheberrecht4 § 31a Rz. 43; Salagean, Sampling im deutschen, schweizerischen und US- amerikanischen Urheberrecht (2008) S. 21.
- 2 Köhn, Die Technisierung in der Popmusikproduktion – Probleme der «kleinen Münze» in der Musik, ZUM 1994, S. 278.
- 3 Diese Kompositionstechnik, die auf extensiver Nutzung von Samples aufbaut, wurde im Jahre 1996 von dem Musiker DJ Shadow auf die Spitze getrieben: Mit «Endtroducing.....» veröffentlichte er das erste Album, das ausschließlich aus Samples besteht.
- 4 Hoeren, Sounds von der Datenbank – Zur urheber- und wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Samplings in der Popmusik, GRUR 1989, S. 11 (S. 12); Spieß, Urheber- und wettbewerbsrechtliche Probleme des Sampling in der Popmusik, ZUM 1991, S. 524 (S. 528); Köhn, Die Technisierung der Popmusikproduktion – Probleme der «kleinen Münze» in der Musik, ZUM 1994, S. 278 (S. 281).
- 5 http://acharts.co/song/72455 (abgefragt am 3. Februar 2016).
- 6 http://bit.ly/1Q79ZdD (abgefragt am 3. Februar 2016).
- 7 Sample-Packs oder Contruction Kits sind gewissermaßen bedienungsfreundliche Baukästen für die eigene Musikproduktion: Auf Datenbanken werden hunderte potentiell verwertbare Klänge zur Verfügung gestellt. Diese enthalten sowohl Einzeltöne als auch komplexere Melodieteile oder Rhythmusfiguren und sind meist bereits nach Tempo oder Tonart geordnet, sodass sie möglichst einfach zu einem harmonischen Ganzen kombiniert werden können.
- 8 http://www.bigfishaudio.com/Nu-Jazz-City (abgefragt am 3. Februar 2016).
- 9 Hoeren, GRUR 1989, S. 11 (S. 13).
- 10 https://www.grammy.org/recording-academy/57th-announcement (abgefragt am 3. Februar 2016).
- 11 Tenschert, Ist der Sound urheberrechtlich schützbar?, ZUM 1987, S. 612 (S. 613 f.).
- 12 Bonz in Jacke/Kimminich/Schmidt, Kulturschutt: Über das Recycling von Theorien und Kulturen (2006) S. 333 ff.
- 13 Beachtlich ist etwa Robert Schumanns Klavierwerk «Carnaval» op. 9, wo der Komponist den Stil und die Komponierweise von Frédéric Chopin (Musiknummer 12) und Niccolò Paganini (Musiknummer 16) eindrucksvoll nachahmt und seinen Vorbildern sogar ausdrücklich widmet.
- 14 Siehe etwa Grand Upright Music, Ltd v. Warner Bros. Records, Inc., 780 F.Supp. 182 (S.D.N.Y. 1991) und Campbell v. Acuff-Rose Music, Inc., 510 U.S.569 (1994).
- 15 http://on.fb.me/1PhKQNa (abgefragt am 3. Februar 2016).
- 16 http://bit.ly/1RdC9JL (abgefragt am 3. Februar 2016).
- 17 Ausführlich dazu Said, The Art of Sampling: The Sampling Tradition of Hip Hop/Rap Music & Copyright Law (2015) S. 337 ff. Siehe auch Zimmermann in Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft6 S. 1183 ff.
- 18 Dies ist insbesondere deshalb bedeutend, weil die Rechte an einer einzelnen Tonaufnahme u.U. auch von einer Vielzahl von Personen gehalten werden kann.
- 19 http://bit.ly/1RpEH7U (abgefragt am 3. Februar 2016).
- 20 Zur Werkeigenschaft von Samples, siehe Ciresa, Österreichisches Urheberrecht § 1 UrhG Rz 32 f.; Häuser, Sound und Sampling (2002) S. 58; Münker, Urheberrechtliche Zustimmungserfordernisse beim Digital Sampling (1994) S. 85; Schulze, Urheberrecht und neue Musiktechnologien, ZUM 1994, S. 15 (S. 19).
- 21 Kainz, Amnestie für Sampling – Ein unmoralisches Angebot?, in Film, Sound & Media 12/2015.
- 22 Erschienen 1977 auf dem Musiklabel Klingklang.
- 23 Erschienen 1997 auf dem Musiklabel Pelham Power Productions.
- 24 Siehe LG Hamburg, 308 O 90/99 und OLG Hamburg, 5 U 48/05 = GRUR-RR 2007, S. 3.
- 25 Siehe BGH 20. November 2008, I ZR 112/06, Metall auf Metall und BGH 13. Dezember 2012, I ZR 182/11, Metall auf Metall II.
- 26 VB 1 BvR 1585/13.
- 27 Nachzulesen in der Pressemitteilung Nr. 77/2015 vom 28. Oktober 2015 des Bundesverfassungsgerichts, abrufbar unter http://bit.ly/1Rs58K3 (abgefragt am 3. Februar 2016).
- 28 Nachzulesen in der Pressemitteilung Nr. 82/2015 vom 9. November 2015 des Bundesverfassungsgerichts, abrufbar unter http://bit.ly/1OaW5cv (abgefragt am 3. Februar 2016).
- 29 Siehe auch Würtenberger, Loschelder, Stellungnahme der GRUR zur Verfassungsbeschwerde der P-GmbH u.a. in Sachen «Metall auf Metall» (1 BvR 1585/13), GRUR 2015, S. 861.
- 30 Siehe Schuster, Fair Use, Girl Talk and Digital Sampling: An Empirical Study of Music Sampling’s Effect on the Market for Copyrighted Works, Oklahoma Law Review Vol. 67, S. 443. Abrufbar unter http://bit.ly/1QI0pAN.
- 31 Hierzu eingehend und m.w.N. die Stellungnahme Nr. 39/2015 der BRAK. AA Stellungnahme Nr. 57/2015 des DAV durch den Verfassungsrechtsausschuss und den Ausschuss Geistiges Eigentum.
- 32 Siehe BGH 20. November 2008, I ZR 112/06, Metall auf Metall.
- 33 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. L 2001/167, 10.
- 34 Siehe dazu die CILFIT-Rechtsprechung des EuGH, EuGH 6. Oktober 1982, C-283/81, CILFIT/Ministero della Sanità.
- 35 Siehe dazu auch Würtenberger, Loschelder, Stellungnahme der GRUR zur Verfassungsbeschwerde der P-GmbH u.a. in Sachen «Metall auf Metall» (1 BvR 1585/13), GRUR 2015, S. 861 und den Beitrag der Digitalen Gesellschaft e.V., http://bit.ly/1JDcYh2 (abgefragt am 3. Februar 2016).